Magnitsky und Hermitage Capital
Der Tod des russischen Anwalts Sergej Magnitsky am 16. November 2009 in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis war eine Tragödie und sicherlich eine Verletzung der Menschenrechte. Magnitsky, ein Bürger Russlands und Anwalt bei der amerikanischen Firma Firestone Duncan, hatte den in Großbritannien registrierten und höchst erfolgreichen Fonds Hermitage Capital vertreten, der mit dem Kreml in Konflikt geraten war. Sein Tod wurde zum Blitzableiter für die Spannungen zwischen Moskau und Washington und führte zur Einbringung eines »Justice for Sergei Magnitsky Act« in den US-Kongress im Jahre 2011, der einen Keil in die Beziehungen zwischen Russland und den USA getrieben hat.
Hermitage Capital wurde Anfang 1996 gegründet. Geleitet von dem prominenten Fonds-Manager William Browder, war der Fonds für seinen aggressiven Aktivismus als Anteilseigner bekannt. Browder übermittelte regelmäßig heikle Informationen an die Presse, um die Regierung über die Öffentlichkeit zu einer Verbesserung der Unternehmensführung in Russland zu drängen, insbesondere bei den großen Unternehmen in Staatsbesitz, etwa bei Gasprom, wo Hermitage beträchtlich investiert hatte.
Browders Kampagne führte dazu, dass sein Visum 2006 wegen »Gefährdung der nationalen Sicherheit« widerrufen wurde, nach Angaben von Business News Europe geschah das jedoch wegen seiner Bloßstellung eines Kreml-nahen Ölunternehmens. Die Büros von Hermitage wurden 2007 gestürmt, ebenso die von Firestone Duncan, und bewaffnete Polizisten konfiszierten Unterlagen und Computer. Es wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet und drei Holdinggesellschaften des Fonds unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung beschlagnahmt. Browder und seine Anwälte behaupten, die Vorwürfe seien fingiert und Teil betrügerischer Machenschaften. Die drei von den Behörden unter Beschlag genommenen Firmen forderten dann erfolgreich Steuern in Höhe von 230 Millionen US-Dollar zurück, die laut Browder in den Taschen von Beamten landeten.
Seitdem hat Browder eine intensive Kampagne gestartet, bei der er beträchtliche Summen in Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit investierte, um die Affäre im Rampenlicht der Presse zu halten. Die Kampagne hat viele überzeugende Belege über Korruption in den Steuerbehörden und bei anderen Regierungsbeamten hervorgebracht. Sie werden in einer Reihe von Dokumentaraufnahmen auf Youtube gezeigt, hauptsächlich über die Kanäle »Russian Untouchables« und »Hermitage TV«.
Im November 2008 wurde Magnitsky wegen ganz ähnlicher Steuerhinterziehungsvorwürfe festgenommen, die, so Browder, von genau jenen Beamten als Vergeltung initiiert wurden, die in dieses System der Steuerrückzahlung verwickelt waren. Im Gefängnis wurde Magnitsky krank. Später stellte sich heraus, dass Magnitsky die letzten fünf Tage vor seinem Tod über immer stärkere Magenprobleme geklagt hat. Browder und seine Partner haben zudem überzeugende Belege gefunden, dass Magnitsky in Haft geschlagen wurde und starb, nachdem ihm die zustehende medizinische Hilfe verweigert wurde, was unmittelbar zu seinem Tod führte.
Politisierung
Magnitskys Geschichte ist in Russland nicht ungewöhnlich. Der neue Bevollmächtigte für die Rechte der Unternehmer Boris Titow ist im Juli von Präsident Putin ernannt worden und hat bereits die Entlassung von sieben russischen Geschäftsleuten erreicht, die unter konstruierten Anschuldigungen durch Beamte inhaftiert worden waren, die zuvor von ihnen Bestechungsgelder erpressen wollten. Der Unterschied zwischen dem Fall Magnitsky und den alltäglicheren Fällen liegt in den erfolgreichen Bemühungen von Heritage, dem Fall mehr Prominenz zu verschaffen. Gleichzeitig griff die westliche Presse den Fall auf, der dann zu einem Symbol für viele der Probleme im Justiz- und Strafvollzugssystem sowie allgemein in der Unternehmensführung zum Symbol geworden ist.
Die Öffentlichkeitsarbeit blieb nicht ohne Wirkung. Die Fragen, die der Fall Magnitsky aufwarf, passten zur liberaleren und fortschrittlicheren Agenda von Dmitrij Medwedjew, der 2008 zum Präsidenten gewählt wurde. Medwedew ordnete im November 2009 überraschenderweise eine Untersuchung des Falls an, was unmittelbar zur Entlassung von 20 höheren Strafvollzugsbeamten führte, die in den Fall verwickelt waren – ein seltener Fall, dass der Kreml auf die Öffentlichkeit hörte und Beamte für ihre Taten zur Verantwortung zog. Medwedew unterzeichnete auch ein Gesetz, das die Inhaftierung von Personen untersagte, die Steuervergehen verdächtigt werden. Es folgten neue Gesetze, die im Zusammenhang mit Medwedews Kampagne gegen Korruption die Strafen für Wirtschaftsstraftaten abmilderten.
Nach der Untersuchung räumten die Behörden im Juli 2011 ein, dass Magnitsky im November 2009 wegen unterlassener medizinischer Hilfe gestorben war. Gegen zwei Ärzte wurden Strafverfahren eröffnet und einer wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht und fahrlässiger Tötung vor Gericht gestellt, was für Russland alles höchst ungewöhnlich ist [Der Prozess gegen den stellv. Direktor und Arzt Kratow endete inzwischen mit einem Freispruch, während das Verfahren gegen die Ärztin Litwinowa eingestellt wurde. Anm. der Redaktion]. Browder und die Familie Magnitskys sind jedoch mit dem Umfang der Untersuchungen und den gezogenen Konsequenzen kaum zufrieden.
Die Magnitsky-Liste
Was als Wirtschaftsstreit begann, bei dem mit dem Tod Magnitskys auf tragische Weise etwas fürchterlich schief ging, entwickelte sich zu einem ausgewachsenen internationalen Krach, nachdem der Fall zunächst durch die Europäische Union und dann die US-Regierung aufgegriffen wurde.
2010 forderten Abgeordnete des Europäischen Parlaments eine Visumssperre für 60 Beamte aus Russland, die in den Fall verwickelt waren. Das war zum Teil ein Ergebnis der Lobbyarbeit von Hermitage. Dann unterstützte unter anderem US-Senator John McCain die Vorlage zu einem »Justice for Sergei Magnitsky Act«, die zu einem Instrument für die so genannte Magnitsky-Liste wurde, die 60 russische Beamte umfasst, die in den Fall verwickelt sind und mit einem Einreiseverbot in die USA belegt werden. Die kanadische Regierung hat ähnliche Entschließungen verabschiedet. Der US-Senat beschloss am 26. Juni 2012 einhellig den »Magnitsky Act«, ein Gesetz, das Personen, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, die Einreise in die USA untersagt und die Regierung dazu berechtigt, deren amerikanische Bankkonten einzufrieren.
Das Außenministerium in Moskau reagierte mit Empörung und einer Erklärung, dass die Beschlüsse »ein Versuch [sind], Druck auf die Ermittlungsbehörden auszuüben und sich in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates einzumischen«. Russland beschuldigte den US-Kongress, doppelte Maßstäbe anzulegen. Das Argument lautet: Länder wie die USA kritisieren die Schwäche der Rechtsstaatlichkeit in Russland, verbschieden aber selbst Gesetze, die in Bezug auf bestimmte Fälle Vorverurteilungen vornehmen und somit in die Rechtsstaatlichkeit in Russland eingreifen.
»Wir betrachten ein Vorgehen dieser Art als einen weiteren Versuch, das Thema zu politisieren und auf das Justizsystem Russlands Druck auszuüben« verkündete der Pressedienst des Außenministeriums im Oktober 2012, nachdem das Europäische Parlament eine ähnliche Magnitsky-Liste mit Einreisesperren für bestimmte russische Beamte erstellt hatte.
Wladimir Putin reagierte auf die Erstellung solcher Einreiseverbots-Listen in den USA und der EU, indem er 2012 in einem Interview erklärte, es gebe »Leute, die einen Feind brauchen; die suchen nach einem Gegner, den man bekämpfen kann« und fragte, ob man wisse, »wie viele Menschen in den Gefängnissen jener Länder sterben, die Russland verurteilt haben«. Hielte sich Washington an die eigenen Prinzipien, so die Argumentation des Kreml, müsse es den Fall dem Justizsystem Russlands überlassen und die Untersuchungsergebnisse und Entscheidungen zu dem Fall akzeptieren.
Der Kreml fasst die Magnitsky-Liste darüber hinaus als selektive Strafmaßnahme gegen Russland auf. Die Initiatoren hingegen stellen den »Magnitsky Act« als Rahmengesetz dar, das etwa der Tradition des »Foreign Corrupt Practices Act« von 1977 folgt. Theoretisch verfügen die Vereinigten Staaten nun über die gesetzlichen Mittel, um Beamte eines beliebigen Landes zu bestrafen, die in Korruptions- oder Mordfälle verwickelt (jedoch nicht notwendigerweise verurteilt) sind. Diese Liste wäre tatsächlich lang, doch verweist der Kreml darauf, dass sich die Magnitsky-Liste nur auf Russland bezieht und nur auf den Fall Magnitsky.
»Wir rufen das Europäische Parlament dazu auf, Menschenrechtsfragen in den Mitgliedsstaaten der EU die nötige Beachtung zu schenken, beispielsweise den eklatanten Verletzungen der Rechte der russischsprachigen Minderheiten in den baltischen Staaten und der Verherrlichung von NS-Kollaborateuren in diesen Ländern, und sich nicht stattdessen in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen«, brachte es das russische Außenministerium in einer Erklärung auf den Punkt. Das Außenministerium ist in dieser Angelegenheit sehr deutlich gewesen und sieht in dem Fall nichts anderes als ein »Russland-Bashing«, das in den sich drastisch verschlechternden Beziehungen zwischen Washington und Moskau zur Normalität geworden ist.
Im September des vergangenen Jahres führte diese – aus Sicht des Kreml – offene Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands unmittelbar zu Änderungen in der NGO-Gesetzgebung, durch die jede Nichtregierungsorganisation in Russland, die ausländische Mittel erhält, dazu verpflichtet wird, sich als »ausländischer Agent« registrieren zu lassen. Wegen dieser Gesetze hat die United States Agency for International Development (USAID) ihre Tätigkeit in Russland eingestellt und das Land nach beinahe zwanzig Jahren Arbeit verlassen. Das Außenministerium beschuldigte die Organisation ausdrücklich, politische Ziele zu verfolgen, und zeigt in der Folge der Magnitsky-Affäre weniger Toleranz gegenüber Organisationen, von denen angenommen wird, dass sie über die Tätigkeit in Russland die politischen Interessen einer fremden Macht verfolgen.
Ein Nichtereignis in Russland
Die Verärgerung des Kreml ist umso größer, weil er die Bedeutung des Falls Magnitsky, der im Binnenkontext kein großes Thema ist, nicht erkennt. Dies verstärkt nur den Glauben, dass der Fall Magnitsky ein von Washington geschmiedetes politisches Instrument für dessen politische Ziele ist, und auch eine Folge von Browders vehementen Anstrengungen, es Moskau wegen seiner Vertreibung aus Russland heim zu zahlen.
Laut Meinungsumfragen hat die Mehrheit in Russland nicht einmal etwas von Magnitsky gehört, oder, falls sie etwas gehört haben, hat es sie nicht berührt oder war bald vergessen. Im Juni 2012 sagten bei einer Umfrage 44 % der Befragten, dass sie nichts von dem Fall Magnitsky wüssten, eine Zunahme gegenüber einer Umfrage aus dem August 2011, als der Name 31 % der Befragten nichts gesagt hatte. Von denen, die von dem Fall wussten, machten 12 % höhere Beamte für seinen Tod verantwortlich, 11 % die Ermittler. Andere nannten die Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen als Grund (8 %) oder die Inkompetenz der Gefängnisärzte (8 %). Am wenigsten wurde von den Befragten ein Unfall angenommen (6 %) (siehe Grafik 7 auf S. 15).
Die Umfrageergebnisse zeigen eine verbreitete Gleichgültigkeit, die gegenüber dem Fall in Russland besteht. Sie passt zu einer ähnlichen Gleichgültigkeit gegenüber der Inhaftierung der Musikerinnen der Punkband »Pussy Riot«, die am 21. Februar 2012 in Moskaus wichtigster Kathedrale ein Protestlied gegen das Establishment aufgeführt hatten. Während die Bandmitglieder zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und zu einem prominenten Fall für die internationale Presse wurden – es folgten Solidaritätsbekundungen von Leuten wie Madonna, Paul McCartney –, waren die Menschen in Russland zu weiten Teilen perplex durch das Narrenstück der Band. Als die Gruppe »Faith no more« in Moskau ein Konzert gab und die verbliebenen Mitglieder von »Pussy Riot« auf die Bühne brachte, wurden sie vom jungen und vermutlich liberal gesonnenen Publikum ausgebuht.
Was in dem überwiegenden Teil der internationalen Berichterstattung über den Fall fehlt, ist der innerrussische Kontext. Beim Fall Pussy Riot bezeichnen sich laut Umfragen des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM im September 2012 rund 80 % der Menschen in Russland als orthodox und sie zeigten sich durch die Entweihung der Christus-Erlöser-Kathedrale, der wichtigsten Kirche Russlands wirklich geschockt (siehe Grafik 8 auf S. 15).
In ähnlicher Weise hat das Erstarken der Protestbewegung in Russland, das auf den Titelseiten der internationalen Presse seit den ersten Demonstrationen im Dezember 2011 Schlagzeilen machte, in Russland selbst an Schwung verloren und es nicht vermocht, in anderen Städten als Moskau Resonanz in der Bevölkerung zu finden. Während es in der Hauptstadt einen harten Kern der Unterstützung für die Protestbewegung gibt, und die Regierung von der Bewegung zu Reaktionen auf die populären Forderungen und einer stärkeren Beachtung der öffentlichen Meinung genötigt wurde, blieb das Interesse an einem Engagement für Veränderungen auf einem ähnlichen Niveau wie das Interesse am Fall Magnitsky: In einer neueren Umfrage sagten nur 2 % der Befragten, dass sie »auf jeden Fall« auf eine Demonstration gehen würden, und weitere 11 % meinten, sie würden »wahrscheinlich« demonstrieren (siehe Grafik 9 auf S. 16).
Eine andere Umfrage stellte allgemeiner fest, dass für Wahlberechtigte in Russland Meinungsfreiheit wichtiger ist als Versammlungsfreiheit, und dass sie fürchten, den schwer errungenen Wohlstand zu verlieren, falls es zu einem gewaltsamen oder unkontrollierten Regimewechsel wie etwa in Nordafrika kommt. Hinzu kommen der traditioneller Fatalismus in Russland, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Sterberaten und die lange Tradition, dass der Staat gegenüber der Bevölkerung nicht verantwortlich ist, sowie der Umstand, dass der Fall Magnitsky in Russland für weniger Aufsehen sorgte als im Westen, wo persönliche Freiheit und Wohlergehen die wichtigsten Kategorien einer Gesellschaft sind.
Auswirkungen auf die auswärtigen Beziehungen
Die Magnitsky-Affäre ist Teil einer allgemeinen Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten, die auf ein grundlegendes Missverständnis zwischen Washington und Moskau zurückzuführen ist, eine Kollision zwischen ihren jeweiligen Wertesystemen.
Putin ist der erste Staatschef gewesen, der den damaligen Präsidenten George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kontaktierte, und er war ernstlich daran interessiert, ein Partner der Vereinigten Staaten zu werden. Er wurde jedoch bei jeder Gelegenheit abgewiesen und die Beziehungen haben sich ständig verschlechtert. Putin hat in seiner wichtigen Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz den Westen aufgerufen, diese empfundene Zurückweisung zu erklären, und verwies dabei auf die nicht eingehaltenen Versprechen der NATO nach dem Zerfall der Sowjetunion, keine Truppen an Russlands Grenzen zu stationieren. Mit dem NATO-Beitritt der baltischen Staaten sei eben dies geschehen. Putin warf in München den Fehdehandschuh, indem er erklärte, Russland werde dem nicht ewig tatenlos zusehen.
»Ich denke, es liegt auf der Hand, dass die Expansion der NATO mit der Modernisierung des Bündnisses selbst oder mit der Gewährleistung der Sicherheit in Europa in keinerlei Zusammenhang steht. Sie stellt im Gegenteil eine ernste Provokation dar, die das Maß des gegenseitigen Vertrauens vermindert. Wir haben das Recht zu fragen, gegen wen diese Expansion sich richtet. Und was ist aus den Zusicherungen geworden, die unsere westlichen Partner uns nach der Auflösung des Warschauer Paktes gaben? Wo sind diese Erklärungen heute? Niemand erinnert sich mehr daran«, sagte Putin in seiner Münchener Rede.
Medwedew führte das nach seiner Wahl zum Präsidenten 2008 mit einer Rede in Großbritannien weiter, in der er sagte, dass Europa Russlands »natürlicher Verbündeter« sei, und in der er eine neue europäische Sicherheitsarchitektur anregte, eine Initiative, die weithin ignoriert wurde. Er rief Europa dazu auf, sich zu bewegen, und bekräftigte, dass Russland nicht ewig warten werde. Putin schloss den Kreis in seiner Eröffnungsrede beim Petersburger Wirtschaftsforum im Juni 2012, in der er darlegte, dass die Zeit abgelaufen sei. Er forderte die Vereinigten Staaten auf, zur Seite zu treten und die Rolle der globalen Koordinierung der Interessen aller Länder an die G 20 zu übergeben.
Die Wut, die der Kreml gegenüber den USA empfindet, liegt zum Teil auch darin begründet, dass der Kreml der Ansicht ist, in der vergangenen Dekade seien reale Fortschritte bei den Zielen gemacht worden, die die USA Russland gesetzt haben. »Wir gehen davon aus, dass das Regierungsmodell auf allen Ebenen – auf der föderalen, regionalen und kommunalen – der neuen Qualität unserer Zivilgesellschaft entsprechen muss, einer Gesellschaft, die durch ein Jahrzehnt nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung entstanden ist. Das ist ein gesunder Entwicklungsprozess eines Staates. Wir verstehen sehr wohl, dass sich ohne eine reife Zivilgesellschaft keine moderne Wirtschaft aufbauen lässt. Der Staat muss auf die Gesellschaft zugehen und offen für einen Dialog sein. Nur auf diese Weise ist gegenseitiges Vertrauen und eine stabile Entwicklung ohne Erschütterungen und ausweglose Konflikte möglich. Ich bin überzeugt, dass ein demokratisches System nicht nur die Legitimität der Staatsmacht garantieren muss, sondern auch, dass die Menschen von deren gerechten Charakter bei der Wahrung der Interessen der Mehrheit überzeugt sind. Gleichzeitig müssen die Interessen der Minderheit berücksichtigt werden und ebenfalls auf vernünftige Weise gewahrt werden.« (Präsident Putin auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, 21. Juni 2012; russ.: http://www.kremlin.ru/transcripts/15709) sagte Putin in St. Petersburg.
Im Westen würden die meisten angesichts solcher Worte höhnisch werden und auf Magnitsky verweisen, als Beleg, dass sie nichts als heiße Luft bedeuten. Putin hat aber immer erklärt, dass er langsam vorgehen und den Prozess unter Kontrolle behalten wolle. Putin sagt, dass alle Veränderungen, auch die von der Protestbewegung geforderten, »im Rahmen der Gesetze« erfolgen müssten – um sicherzustellen, dass der Kreml die Trümpfe in der Hand behält. Es hat zwar Veränderungen gegeben, doch ist deren Tempo so langsam, dass sie von den Kritikern des Kreml nicht anerkannt werden. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass die beiden Seiten aus zwei unterschiedlichen Perspektiven argumentieren.
Während Russland den Westen nicht aufgeben wird, arbeitet es aktiv an seinen Beziehungen zu Asien, eine Politik, die an den Bemühungen des Kreml bei der Ausrichtung APEC-Gipfels in Wladiwostok im September 2012 deutlich wird. Dort wurden bei Cocktails und Häppchen Verträge mit einem Gesamtvolumen von mehren Milliarden Dollar abgeschlossen.
Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder