Belarus-Analysen

Ausgabe 74 (10.10.2024) — DOI: 10.31205/BA.074.01, S. 2–5

Trends und Perspektiven im Außenhandel von Belarus

Von Dmitrij Kruk (BEROC, Belarus)

Zusammenfassung
Der Zustand des belarusischen Außenhandels ist eines der zentralen Merkmale der Wirtschaft von Belarus. Wie für jede kleinere offene Volkswirtschaft ist das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vom Außenhandel abhängig. Von 2021 bis 2023 hat sich der Zustand des Außenhandels trotz der Sanktionen gegen Belarus, des russisch-ukrainischen Krieges und der auf internationaler Bühne wahrgenommenen Toxizität des Landes auf unvorhergesehene Weise verbessert. 2023 und 2024 erlebte die Wirtschaft gar ein stürmisches Wachstum. In diesem Beitrag werden die Faktoren veranschaulicht, die den verbesserten Zustand des belarusischen Außenhandels in den letzten Jahren bedingt haben. Darüber hinaus wird aufgezeigt, dass die Wirkung dieser Faktoren allmählich abnimmt, und andere, negative Entwicklungen im Außenhandel sich wahrscheinlich verstetigen werden. Das bedeutet, dass die Phase des BIP-Wachstums wohl zu Ende geht. Die traditionellen Probleme der belarusischen Wirtschaft der letzten 15 Jahre – das Außenhandelsdefizit, die finanziellen Turbulenzen, das schwache BIP-Wachstum – rücken erneut als wichtige Faktoren auf die Tagesordnung.

Neue Realien für den Außenhandel: 2022–2024

In den Jahren 2022 und 2023 erlebte die belarusische Wirtschaft anstelle einer angesichts der westlichen Sanktionen zu erwartenden tiefen und anhaltenden Wirtschaftskrise lediglich einen begrenzten Rückgang, der dann von einem nachholenden Wachstum abgelöst wurde. 2024 erreichte das belarusische BIP wieder das Vorkriegsniveau. Seither hält das Wachstum an und die Produktionszahlen sind auf einem historischen Maximum.

Eine solche, von den allermeisten Experten nicht vorhergesehene Entwicklung der belarusischen Wirtschaft wurde und bleibt vor allem deshalb möglich, weil es Veränderungen im Außenhandel gab und gibt. Nach dem massiven Rückgang des physischen Exportvolumens im zweiten Quartal 2022 (sofort nach der Verhängung weitreichender Export–, Import– und Finanzsanktionen durch die Europäische Union im März 2022) erfolgte eine allmähliche Erholung (siehe Grafik 1 auf S. 6). Ungefähr bis zum Sommer 2023 erreichten die Exporte wieder ungefähr das physische Volumen, das sie vor Beginn der Vollinvasion Russlands in die Ukraine hatten. Anschließend erfolgte im zweiten Halbjahr bis Anfang 2024 ein gewisser Rückgang, der dann wieder in ein neues Wachstum mündete. Bis Mitte 2024 erreichten die Exporte ein neues historisches Maximum. Die Zahlen übertrafen die bisherigen Rekordwerte aus der zweiten Hälfte 2021 (das war die Zeit gestiegener Nachfrage nach der Coronakrise und der gestiegenen Lieferung von Ölprodukten in die Ukraine) und 2012 (als die Exporte aufgrund der Abwertung des belarusischen Rubel sprunghaft zunahmen). Mehr noch: Die beträchtliche Zunahme der Exporte wurde von einem »Hinterherhinken« der Importe begleitet. Die Importe folgten in Vielem der Entwicklung der Exporte (was für eine kleinere, offene Volkswirtschaft natürlich ist), allerdings mit Verspätung und einem beträchtlichen Rückstand hinsichtlich des Volumens. In den Phasen wachsender Exporte nahmen zwar auch die Importe zu, allerdings mit geringerem Tempo. In einer Zeit zurückgehender Exporte (Ende 2023) schrumpften die Importe in noch stärkerem Maße. Dieser Rückstand der Importe führte zu einer spürbaren Verbesserung der Außenhandelsbilanz. Lediglich 2024 wurden die Exporte von den Importen eingeholt, und das Verhältnis nahm einen natürlicheren Charakter an.

Neben der wechselhaften Entwicklung des physischen Volumens im Außenhandel gab es auch bei der Entwicklung der Preise beträchtliche Veränderungen. Von Mitte 2022 bis Mitte 2023 bewegten sich die externen Preisbedingungen (das Verhältnis von Export– und Importpreisen) für belarusische Produzenten im Bereich eines historischen Maximums. Danach folgte eine erhebliche, allerdings nicht lange währende Verschlechterung im 3. Quartal 2023. Seit Ende 2023 und bis heute liegt die Preiskonjunktur in einem gemäßigt komfortablen Bereich (siehe Grafik 2 auf S. 6).

Angesichts dieser recht günstigen Entwicklung des physischen Exportvolumens und der Preise lag die Außenhandelsbilanz von Belarus 2022–2023 nominal (in US-Dollar bemessen) vorwiegend im positiven Bereich (siehe Grafik 3 auf S. 7). Als Tatsache an sich ist dieser Umstand für belarusische Verhältnisse eine Leistung: Historisch gesehen ist für Belarus eher ein Defizit die Norm.

Darüber hinaus war seit der zweiten Hälfte 2023 eine allmähliche Verschlechterung der Außenhandelsergebnisse zu beobachten. Die Bilanz rutschte langsam ab und wurde 2024 negativ (siehe Grafik 4 auf S. 7).

Der Außenhandel als Fundament und Garantie des Wachstums 2023–2024

Der beträchtlich verbesserte Zustand des Außenhandels war der wichtigste Grund und das Fundament der günstigen Entwicklung des belarusischen BIP in den Jahren 2023 und 2024. Zum einen leisteten die gestiegenen Exporte unmittelbar einen spürbaren Beitrag für ein Anziehen der Produktionszahlen. Zweitens betrafen die Erholung und die Zunahme der Exporte in erheblichem Maße Güter, deren Produktion positive externe Effekte generiert. So führt eine Erholung des Exports von Kalidünger oder Ölprodukten nicht nur zu einer unmittelbaren Zunahme der entsprechenden Produktion, sondern auch zu Wachstum in benachbarten Branchen (im Großhandel, im Transportwesen), die die Lieferung dieser Güter zum Endverbraucher übernehmen.

Drittens war die positive Außenhandelsbilanz als Hintergrund eine sehr wichtige Voraussetzung für eine Aktivierung der Binnennachfrage und eine Entschuldigung für die Regierung, eine stimulierende Politik zu betreiben. Angesichts der Sanktionen und des drastisch eingeschränkten Zugangs zu externer Finanzierung kommt der Außenhandelsbilanz eine besondere Bedeutung zu. Ein einigermaßen bedeutsames Defizit könnte nämlich zu einer unüberwindlichen Barriere werden: Falls es nicht gelingt, das Defizit zu decken, könnte das zu Schocks beim Wechselkurs und einer Destabilisierung der Finanzen führen. Ein Profizit hingegen spielt für die Wirtschaft eine stimulierende Rolle: Erhöhte Deviseneinnahmen und eine positive Bilanz auf dem Devisenmarkt fördern die Aktivität auf dem Geld– und Anleihenmarkt. Mehr noch: Vor einem derartigen Hintergrund einer positiven Außenhandelsbilanz würde eine Stimulierung der Binnennachfrage nicht umgehend zu einer Destabilisierung der Finanzen führen. Die Wirtschaftsbehörden haben dies intensiv genutzt, indem sie seit 2023 die Geldpolitik radikal lockerten und auch andere fiskalische und administrative Anreize schufen.

Fünf Gründe für die verbesserte Außenhandelsbilanz

Die verbesserte Außenhandelsbilanz der letzten beiden Jahre wurde durch ein ganzes Bündel von Gründen verursacht, unter denen sich die fünf wichtigsten wie folgt identifizieren lassen.

1. Die Regierung fand Möglichkeiten, den Export strategisch wichtiger Güter – nämlich von Kalidünger und Ölprodukten – wiederherzustellen

Nach der Verhängung umfassender Sanktionen durch die Europäische Union im März und April 2022 waren die Exporte der beiden genannten Warengruppen drastisch eingebrochen. Eine Wiederherstellung erschien wenig realistisch, insbesondere eine kurzfristige. Beim Kalidünger war das größte Problem die Logistik. Käufer von Kalidünger aus Belarus sind vor allem China, Indien und Brasilien. Die Anlieferung erfolgte traditionell über den litauischen Seehafen Klaipėda, wohin sie per Eisenbahn transportiert wurden. Die einzige technisch realistische Alternative wäre angesichts der Sanktionen eine Neuausrichtung der Logistik auf Russland. In diesem Fall würden sich allerdings erstens die Transportwege verlängern, was die Transportkosten beträchtlich erhöht. Zweitens sind die Eisenbahn- und Hafenkapazitäten in Russland mengenmäßig begrenzt, wodurch sich nicht immer die gewünschten Liefervolumina garantieren lassen. Bei den Ölprodukten sind nach ähnlicher Logik ebenfalls logistische Hürden zu überwinden. Hinzu kommt allerdings, dass auch die finanziellen Bedingungen für die Anlieferung von Rohöl eine große Bedeutung haben. Die belarusischen Raffinerien können eine rentable Verarbeitung russischen Öls bei voller Auslastung nur dann gewährleisten, wenn es auf den Eingangspreis des Öls einen beträchtlichen Nachlass gibt. Ohne diese Voraussetzung ist ein normales Funktionieren der Raffinerien wenig realistisch.

Trotz dieser gewichtigen Herausforderungen hat es das Regime in Belarus geschafft, die Exporte dieser beiden strategisch wichtigen Güter weitgehend wiederherzustellen. Das Volumen der Exporte von Ölprodukten lag 2023–2024 im Bereich von 85 bis 90 Prozent des Vorkriegsniveaus (vor dem großangelegten Überfall Russlands auf die Ukraine). Bei Kalidünger waren es 75–85 Prozent. Die Wiederherstellung erfolgte in beträchtlichem Maße aufgrund politischer Stützungsmaßnahmen. Durch Abkommen mit Russland konnte die Regierung in Minsk den Zugang zu russischen Transportwegen und Hafenkapazitäten sicherstellen. Bei den Ölprodukten spielten darüber hinaus Mechanismen eine Rolle, die Preisnachlässe beim Rohöl gewährleisten. Zum einen wird das bei den Preisnotierungen durch die Divergenz zwischen den Sorten Urals und Brent bewirkt (die Divergenz entsteht durch die Sanktionen gegen Russland). Da der Ölpreis für Belarus an die offiziellen Notierungen für Urals gebunden ist, kauft Belarus sein Öl de facto mit einem Nachlass gegenüber dem Weltmarktpreis. Dass Russland dem gegenüber die Augen verschließt, lässt sich getrost als politischer Schachzug Moskaus interpretieren. Zweitens erhält Belarus seit 2023 durch Übereinkommen im Rahmen der sogenannten vertieften Integration mit dem Nachbarland Zuschüsse aus dem Staatshaushalt Russlands. Das erfolgt für seine Raffinerien über den Mechanismus der Rückerstattung von Zollgebühren. Eine weitere Zutat bei diesem Rezept zur Wiederherstellung der Exporte besteht darin, dass der Gedanke der Rentabilität zugunsten der Mengen geopfert wird. Beispielsweise lagen die tatsächlichen Preise für gelieferten Kalidünger 2023 bei rund 45–50 Prozent der Marktpreise. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben chinesische und indische Käufer die verringerte Verhandlungsmacht von »Belaruskalij« ausgenutzt und die Bedingung gestellt, dass sie Kalidünger nur mit einem beträchtlichen Nachlass gegenüber dem Marktpreis kaufen werden. Die belarusische Seite hat eingewilligt, diesen Weg zu gehen.

2. Steigerung der Exporte durch Umorientierung auf den russischen Markt und aufgrund des Wachstums dieses Marktes

Nach dem Rückzug vieler westlicher Produzenten wurden auf dem russischen Markt viele Nischen frei, die umgehend von belarusischen Produzenten besetzt werden konnten. So konnten belarusische Unternehmen den Export u. a. von Nahrungsmitteln, Produkten des Maschinenbaus und Elektronikerzeugnissen erheblich steigern. Neben der attraktiven Preiskonjunktur führte das um den Jahreswechsel 2022/23 herum dazu, dass der Anteil der belarusischen Exporte nach Russland rund 70 Prozent der Gesamtexporte erreichte. Es gelang also, Konsum– und Investitionsgüter, die früher auf andere Märkte exportiert wurden (z. B. in die Ukraine), recht zügig nach Russland »umzuleiten«. 2023–2024 dann begannen sich die Positionen, die belarusische Exporteure angesichts des Krieges und der Sanktionen in Russland erobert hatten, in einer Reihe von Segmenten sogar zu verbessern. Hintergrund war eine Phase beschleunigten Wachstums in der russischen Wirtschaft. In erster Linie betraf das Waren, die auf die eine oder andere Weise mit der Kriegsnachfrage Russlands verknüpft sind. Positive Impulse dieser Art schlugen sich aber auch auf eine Reihe Konsumgüter nieder. Andererseits war seit der zweiten Hälfte 2023 auf dem russischen Markt auch eine gegenläufige Tendenz zu beobachten, die in der Folge stärker wurde und sich negativ auf die belarusischen Exporte auswirkte. Auf einer Reihe von Marktsegmenten ist der Wettbewerb intensiver geworden: Dorthin drängten jetzt stärker Produzenten aus China, der Türkei und anderen Ländern. In vielen Fällen richten russische Unternehmen Wege zur Umgehung der Sanktionen ein. Dieser Trend betraf vor allem Investitionsgüter, etwa im Bereich des Maschinenbaus.

3. Verbesserung der Preiskonjunktur

Die günstige Preiskonjunktur (besonders bis Mitte 2023) ergab sich aufgrund außenpolitischer Stützungsmaßnahmen und wirtschaftspolitischer Entscheidungen in Belarus, sowie einer Reihe globaler Trends (was aus der Sicht von Belarus als Glück interpretiert werden kann). Die wichtigste politische Stütze war der auf niedrigem Niveau festgeschriebene Preis für russisches Gas. Das erlaubt es den belarusischen Produzenten, die Kosten spürbar zu senken, insbesondere in Segmenten der Schwerindustrie. Ein besonders bedeutsamer Faktor war der niedrige Gaspreis in den Jahren 2022 und 2023, als die Marktpreise für Gas in Europa auf Rekordhöhen kletterten. 2022 und Anfang 2023 kam hinzu, dass die Inflation in Russland den Preisanstieg in Belarus überflügelte, und zwar vor dem Hintergrund einer beträchtlichen Schwächung des belarusischen Rubel gegenüber der russischen Währung. Deshalb ergab sich für belarusische Produzenten auf dem russischen Markt ein äußerst günstiges Umfeld. Mitte 2023 kehrte die Inflation zum Normalzustand zurück. 2024 jedoch nahm die preisbezogene Konkurrenzfähigkeit belarusischer Produzenten angesichts einer neuen Schleife beschleunigter Inflation in Russland und aufgrund angeordneter Preisbremsen in Belarus wieder zu, wenn auch nicht in dem Maße wie zwei Jahre zuvor. Einen spürbaren Beitrag zur günstigen Preiskonjunktur leisteten schließlich die globalen Rohstoffpreise. Der weltweit starke Anstieg der Inflation und auch der Preisschock bei Lebensmitteln aufgrund des russischen Einmarsches in die Ukraine sorgten bei vielen belarusischen Produzenten für ein komfortables Niveau der Exportpreise.

4. Eine Anpassung der Transport-, Logistik- und Zahlungsmechanismen an die aufgrund neuer Sanktionen entstandenen Bedingungen

Unmittelbar nach Verhängung der Sanktionen gegen Belarus und angesichts des Umstands, dass die Bedingungen, Geschäfte mit belarusischen Unternehmen zu machen, zunehmend als »toxisch« wahrgenommen werden, erschienen diese Barrieren beträchtlich und nur schwer zu überwinden. Umfragen unter Unternehmen und eine Reihe bestehender stilisierter Fakten verweisen aber darauf, dass viele Firmen – sowohl private wie in vielen Fällen auch Staatsunternehmen –, die nicht direkt unter die Sanktionen fallen, neue Logistikketten zur Abwicklung ihrer Importe bzw. Exporte aufbauen konnten.

5. Gedämpfte Entwicklung der Importe

Die öffentlich zugänglichen Fakten und Daten reichen nicht aus, um den Rückgang des Importvolumens der belarusischen Wirtschaft von 2022 bis 2024 und das Hinterherhinken der Importe hinter den Exporten erschöpfend zu erklären. Als naheliegendste Erklärung gelten veränderte Muster beim Investitions– und Konsumverhalten aufgrund der Sanktionen, was durch eine dirigistische Begrenzung der Importe durch die Wirtschaftsbehörden verstärkt wurde.

Bleiben der starke Außenhandel und dessen Funktion als Triebkraft für Wachstum erhalten?

Nahezu allen oben genannten Faktoren für die von 2022 bis 2024 gestärkte Position des belarusischen Außenhandels ist eine fehlende Nachhaltigkeit eigen. Ein beträchtlicher Teil dieser Gründe dürfte wohl in naher Zukunft seine Aktualität verlieren.

So ist zum Beispiel die Wiederherstellung der Exporte strategisch wichtiger Waren ganz erheblich von dem Wohlwollen der Regierung in Russland und vom Gutdünken russischer Unternehmen abhängig. Die verfügbaren Informationen lassen die Feststellung zu, dass dieses Wohlwollen zumindest in seiner wirtschaftlichen Komponente zu schwächeln beginnt. Die Kosten für den Transport von Kalidünger und Ölprodukten durch Russland sind 2024 spürbar gestiegen. Am wahrscheinlichsten ist, dass die russische Seite die Schwäche der belarusischen Positionen und das Fehlen einer Alternative für den Transport der Güter ausnutzt und ihre Bedingungen diktiert. Darüber hinaus wurden 2024 einige Fälle publik, dass es bei vereinbarten Gütertransporten vereinzelt Störungen gab. Auch wurde bekannt, dass die russische Seite aufgrund fehlender Kapazitäten nicht in der Lage war, Aufträge der belarusischen Seite voll im vereinbarten Umfang zu erfüllen. Schließlich hängen die betreffenden Transport– und Logistiklösungen in beträchtlichem Maße von den Entwicklungen im Krieg gegen die Ukraine ab. Daher gibt es bereits jetzt Grund zur Annahme, dass das physische Exportvolumen strategisch wichtiger Güter aus Belarus geringer ausfallen wird als 2023. Auf längere Sicht könnten entsprechende Risiken ganz erhebliche Dimensionen annehmen.

Die Lage auf dem russischen Markt und die preisbezogene Konkurrenzfähigkeit dürfte für belarusische Produzenten 2024 aufgrund von Trägheitseffekten noch recht günstig bleiben. Allerdings wurden bereits Ende des zweiten Quartals 2024 Signale erkennbar, dass sich die Lage auf dem russischen Markt verschlechtert. Das Wachstum des BIP schwächt sich in Russland nun auf natürliche Weise ab. Hinzu kommt, dass die russische Regierung zur Bekämpfung der Inflation ihre Politik verschärft hat. Das wird 2025 die wirtschaftliche Betätigung in Russland unweigerlich abkühlen und den Preisanstieg bremsen. Darüber hinaus dürfte sich wegen der aktiven Präsenz chinesischer und anderer Produzenten auf vielen Marktsegmenten in Russland der Wettbewerbsdruck erhöhen. Das alles bedeutet für Belarus eine Abschwächung der Nachfrage und seiner preisbezogenen Konkurrenzfähigkeit auf dem russischen Markt.

Auch die Stabilität der neuen Logistik– und Transportketten ist erheblich bedroht. Neue Sanktionen gegen Belarus, die im Juni 2024 verhängt wurden, und die auf Belarus eine Reihe Beschränkungen ausweiten, die derzeit für Russland gelten, verstärken weiter den ohnehin »toxischen« Status des Landes. Diese Ausweitung könnte durchaus zu weiteren Störungen bei Transport und Logistik führen.

Bei der Entwicklung der Importe war 2024 eine Wiederherstellung und eine stärkere Bindung an die Exporte zu beobachten, was als eine Rückkehr zur Normalität interpretiert werden könnte. Gleichzeitig verfügt die Regierung über Reserven, um dirigistisch auf die Importe einwirken zu können. Am wahrscheinlichsten ist allerdings, dass die Möglichkeiten hier bereits in erheblichem Maße ausgeschöpft sind.

Diese Feststellungen weisen darauf hin, dass die Phase außerordentlich günstiger Bedingungen für den belarusischen Außenhandel wohl ihrem Ende entgegengeht. Die meisten Faktoren, die zu dieser Lage beitrugen, dürften bald nicht mehr aktuell sein. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Entwicklung bei einer Reihe von Faktoren zu heftigen negativen Schocks führen könnte. Hierher rührt in letzter Zeit die zu beobachtende Verschlechterung des Außenhandels und das Absinken der Außenhandelsbilanz ins Negative, was wohl zum mittelfristigen Trend werden dürfte. Das bedeutet wiederum, dass der Außenhandel die Rolle eines Fundaments für Wachstum, die er in den letzten zwei Jahren übernahm, in der Zukunft nicht mehr wird erfüllen können.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

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