Die Regelungen zur Wahl der Gouverneure seit Gründung der Russischen Föderation

Von Eva Wachter (Bremen)

Zusammenfassung
Russland gliedert sich derzeit in 83 Regionen, sogenannte Föderationssubjekte, darunter 21 Republiken (respubliki), neun Bezirke (kraja), 46 Gebiete (oblasti), zwei Städte föderaler Bedeutung (Moskau und St. Petersburg), ein autonomes Gebiet (awtonomnaja oblast) und zehn autonome Bezirke (awtonomnie okrugi). Die Chefs der jeweiligen regionalen Exekutive, d. h. der regionalen Regierung und Verwaltung, führen unterschiedliche Titel. Während sie in den Republiken meist als Präsident bezeichnet werden, tragen sie in den Bezirken und Gebieten den Titel Gouverneur oder auch Verwaltungsleiter. In den Städten werden sie Bürgermeister genannt. Allerdings hat sich der Titel »Gouverneure« als allgemeine Bezeichnung durchgesetzt, wenn von den Chefs der Exekutiven der Föderationssubjekte in der Mehrzahl gesprochen wird. Die Regelungen über Wahl- bzw. Ernennungsverfahren der Gouverneure wurde seit Bestehen der Russischen Föderation einige Male geändert.

Russland gliedert sich derzeit in 83 Regionen, sogenannte Föderationssubjekte, darunter 21 Republiken (respubliki), neun Bezirke (kraja), 46 Gebiete (oblasti), zwei Städte föderaler Bedeutung (Moskau und St. Petersburg), ein autonomes Gebiet (awtonomnaja oblast) und zehn autonome Bezirke (awtonomnie okrugi). Die Chefs der jeweiligen regionalen Exekutive, d. h. der regionalen Regierung und Verwaltung, führen unterschiedliche Titel. Während sie in den Republiken meist als Präsident bezeichnet werden, tragen sie in den Bezirken und Gebieten den Titel Gouverneur oder auch Verwaltungsleiter. In den Städten werden sie Bürgermeister genannt. Allerdings hat sich der Titel »Gouverneure« als allgemeine Bezeichnung durchgesetzt, wenn von den Chefs der Exekutiven der Föderationssubjekte in der Mehrzahl gesprochen wird. Die Regelungen über Wahl- bzw. Ernennungsverfahren der Gouverneure wurde seit Bestehen der Russischen Föderation einige Male geändert.

Regelungen bis 2004

Nach dem Ende der Sowjetunion war das Ernennungsverfahren für die Gouverneure nicht eindeutig geregelt. Zwar existierte seit 1991 ein Gesetz zur Wahl der Gouverneure. Dessen Umsetzung wurde allerdings von Jelzin durch die Einführung eines »Moratoriums« für die Regionalwahlen immer wieder verzögert.

1996 wurde schließlich die prinzipielle Einführung von allgemeinen und direkten Gouverneurswahlen beschlossen. Da Russland einen föderalen Aufbau hat, werden auf der nationalen Ebene nur Grundregeln für die Wahl der Gouverneure festgelegt. Näheres wird durch die Gesetze der jeweiligen Föderationssubjekte geregelt. Der Art. 77 Abs. 1 der russischen Verfassung definiert die Grundregeln für die Wahl der Gouverneure folgendermaßen: »Das System der Organe der Staatsgewalt der Republiken, Regionen, Gebiete, bundesbedeutsamen Städte, des autonomen Gebietes und der autonomen Bezirke wird von den Subjekten der Russischen Föderation, in Übereinstimmung mit den Grundlagen der Verfassungsordnung der Russischen Föderation und den allgemeinen Prinzipien der Organisation der Vertretungs- und Vollzugsorgane der Staatsgewalt, die durch Bundesgesetz bestimmt sind, selbständig festgelegt.« Konkretisiert wurden die Regelungen in dem 1999 verabschiedeten Gesetz »Über die allgemeinen Prinzipien der Organisation der gesetzgebenden und exekutiven Organe der staatlichen Macht der Subjekte der Russischen Föderation«. Allerdings wurde auch hier lediglich festgelegt, dass die Ernennung der Gouverneure durch Wahl stattzufinden hat. Wie diese konkret ausgestaltet sein sollte, unterlag der Gestaltungsfreiheit der Föderationssubjekte. Die maximale Amtszeit wurde auf zwei Amtsperioden beschränkt.

Die Regelung von 2004 bis 2012

2004 kündigte Wladimir Putin die Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure an. Die Reform war eine Reaktion auf die Geiselnahme von Beslan, bei der Terroristen im Nordkaukasus eine Schule besetzten, und sie sollte der drohenden terroristischen Gefahr mit einer Festigung der Staatlichkeit begegnen. Gesetzliche Grundlage für die Reform war ein am 11. Dezember 2004 verabschiedetes Änderungsgesetz, welches vor allem den Inhalt des oben schon angesprochenen Gesetzes von 1999 berührte. Die substantielle Neuerung war, dass die Regelungen zur Wahl der Gouverneure nicht mehr von den Föderationssubjekten selbst festgelegt, sondern ausschließlich zentral geregelt wurden. Diese zentrale Regelung sah vor, dass der Präsident der Russischen Föderation dem jeweiligen regionalen Parlament einen Kandidaten für das Amt des Gouverneurs vorschlägt. Die Mitglieder des Regionalparlaments mussten innerhalb von 14 Tagen über diesen Vorschlag abstimmen. Nahmen sie den Vorschlag an, war der Kandidat für das Amt des Gouverneurs bestätigt. Lehnten sie den Vorschlag ab, musste der Präsident innerhalb von sieben Tagen entweder noch einmal denselben oder einen anderen Kandidaten vorschlagen. Lehnte das Parlament den Kandidaten des Präsidenten ein zweites Mal ab, stand es dem Präsident zu, einen Interimsgouverneur zu ernennen und anschließend Konsultationen mit dem Parlament abzuhalten. Daraufhin musste das regionale Parlament ein drittes Mal über einen Kandidaten des Präsidenten abstimmen. Im Fall einer erneuten Ablehnung hatte der Präsident das Recht, das regionale Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Eine Ergänzung zu dieser Regelung stellte der Erlass des Präsidenten Nr. 1603 vom 27. Dezember 2004 dar. Darin wurde festgelegt, dass die Regionalparlamente der Präsidialverwaltung bis zu drei Kandidatenvorschläge zukommen lassen sollten, aus denen der Präsident dann seinen Kandidat auswählte. Darüber hinaus konnte der Präsident auch Gouverneure abberufen, wenn diese sein Vertrauen verloren hatten. Die maximale Amtszeit der Gouverneure wurde von zwei auf vier Amtsperioden verlängert.

Die neue Regelung ab 2012

Mit der Unterzeichnung eines erneuten Änderungsgesetzes am 2. Mai 2012 durch den noch amtierenden Präsidenten Dmitrij Medwedew, tritt nun am 1. Juni 2012 eine neue Regelung in Kraft, durch welche die Direktwahl der Gouverneure wiedereingeführt wurde. Allerdings impliziert diese neue Regelung keine Rückkehr zu den Regelungen, wie sie bis 2004 galten. Vielmehr ist sie eine Kombination aus den beiden vorhergehenden Regelungen. Die Kandidaten für das Amt des Gouverneurs werden von den im Regionalparlament vertretenen Parteien nominiert. Dabei können auch parteilose Kandidaten aufgestellt werden. Die Nominierten müssen die Unterstützung von 5 bis 10 % der Abgeordneten der Kommunalparlamente in ihrer Region bekommen (die genaue Anzahl wird regional festgelegt). Ebenso ist es möglich, dass sich Bürger mittels einer Eigenbewerbung aufstellen lassen. Die Bewerber müssen in diesem Fall eine von Region zu Region unterschiedlich hohe Zahl von Unterstützerunterschriften (zwischen 0,5 und 2 % der Wahlberechtigten) vorweisen. Mit den nominierten Kandidaten hält der Präsident anschließend Konsultationen ab. Dieser Schritt wurde in den Vorbereitungen des Gesetzes als »Präsidentenfilter« bezeichnet. Inwieweit der Präsident hier Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten nehmen kann, ist noch unklar. Putin sprach sich für den Erhalt dieses »Filters« aus, um dem föderalen Zentrum Einflussrechte auf die Gouverneurswahlen zu erhalten, und für den Fall, dass separatistische oder kriminelle Kräfte an die Macht kommen sollten, eingreifen zu können. Nach den Konsultationen mit dem Präsidenten stellen sich die Kandidaten der regionalen Bevölkerung zur Wahl. Die Wahl gewonnen hat der Kandidat, welcher mehr als 50 % der Stimmen auf sich vereinigen kann. Auch künftig kann der Präsident Gouverneure abberufen, wenn diese nicht mehr sein Vertrauen besitzen. Die maximale Amtszeit wurde wieder von vier Amtsperioden auf zwei reduziert.

Lesetipps / Bibliographie

Zum Weiterlesen

Artikel

Belarus: From the old social contract to a new social identity

Von Nadja Douglas
ZOiS Report 6/2020 State-society relations in Belarus have been tense for many years. The presidential elections in August 2020 and the mishandling of the ongoing Covid-19 pandemic have proved to be the catalyst that brought these fragile relations to a complete breakdown. Over the years, the widening gap between a new generation of an emancipated citizenry and a regime stuck in predominantly paternalistic power structures and reluctant to engage in political and economic reforms has become increasingly evident. The deteriorating economy during the last decade and the perceived decline of the country’s social welfare system have been important factors in these developments. At the same time, the regime has continued to invest in its domestic security structures to a disproportionate extent compared with neighbouring states, allowing the so-called silovye struktury (“state power structures”) to gain influence at the highest level of state governance. (…)
Zum Artikel auf zois-berlin.de
Analyse

Der subnationale Autoritarismus in Russland

Von Vladimir Gelman
In den russischen Regionen – im subnationalen politischen Raum – haben sich seit dem Zerfall der UdSSR autoritäre Regime etabliert. Regionale Eliten haben im Wettbewerb und in Zusammenarbeit mit der nationalen Elite die Kontrolle über Wirtschaft und Politik an sich gezogen. Bereits in der Sowjetunion hatte sich ein subnationaler Autoritarismus herausgebildet. Nach dem Zerfall der UdSSR verlor das Zentrum seine Lenkungsmacht, die vielfach unter die Kontrolle von regionalen politischen und finanziellen Gruppen geriet. Die Rezentralisierung in den Putin-Jahren führte nicht zu einer Demokratisierung, die autoritären Strukturen wandelten nur ihren Charakter. (…)
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS