Russland und die regionalen Mächte im Nahen und Mittleren Osten: Patiencen, die nicht aufgehen

Von Irina Zvyagelskaya (Institut für Oststudien der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau)

Zusammenfassung
Russland spielt im Nahen und Mittleren Osten eine aktive Rolle und kooperiert dabei eng mit unterschiedlichen, nicht selten widerstreitenden regionalen Mächten. Diese Akteure spielen eine wichtige Rolle im Konflikt in Syrien, wo sie ihre eigenen Interessen zu sichern versuchen und sich dabei der Ressource Russland bedienen. Moskau stößt ungeachtet seines insgesamt erfolgreichen Kurses im Nahen und Mittleren Osten auf ernste Probleme, die auf die Politik seiner Partner und situationsgebundene Kooperationen in der Region zurückzuführen sind. Im vorliegenden Beitrag werden die Beziehungen Russlands zum Iran, zu Israel und zur Türkei im Kontext der Syrien-Krise untersucht.

Russland im Nahen und Mittleren Osten: Die Kunst des Manövrierens

Die Rückkehr Russlands in den Nahen und Mittleren Osten erfolgt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl und Intensität der Konflikte in der Region, von denen der Syrien-Konflikt nur einer ist. Letzterer ist ein Beispiel für einen vielschichtigen Konflikt, bei dem im Kontext eines Bürgerkrieges äußere Mächte tätig sind und regionale Akteure eine große Rolle spielen, nämlich Staaten und nichtstaatliche Akteure, darunter auch terroristische Organisationen. Ansprüche auf eine führende Rolle haben die Türkei, der Iran und Saudi-Arabien erhoben. Auch Israel hat einen bestimmenden Einfluss auf die internationalen Beziehungen. In zweiter Reihe folgen die einflussreichen Mächte Ägypten, Jordanien und die Golfstaaten.

Die Stärkung der regionalen Kraftzentren, die ihre eigenen Ziele verfolgen, welche nicht unbedingt mit den Zielen ihrer globalen Partner übereinstimmen müssen, lässt im Kontext der Konflikte den Begriff »Zusammenarbeit« unschärfer werden. Im Nahen und Mittleren Osten bestehen für Russland taktische Allianzen und Kooperationen, die sich dort aus Moskaus eigenen Interessen in der Region ergeben haben.

Die Stationierung von Einheiten der russischen Luft- und Weltraumstreitkräfte (WKS) 2015 in Syrien hatte das Ziel, die Anstrengungen im Kampf gegen den gemeinsamen Feind – den sogenannten Islamischen Staat (IS) – mit der westlichen Koalition zu koordinieren und zu versuchen, den Prozess eines von außen betriebenen gewaltsamen Regimewechsels (siehe Irak und Libyen) aufzuhalten, der aufgrund der Besonderheiten der politischen Systeme in arabischen Staaten zu Chaos und Zerstörung führen würde. Von den ursprünglichen Zielen wurden nicht alle erreicht: Zu einer engeren Koordinierung des Vorgehens mit dem Westen und vor allem mit den USA ist es nicht gekommen, auch wenn es den Genfer Prozess gibt und die Militärs weiterhin einen Informationsaustausch unterhalten, um Zwischenfälle zu vermeiden. Die Ansätze zur Bekämpfung des Terrorismus waren ebenfalls verschieden, und der Kampf gegen den IS stellt für Russland und die Staaten des Westens keinen einigenden Faktor mehr dar, nachdem man der Terrormiliz die territoriale Basis im Irak und in Syrien genommen hatte. Zusätzlich wurde die Stärkung des Regimes von Baschar al-Assad und die Ausweitung des Territoriums, über das dieses in Syrien mit Hilfe des russischen Militärs die Kontrolle wiedergewann, zu einem erheblichen Störfaktor in den Beziehungen mit dem Westen.

Während sich in der Zusammenarbeit der globalen Mächte immer ernstere Risse zeigten, hat sich auf regionaler Ebene die Kooperation Russlands mit den Staaten dort zwar formal ausgeweitet, erfordert aber von Russland die Fähigkeit, immer geschickter zu manövrieren, die sensiblen Gleichgewichte aufrechtzuerhalten und sich aus Konflikten herauszuhalten. Einerseits tritt ein deutliches Interesse der arabischen Staaten wie auch der Türkei, des Iran und Israels an einer Beibehaltung und Ausweitung der Zusammenarbeit mit Russland zutage. Andererseits führen die zwischen diesen Akteuren bestehenden tiefen Widersprüche und Interessenskonflikte im Kontext des Syrien-Konfliktes sogar zu militärischen Zusammenstößen (Israel – Iran, Türkei – Kurden). Dabei versuchen alle beteiligten Seiten an Russland zu appellieren, dass es auf den Opponenten einen mäßigenden Einfluss geltend machen, sich einmischen, Druck ausüben usw. möge. Dadurch ergibt sich die gefährliche Tendenz, dass die Akteure in der Region ihre Agenda einer äußeren Macht aufnötigen und versuchen, diese in eine für sie fremde Welt heftigen Wettstreits sowie innerregionaler Ambitionen und Ansprüche hineinzuziehen. Diese These lässt sich anhand der Beziehungen Russlands zum Iran, zu Israel und zur Türkei illustrieren.

Iran – der »schwierige« Verbündete im Mittleren Osten

Der Iran hat bekanntermaßen erheblich dazu beigetragen, terroristische Organisationen in Syrien und im Irak zu zerschlagen, war bei der Einrichtung von Deeskalationszonen im Rahmen des Astana-Formats beteiligt und hat zur Verringerung der Konfrontationen vor Ort beigetragen. Der positive Beitrag des Iran bei der Regulierung des Syrien-Konfliktes und seine Beteiligung an Kampfhandlungen auf Seiten al-Assads können aber die bestehenden Widersprüche zwischen Moskau und Teheran nicht aus dem Weg räumen. Diese betreffen im Übrigen nicht nur den Nahen und Mittleren Osten, sondern auch andere Regionen, in denen der Iran politisch aktiv ist.

Russland kann nicht unberücksichtigt lassen, dass der Iran für viele ein Reizfaktor ist, und dass dessen Absicht, sich stärker am Mittelmeer festzusetzen, für die meisten Länder der Region nicht hinnehmbar ist. Der Iran wird beschuldigt, in einer Reihe arabischer Staaten schiitische Gemeinschaften zur Destabilisierung der Lage einzusetzen. So wird der Konflikt im Jemen als ein Beispiel einer konfessionell begründeten Mobilisierung unter Beteiligung von Teheran betrachtet.

Das starke Misstrauen zwischen den arabischen Staaten und dem Iran hat in Wirklichkeit allerdings weniger einen konfessionellen, denn einen geopolitischen Hintergrund. Das gilt auch für die Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran.

Man muss zugestehen, dass Teheran seine berechtigten Interessen und Sicherheitsbedenken hat. Der Iran befürchtet, dass er in der Region marginalisiert werden und sich die Feindseligkeit von Seiten der sunnitischen Staaten verstärken könnte. Die Versuche des Iran, seine Sicherheit zu erhöhen, werden von einer Reihe von Staaten ausschließlich als Expansionismus aufgefasst. Auch wenn man sich solchen überzogenen Einschätzungen nicht anschließt, lässt sich gleichwohl nicht leugnen, dass die Beteiligung des Iran am Syrien-Konflikt auf Seiten des Assad-Regimes nicht allein durch das Bestreben diktiert war, den in Syrien kämpfenden Dschihadisten einen Schlag zu versetzen, sondern auch durch die Hoffnung auf eine strategische Dividende, die Teherans Rolle und Einfluss in der Region stärken würde.

Die Feindseligkeit, die viele arabische Staaten sowie Israel gegenüber dem Iran zeigen, hat sich zwar nicht auf Russland übertragen, Moskau aber mitunter in eine schwierige Lage gebracht. So wurde Russland zu Beginn der Intervention in Syrien vorgeworfen, dass es sich ausschließlich auf Schiiten stütze. In Wirklichkeit war der Iran in Syrien bei weitem nicht der einzige Verbündete Russlands, und Moskau hat sich in seiner Politik nie von konfessionellen Überlegungen leiten lassen. Die Angehörigen der russischen Führung hatten wohl kaum prinzipiell eine Vorstellung von den Besonderheiten der interkonfessionellen Wechselbeziehungen im Nahen und Mittleren Osten.

Die engen Beziehungen zwischen Russland und dem Iran lassen sich dadurch erklären, dass letzterer in nächster Nachbarschaft liegt und die Beziehungen zu Teheran sich nicht auf Syrien beschränken, sondern einen Wert an sich darstellen. Für Moskau hat die Politik des Iran gegenüber der unmittelbaren Nachbarschaft in Zentralasien und dem Kaukasus große Bedeutung.

Russland – Israel: Widersprüche und Berührungspunkte

Russland war allerdings wegen seiner Zusammenarbeit mit dem Iran in Syrien genötigt, die Besorgnis anderer Staaten zur Kenntnis zu nehmen, zu denen Moskau stabile Beziehungen unterhält. Israel nimmt bekanntermaßen eine besonders markante antiiranische Haltung ein. Russland hat recht verzweigte und feste Beziehungen zu diesem Staat, die durch das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Wladimir Putin und Benjamin Netanjahu weiter gestärkt werden. Moskau mag die israelischen Befürchtungen in Bezug auf den Iran nicht teilen, kann sie aber auch nicht ignorieren.

Der wichtigste Faktor, der die israelische Feindseligkeit nährt, ist der mögliche Aufstieg des Iran zu einer atomaren Militärmacht. Für Israel hat die Wahrung seines Monopols auf ein »waffenfähiges Atompotential« vorrangige Bedeutung, und die israelische Luftwaffe ist mehrfach Angriffe gegen Atomanlagen seiner Nachbarstaaten (Irak, Syrien) geflogen, um die Möglichkeit auszuschließen, dass dort ein militärisches Atomprogramm gestartet wird. Es schien, dass das 2015 abgeschlossene Atomabkommen mit dem Iran (»Joint Comprehensive Plan of Action« – JCPOA), das den Stopp des iranischen Atomprogramms im Gegenzug für die Aussetzung der Sanktionen vorsah, einen Ausweg aus der Lage bedeuten würde. Aus Sicht der meisten israelischen Politiker und Militärs jedoch – in Israel besteht da eine eigene Art Symbiose – war das Abkommen schlecht, weil es das iranische Atomprogramm nicht vollständig aus der Welt schaffte. Andererseits war es auch besser als nichts, weil es Israel eine Atempause verschaffte.

Die Frage des Atomabkommens wurde durch die Erklärung der Trump-Administration, aus dem Abkommen aussteigen zu wollen, erneut akut. Diese Ankündigung wurde in Israel mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die Einschätzung Trumps über die Mängel des unter Präsident Obama geschlossenen Abkommens und das Versprechen, dem Iran neue Bedingungen zu stellen, fügten sich voll in die israelischen Vorstellungen von einem Verbesserungsbedarf für den »Action Plan«. Man ging in Israel sogar weiter: Unterlagen aus den Archiven des Mossad, die belegen sollten, dass der Iran nicht an einem zivilen, sondern an einem militärischen Atomprogramm arbeitete, wurden als zusätzliche Argumente für die US-Regierung präsentiert. Andererseits kann die durch nichts provozierte Aufkündigung des Abkommens durch die USA wohl kaum als Beispiel einer Einhaltung internationaler Verpflichtungen gelten und stellt diese vielmehr prinzipiell in Frage. Schließlich bedeutete der Schritt Washingtons unweigerlich eine Zuspitzung der militärischen Konfrontation zwischen Israel und dem Iran in Syrien, wo die wechselseitigen Militärschläge umfangreicher und intensiver geworden sind.

Das Szenario eines iranisch-israelischen Krieges zu entwerfen, hieße klaren Alarmismus zu betreiben. Die Schaffung eines »iranischen Korridors« durch den Irak und Syrien bis zum Mittelmeer – ein weiteres Schreckgespenst für den Nahen und Mittleren Osten – ist derzeit ebenfalls wenig wahrscheinlich: Die Amerikaner blockieren dies im Irak. Es wird davon ausgegangen, dass das wichtigste Ziel des Iran nicht in Richtung Syrien liegt, sondern in der Errichtung von Militärstützpunkten für eine verstärkte Verbindung zur Hisbollah. Das sind auch die Ziele des Iran, die in Israel als ernste Herausforderung aufgefasst werden und nach einer unmittelbaren Antwort verlangen.

Die schiitische Hisbollah ist ein äußerst wichtiges Element in den politischen und militärischen Konstellationen der Region. Die Hisbollah steht tatsächlich in enger Verbindung zum Iran, erhält von dort Waffen (die Israelis vermelden regelmäßig die Zerstörung von Militärkonvois), und ihre Kämpfer können an die Grenze der Golanhöhen vorrücken. Die Verbindungen der Hisbollah zum Iran werden in der arabischen Welt negativ wahrgenommen. Der Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC) und die Liga der arabischen Staaten haben die Hisbollah zur terroristischen Organisation erklärt. Die Organisation, die nach den Wahlen ihren politischen Einfluss im Libanon erheblich verstärkt hat, könnte der Versuchung erliegen, in Syrien die Beziehungen zu Russland gewissermaßen als zusätzliche Ressource zu betrachten.

Israel sucht gegenwärtig nach Möglichkeiten, wie der Iran durch externe Kräfte zurückgedrängt werden könnte, und wendet sich hier vor allem an Russland. Diese Frage wurde während des Moskau-Besuchs von Ministerpräsident Netanjahu am 9. Mai 2018 mit der russischen Führung erörtert. Ze’ev Elkin, israelischer Minister für Umweltschutz und ein prominenter Politiker des Landes, bezeichnete sie sogar als zentrales Thema und unterstrich dabei die Notwendigkeit, den Versuchen des Iran entgegenzutreten, sich an Israels Nordgrenze festzusetzen und in der Nachbarschaft eine Raketenproduktion einzurichten.

Russland befindet sich aufgrund der Interessen Israels und des Iran in einer schwierigen Lage. In Bezug auf Israel bedeuten die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Verbindungen, die sich angesichts der Visafreiheit dynamisch entwickeln, dass Russland die Argumente Israels anhören muss. Israel hat für Russland auch wegen seiner Position zur Rolle der sowjetischen Armee im Zweiten Weltkrieg Gewicht. Das ist umso wichtiger, da in einigen europäischen Ländern die Tendenz besteht, die Geschichte neuzuschreiben, Denkmäler für Soldaten der sowjetischen Armee zu vernichten usw. Es war kein Zufall, dass der Besuch des israelischen Ministerpräsidenten ausgerechnet anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag des Sieges stattfand.

Die Möglichkeiten Russlands, auf den Iran einzuwirken, sind nicht allzu groß. Moskau hat sich auf Aufrufe zur Zurückhaltung beschränkt und mischt sich nicht in die israelisch-iranischen militärischen Auseinandersetzungen in Syrien ein. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Auszug der USA aus dem Atomabkommen den Radikalen im Iran in die Hände spielt, was eine Verschärfung der iranischen Politik in der Region provozieren und zu einer Verhärtung der Positionen Teherans führen könnte. Trotz der anhaltenden Probleme konnte mit Hilfe Russlands ein Kompromiss gefunden werden, laut dem die syrische Armee die Positionen an der Grenze zu Israel einnehmen würde, was die Präsenz von Iran und Hisbollah ausschließen sollte.

Für Israel ist das die annehmbarste Lösung, obwohl die syrisch-israelische Konfrontation fortdauert. Damaskus demonstriert die Bereitschaft, sein Territorium und seine Verbündeten zu verteidigen, und antwortet – wie am 10. Mai 2018 – auf den Beschuss iranischer Militärobjekte mit Raketen. Die syrischen Streitkräfte reagieren nicht allzu zielgerichtet. Der Umstand jedoch, dass Israel moderne russische Waffensysteme der syrischen Streitkräfte zerstörte (unter anderem selbstfahrende Flugabwehrsysteme vom Typ »Panzir S 1«), dürfte die Militärs in Russland sicherlich erzürnt haben.

Russland – Türkei: keine nachhaltig stabile Beziehung

Auch die russisch–türkischen Beziehungen gestalten sich angesichts des Konflikts in Syrien weiterhin nicht einfach. Sie hatten 2015 eine tiefe Krise erlebt, nachdem ein russischer Bomber vom Typ SU-24 durch Raketen einer F-16 der türkischen Luftwaffe abgeschossen wurde. Die Krise konnte im weiteren Verlauf überwunden werden, wobei die Bereitschaft der Türkei zu einer Beteiligung am politischen Prozess von Astana sowie der Einrichtung von Deeskalationszonen keine geringe Rolle gespielt haben. Darüber hinaus übernahm die Türkei die Verantwortung für die Lage in Idlib, wo sich die Kämpfer sammelten, die aus den Kampfgebieten evakuiert worden waren. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Differenzen zwischen Russland und der Türkei gibt. Ein wichtiger Streitpunkt ist die Frage der Kurden: Russland befürwortet eine kurdische Autonomie und eine eigene kurdische Delegation bei den Verhandlungen. Für die Türkei ist das nicht hinnehmbar, da sie wegen der Verbindungen der syrischen Kurden zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) besorgt ist, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. Die türkischen Militäroperationen gegen die Kurden in Syrien (Operation »Schutzschild Euphrat« und »Operation Olivenzweig«) sind von Russland nie unterstützt worden. Es lässt sich getrost annehmen, dass die unerwartete Allianz mit der Türkei, die sogar russische Flugabwehrsysteme vom Typ S 400 kaufen will, vor allem unter dem Eindruck der innenpolitischen Ereignisse in der Türkei und deren komplizierter gewordenen Beziehungen zur EU und den USA zustande kam. Die syrische Front spielte hier eine eher instrumentelle Rolle, da sie Ankara bei der Suche nach Gegengewichten in seinen Streitigkeiten mit den Ländern des Westens neue Möglichkeiten bot. Bei diesem Ansatz dürften neue Meinungsverschiedenheiten zwischen Russland und der Türkei wohl alles andere als unwahrscheinlich sein.

Fazit

Die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern ist für Russland eine schwierige Angelegenheit. Die Partner treten allesamt, mit Ausnahme der nichtstaatlichen Akteure, als mächtige und einflussreiche Staaten auf, die klar umrissene Interessen verfolgen und zwischen denen schwierige, manchmal sogar feindselige Beziehungen bestehen. Die regionalen Akteure werden immer aktiver und betrachten dabei Konfliktsituationen als Window of Opportunity; die Jagd nach einseitigen Vorteilen kann die Konfrontationen innerhalb der Region nur verstärken. So hat Russland zwar der syrischen Führung bei deren Kampf gegen Terrorismus und Extremismus und für den Erhalt der Staatlichkeit geholfen und hilft ihr weiterhin, doch ist der Raum für grundsätzliche Differenzen zwischen Russland und dem Assad-Regime groß genug. Die Position Moskaus zur notwendigen politischen Regulierung des Konflikts stieß nicht immer auf eine Unterstützung durch die syrische Führung, die die Hoffnung auf einen militärischen Sieg nicht aufgab. Gleichzeitig setzen die russischen Militärs angesichts der tatsächlichen Kräfteverschiebung in Syrien immer stärker auf al-Assad. Das erfolgt auch und vor allem mit Blick auf eine Beibehaltung der russischen Militärbasen in Latakia und Tartus, zu denen es ein Abkommen mit der jetzigen syrischen Regierung gibt.

Eine Kontaktaufnahme Russlands zu den verschiedenen Kräften im Nahen und Mittleren Osten könnte einige von ihnen womöglich tatsächlich nachgiebiger machen. Allem Anschein nach besteht die wichtigste Quelle des derzeitigen russischen Einflusses und seiner Fähigkeit, mit allen freundschaftliche Beziehungen zu pflegen (mit Saudi-Arabien, dem Iran, Israel, Ägypten, der Hisbollah, Jordanien, dem Assad-Regime in Syrien usw.), im Erfolg seiner militärischen und politischen Strategie in Syrien. Das Bestreben der führenden Staaten der Region, moderne russische Waffen zu erhalten, ihr Interesse an einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, unter anderem in den Bereichen Öl und Transport, ist allerdings nur ein Aspekt der Frage. Die regionalen Akteure sind an Russland als einem Gegengewicht interessiert, das ihnen das Erreichen der eigenen Ziele erlaubt und erleichtert.

Die internationalen Beziehungen im Nahen und Mittleren Osten waren stets durch die starke Präsenz externer Mächte gekennzeichnet (das Osmanische Reich, westlicher Kolonialismus sowie zu Zeiten der bipolaren Welt die USA und die UdSSR). Die traditionelle Abhängigkeit der Region von äußeren Impulsen hat die zerbrechliche Struktur der regionalen internationalen Beziehungen geprägt und dafür gesorgt, dass es dort keine dominanten Hegemonialmächte gibt. Neue Allianzen eröffnen Russland neue Möglichkeiten, sind aber gleichzeitig eine Herausforderung, da sie durch das Bestreben der staatlichen und nichtstaatlichen Akteure motiviert werden, den russischen Einfluss zu eigenen Zwecken zu nutzen, wodurch Russland in die nahöstliche Konfrontation hineingezogen werden könnte. Somit könnte der Erfolg der russischen Politik dafür sorgen, dass es Russland umso schwerer fallen wird, eine Ausstiegsstrategie zu entwickeln.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

Lesetipps / Bibliographie

  • Kuznetsov, Vasily; Vitaly Naumkin, Irina Zvyagelskaya: Russia in the Middle East: The Harmony of Polyphony [Valdai Discussion Club Report], Moskau, Mai 2018, <http://valdaiclub.com/files/18375/>.
  • Zvyagelskaya, Irina: Russia, the New Protagonist in the Middle East, in: Aldo Ferrari (Hg.): Putin’s Russia: Really Back? Mailand: Ledizioni Ledi Publishing 2016.
  • Irina Zwjagelskaja. Was lief falsch in Syrien, in: Rotary. Magazin für Deutschland und Österreich, 2016, Nr. 11, S. 35–37.

Zum Weiterlesen

Analyse

Russische PMCs im Nahen Osten und Afrika

Von Felix Riefer
In Russland gibt es eine lange Tradition der Delegation von staatlichen Gewaltaufgaben. Neben privaten Milizen existieren heute auch private Sicherheits- und Militärunternehmen, die ähnlich wie ihre westlichen Pendants Schutzsicherheitsdienste sowie Logistik- und Supportleistungen anbieten. Mit dem Ukraine-Konflikt und der damit zusammenhängenden geopolitisch-ideologischen Konfrontation mit dem Westen entstand der Bedarf nach mindestens einer Schattenorganisation. Seitdem operiert ein neuer Typ Militärunternehmen an der Schnittstelle von privaten Wirtschaftsinteressen und russischen Großmachtansprüchen im Nahen Osten und auf dem afrikanischen Kontinent – die Gruppe Wagner.
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