Belarus-Analysen

Ausgabe 35 (20.12.2017) — DOI: 10.31205/BA.035.01, S. 2–6

Belarus und der Westen: Zeit für einen qualitativen Sprung nach vorn?

Von Yauheni Preiherman (Universität Warwick, Großbritannien/Minsk Dialogue Track-II Initiative, Belarus)

Zusammenfassung
2017 hat es weitere Fortschritte in den belarussischen Beziehungen zur Europäischen Union und den Vereinigten Staaten gegeben. Das spiegelt sowohl die politischen, als auch die objektiven Erfordernisse angesichts der Entwicklung in der Region wider. Allerdings ist das Tempo der Normalisierung weiterhin bescheiden, was auf die verschiedenen Beschränkungen und Barrieren verweist, denen sich die beteiligten Seiten gegenübersehen. Insgesamt gibt es Gründe für einen vorsichtigen Optimismus, doch sollten die Erwartungen nicht zu sehr hochgeschraubt werden. Wenn die Annäherung eine Fortsetzung erfahren und greifbarere Ergebnisse bringen soll, müssen Probleme wie die konkreten Interessen, das mangelnde Vertrauen und die divergierenden Sicherheitsnarrative in der Region angegangen werden.

Entwicklung der Beziehungen zwischen Belarus und der EU

Insgesamt haben die Beziehungen zwischen Belarus und der EU 2017 auf den Ergebnissen der Vorjahre aufge­baut; die bestehenden Trends wurden ausgeweitet. Die beiden Seiten haben eine weitere Abkehr von der frü­heren, von Sanktionen geprägten Konfrontation vollzo­gen und den Weg hin zu kooperativeren und zukunfts­gewandten Beziehungen eingeschlagen.

Belarus und die EU haben eine recht lange Geschichte aus Sanktionen und konfliktreicher Interak­tion. Die angespannten Beziehungen nach den belarus­sischen Präsidentschaftswahlen 2010 können in dieser Hinsicht als Höhepunkt gelten. In seinen Schlussfol­gerungen vom 31. Januar 2011 war der Rat der Euro­päischen Union auf die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen und die Gewalt eingegangen, die den Wahl­abend überschattet hatte. Als Reaktion beschloss der Rat Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Ver­mögenswerten in Bezug auf Personen, die aus Sicht der EU »für den Betrug bei den Präsidentschaftswahlen vom 19. Dezember 2010 und das anschließende gewalt­same Vorgehen gegen die demokratische Opposition, die Zivilgesellschaft und Vertreter der unabhängigen Mas­senmedien verantwortlich sind« (s. Rat der EU: Mittei­lung an die Presse, 31. 01. 2011; <http://europa.eu/rapid/ press-release_PRES-11-16_de.htm?locale=FR>). Darü­ber hinaus setzte der Rat die restriktiven Maßnahmen, die zuvor ausgesetzt worden waren, wieder in Kraft. Am 15. Februar 2016 beschloss der Rat, die meisten Sank­tionen gegen Belarus wieder aufzuheben, und öffnete damit ein neues Kapitel seiner Politik gegenüber Minsk. Dieser Entscheidung waren viele Jahre intensiver diplo­matischer Arbeit auf beiden Seiten vorangegangen.

Unter dem Strich des vergangenen Jahres steht eine weitere Normalisierung, auch wenn viele Beobachter mehr erwartet hatten. Das Niveau und die Intensität der Kon­takte wie auch die hochrangigen Besuche haben stetig zuge­nommen. Einige verdienen eine eingehendere Erwähnung.

Sir Alan Duncan, der für Europa und Amerika zustän­dige Staatsminister im britischen Außenministerium, war in den 25 Jahren der Beziehungen zwischen Belarus und dem Vereinigten Königreich das erste hochrangige Mitglied des britischen Kabinetts, das der belarussischen Hauptstadt einen Besuch abstattete. Das spiegelt den positiven Trend der letzten Jahre wider, der zum Teil dadurch gestützt wurde, dass London nach dem Brexit-Referendum und der Verkündeten Konzeption eines »Global Britain« in diversen Regionen der Welt nach neuen Kooperationsmöglichkei­ten sucht. Außerhalb der Diplomatie wird die Entwicklung auch durch zunehmende Kontakten zwischen den Militär­strukturen der beiden Länder erkennbar. Die beiden Ver­teidigungsministerien stehen kurz vor der Unterzeichnung eines bilateralen Kooperationsabkommens.

Sigmar Gabriel ist seit 1995 der erste deutsche Außen­minister, der Minsk einen offiziellen Besuch zu bilateralen Gesprächen abstattete. Beide Außenminister trafen sich mit Präsident Aljaksandr Lukaschanka und mit Außenminister Uladsimir Makej. Sigmar Gabriel sprach zudem gemein­sam mit seinem belarussischen Amtskollegen auf dem 15. Minsk-Forum, das seinen zwanzigsten Jahrestag feierte.

Im Juli fand zum ersten Mal eine Sitzung der Parla­mentarischen Versammlung der OSZE in Belarus statt. Wenn auch das Minsk-Forum nicht unmittelbar mit den belarussischen Beziehungen zur EU in Verbindung stand, so trug es zweifellos zu einer atmosphärischen Verbes­serung dort bei. Am Rande der Veranstaltung erfolgte eine Begegnung von Präsident Lukaschenka mit dem amtierenden OSZE-Vorsitzenden, dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz. Nach den jüngsten Natio­nalratswahlen in Österreich dürfte Kurz der nächste Bun­deskanzler werden. Das bedeutet, dass die Begegnung vom Juli nachträglich zu einem Beitrag auch für die künf­tigen belarussisch-österreichischen geworden ist.

Im Gegenzug besuchten zahlreiche belarussische Regierungsdelegationen Hauptstädte von EU-Mitglieds­staaten und nahmen an bi- und multilateralen Foren teil. Am prominentesten war das Investitionsforum »Belarus. Invest in Tomorrow«, das am 27. Oktober in Luxemburg stattfand. Dort wandte sich der belarussische Minister­präsident Andrej Kabjakou an Vertreter von über 200 europäischen Unternehmen und führte Unterredungen mit Johannes Hahn, dem EU-Kommissar für Erweite­rung und die Europäische Nachbarschaftspolitik

Die positiven Schritte in den Beziehungen zwischen Belarus und der EU werden von beiden Seiten wahr­genommen und hervorgehoben. Wichtig ist, dass sich die Kontakte nicht nur zwischen dem belarussischen Außenministerium und dessen Gegenüber in Brüssel sowie in den EU-Hauptstädten verbessert und inten­siviert haben. Es finden nun immer mehr Sitzungen und Gespräche auf eher funktionaler Ebene statt, also unter Beteiligung der Fachministerien und -behörden. Die belarussische Präsidentschaft der »Zentraleuropäi­schen Initiative« (CEI), einer subregionalen Organisa­tion in Mittel- und Osteuropa, bedeutete einen wich­tigen Beitrag in dieser Richtung. Es ist das erste Mal, dass Belarus die wechselnde Präsidentschaft einer inter­nationalen Organisation außerhalb des postsowjetischen Raumes innehat. Das ist in Bezug auf eine Diversifizie­rung der belarussischen Außenpolitik symbolisch und instrumental wichtig. Wie die OSZE auch, ist die CEI nicht direkt an die EU angebunden. Sie fördert aber eine zusätzliche Zusammenarbeit mit einigen EU-Staaten (vor allem Italien und Österreich) und bereichert letzt­endlich die europäische Agenda von Belarus.

Diplomaten der EU zufolge haben diese bescheide­nen, aber stimmigen Fortschritte die Beziehungen in eine neue Phase treten lassen. Anders als vor einigen Jahren noch, können die Diplomaten nun offen mitei­nander sprechen (wenn auch noch nicht öffentlich), was sicherlich dazu beiträgt, allmählich gegenseitiges Ver­trauen und Verständnis aufzubauen. Die 2016 geschaf­fene Koordinationsgruppe EU-Belarus ist ein gutes Bei­spiel hierfür. Sie tagt zwei Mal jährlich jeweils in Minsk und Brüssel, um eine Reihe von Themen zu behandeln und Prioritäten für die zukünftige Zusammenarbeit fest­zulegen. Zu den Themen gehören Mobilität, People-to- People-Kontakte, Handel, Zollfragen, Verkehr, Umwelt, Forschung, Bildung, phytosanitäre und Gesundheits­schutzstandards, Landwirtschaft und soziale Sicherung sowie Menschenrechte und politische Freiheiten. Die beiden letzten Themen verursachen eine Vielzahl von Kontroversen; manchmal gehen die Interpretationen der Seiten auseinander, doch scheint Minsk entschlossen, die Diskussion auszuweiten und zu vertiefen. Hiervon getrennt haben seit 2015 zudem jährliche Sitzungen des bilateralen Menschenrechtsdialogs stattgefunden. Im Juli fand in Brüssel die dritte Runde des Dialogs statt.

Die Fortschritte im wirtschaftlichen Bereich waren ebenfalls bescheiden, jedoch sichtbar. Zu den wichtigs­ten Fortschritten gehört die zunehmende Aktivität der »Europäischen Investitionsbank« (EIB) und der »Euro­päischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung« (EBWE) in Belarus. Nach einem Rahmenabkommen über Zusammenarbeit, das im Mai unterzeichnet und im Juli vom belarussischen Parlament ratifiziert wurde, ist die EIB endlich auch nach Belarus gelangt. Sie wird nun eine Reihe von belarussischen Infrastrukturprojek­ten unterstützen, unter anderem eine Erneuerung von internationalen Verkehrskorridoren, kommunale und Umweltinfrastruktur (beispielsweise Energie-, Wasser-, Abwasser- sowie Klimaschutzprojekte). Zudem ist die EIB bereits an der Prüfung eines Projekts beteiligt, bei dem es um die Modernisierung einer Autobahn zur litauischen Grenze geht und das parallel von der Welt­bank finanziert wird.

Die EBWE wiederum ist kein neuer Akteur in Bela­rus. Sie hat sich in den letzten Jahren zunehmend im Land engagiert, insbesondere, seit sie Ressourcen aus Projekten in Russland abziehen musste. Wichtig ist, dass die EBWE nun eine neue Länderstrategie für Belarus verabschiedet hat, die die verbesserte Atmosphäre in den Beziehungen zwischen Belarus und der EU reflektiert. Unter anderem erweitert die Strategie das EBWE-Port­folio um eine Zusammenarbeit mit Unternehmen, die sich im Staatsbesitz befinden, während sie zuvor nur im Privatsektor tätig war.

Nachdem die positive Entwicklung in den Beziehun­gen beleuchtet wurde, muss gleichwohl ein wichtiges Defizit herausgestellt werden: Die Beziehungen hinken derzeit immer noch dem Niveau der Zusammenarbeit hinterher, die die EU zu den fünf übrigen Ländern der Östlichen Partnerschaft (ÖP) unterhält. Der jüngste Gipfel der Partnerschaft, der am 24. November 2017 in Brüssel stattfand, hat das erneut gezeigt.

Zum ersten Mal überhaupt wurde Präsident Luka­schenka persönlich zu einer Teilnahme eingeladen. Darüber hinaus haben EU-Institutionen und mehrere Mitgliedsstaaten intensive Signale an Minsk gerich­tet, dass sie hofften, der Präsident werde die Einladung annehmen. Das tat er allerdings nicht und erneut stand der Außenminister an der Spitze der belarussischen Delegation. Diese Entscheidung scheint auf mindes­tens drei Faktoren zurückzuführen zu sein.

Erstens war der Gipfel selbst recht niedrig angesie­delt, da im Plenum keine großen Fragen erörtert wur­den. Zweitens, und das war das Wichtigste, sollte es kein Meilenstein in den Beziehungen zwischen Belarus und der EU werden. Neben dem »Transeuropäischen Ver­kehrsnetz« (TEN-V) war kein anderes Dokument zur Unterzeichnung durch Minsk und Brüssel vorbereitet worden, obwohl beide Seiten mehrere Monate Erwar­tungen gehegt hatten, dass der Gipfel einen Fortschritt bei den Verhandlungen über Visafragen und die Partner­schaftsprioritäten bedeuten würde. Und drittens hätte ein Besuch in Brüssel, der nach Jahren der Isolation bereits »nach dem ersten Anruf« erfolgt wäre, den bela­russischen Präsidenten noch verwundbarer gegenüber zukünftiger Erpressung gemacht (falls Einladungen zu Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft als Druckin­strument genutzt würden).

Gleichwohl gestalteten sich die tatsächlichen Ergeb­nisse des Gipfels für Belarus positiv. Die gemeinsame Abschlusserklärung wurde ohne Skandale angenom­men, anders als beim Gipfel 2015 in Riga. Differenzie­rung und Pragmatismus sind in der Tat zu den neuen Leitlinien der Östlichen Partnerschaft erklärt worden, was Minsk seit Beginn der Initiative gefördert hatte. Die Verhandlungen über die Partnerschaftsprioritäten tre­ten wohl bald in die Endphase, was einen Schritt vor­wärts bedeutet, vergleicht man es mit den Vorbereitun­gen im Rahmen der Koordinationsgruppe.

Außenminister Uladsimir Makej meinte darüber hinaus, er erwarte, dass in zwei Jahren, noch vor dem nächsten ÖP-Gipfel, Belarus und die EU ein Dokument ausgehandelt haben werden, »von dem jederman reden wird«. Aller Wahrscheinlichkeit nach spielte er auf die Möglichkeit an, dass beim nächsten Gipfel ein Rah­menabkommen unterzeichnet werden könnte. Falls das geschehen sollte, hätten die Beziehungen zwischen Bela­rus und der EU tatsächlich einen qualitativen Sprung nach vorn gemacht.

Entwicklung der Beziehungen zu den USA

Auch in den Beziehungen zwischen Minsk und Washing­ton waren 2017 positive Entwicklungen zu verzeichnen.

Der wohl markanteste Schritt erfolgte am 1. Novem­ber, als die US-Botschaft die Entscheidung des US-ame­rikanischen Außenministeriums verkündete, dass Visa­dienstleistungen in Belarus ausgeweitet werden. Seit jenem Tag nahm die Botschaft Anträge auf Touristen-und Geschäftsvisa von belarussischen Bürgern oder von Personen mit Wohnsitz dort entgegengenommen, die älter als 50 sind. Zuvor hatten nur belarussische Staats­angehörige über 70 die Visaabteilung in Minsk nutzen können, während die übrigen sich an die US-Botschaf­ten in den Nachbarstaaten (Russland, Ukraine, Polen und Litauen) zu wenden hatten. Das war seit fast zehn Jahren der erste bedeutende Schritt der US-Regierung zur Ausweitung ihrer Visadienstleistungen in Belarus, zuvor hatte es lediglich einige zurückhaltende Maß­nahmen in dieser Richtung gegeben. US-Diploma­ten zufolge hofft die Botschaft sogar, dass sie ab Mitte Februar 2018 Reisevisa für alle belarussischen Bürger und Residenten wird ausstellen können.

Die Entscheidung Washingtons kam nicht über­raschend. Sie spiegelt die Logik der jüngsten Entwick­lungen in den bilateralen Beziehungen wider, aber auch Tendenzen, die in einem breiteren internationalen Kon­text zu beobachten sind.

Es sei daran erinnert, dass es 2008 zu einer ernsten politischen Krise zwischen den beiden Staaten gekom­men war. Die diplomatischen Beziehungen erodierten bis auf das Niveau von Geschäftsträgern, das Personal der Botschaften wurde drastisch reduziert. Washington stand sogar kurz davor, seine Botschaft in Belarus zu schließen. allerdings erlebten die Beziehungen bereits 2009–2010 angesichts des fortgesetzten Dialogs eine beträchtliche Verbesserung. Dieser Dialog kam nach dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte am Abend der Präsidentschaftswahlen 2010 erneut zum Stillstand.

Ende 2012, Anfang 2013 nahm das belarussische Außenministerium seine Bemühungen zur Deeskalation der Beziehungen wieder auf. Nach einer Reihe von Kon­sultationen einigten sich Minsk und Washington auf die inoffizielle Formel der »kleinen Schritte«. Es wurde beschlossen, die umstrittensten und schwierigsten The­men außen vor zu lassen und bei einzelnen und weni­ger problematischen Fragen voranzukommen. Allmäh­lich erfolgte eine Ausweitung der bilateralen Agenda. in den letzten Jahren wurden mehr kontroverse Fragen auf die Tagesordnung. So nahmen die beiden Seiten regel­mäßige Regierungskonsultationen zu Menschenrechts­fragen auf, bei denen Vertreter verschiedener staatlicher Institutionen einen Meinungsaustausch zur Verbesse­rung der Menschenrechte in der Praxis führen.

Insgesamt bleiben die Beziehungen zwischen Bela­rus und den USA, verglichen mit Washingtons Bezie­hungen zu anderen osteuropäischen Staaten, auf einem bescheidenen Niveau. Allerdings ist die positive Dyna­mik der letzten Jahre, die auch anhand der jüngsten Fortschritte bei Konsularfragen deutlich wird, nicht zu leugnen. All dies verweist auf den relativen Erfolg der Strategie der »kleinen Schritte«. Darüber hinaus ist dieser Prozess durch den geopolitischen Kontext beför­dert worden, insbesondere durch die neue Eskalation in den Beziehungen zwischen Russland und den USA. Eine Reihe wechselseitiger unfreundlicher Vorstöße hat Washington dazu genötigt, seine diplomatische Präsenz auf dem Gebiet der Russischen Föderation erheblich zu reduzieren. Dadurch können nun US-amerikanische Konsulardienste nicht einmal für Bürger Russlands im vollen Umfang bereitgestellt werden. Diese Entwicklung hat auch Belarussen betroffen, die US-Visa vorwiegend in Russland beantragen. Dieser Umstand scheint einer der Gründe für Washingtons Entscheidung gewesen zu sein, die Visadienstleistungen in Minsk auszubauen.

Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für die Zukunft der Beziehungen zwischen Belarus und den USA? Bedeuten sie einen grundsätzlichen Wandel und den Beginn eines neuen Kapitels?

Der Fortschritt bei den Visafragen ist zwar wich­tig und symbolträchtig, sollte aber nicht überbewer­tet werden. Eine vollwertige Normalisierung müsste eine Wiederherstellung der diplomatischen Beziehun­gen beinhalten. Insbesondere müssten an der Spitze der Vertretungen in Minsk und Washington außerordentli­che und bevollmächtigte Botschaftern stehen, und nicht Geschäftsträger. Robert Riley, der US-Geschäftsträger in Belarus, gab zu verstehen, dass diese Frage noch nicht auf der Verhandlungsordnung steht. Ein Fortschritt wird hier, neben anderen Gründen, durch die innen­politische Lage in den USA und insbesondere durch die Ungewissheit hinsichtlich der Lage des Personals im US-amerikanischen Außenministerium erschwert. Erst kürzlich ist Wess Mitchell zum neuen Referatslei­ter Europa und Eurasien des State Department ernannt worden. Angesichts der geringen Bedeutung von Bela­rus für die US-amerikanische Außenpolitik sind die Aussichten mager, dass seine Aufmerksamkeit umge­hend den Beziehungen zu Belarus gelten wird. Darüber hinaus werden Fragen, die in den bilateralen Beziehun­gen wirklich wichtig für Washington sind, auch unter den gegebenen Umständen gelöst. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit bei Sicherheitsfragen. Als die USA belarussische Unterstützung benötigte, um den Abzug ihrer militärischen Infrastruktur aus Afgha­nistan zu organisieren, hatte Minsk kooperiert, obwohl die US-Sanktionen gegen Belarus voll in Kraft waren.

Die US-Sanktionen bleiben das wichtigste Hinder­nis für weitere Fortschritte. Im Oktober 2004 wurde der Belarus Democracy Act vom US-Kongress verabschiedet und von Präsident George W. Bush unterzeichnet. Dieses Gesetz schuf die rechtliche und politische Grundlage für restriktive Maßnahmen und eine Sanktionspolitik gegen Belarus. Es legte darüber hinaus ein vorrangiges Gewicht auf die Unterstützung oppositioneller Kräfte in Belarus, was von der dortigen Führung als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes aufgefasst wurde. Dieser letzte Faktor unterminiert sicherlich vertrauens­bildende Maßnahmen zwischen den beiden Staaten.

Zum Weiterlesen

Analyse

25 Jahre nach der Katastrophe: Der politische Umgang mit Tschernobyl in Belarus

Von Astrid Sahm
25 Jahre nach Tschernobyl erklärt die belarussische Führung, dass es dank ihrer umfassenden Aktivitäten keine wesentlichen erkennbaren Katastrophenfolgen mehr gibt. Diese Position wird von atomfreundlichen internationalen Organisationen bestätigt, während Gegner der zivilen Atomenergienutzung zu anderen Bewertungen gelangen. Auch die innenpolitischen Konflikte des Landes spiegeln sich im Umgang mit dem Thema Tschernobyl wider. Zivilgesellschaftlichen Initiativen gelingt es lediglich ansatzweise, hier brückenbildend zu wirken.
Zum Artikel
Analyse

Konfliktreiche Energiepolitik in Belarus

Von Andreas Heinrich
Belarus ist bei Energierohstoffen fast vollständig auf Importe angewiesen. Sein Hauptlieferant ist Russland. Gleichzeitig ist Belarus auch ein wichtiges Transitland für russische Erdöl- und Erdgasexporte nach Westeuropa. Neben politischem Kalkül ist diese Tatsache ein wichtiger Grund dafür, dass Russland das Land mit verbilligten Rohstofflieferungen versorgt und damit indirekt die belarussische Volkswirtschaft subventioniert. Diese bevorzugte Behandlung hat aber nicht zu harmonischen Energiebeziehungen zwischen den beiden Ländern geführt. (…)
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS