Der Fall Gudkow

Mit 291 zu 150 Stimmen (bei drei Enthaltungen) hat das Plenum der Duma am Freitag dem stellvertretenden Vorsitzenden der Partei »Gerechtes Russland«, Gennadi Gudkow, das Mandat entzogen. Grundlage der außerhalb der Abstimmungsordnung vorgenommenen Entscheidung waren Anschuldigungen seitens der Staatsanwaltschaft, Gudkow habe durch Geschäftstätigkeit widerrechtlich Einkommen bezogen. Auf Bitten des Generalstaatsanwalts kam es am Freitag zur Abstimmung über den Entzug des Mandats. Die Fraktionen der Regierungspartei »Einiges Russland« und der »Liberaldemokratischen Partei« stimmten – ihren Ankündigungen entsprechend – dafür. Ausnahmen bildeten zwei Enthaltungen und die Gegenstimme des Abgeordneten Stanislaw Goworuchin aus der Fraktion von »Einiges Russland«. Die Kommunisten und Gudkows Partei »Gerechtes Russland« stimmten gegen den Antrag, den sie als politisch motiviert erachteten: Der Parteivorsitzende Sergei Mironow bezeichnete die Aktion laut Interfax als »verfassungswidrige, politische Rache.« Gudkow hatte seit den umstrittenen Parlamentswahlen im Dezember 2011 an der Organisation mehrerer Demonstrationen mitgewirkt.

Die gerichtliche Untersuchung, die möglicherweise zur Eröffnung eines Verfahrens gegen Gudkow führt, soll am 23. September abgeschlossen sein. Die Fraktion der Partei »Gerechtes Russland« wandte sich mithilfe der Kommunisten indessen an das Verfassungsgericht mit dem Antrag, die Rechtmäßigkeit der Abstimmung zu überprüfen.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts WZIOM unterstützen 61 Prozent der Befragten einen Ausschluss Gudkows aus dem Parlament. Im Folgenden werden russische Pressestimmen zum Thema widergegeben.

Jan Matti Dollbaum

Zum Weiterlesen

Artikel

Antirevolutionäre Revolutionserinnerungspolitik: Russlands Regime und der Geist der Revolution

Von Il’ja Kalinin
Russlands Führung steht im Jahr 2017 vor einer Herausforderung: Sie muss Erinnerung an die Oktoberrevolution in ein Geschichtsbild verpacken, das Revolutionen als solche ablehnt. Ihre zentrale Botschaft lautet: Versöhnung. Doch es geht nicht um den Bürgerkrieg 1917–1920. Die Vergangenheit ist nur vorgeschoben. Es geht darum, jede Form von Kritik am heutigen Regime als Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens zu diffamieren und mit dem Stigma zerstörerischer revolutionärer Tätigkeit zu belegen. (…)
Zum Artikel auf zeitschrift-osteuropa.de
Analyse

Wie stark ist Putins Partei in den Regionen? Fraktionelle Zusammensetzung der Regionalparlamente

Von Ksenia Chepikova
Die Ergebnisse der russischen Regionalwahlen geben so, wie sie uns berichtet werden, in der Regel kein zutreffendes Bild der Mehrheitsverhältnisse in den Regionalparlamenten. Aufgrund des gemischten Wahlverfahrens, das Listenwahlrecht und Einzelwahlkreise kombiniert, hat die Putin-Partei »Einiges Russland« in der überwiegenden Mehrheit der Regionen eine verfassungsändernde Mehrheit. Ihre dominierende Stellung führt dazu, dass alle politischen Prozesse in den Regionen im Grunde in der Hand einer einzigen Partei liegen. Die anderen Parteien können kaum Einfluss nehmen. »Einiges Russland« will diese Vormachtstellung auch in den Regionalwahlen des Jahres 2011 erhalten, die im Dumawahljahr besondere Bedeutung haben. (…)
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS