Russlands (un-)heimlicher Aufstieg zum weltweit größten Getreideexporteur: Was bedeutet dies für den internationalen Getreidehandel und die globale Ernährungssicherheit?

Zusammenfassung
Den russischen Nahrungsmittelsanktionen gegenüber den westlichen Ländern wird noch immer viel Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl fraglich ist, inwieweit eine Aufhebung der Sanktionen die EU-Agrarwirtschaft überhaupt noch tangieren würde (mit Ausnahme der EU-Milchwirtschaft, die durch den Export von Milchprodukten aus Deutschland geprägt ist).
Viele der politisch festgesetzten Selbstversorgungsziele Russlands wurden mit erheblichem Subventionsaufwand erreicht, wie beispielsweise bei Schweine- und Geflügelfleisch. Es ist eine Frage der Entwicklung gut funktionierender gekühlter Wertschöpfungsketten: Ist diese Entwicklung abgeschlossen, wird Russland als Exporteur von Schweine- und Geflügelfleisch auf den internationalen Märkten auftreten.
Die russischen Getreideexporte sind dagegen nicht im Zusammenhang mit den Nahrungsmittelsanktionen zu sehen. Denn Russland begann bereits zur Jahrtausendwende, Getreide, vor allem Weizen, auf die Weltmärkte zu exportieren. Plötzlich überstiegen Anfang 2015 die russischen Weizenexporte die der USA, und Russland avancierte bereits in 2017/18 zum weltweit größten Weizenexporteur. Davon war die Getreidewirtschaft der EU und insbesondere Deutschlands stark betroffen, und es sieht gegenwärtig nicht so aus, als würde sich das in nächster Zeit ändern.
Diese Ausgabe der Russland-Analysen beschäftigt sich mit der Frage nach den Auswirkungen von Russlands Aufstieg zum weltweit größten Weizenexporteur für den internationalen Getreidehandel und für die globale Ernährungssicherheit. Sie berichtet aus den Ergebnissen von am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) durchgeführten Forschungsarbeiten.
Der erste Artikel liefert einen Überblick über die Charakteristika des russischen Getreidemarkts und wirft die Frage auf, inwieweit sich das bisher noch ungenutzte Weizenproduktionspotenzial mobilisieren lässt. Der zweite Artikel konzentriert sich auf die Besonderheiten des russischen Getreidehandels und die Bedeutung des steten Anstiegs der Weizenexporte Russlands für den globalen Weizenhandel.

Die Redaktion der Russland-Analysen in Zusammenarbeit mit dem IAMO, Halle (Saale)

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Analyse

Wie lässt sich das Getreideproduktionspotenzial Russlands mobilisieren?

Von Miranda Svanidze, Linde Götz, Florian Schierhorn
Russland leistet schon heute als weltweit größter Weizenexporteur einen beachtlichen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit. Zudem birgt Russland großes bislang ungenutztes Potenzial, um die Getreideproduktion weiter zu steigern. Um jedoch das Produktionspotenzial zu mobilisieren, muss zugleich das Exportpotenzial für Weizen erhöht werden. Unter den heutigen Marktbedingungen – mit zum Teil regional entkoppelter Preisentwicklung und hohen Transportkosten – kann das Produktionspotenzial insbesondere Westsibiriens und der Uralregion kaum genutzt werden. Die Mobilisierung des Getreideexportpotenzials erfordert insofern eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit des russischen Getreidemarkts. (…)
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Analyse

Der Aufstieg Russlands zum weltweit größten Weizenexporteur: Bedeutung für den globalen Getreidehandel

Von Maximilian Heigermoser, Linde Götz
Russland ist seit der Jahrtausendwende zum größten Weizenexporteur der Welt aufgestiegen. Während anfangs vor allem Märkte in Nordafrika und dem Nahen Osten bedient wurden, findet russischer Weizen heute vermehrt auch Nachfrage in Subsahara-Afrika und Süd- bzw. Südostasien. Umfangreiche Investitionen in moderne Hafen- und Lagerungseinrichtungen ermöglichen mittlerweile eine gleichmäßig über das Jahr verteilte Getreideausfuhr. Der Weizenexport Russlands ist durch mehrere Besonderheiten geprägt: durch ein stark schwankendes Exportangebot bedingt durch Ernteausfälle und damit verbundene Handelsbeschränkungen, durch Marktintransparenz infolge kaum entwickelter Warenterminmärkte und durch den starken Einfluss des Rubel-Wechselkurses auf die Weizenpreisbildung, mit den entsprechenden negativen Folgen für die Preisvolatilität. (…)
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