Internationaler Druck für Roskosmos
Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 verhängten westliche Länder Wirtschafts- und Finanzmarktsanktionen gegen Russland, die auf mehrere kritische Wirtschaftssegmente wie den Energiesektor abzielen. Auch wenn das russische Raumfahrtprogramm nicht direkt betroffen ist, haben die Sanktionen Auswirkungen auf die internationale Raumfahrtstrategie des Landes. Der eingeschränkte Zugang zu den internationalen Finanzmärkten trägt dazu bei, Russlands Attraktivität für Kooperationsprogramme einzuschränken. Dies gilt auch für die Raumfahrt.
Obwohl es der Staatskorporation Roskosmos, die im Jahr 2015 gegründet wurde, gelungen ist, die meisten Unternehmen der Branche zu retten, hat die Raumfahrtindustrie an Effektivität verloren. Trotz der Konsolidierung der Vermögenswerte ist es nicht gelungen, die Fertigkeiten der Belegschaft und die attraktiven Gehälter zu erhalten. In diesem geschwächten und wenig dynamischen industriellen Umfeld stößt Russland auf bedeutende Schwierigkeiten, selbstständig Raumfahrtprogramme großen Ausmaßes zu realisieren. Infolgedessen ist Roskosmos auf die Entwicklung breit angelegter Partnerschaften angewiesen, um seine Konkurrenzfähigkeit im Raumfahrtsektor zu erhalten.
Russland strebt danach, Drittländern eine kommerzielle Alternative zu bieten, da es nicht mehr gleichzeitig mit den USA und China konkurrieren kann. Insbesondere kann Roskosmos als Sponsor für Länder auftreten, die nicht in der Lage sind, eine kostspielige Weltrauminfrastruktur aus eigener Kraft zu unterhalten.
Der Niedergang der amerikanisch-russischen Weltraumkooperation
Die langjährige Weltraumkooperation zwischen Russland und den USA leidet vor allem unter den sich stetig verschlechternden bilateralen Beziehungen. Zwei Jahrzehnte, in denen das russische Raumfahrtprogramm weitgehend durch die Vermietung eigener Transportangebote am Markt präsent war, gehen zu Ende. Die Zusammenarbeit mit den USA war eine wichtige Einnahmequelle für die russische Raumfahrtindustrie. Seit 2006 kauft die NASA Sitze für bemannte Flüge mit Sojus-Raketen: Im Zeitraum zwischen 2006 und 2020 belaufen sich die Einnahmen auf insgesamt 3,9 Milliarden Dollar (für 70 Plätze). In ähnlicher Weise liefert die Roskosmos-Tochter Energomasch seit Ende der 1990er Jahre das RD-180-Triebwerk an ULA (United Launch Alliance) für deren Atlas-V-Raketen. Zu einem Preis von 15 Millionen Dollar pro Stück hat das russische Unternehmen insgesamt 116 Raketen ausgeliefert. Politische Weichenstellungen in den Vereinigten Staaten, die russische Lieferungen verbieten, führten jedoch zu einer Abkehr von dieser Partnerschaft. Angetrieben von SpaceX und Blue Origin erfährt die amerikanische Raumfahrtindustrie zudem eine neue Dynamik auf dem Markt. Vereinfacht gesagt könnten die Ausweitung der bemannten Flüge und die Entwicklung alternativer Triebwerke zum RD-180 von Energomasch die finanziellen Einnahmen einbrechen lassen, die jedoch für die Aufrechterhaltung der russischen Raumfahrtambitionen in diesem Jahrzehnt unerlässlich sind.
Die Aussicht auf neue amerikanische Sanktionen insbesondere gegen das Projekt Nord Stream 2 begünstigt den Dialog im Raumfahrtbereich nicht. Obwohl es keinen Hinweis darauf gibt, dass der Raumfahrtsektor speziell von der nächsten Sanktionsrunde betroffen sein könnte, ist die Zusammenarbeit zwischen NASA und Roskosmos rückläufig. Während die praktische Zusammenarbeit fortgesetzt wird (wissenschaftlicher Austausch, Zusammenarbeit bei der Internationalen Raumstation ISS), hat die NASA angeordnet, die Anzahl der Mitarbeiter in ihrem Verbindungsbüro (NMLO) in der US-Botschaft in Moskau zu reduzieren. Diese Entscheidung fällt in eine Zeit, in der das Abkommen über regelmäßige Flüge von NASA-Astronauten in Sojus-Raketen im Jahr 2020 endet. Der Flug der Astronautin Kate Rubins am 14. Oktober 2020 war der letzte, bei dem die NASA die Summe von 90,35 Millionen Dollar für einen Sitz in einem russischen Shuttle bezahlte.
Ab sofort wird die NASA ihre Astronauten auf einer Ad-hoc-Basis mit Sojus-Flügen zur ISS schicken. SpaceX drängt auf den Raumfahrtmarkt, was wiederum die amerikanische Abhängigkeit von russischen Flügen beendet. Für die kommenden Flüge zur ISS will die NASA im Gegensatz zur bisherigen Praxis Roskosmos nicht für Plätze im Shuttle bezahlen. Stattdessen wird die NASA eher eine Kompensation durch Sachleistungen anbieten, die eine dritte Partei, nämlich das kommerzielle Unternehmen Axiom Space, erbringen soll. Kürzlich haben US-Gesetzgeber die Pläne der NASA für den weiteren Zugang zur ISS in Frage gestellt. Der Austausch von Shuttle-Plätzen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten, der durch die jüngste Praxis des Sitztauschs angedeutet wurde, basiert nicht auf einer formellen Vereinbarung zwischen den beiden Parteien. Das Ende der vertraglichen Beziehung eröffnet dem russischen Raumfahrtprogramm neue Möglichkeiten, da Wege gefunden werden müssen, die Ambitionen von Roskosmos finanziell zu unterstützen. Die Annäherung an China ist ein Eckpfeiler dieser strategischen Erneuerung.
Zusammen mit China im neuen Wettlauf ins All
In den letzten zehn Jahren haben Russland und China ihre Zusammenarbeit im Bereich der Raumfahrt in mehreren Aspekten verstärkt. Zum einen koordinieren sie ihre diplomatischen Anstrengungen, da sie eine gemeinsame Vision zur Nutzung des Weltraums vertreten. Gemeinsam arbeiten sie an einem Vertrag zur »Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum« (Prevention of an Arms Race in Outer Space, PAROS). Im Jahr 2014 legten sie einen neuen Entwurf für einen »Vertrag über die Verhinderung der Platzierung von Waffen im Weltraum, der Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen Weltraumobjekte« (Treaty on the Prevention of the Placement of Weapons in Outer Space, the Threat or Use of Force against Outer Space Objects, PPWT) vor. Russland und China setzen sich im Rahmen der UN-Institutionen für einen tragbaren Ansatz innerhalb der internationalen Gemeinschaft ein, um die Bewaffnung und ein Wettrüsten im Weltraum in rechtlich verbindlicher Form zu verhindern. Dennoch kooperieren beide Länder in gemeinsamen militärischen Raumfahrtprogrammen. So unterstützt Russland beispielsweise Chinas Bemühungen, ein Frühwarnsystem aufzubauen, das Teil der immer enger werdenden »strategischen Partnerschaft« ist. Das System umfasst eine weltraumgestützte Kette von Satelliten, die den Start von ballistischen Raketen vom Territorium beliebiger Staaten in Echtzeit erkennen können.
Auf der anderen Seite basiert die zivile wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit hauptsächlich auf dem Raumfahrt-Kooperationsprogramm für 2018–2022. Unter der Leitung von Roskosmos und der China National Space Administration (CNSA) umfasst dieses Programm sechs Abschnitte mit Arbeitsgruppen. Unter anderem haben sich beide Seiten darauf geeinigt, ein gemeinsames Datenzentrum für den Mond und den tiefen Weltraum einzurichten. Das Fünf-Jahres-Abkommen ist zwar auf die technische Zusammenarbeit beschränkt, umfasst aber auch die Entwicklung von Spezialmaterialien, die Zusammenarbeit im Bereich der Satellitensysteme, die Fernerkundung der Erde und die Erforschung von Weltraummüll.
Was die Förderung der zivilen Zusammenarbeit betrifft, so ist diese nach wie vor von geringer Intensität und beschränkt sich auf technische Aspekte im Rahmen des Roskosmos-CNSA-Abkommens, das bis 2022 gilt. Darüber hinaus hängt diese Zusammenarbeit vom Willen und der Fähigkeit zu finanziellen Investitionen ab. Da China im Wettlauf mit den USA um den Mond und dem damit verbundenen Programm »Artemis« voll eingebunden ist, bleibt hier für Russland kein Platz. Da das Land kein eigenes Mondprogramm unterhalten kann, war Roskosmos in den letzten Jahren mit der NASA im Gespräch, sich am Gateway-Programm zu beteiligen. Allerdings sind Russland und China im März 2021 gemeinsam vorgeprescht, um an einer »International Scientific Lunar Station« zu arbeiten, die den Mond umkreist. Die von Roskosmos und CNSA unterzeichnete Absichtserklärung schließt die russische Teilnahme am Konkurrenzprogramm der NASA damit aus. Nach Angaben der Russischen Föderalen Raumfahrtbehörde zielt die Absichtserklärung auf experimentelle Forschungen auf der Oberfläche und/oder im Orbit des Monds ab. Obwohl die Umsetzung dieses Projektes noch in weiter Ferne liegt, erleichtert Russland somit China den Einstieg als internationalem Raumfahrtpartner. Das ist eine Option, die Peking in Erwägung ziehen könnte, um den Vereinigten Staaten als direktem Konkurrenten entgegenzutreten.
Diplomatisch haben die beiden Länder eine gemeinsame Vision und gemeinsame Interessen, da sie bei einem möglichen Wettrüsten im Weltraum mit westlichen Ländern konkurrieren. Derzeit arbeiten sie gemeinsam an der Einrichtung eines Frühwarnsystems. Diese strategische Ausrichtung wird in naher Zukunft wahrscheinlich beibehalten werden. Langfristig jedoch offenbart die Kooperation zwischen Russland und China eine Differenzierungsstrategie. Auch wenn Russland derzeit einen erheblichen Technologie- und Erfahrungsvorsprung genießt, wird dieser im kommenden Jahrzehnt in Frage gestellt werden. Nach den beeindruckenden chinesischen Fortschritten in der Raumfahrt wird sich die strategische Eigenständigkeit des Landes vergrößern. Russland könnte damit in diesem Bereich zum Juniorpartner degradiert werden.
Der russische dritte Weg: Ein Vermittler im Weltraum
In Anbetracht dieses Wandels hat Russland eine ehrgeizige Politik zur Diversifizierung seiner Partnerschaften unternommen. Innerhalb eines Jahrzehnts vervielfachten sich die Partnerschaftsabkommen mit Industrie- und Technologiemächten (Südkorea, Israel, Japan) auf der einen und BRICS-Ländern (Brasilien, China, Indien) auf der anderen Seite. Diese Zusammenarbeit wird entweder durch gemeinsame Aktivitäten oder durch Technologietransfer erreicht. Basierend auf den Prinzipien der Wissenschaftsdiplomatie nutzt Russland den Weltraum als Instrument zur Kanalisierung der internationalen Zusammenarbeit und platziert sich somit als strategisch wichtiger Akteur. Nichtsdestotrotz erwies sich die bilaterale Zusammenarbeit mit anderen Ländern manchmal als Herausforderung. Zum Beispiel war die Zusammenarbeit zwischen Russland und Südkorea in der Raumfahrt wechselhaft, da die unterschiedlichen Stile der beiden Länder zu diplomatischen Verwerfungen führen. Die bilaterale Raumfahrtkooperation verlief nicht reibungslos. Es kam zu vielfachen Problemen wie Verzögerungen beim Start, Astronauten mussten einen Monat vor einem geplanten Raumflug ausgetauscht werden, oder es kam zu zeitweiligen Unterbrechungen.
Die internationale Raumfahrtpolitik Russlands strebt jedoch nach Diversifizierung, um Ländern Möglichkeiten anzubieten, die selbst nicht in der Lage sind, eine eigenständige Weltraumstrategie zu verfolgen. Argentinien ist hier ein gutes Beispiel. Im Jahr 2019 wurde zwischen Argentinien und Russland ein Protokoll über die Zusammenarbeit im Weltraum zu friedlichen Zwecken unterzeichnet. Dieses bilaterale Abkommen beinhaltet die Zusammenarbeit bei bemannten Raumfahrtmissionen, Dienstleistungen bei Starts und der Produktion von Raumfahrtausrüstung. Für die zivile Agentur der argentinischen Regierung, Comisión Nacional de Actividades Espaciales (CONAE), zielt dieses bilaterale Abkommen darauf ab, die Kapazitäten des Landes im Bereich Raumfahrt zu verbessern. Darüber hinaus beinhaltet diese neue Stufe der Zusammenarbeit die Errichtung von Bodenstationen, die vom russischen globalen Navigationssystem (GLONASS) überwacht werden. GLONASS ist eines der strategischen Instrumente des russischen Verteidigungsministeriums, mit dessen Hilfe es seinen Einfluss ausbaut. Diese zukünftige Bodeninfrastruktur ist Teil der russischen Wissenschafts- und Technologiediplomatie in Lateinamerika. Bislang wurde die GLONASS-Infrastruktur in Brasilien, Kuba und Guatemala installiert.
In den letzten Jahren war Russland bemüht, internationale Raumfahrt-Kooperationsprogramme in Afrika und Südostasien voranzutreiben. Diese Diversifizierungspolitik, die darauf abzielt, die strategische Abhängigkeit der russischen Raumfahrtaktivitäten von den westlichen Großmächten zu verringern, offenbart jedoch, dass eine globale Strategie fehlt. So weist die Raumfahrtkooperation innerhalb der BRICS-Staaten nach wie vor eine erhebliche Divergenz der Interessen, Prioritäten und Fähigkeiten auf. Diese Partnerschaften sind fragile Netzwerke, die den technologischen und industriellen Niedergang Russlands nicht auffangen können.
Die Zusammenarbeit mit Europa hat sich bisher als recht robust erwiesen. Trotz des sich abzeichnenden Verfalls seiner alternden Industrie und geopolitischen Spannungen, einschließlich des von der EU seit 2014 umgesetzten Sanktionsregimes, ist die Raumfahrtkooperation davon relativ abgekoppelt. Jenseits der aktuellen Krise findet diese Zusammenarbeit in einer offenen und konstruktiven Atmosphäre statt, die das gute Verhältnis zwischen Roskosmos und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) unterstreicht. Tatsächlich verlässt sich Europa auf dem Markt für Startdienste immer noch auf russische Trägerraketen. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden 40 Prozent des gesamten europäischen Startbedarfs durch russische Trägerraketen gedeckt.
Die internationale Strategie Russlands besteht darin, seinen Kundenstamm zu erweitern, indem es kommerzielle Dienstleistungen in Drittländern anbietet. Die langjährige Erfahrung und die solide Infrastruktur des Landes lassen darauf schließen, dass hier in Zukunft Fortschritte erzielt werden können. Russland steht jedoch vor technologischen und finanziellen Hindernissen, die insbesondere eine Auswirkung westlicher Sanktionen sind. Im Allgemeinen wird die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Russland es der NASA und Roskosmos nicht erlauben, neue Bereiche der Zusammenarbeit zu erschließen. Die Entscheidung von Roskosmos, sich auf Kosten des Gateway-Mondprogramms der NASA mit China für die Mondstation zu verbünden, bestätigt diese Tendenz.
Russland ist wirtschaftlich weniger auf seine Weltrauminfrastruktur angewiesen als die USA und China. Dies könnte zu einer ernsthaften Gefährdung für die Modernisierung des Raumfahrtprogramms werden: Russische Satelliten sind zum Beispiel auf westliche Komponenten angewiesen, die nicht mehr zugänglich sind. Dies könnte das Satellitenprogramm stark beeinträchtigen. Somit vergrößert sich der kritische technologische Rückstand gegenüber anderen Raumfahrtweltmächten.
Diese kumulierten Verzögerungen sowie die finanziellen Schwierigkeiten verdeutlichen die schwache Lage des zivilen Raumfahrtsektors. Gleichzeitig hält das russische Verteidigungsministerium diese Branche mit anstehenden Investitionen, wie z. B. für das Testen neuer Trägerraketen, über Wasser. Diese Entwicklung ist das Ergebnis sowohl der geopolitischen Bestrebungen Russlands als auch der politischen Eiszeit mit den westlichen Ländern. Dies könnte das Tempo und den Umfang des digitalen Wandels in Russland beeinflussen und Moskau dazu zwingen, sich auf Drittanbieter zu verlassen, die es mit den notwendigen Technologien und Dienstleistungen versorgen. Alles in allem kann Russland große internationale Raumfahrtprojekte nicht allein durchführen und könnte die Zusammenarbeit mit Europa als stabilen Anker betrachten, um einen schnellen Niedergang abzuwenden.