Ausgewählte Publikationen über die deutsch-russischen Beziehungen

Adomeit, H. (05.06.2020, SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen Band 4 Heft 3, Berlin): Bilanz der deutschen Russlandpolitik seit 1990.

https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2020-3004/html

Dieser Artikel untersucht, wie es dazu kommen konnte, dass sich all die Hoffnungen und Erwartungen, die sich 1990 mit dem in Moskau unterzeichneten Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland und der Charta von Paris für ein neues Europa verbanden, zerschlagen haben und warum sowohl die Vision einer deutsch-russischen »strategischen Partnerschaft« als auch ihre beabsichtigte Konkretisierung durch eine »Modernisierungspartnerschaft« gescheitert sind. Der Artikel sieht die Erklärung für diese Entwicklung in der russischen Innenpolitik. Die russische Machtelite konnte auf die Angebote Deutschlands (und der EU) auf eine enge »Verflechtung« und umfassende Zusammenarbeit nicht eingehen, weil diese ihren Wahrnehmungen zufolge den Machterhalt im eigenen Land und in der von ihr deklarierten Einflusssphäre in Mittel- und Osteuropa gefährdet hätte.

Aust, M.; Hillbrenner, A.; Obertreis, J. (02.07.2020, Gerda Henkel Stiftung, Berlin): Geschichtspolitik braucht Entspannungspolitik.

https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/geschichtspolitik_entspannungspolitik

Der russische Präsident Wladimir Putin nutzte den 75. Jahrestag des Kriegsendes für eine ungewöhnliche Maßnahme: Er veröffentlichte in seinem Namen einen langen Text zur Geschichte des Krieges, der offensichtlich als geschichtspolitische Vorgabe und künftig zu zitierende Essenz seines Geschichtsverständnisses zu diesem Thema gelten soll. […] Putins Artikel hatte bereits eine gewisse Breitenwirkung entfaltet, als die russische Botschaft sich entschloss, eine Übersetzung an Osteuropahistorikerinnen und -historiker an Universitäten in Deutschland zu schicken. […] Weil Putin sich derart öffentlichkeitswirksam auf das Feld der historischen Wissenschaft begibt, sehen wir Wissenschaftler*innen uns auch aufgerufen, zu einigen Fragen, die der Text aufwirft, Stellung zu nehmen.

Bundestag (26.03.2021, Deutscher Bundestag Drucksache 19/28012, Berlin): Auswirkungen des russischen »Gesetzes über ausländische Agenten« auf die Zivilgesellschaft.

https://dip.bundestag.de/drucksache/auf-die-kleine-anfrage-drucksache-19-27534-auswirkungen-des-russischen-gesetzes/252129

Seit 2012 gilt in Russland das restriktive »Gesetz über ausländische Agenten«, wonach Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die in Russland »politisch tätig« sind und finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, sich als »ausländische Agenten« in ein Staatsregister registrieren lassen. Bereits durch dieses Gesetz wird die russische Zivilgesellschaft massiv unterdrückt und ihre Arbeit verhindert. Gemäß einer Gesetzesänderung können seit 2017 auch Medienorganisationen als sogenannte ausländische Agenten eingestuft werden. Diese Regelung wurde 2019 nochmal ausgeweitet, um auch Einzelpersonen, die als Medienschaffende arbeiten – darunter auch Blogger und Nutzer von sozialen Medien – zu umfassen, welches als einen »weiteren Schritt zur Einschränkung freier und unabhängiger Medien« von Menschenrechtsorganisationen bezeichnet wurde.

Bundestag (05.05.2021, Deutscher Bundestag Drucksache 19/29313, Berlin): Kurskorrektur in der Russlandpolitik – Menschenrechte, Demokratie und europäische Friedensordnung konsequent verteidigen.

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw23-de-russlandpolitik-843426

Die Bundesregierung sollte nach den Vorstellungen der Grünen ihre Politik »konsequent auf die Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Russland sowie ein einiges Auftreten der Europäischen Union gegenüber Russland« ausrichten. Als Reaktion auf die Isolationspolitik des Kremls sollte andererseits der gesellschaftliche Austausch mit Russland, insbesondere in den Bereichen Zivilgesellschaft, Jugend und Kultur, erheblich intensiviert werden. Hier müsse die Bundesregierung auf EU-Ebene auch für eine Lockerung und großzügige Auslegung der einschlägigen Visa-Bestimmungen werben. Außerdem wandten sich die Abgeordneten gegen die im Bau befindliche Gas-Pipeline Nord Stream 2, der die Bundesregierung eine Absage erteilen sollte. Das Projekt sei für die Energieversorgung Europas nicht notwendig, sondern vor allem klimaschädlich.

Burkhardt, F. (15.07.2021, Dekoder Bystro #25, Hamburg): Warum sind deutsche NGOs in Russland »unerwünscht«?

https://www.dekoder.org/de/article/bystro-unerwuenschte-organisationen-bedeutung

Drei deutsche NGOs gefährden laut russischer Generalstaatsanwaltschaft »die Grundlagen der Verfassungsordnung und die Sicherheit der russischen Föderation«. Aus diesem Grund wurden sie Ende Mai 2021 zu »unerwünschten Organisationen« erklärt. Warum ausgerechnet diese drei? Wird es noch weitere treffen? Und was sind die Hintergründe?

Burkhardt, F. (27.09.2021, Dekoder Bystro #27, Hamburg): Wird die Bundestagswahl die Russland-Politik verändern?

https://www.dekoder.org/de/article/bystro-bundestagswahl-russlandpolitik-laschet-scholz

Außenpolitische Erwägungen spielen bei der Bundestagswahl für die Wähler traditionell eine, gelinde gesagt, untergeordnete Rolle. So auch bei der aktuellen Wahl, die der SPD und ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz einen knappen Sieg vor der CDU/CSU beschert hat. Was aber bedeutet eine mögliche neue Regierung unter Scholz, der sich bereits für eine Ampel-Koalition mit den Grünen und mit der FDP ausgesprochen hat, für eine deutsche Außenpolitik in Bezug auf Russland und Belarus? Ist eine Rückkehr zur früheren Ostpolitik denkbar? Was würde eine sogenannte Jamaika-Koalition für die deutsch-russischen Beziehungen bedeuten?

Fischer, S. (02.10.2021, SWP-Studie 2021/S 15, Berlin): Schwieriges Verhältnis zu Moskau. Deutsche Russlandpolitik muss weiter justiert werden.

https://www.swp-berlin.org/publikation/deutsche-aussenpolitik-im-wandel#hd-d58493e1771

Die Beziehungen mit Russland werden auch für die nächste Bundesregierung eine der größten außen­politischen Herausforderungen sein. Sie gehören zu den kontroversesten Themen innerhalb der EU, sind konstitutiv für die europäische Sicherheit, haben eine markante transatlantische Dimension und sind als Folge der zunehmenden Bedeutung Chinas für Russland eng mit der Frage der künftigen Weltordnung verknüpft. Deutschland braucht keine grundlegend neue Russlandpolitik, aber es muss die Realität der russischen Innen- und Außenpolitik noch stärker berücksichtigen.

Fix, L. (2021, Palgrave Macmillan, Cham): Germany’s Role in European Russia Policy – A New German Power?

https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-030-68226-2

Dieses Buch leistet einen Beitrag zur Debatte über eine neue deutsche Machtposition in Europa mit einer Analyse der Rolle Deutschlands in der europäischen Russlandpolitik. Es liefert eine aktuelle Darstellung der deutschen «Ostpolitik» und der Art und Weise, wie Deutschland die Beziehungen zwischen der EU und Russland seit der Osterweiterung 2004 beeinflusst hat – teils mit, teils gegen die Interessen und Präferenzen der neuen Mitgliedsstaaten. Der Band verbindet eine umfangreiche empirische Analyse der Russlandpolitik mit einer theoriegeleiteten Perspektive auf Deutschlands Macht und Einfluss in der EU. Die Ergebnisse zeigen, dass trotz der zentralen Rolle Deutschlands die Ausübung von Macht innerhalb der EU von der Legitimität und Akzeptanz durch andere Mitgliedstaaten abhängt.

Fücks, R. (01.03.2021, Internationale Politik, Berlin): Die fossile Großmacht und der Klimawandel.

https://internationalepolitik.de/de/die-fossile-grossmacht-und-der-klimawandel

Russlands Wirtschaft hängt am Erdöl, an Gas und Kohle. Der Staat verfolgt damit auch geopolitische Ziele. Von einem ökologischen Umbau ist er weit entfernt. Russland ist ein fossiles Energieimperium. Erdöl, Gas und Kohle bilden das Fundament der Ökonomie und machen den Löwenanteil der Exporte aus. Machtapparat und Energiewirtschaft sind eng verflochten. Zugleich ist die Energiepolitik ein Instrument russischer Großmachtpolitik; sie wird gezielt eingesetzt, um Einfluss zu gewinnen. Dazu zählen die Vergabe lukrativer Posten an europäische Ex-Politiker, der Aufbau ökonomischer Netzwerke, die Finanzierung kremlfreundlicher Institute im Westen und die klassische Energie-Geopolitik wie im Fall von Nord Stream 2.

Heinemann-Grüder, A.; Mitrokhin, N. (2021, Osteuropa 3/2021, Berlin): Für eine neue Russland-Politik – Ein Strategiepapier.

https://www.zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2021/3/fuer-eine-neue-russland-politik/

Im Zuge des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes und während der Bildung der neuen Bundesregierung werden die künftigen Regierungsparteien ihre außenpolitischen Positionen definieren und abstimmen. Das folgende Strategiepapier richtet sich an Bundestagsabgeordnete im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Wahlkampfmanager, die Verhandlungsteams der Koalitionsverhandlungen, die politischen Stiftungen sowie an das künftige Führungspersonal insbesondere im Auswärtigen Amt. Das Strategiepapier formuliert Ziele und Interessen und unterbreitet konkrete Vorschläge zur Umsetzung.

Köpf, P. (21.09.2021, KARENINA Petersburger Dialog Online Berlin): Parteien: Wie haltet ihr es mit Russland?

https://www.karenina.de/news/politik/parteien-wie-haltet-ihr-es-mit-russland/

Die Programme der bei den Bundestagswahlen kandidierenden größeren Parteien sind teilweise mehr als hundert Seiten lang. Ausnahmslos alle beschäftigen sich auch – mehr oder weniger – mit Russland.

Lough, J. (Juli 2021, Manchester University Press, Manchester): Germany’s Russia problem – The struggle for balance in Europe.

https://manchesteruniversitypress.co.uk/9781526151506/

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind die wichtigste Verbindung Europas mit dem größten Land des Kontinents. Doch trotz des einzigartigen Wissens und der historischen Erfahrung Deutschlands fällt es seinen politischen Entscheidungsträgern schwer zu akzeptieren, dass Moskaus Bemühungen um eine Neuausrichtung Europas auf Kosten des Zusammenhalts der EU und der NATO einen Angriff auf Deutschlands Kerninteressen darstellen. Dieses Buch erläutert das Ausmaß der Herausforderung, vor der Deutschland bei der Gestaltung seiner Beziehungen zu einem sich wandelnden Russland steht. Es analysiert, wie die aufeinanderfolgenden deutschen Regierungen von 1991 bis 2014 die russischen Absichten falsch verstanden haben, bis Angela Merkel die deutsche und die EU-Politik gegenüber Moskau grundlegend neu ausgerichtet hat. Das Buch untersucht auch, was hinter den Bemühungen steht, Merkels gewagten Politikwechsel zu revidieren, einschließlich der aus der DDR übernommen Einstellungen und der Rolle der russischen Einflusskanäle in Deutschland.

Lukjanow, F. (12.10.2020, ips-journal, Brüssel): Im Osten was Neues

https://www.ips-journal.eu/topics/foreign-and-security-policy/russia-and-the-west-dont-need-each-other-anymore-4730/

Weniger als zwei Wochen nach der offiziellen Wiedervereinigung Deutschlands gab das norwegische Nobelkomitee bekannt, dass der Friedensnobelpreis 1990 an den Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, verliehen werden sollte. Die deutsche Einheit wurde zum Hauptsymbol des Wandels – so wie die Teilung Deutschlands nach dem Krieg den Kalten Krieg in Europa und der Welt für lange Zeit begründet hatte. Um den Fall Nawalny und die Debatte über die Nord Stream 2-Pipeline vollständig zu verstehen, müssen wir weiter in die Vergangenheit zurückblicken. Die deutsche Ostpolitik basierte schon immer auf der Frage der Sicherheit. Als sich der Erdgashandel zwischen Westdeutschland und der Sowjetunion seit Anfang der 1970er Jahre stetig ausweitete, waren materielle Vorteile sowohl für die Verbraucher als auch für die Lieferanten sicherlich wichtig. Entscheidend war jedoch, dass der Erdgashandel zur Bewältigung der militärisch-politischen Konfrontation beitrug. Genau aus diesem Grund ließ die US-Regierung die Ausweitung der Gaslieferungen zu, obwohl sie die Verlegung der Pipelines von Ost nach West mit Argwohn betrachtete – und dies auch heute noch tut.

Meister, S. (September 2021, DGAP Memo, Berlin): Pragmatische Russlandpolitik – Deutschland sollte seine Verhandlungsposition stärken.

https://dgap.org/de/forschung/publikationen/pragmatische-russlandpolitik

Russlands wachsender globaler Bedeutung stehen seine Förderung autoritärer Stabilität, zunehmende Repressionen nach innen und die Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten gegenüber. Gleichzeitig haben sich Russland und Deutschland in den letzten zehn Jahren entfremdet und werden in der nächsten Legislaturperiode die Grenzen von Kooperation spüren. Die russische Führung ist aktuell kein verantwortungsvoller Partner in internationalen Krisen, sondern nutzt diese, um eigene Verhandlungspositionen zu verbessern. Deutschland braucht eine pragmatische Russlandpolitik, die diplomatische Beziehungen pflegt und Kooperation bei Themen von gemeinsamem Interesse wie Klimawandel und Stabilisierung in Afghanistan sucht. Zur Stärkung der eigenen Verhandlungsfähigkeit gegenüber Moskau sollte Deutschland in Resilienz und Verteidigungsfähigkeit im Rahmen der EU und NATO investieren, sich stärker in der Konfliktlösung weltweit engagieren sowie den gesellschaftlichen Austausch mit Russland fördern.

Panagiotidis, J.; Morasch, V. (ostklick, Berlin): »Die Russlanddeutschen haben ein bestimmtes Image als ›rechts‹«

https://www.ost-klick.de/wahlverhalten/

Lange galten Russlanddeutschen als zuverlässige Stammwähler:innen der CDU/CSU und darüber hinaus als nicht besonders politisch engagiert. Beginnend mit dem »Fall Lisa« im Jahr 2016 änderte sich das. Einige russlanddeutsche Spätaussiedler:innen protestierten gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung. Das brachte den Russlanddeutschen den Ruf ein, jetzt vermehrt für rechtspopulistische und -extreme Parteien zu stimmen und sich deren Ideen zuzuwenden. Der Historiker und Migrationsforscher Jannis Panagiotidis hat sich diese Gruppe und ihr Wahlverhalten genauer angesehen. Wir haben ihn gefragt: Was ist dran an diesem Ruf?

Sasse, G. (22.09.2021, ZOiS Spotlight 33/2021, Berlin): Bundestagswahl: Quo vadis, Osteuropapolitik?

https://www.zois-berlin.de/publikationen/bundestagswahl-quo-vadis-osteuropapolitik

Das Ende der Merkel-Ära bedeutet Ungewissheit über den zukünftigen politischen Kurs Deutschlands und der EU in den Beziehungen zu Osteuropa. Insbesondere Russland hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Priorität gemacht. Immer wieder suchte sie den direkten Draht zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, auch wenn die Aussicht darauf, seinen innen- oder außenpolitischen Kurs zu beeinflussen, äußerst begrenzt war. Damit hat sie jedoch gezeigt, dass direkter Kontakt auch bei konträren Interessen wichtig bleibt und die Gegenüberstellung von Dialog und Sanktionen zu kurz greift.

Sasse, G. (29.10.2020, ZOiS Report 5/2020, Berlin): Russland2: Russlandbilder in Ost- und Westdeutschland.

https://www.zois-berlin.de/publikationen/russland2-russlandbilder-in-ost-und-westdeutschland

Im politischen Diskurs und in punktuellen Meinungsumfragen klingt regelmäßig an, dass die Bevölkerung in Ost- und Westdeutschland nicht nur in Bezug auf Deutschlands Innenpolitik der letzten 30 Jahre, sondern auch in außenpolitischen Fragen unterschiedliche Wahrnehmungen und Präferenzen hat. Dieser ZOiS Report geht diesen Unterschieden am Beispiel der Russlandansichten in Ost- und Westdeutschland nach. Grundlage sind eine neue Umfrage und Fokusgruppendiskussionen. Die ZOiS-Umfrage bestätigt die Existenz von Unterschieden in der Wahrnehmung der Innen- und Außenpolitik Russlands in Ost- und Westdeutschland. Der jetzige Wohnort ist hierbei mitunter wichtiger als der Geburtsort. Darüber hinaus gibt es einen klaren Hauptstadteffekt: Berliner*innen haben nicht nur mehr persönliche Kontakte nach Russland, sie sind sich auch der Repressionen in Russland stärker bewusst. Andere soziodemographische Faktoren, insbesondere Alter, Geschlecht und Bildungsgrad, sind ebenfalls von Bedeutung.

Schlögel, K.; Baberowski, J. (11.01.2020, WELT, Berlin): »Putins Zeit geht zu Ende«.

https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus204912170/Karl-Schloegel-Lasse-mir-mein-Russland-Bild-nicht-von-Putin-versauen.html

Zwei Historiker und Kenner Russlands sprechen über Russland unter Putin. Sie erklären, warum das Riesenland einerseits sehr modern geworden ist – und warum es den Menschen dennoch kein gutes Leben bieten kann.

Schröder, H. (2020, Osteuropa 1-2/2020, Berlin): Politikberatung und ihre GrenzenLehren aus drei Jahrzehnten Osteuropaforschung.

https://www.zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2020/1-2/politikberatung-und-ihre-grenzen/

In einer komplexen Welt hat die Politik ständig Bedarf an validen Informationen und Wissen, um Probleme zu erkennen, Lösungen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen. In Entscheidungsprozessen greifen Politik und Verwaltung auf die Wissenschaft zurück. Doch der Wissenstransfer ist anspruchsvoll und gelingt nur unter spezifischen Bedingungen. Eine subjektive, auf teilnehmender Beobachtung und persönlichen Erfahrungen basierende Reflexion über die Chancen und Grenzen der wissenschaftlichen Politikberatung in der regionalen Außenpolitikforschung ergibt: Der Beitrag der Osteuropaforschung zur deutschen Außenpolitik gegenüber Russland ist höchst begrenzt, wie sich an der Tschetschenienpolitik, der NATO-Osterweiterung, der Modernisierungspartnerschaft und der Frage nach einer neuen Sicherheitsarchitektur in Europa gezeigt hat. Zu stark unterscheidet sich die Handlungslogik von Wissenschaft und Politik.

Schulze Wessel, M. (11.10.2020, FAZ, Frankfurt): Was die Geschichte über die deutsch-russischen Beziehungen lehrt.

https://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/wo-beginnt-historisch-der-deutsch-russische-sonderweg-16985629.html

Schon im 18. Jahrhundert hatten die preußisch-russischen Beziehungen nicht nur eine persönlich-emotionale Basis. Zwischen beiden aufstrebenden Staaten entstand damals eine Art Wahlverwandtschaft. Sie wirkt bis heute fort. Ein Essay.

Siddi, M. (26.11.2018, German Politics Vol. 29/2020): A Contested Hegemon? Germany’s Leadership in EU Relations with Russia.

https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/09644008.2018.1551485

In diesem Artikel wird die Rolle Deutschlands in der Außenpolitik der Europäischen Union (EU) gegenüber Russland untersucht. Er zeigt auf, dass Deutschland seit Ende der 2000er Jahre eine führende Rolle in den Beziehungen der EU zu Russland einnimmt, vor allem durch den Versuch, seine langjährige Politik des Dialogs und der Zusammenarbeit mit Moskau – bekannt als Ostpolitik – auf die EU-Ebene zu übertragen. Während der Ukraine-Krise entstand in diesem Bereich eine hegemoniale Führungsrolle Deutschlands. Wirtschaftliche und institutionelle Macht, die Zustimmung seiner europäischen und transatlantischen Verbündeten und eine unterstützende Innenpolitik ermöglichten es Deutschland, sich als wichtigster EU-Verhandlungspartner für Moskau zu profilieren. Indem er das langfristige deutsche Streben nach einer Führungsrolle in den Beziehungen der EU zu Russland hervorhebt, vertritt der Artikel die These, dass Deutschland in diesem Politikbereich kein »zögerlicher«, sondern ein durchsetzungsfähiger Hegemon ist. Darüber hinaus hebt der Artikel hervor, wie die Tradition der Ostpolitik und das Selbstverständnis als Zivilmacht es Deutschland ermöglichten, die westliche Diplomatie in der Ukraine-Krise anzuführen. Gleichzeitig steht Deutschlands hegemoniale Führungsrolle in den Beziehungen zwischen der EU und Russland vor mehreren Herausforderungen und Grenzen, die mit der Natur der deutschen Macht, der Zustimmung seiner Verbündeten und der sich entwickelnden Innenpolitik zusammenhängen.

Spahn, S. (Oktober 2020, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam): Russische Medien in Deutschland – Der russische Informationskrieg und Desinformation.

https://shop.freiheit.org/#!/Publikation/941

Die Informationspolitik der russischen Führung ist Teil einer hybriden Kriegsführung und die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Ausland, bspw. durch Desinformation, ist ein offizielles außenpolitisches Ziel Russlands. Deutschland ist bei der Verbreitung russischer Narrative und Desinformationen durch die russischen Medien ein wichtiger Schauplatz geworden.

Spanger, H. (25.06.2020, Europe-Asia Studies Vol. 72/2020, Glasgow): The Perils of Path Dependency: Germany’s Russia Policy.

https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/09668136.2020.1760211?journalCode=ceas20

Mit der bemerkenswerten Ausnahme der Ukraine-Krise hat Berlin eine kooperative Politik gegenüber Moskau verfolgt und damit ein einzigartiges Maß an Verständnis bewiesen. Diese Politik steht im Einklang mit den beiden Rollen, die Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg im internationalen System gespielt hat – als »Zivilmacht« und als »Handelsstaat«. Beides hat sich außenpolitisch und wirtschaftlich bewährt, aber auch eine Pfadabhängigkeit geschaffen, die die Anpassungsfähigkeit an veränderte Bedingungen erschwert: Unentschlossenheit und ein Hang zum Mittelweg haben sich als bedenkliche Begleiterscheinungen erwiesen.

Trenin, D. (01.10.2021, Carnegie Moscow Center, Moskau): Merkel’s Legacy, as Seen From Russia.

https://carnegiemoscow.org/commentary/85475

Aus Moskauer Sicht war die lange Amtszeit von Angela Merkel eine Periode relativer, wenn auch nicht immer angenehmer Vorhersehbarkeit in den deutsch-russischen Beziehungen. Die zukünftige Entwicklung der Zusammenarbeit wird in nicht geringem Maße davon abhängen, wer ihr Nachfolger wird und wie gut dieser die Kunst der Staatsführung beherrscht. Merkel hinterlässt sehr große Fußstapfen, die es zu füllen gilt.

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Analyse

Die Bundestagswahl und die deutsch-russischen Beziehungen

Von Artem Sokolov
Im Bundestagswahlkampf 2021 gab es keine intensiven Debatten zu außenpolitischen Fragen. Die deutsch-russischen Beziehungen waren da keine Ausnahme. Die Fortführung eines Dialogs zwischen Berlin und Moskau ist einer der Punkte, zu dem in der deutschen Politik ein Konsens besteht. Eine zukünftige Bundesregierung wird den Kompromissansatz von Angela Merkel gegenüber Russland fortführen, ganz gleich, wie die Koalition zusammengesetzt ist. Das erschwert das Entstehen einer positiven Dynamik im deutsch-russischen Dialog, verhindert aber auch, dass er einfriert.
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Analyse

Im „Wettstreit der Systeme“ – Chancen für eine neue Russlandpolitik nach der Bundestagswahl

Von Regina Heller
Mit der Bundestagswahl und der anstehenden Regierungsbildung besteht eine Chance, die deutsche Russlandpolitik neu aufzustellen. Alle relevanten Parteien haben in ihren Programmen Vorschläge gemacht, wie das schwierige Verhältnis zu Russland künftig gestaltet werden soll. Dabei werden die Beziehungen vor allem im Kontext eines globalen »Systemwettstreits« zwischen Demokratien und Autokratien verortet. Für eine zielgerichtete Politik wäre es wichtig, im Spannungsverhältnis zwischen Kooperation und Abgrenzung intelligente Instrumente zu entwickeln, die zum einen die machtpolitischen Interessen und Kosten-Nutzen- Kalküle des Kremls konsequenter mitdenken und zum anderen stärker auf den Schutz und die Resilienz der offenen Gesellschaften des Westens ausgerichtet sind.
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