Lesetipps zum Thema Russische Arktis

  • Baev, Pavel: Russia’s Arctic Policy and the Northern Fleet Modernization, Paris: IFRI August 2012 (= Russie.Nei.Visions, No. 65 <http://www.ifri.org/downloads/ifribaevarctiqueengaugust2012.pdf, 1. August 2012>), 20 S.
  • Carlsson, Märta; Granholm, Niklas: Russia and the Arctic: Analysis and Discussion of Russian Strategies. Report no FOI-R--3596—SE, March 2013, 46 S. <http://www.foi.se/ReportFiles/foir_3596.pdf, 3. September 2013>
  • Käpylä, Juha; Mikkola, Harri: Arctic Conflict Potential: Towards an extra-Arctic perspective, September 2013 (= The Finnish Institute of International Affairs FIIA Briefing Paper 138 <http://www.fiia.fi/en/publication/361/arcticconflictpotential/#.UkWKHz-Bavo, 27. September 2013>), 9 S.
  • Laruelle, Marlene: Larger, Higher, Farther North … Geographical Metanarratives of the Nation in Russia, in: Eurasian Geography and Economics, 53.2012, Nr. 5, S. 557–574.
  • Holslag, Jonathan: The Eurasian Sea, in: Survival, 55.2013, Nr. 4, S. 155–176.

Das Osteuropa-Heft zur Arktis: »Logbuch Arktis. Der Raum, die Interessen und das Recht«

Osteuropa, 2011, Nr. 2–3, 448 S., 80 Abb., 24 Karten. Preis 32,00 €. Zu bestellen ist es direkt bei osteuropa@dgo-online.org.

Inhalt

Philipp Felsch: Der arktische Konjunktiv. Auf der Suche nach dem eisfreien Polarmeer

In Frankenstein, einem Klassiker der phantastischen Literatur, findet sich die Verheißung von einem eisfreien Polarmeer, das ungeahnte Reichtümer birgt. Mitte des 19. Jahrhunderts übertrug der deutsche Geograph August Petermann den Mythos vom offenen Meer in eine exakte Theorie. Petermanns imaginäres Potential polarisierte. In der Populärliteratur fand er enormen Zuspruch, Fachleute reagierten skeptisch. Je stärker die Skepsis in offenen Anfeindung umschlug, desto fanatischer verfolgte Petermann seine Idee. Im Milieu der deutschen Nationalbewegung fiel sie auf fruchtbaren Boden. Es gelang ihm sogar, die deutsche Polarforschung ins Leben zu rufen. Petermanns Theorie erwies sich als falsch. Dass die Natur eines Tages seiner Theorie entgegenschmelzen könnte, hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt.

Jörg Stadelbauer: Die russische Arktis. Naturraum, Klimawandel und Gesellschaft

Das internationale Interesse an der Arktis wächst. Hintergrund sind die regionalen Folgen des Klimawandels. In Teilen der Arktis ist die global bedeutendste Erwärmung des letzten halben Jahrhunderts zu beobachten. Das Abschmelzen des Meereises könnte die Erschließung von Bodenschätzen erleichtern und neue Schifffahrtsrouten eröffnen. Doch die Arktis ist mehr als Wirtschaftsraum. Sie ist ein höchst fragiles Ökosystem und Lebensraum zahlreicher indigener Völker. Arktis und Subarktis machen ein Fünftel der Festlandfläche Russlands aus. Russland ist einer der wichtigsten Staaten der Region und hat erheblichen Einfluss darauf, ob die ökologischen und ökonomischen Interessen in der Arktis kooperativ oder konfrontativ geregelt werden.

Rüdiger Gerdes: Klimawandel in der Arktis. Phänomene und Prognosen

Die vom arktischen Meereis bedeckte Fläche und das Meereisvolumen gehen zurück. Dies ist zum Teil Folge der momentan vorherrschenden warmen Phase der langfristigen, natürlichen Atlantischen Multidekadischen Oszillation. Anthropogene Erwärmung und geänderte Windsysteme könnten den Rückgang des arktischen Meereises beschleunigen. Doch auch der Übergang der Atlantischen Multidekadischen Oszillation in eine kühlere Phase ist denkbar. Dadurch könnte sich das arktische Meereis erholen. Sogar eine Umkehr des Erwärmungstrends ist denkbar. Wissenschaftlich bleibt unklar, wie lange die derzeitige warme Phase der Atlantischen Multidekadischen Oszillation anhalten wird. Der Rückgang des arktischen Meereises hat einen großen Einfluss auf atmosphärische und ozeanische Zirkulationssysteme. Die erwarteten Veränderungen würden auch das Klima in Europa betreffen.

Uwe Jenisch: Arktis und Seerecht. Seegrenzen, Festlandsockelansprüche und Verkehrsrechte

Die Arktis ist zum Politikum geworden. Die Arktisanrainer streben danach, ihre Nutzungsrechte räumlich und inhaltlich auszuweiten. Erweiterte Festlandsockel, komplizierte Seegrenzen, Schifffahrts- und Forschungsrechte sowie Umweltschutzpflichten richten sich jedoch im Interesse der gesamten Staatengemeinschaft nach den Regeln des UN Seerechtsübereinkommens von 1982. Der Mechanismus für einen friedlichen Interessenausgleich ist vorhanden. Die Nicht-Anlieger – darunter die Staaten der EU – wie auch die Internationale Meeresbodenbehörde müssen ihre Rechte und Pflichten im Arktischen Ozean gegenüber den Regionalisierungsbestrebungen der Anrainer verteidigen.

Elvira Pushkareva: Die Arktis im Völkerrecht.

Der starke Rückgang der sommerlichen Eisbedeckung im Nordpolarmeer hat eine völkerrechtliche Debatte über nationale Hoheitsechte im Arktischen Ozean entfacht. Es geht um Rohstoffförderung, Schifffahrt und Fischerei. Die grundsätzliche Frage lautet, ob das moderne Seerecht oder besondere Gewohnheitsrechte der Anrainerstaaten des Nordpolarmeers gelten. Auch wenn wahrscheinlich das Seerechtsübereinkommen angewendet werden wird, könnte es Russland und Kanada gelingen, unter Berufung auf historische Rechtstitel bei seiner Anwendung Sonderregeln durchzusetzen. Die Anerkennung »historischer Gewässer« würde die von den beiden Staaten bereits festgelegten Basislinien, von denen die im Seerechtsübereinkommen definierten Zonen bemessen werden, bestätigen.

Karl Hinz: Wem gehört die zentrale Arktis?. Geologie, Bathymetrie und das Seerecht

Eine Reihe von Anrainerstaaten des Nordpolarmeers erheben Ansprüche auf ein exklusives Recht zur Förderung von Rohstoffen in der zentralen Arktis. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen legt fest, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit diese Ansprüche gerechtfertigt sind. Will der Küstenstaat jenseits von 200 Seemeilen souveräne Rechte über den sogenannten Festlandsockel ausüben, muss er mit bathymetrischen, geodätischen, geophysikalischen und geologische Daten nachweisen, dass sich die natürliche Verlängerung seines Landgebietes über diese juristisch festgelegte Grenze hinaus erstreckt. Russland ist mit einem solchen Antrag bei der UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandssockels gescheitert, bereitet aber einen neuen Antrag mit einer verbesserten technischen Dokumentation vor.

»Es gibt keinen Wettlauf um die Arktis«. Karl Hinz über die Festlandsockelgrenzkommission, den Rohstoffmythos und einen Präzendenzfall

Eine Kommission der Vereinten Nationen befindet über Anträge auf Erweiterung des Festlandsockels. Russlands Antrag auf erweiterte Rechte zur Rohstoffförderung in der zentralen Arktis hat sie 2002 zurück verwiesen. Rohstoffe sind in den beantragten Tiefseegebieten der Arktis allerdings gar nicht zu erwarten. Es geht vor allem um symbolische Politik. Mittlerweile setzen die Küstenstaaten ihre Interessen vehement gegen wissenschaftliche Zweifel durch. Allerdings nicht gegeneinander, sondern miteinander. Nach einem positiven Bescheid für einen australischen Antrag steht zu erwarten, dass die Arktis weitgehend aufgeteilt werden wird.

Thijs Duyzings: Der Nördliche Seeweg. Russlands Schifffahrtsregeln und das Völkerrecht

Die sommerliche Eisbedeckung im Nordpolarmeer ist stark zurückgegangen. Schon hoffen Reedereien auf eine kürzere Route von Europa nach Asien. Doch ist umstritten, ob für die Schifffahrt auf dem Nördlichen Seeweg das internationale Seerecht oder nationales russländisches Recht anzuwenden ist. Der Status einiger Gewässer und Meerengen ist offen und Russlands Verwendung gerader Basislinien stößt auf Widerspruch. Konkurrierende Auffassungen gibt es auch zu der Frage, ob die im Seerechtsübereinkommen formulierten Ausnahmebestimmungen für eisbedeckte Gebiete die Anwendung nationaler Regeln für die Schifffahrt anstelle der Vorschriften des Seerechts erlaubt.

Hilmar Rempel: Rohstoffe der Arktis. Potentiale und Vorkommen

Die Arktis verfügt über ein bedeutendes Potential an Erdgas, Erdöl und anderen Rohstoffen. Die Entwicklung der Felder erfordert enorme Investitionen und technische Kompetenzen. Der im Zuge der Klimaänderung prognostizierte Eisrückgang könnte die Exploration und Gewinnung der Rohstoffe begünstigen. Allerdings sind dabei wegen des sensiblen Ökosystems höchste Umweltstandards anzuwenden. Der größte Teil der Vorkommen liegt in Gebieten, deren rechtlicher Status geklärt ist. Das Bild vom Konflikt um die Ressourcen ist übertrieben. Vielmehr bietet sich eine gemeinsame Erschließung der Ressourcen an.

Indra Øverland: Kooperation statt Konfrontation. Štokman, Jamal und Russlands Energiepolitik in der Arktis

Russlands Arktispolitik wird oft in geopolitischen Kategorien gedeutet. Doch im Hohen Norden findet kein von Energiehunger angetriebener Ressourcenwettlauf statt. Der Großteil der in der Arktis vermuteten Öl- und Gasvorkommen liegt in Gebieten, in denen Russland unumstritten das alleinige Recht zur Förderung hat. Zu beobachten ist daher eher ein Schönheitswettbewerb, bei dem internationale Ölkonzerne um die Beteiligung an den attraktivsten Erschließungsvorhaben konkurrieren. Als Modell könnte das Štokman-Projekt dienen. Verschiedene Entwicklungen auf den internationalen Öl- und Gasmärkten gefährden allerdings dieses Vorhaben.

Stephen Fortescue: Von Erzen und OIigarchen. Die Bergbauindustrie in Russlands Nordwesten

Der Nordwesten Russlands ist reich an Bodenschätzen. Der Bergbau spielt daher insbesondere auf der Kola-Halbinsel ein erhebliche sozioökonomische Rolle. Die Geologie der Lagerstätten und die Geochemie der Erze erschweren allerdings den Abbau. Daher sind internationale Bergbauunternehmen kaum in der Region vertreten, und die vertikal integrierten russischen Kapitalgesellschaften der Grundstoffindustrie kämpfen mit zahlreichen Problemen. Aufgrund seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung für den gesamten Nordwesten ist dem Bergbau jedoch die Aufmerksamkeit des Staates gewiss.

Bettina Rudloff: Fisch im Wasser?. Die EU und die Arktisfischerei

Die Arktis ist als Fischereigebiet derzeit nur von regionaler Bedeutung. Global gesehen haben die Fangmengen kaum Bedeutung, und auch für die Fischerei der EU-Staaten spielt die Arktis kaum eine Rolle. Wichtig ist die EU lediglich als Handelspartner einzelner arktischer Fischfangnationen. Trotz Überfischung sind Fangquoten- und Handelskonflikte allerdings selten. Welche Auswirkungen der Klimawandel auf zukünftige Fangpotentiale hat, ist unklar. Schon die Daten über aktuelle Fischbestände sind sehr unzuverlässig. Die Ökosysteme sind zu komplex und die wissenschaftlichen Daten zu lückenhaft, als dass sich Prognosen über die ökonomischen Potentiale des Fischfangs im Falle eines Rückgangs des Meereises aufstellen lassen würden.

Karl Magnus Eger, Arnfinn Jørgensen-Dahl: Kurzer Weg, hohes Risiko. Der Nördliche Seeweg: eine euro-asiatische Schiffsroute?

Die Nordost-Passage wird seit einigen Jahren als neue Route für die kommerzielle Schifffahrt zwischen Europa und Asien gehandelt. Fahrten zwischen nordeuropäischen und nordpazifischen Häfen könnten so deutlich kürzer werden. Allerdings ist die Navigation trotz des Rückgangs der sommerlichen Eisbedeckung im Nordpolarmeer weiter schwierig. Im zentralen Abschnitt, dem von Russland kontrollierten Nördliche Seeweg, sind die Fahrten genehmigungspflichtig, Eisbrecherbegleitung ist obligatorisch. Zusammen mit hohen Versicherungskosten treibt dies die Transportkosten in die Höhe. Trotz der großen Treibstoff- und Zeiteinsparungen hängt es vom Einzelfall ab, ob die Nordroute tatsächlich günstiger ist als der Weg über den Suez-Kanal.

Elena Nikitina: Russlands dreckige Arktis. Umweltverschmutzung und ökologische Ansätze

Einige arktische Regionen Russlands sind ökologische Krisengebiete. In der Gegend um die Stadt Noril’sk sowie auf der Kola-Halbinsel verursacht der Bergbau eine massive Luft- und Wasserverschmutzung. Die Ökosysteme großer Gebiete sind zerstört. Katastrophal ist die Lage auch in den Öl- und Gasfördergebieten. Aus Pipelinelecks austretendes Öl verseucht Böden und Gewässer, das Abfackeln von Begleitgas verschmutzt die Luft, schweres Gerät führt zu Bodendegradation. In den letzten Jahren sind Ansätze eines ökologischen Bewusstseins entstanden. Moskau hat den Umweltschutz zu einem zentralen Thema seiner Arktispolitik erklärt. Nun müssen die zahlreichen Umweltstrategien auch umgesetzt werden.

Sandra Cavalieri et al.: Spurensuche. Der ökologische Fußabdruck der EU in der Arktis

Die fragilen Ökosysteme der Arktis sind in Gefahr. Beim Bergbau und der Metallverhüttung werden in großen Mengen Ruß, Stickoxide und Schwefeldioxid freigesetzt. Toxische organische Schadstoffe und Schwermetalle reichern sich über die Nahrungskette in den Organismen von Tieren und Menschen an. Ein zusätzlicher Stressfaktor für die Ökosysteme ist der Klimawandel. Die biologische Vielfalt droht durch invasive Arten abzunehmen. Die Staaten der Europäischen Union tragen erheblich zur Umweltverschmutzung in der Nordpolregion bei. Ihr ökologischer Fußabdruck in der Arktis geht zum Großteil auf den Import von Waren und Dienstleistungen aus der Region zurück. Die EU sollte ihre Umweltschutzbemühungen in einer Umweltstrategie für die Arktis bündeln.

Christoph Humrich, Klaus Dieter Wolf: Krieg in der Arktis?. Konfliktszenarien auf dem Prüfstand

Als 2007 eine Expedition auf dem Meeresgrund des geographischen Nordpols Russlands Flagge absetzte, löste dies international Aufregung aus. Der Konflikt um den Festlandsockel schien zu eskalieren. Manche Beobachter malen Krisen und Kriege um die Rohstoffe der Arktis an die Wand. Wer die Fakten analysiert, kommt zu einem anderen Befund. Die Eskalation eines Konflikts um die Arktis ist unwahrscheinlich.

Kristian Åtland: Im Norden nicht Neues?. Die Arktis in Russlands Sicherheitspolitik

Die Sowjetunion betrachtete die Arktis als ein Gebiet von großer militärischer Bedeutung. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts hat sich dies grundlegend geändert. Die militärische Dimension spielt in Russlands Arktispolitik eine deutlich geringere Rolle, Moskau kooperiert über die ehemaligen Blockgrenzen hinweg mit anderen Staaten und beteiligt sich an zirkumpolaren regionalen Organisationen. Zudem spielt eine Reihe großer Konzerne heute ein gewichtige Rolle im Hohen Norden. Obwohl Gefahr für Russland viel eher an den südlichen Grenzen des Landes droht, wird die Arktis in Moskau immer noch als ein Raum angesehen, der nicht nur große wirtschaftliche Bedeutung hat, sondern auch sicherheitspolitisch relevant ist. Das Konfliktpotential in der Arktis sollte dennoch nicht überschätzt werden.

Geir Hønneland: Kompromiss als Routine. Russisch-norwegische Konfliktlösung in der Barentssee

Russland und Norwegen haben im April 2010 überraschend ihre Grenzstreitigkeiten in der Barentssee beigelegt. Ausschlaggebend für die Unterzeichnung eines Abkommens über die zukünftige Seegrenze war die vorangegangenen vierzig Jahren gewonnene Verhandlungsroutine. Die Zusammenarbeit in der Fischereiwirtschaft und seit den späten 1980er Jahren auch im Umweltschutz förderte das Vertrauen zwischen den beiden Staaten. Kompromiss wurden selbst dann zum Normalfall, wenn die Positionen zuvor weit auseinandergelegen hatten.

Klaus Gestwa: Polarisierung der Sowjetgeschichte . Die Antarktis im Kalten Krieg

Als kultur- und geschichtsloser Raum erhielt die Antarktis erst in den 1950er Jahren ihren festen Platz auf der politischen Weltkarte. Überzogen mit einem dichten Netz von Forschungsstationen und geschützt durch ein internationales Vertragswerk ist der eisige sechste Kontinent zu einem einzigartigen globalen Raum mit normativem Vorbildcharakter geworden. Die Antarktis bot eine fabelhafte Projektionsfläche, auf der sich die »sozialistische Gemeinschaft« darstellen ließ. Am Südpol erschien der Ostblock im Kleinformat bald nicht mehr nur als gedachte, sondern als gelebte Gemeinschaft.

Michael Hamel-Green: Atomwaffenfreie Zone Arktis. Vorbilder und Perspektiven

In der Arktis überschneiden sich mehrere Bedrohungen für Mensch und Umwelt. Die Folgen des Klimawandels sind deutlich zu erkennen. Atomwaffen und radioaktiver Abfall stellen weitere Gefahren dar. Der Antarktisvertrag bietet ein Vorbild zur Entmilitarisierung der Arktis. Auch aus anderen Atomwaffenfreie Zonen sind Lehren zu ziehen. Die Nichtatomwaffenstaaten der Region sollten die Initiative ergreifen, um die Arktis zur Atomwaffenwaffenfreien Zone zu erklären. Sie wäre ein Ort der internationalen Kooperation und des Umweltschutzes. Das wäre auch im Interesse Russlands und der USA als Atomwaffenstaaten.

Kirsti Stuvøy, Brigt Dale: Der Arktische Rat. Gesundheitsmanagement zwischen Wissenschaft und Politik

Der Arktische Rat ist die wichtigste Institution für das Regieren jenseits des Nationalstaates im Hohen Norden. Er trifft keine rechtsverbindlichen Entscheidungen, sondern beeinflusst Politik in der Arktis mit dem grundlegenden Wissen, das seine Arbeitsgruppen zur Verfügung stellen. Besonders erfolgreich ist sein Umweltmonitoring. Im Bereich des Gesundheitsmanagements, dem sich der Rat in den letzten Jahren zugewandt hat, zeigen sich aber auch die Grenzen der wissenschaftlichen Politikberatung. Letztlich muss der Rat doch politische Entscheidungen fällen, um als einflussreiche Institution in der Arktis Bestand zu haben.

Vasilij Golovanov: Erde ohne Götter

Kolguev liegt auf der »westabgewandten Seite der europäischen Geschichte«. Einst fegten auf der Insel in der Barentssee die Rentiernomaden der Nenzen mit Gänsefedern die Tundra, damit kein Stäubchen am Standplatz zurückbleibt. Die Sowjetunion hat einen Fundus des Weltalphabets zurückgelassen: Atommüll und Bierdosen, Fässer und Gasmasken, Holzteile und Hubschrauberverkleidung. Am Nordende des Kontinents ist das Zeitenende bereits gekommen.

Ulrich Schmid: Eurasien oder Skandoslavien?. Der »Norden« im kulturellen Selbstverständnis Russlands

Das publikumswirksame Aufpflanzen einer Nationalflagge aus Titan auf dem Meeresgrund unter dem Nordpol im Jahr 2007 hat deutlich gemacht, wie ernst Russlands geopolitische Ambitionen im Norden sind. Einige prominente kulturhistorische Diskurslinien belegen das Selbstverständnis Russlands als »nördliche« Nation. Oft wurde diese Dimension zugunsten der klischeehaften Gegenüberstellung Russland – Europa vernachlässigt. Doch auch die russischen Nordkonzeptionen sind keineswegs homogen. In den vergangenen zwei Jahrhunderten wurde der Norden immer wieder als Ursprungsort nationaler Kultur und Staatlichkeit imaginiert. Gleichzeitig gab es Absetz- und Gegenbewegungen, in denen das autochthon Slavische gegen das als fremd empfundene nördlich-skandinavische Element ausgespielt wurde.

Florian Stammler, Elena Khlinovskaya: Einmal »Erde« und zurück. Bevölkerungsbewegung in Russlands Hohem Norden

Im Vergleich zu anderen arktischen Regionen ist Russlands Arktis wesentlich dichter besiedelt. Dies ist das Ergebnis einer Bevölkerungspolitik, die in erster Linie der Industrialisierung diente. In der Sowjetunion waren Deportationen, durch Subventionen geförderte Umsiedlungen und Sesshaftmachung von Nomaden die Instrumente dieser Politik. Russland verfolgt heute andere politische und wirtschaftliche Ziele und versucht, unrentabel gewordene Siedlungen im Norden aufzulösen. Doch die s Rücksiedlung stößt auf Widerstand. So leben in den neuen Geisterstädten des Nordens noch immer oder wieder einstige Umsiedler.

T. Heleniak, T. Holzlehner, E. Khlinovskaya: Der große Exodus. Demographische Trends an Russlands nördlicher Peripherie

Das Ende der Sowjetunion ging mit dem Zusammenbruch der zentralen Verwaltungswirtschaft einher. Das löste eine massive Abwanderung der Menschen insbesondere aus den peripheren Regionen Russlands aus. Seit 1991 hat der Hohe Norden fast ein Fünftel seiner Bevölkerung verloren. Das Gebiet Magadan verließen 59 Prozent, den Autonomen Kreis der Tschuktschen gar drei Viertel aller Einwohner. Das hat gravierende Konsequenzen für die sozioökonomische Lage der Bleibenden sowie für die Infrastruktur, das Siedlungswesen und den Arbeitsmarkt.

Johannes Rohr: Anpassung und Selbstbehauptung. Die indigenen Völker in Russlands Hohem Norden

Russland erkennt 40 Völker des Hohen Nordens als indigen an. Ihnen gewährt der Staat besonderen Schutz. Gleichwohl bleiben diese Völker Bittsteller. Die Erdöl- und Erdgasförderung, der Bergbau sowie Staudammprojekte haben nach wie vor verheerende Auswirkungen auf ihren Lebensraum. Gegen große Industriekonzerne können sie sich nur erfolgreich zur Wehr setzen, wenn Russland die in internationalen Erklärungen

Anna Stammler-Gossmann: »Indigene Völker«. Historische Wurzeln der russländischen Minderheitenpolitik

Russland erkennt seit 1993 eine Reihe von Völkern als indigen an. Die staatliche Definition von Indigenität ist allerdings mit den in internationalen Erklärungen zu den Rechten indigener Völker formulierten Kriterien nur teilweise kompatibel. Dies hat mit tief verwurzelten Traditionen der zarischen und sowjetischen Nationalitätenpolitik zu tun.

Christoph Humrich: Die Zukunft der Arktis. Ein Literaturbericht

Die Arktis genießt große publizistische Aufmerksamkeit. Ursachen sind die Folgen des Klimawandels, der vermutete Rohstoffreichtum sowie das Echo auf Russlands Tauchfahrt zum Meeresgrund am Nordpol. Noch mangelt es an analytischen Grundlagen, um die vielfältigen Entwicklungen einzuordnen. Auch fehlen innovative Vorschläge dafür, wie eine nachhaltige politische, ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung der Region.


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