Geschichte der Beziehungen der Kosaken zum Kreml

Von Richard Arnold (Muskingum University, New Concord)

Zusammenfassung
Die Gemeinschaft der Kosaken in Südrussland (und zunehmend auch im Rest des Landes) ist eine der schillerndsten sozialen Bewegungen im postsowjetischen Eurasien. Nach ihren Anfängen in den 1980er Jahren als Graswurzelorganisation von Freiwilligen, lokalen Geschichtszirkeln und Folklorespezialisten ist die Kosakenbewegung später vom Kreml kooptiert worden und stellt heute eine starke Stütze des Regimes dar. Die Bewegung ist, folgt man den Worten der russischen Kosakenforscherin Olga Rvacheva, »von Konfrontation zu Kollaboration« übergegangen. Dieser Beitrag untersucht die Beziehungen zwischen dem Kreml und den Kosaken innerhalb des Landes, nähert sich dem Thema über definitorische Fragen und richtet den Blick auf staatliche Fördermaßnahmen für Kosaken sowie deren Rolle in der Bildungspolitik und Sicherheitspolitik im Innern.

Fragen der Definition

Die Diskussionen darüber, ob die Kosaken eine »Ethnie« oder eine »soziale Schicht« darstellen, wurzeln in der Frage, was es bedeutet, ein Kosake zu sein. In vormoderner Zeit konnte man als Kosake (als »freier Kosake«) geboren werden oder sich eine Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft über den Dienst für den russischen Zaren oder den polnischen König verdienen. »Freie Kosaken« waren jene, die in die Gemeinschaft hineingeboren wurden oder hineingeheiratet hatten und in dem Dorf, in dem sie auf dem »wilden Feld« (russ.: »dikoje pole«) lebten, akzeptiert wurden. »Dienstkosaken« (für Russland) oder »Registerkosaken« (in Polen bzw. der Ukraine) verpflichteten sich zu Diensten für den Staat. Diese Unterscheidung ist in der heutigen Kosakenbewegung wieder relevant geworden und es kommt innerhalb der Bewegung zu Spannungen zwischen diesen verschiedenen Kosakengruppen. 1995 wurde in Russland ein staatliches Register für »Dienst«-Kosaken geschaffen. Ataman Gromov hat Kosaken »mit kosakischen Vorfahren« bzw. ethnische Kosaken, die sich dort nicht registrieren lassen, mit dem Hinweis kritisiert, dass sich ja »jederman im Souvenirladen eine ›papacha‹ [Fellmütze der Kosaken; Anm. d. Red.] kaufen« könne. Dieser Beitrag konzentriert sich allerdings auf die heutigen »Dienst«-Kosaken.

Der Aktivismus in lokalen Geschichtszirkeln und Folkloregesellschaften hatte während der Perestroika begonnen, nachdem die Sowjetunion 1988 die Schaffung von Kosakengemeinschaften erlaubt hatte, die mitunter bewaffnet waren, aber sämtlich für den Einsatz von Gewalt standen. Dem sowjetischen Gesetz vom April 1991 »Über die Rehabilitierung repressierter Völker« folgte 1992 ein Präsidialerlass, der speziell die Umsetzung der Rehabilitierung der Kosaken betraf. Das Gesetz von 1991 bezeichnet die Kosaken als »ethnisch-kulturelle Gemeinschaft« (dort als eine der Definitionsvarianten für den russischen Begriff »narod« – »Volk«). Der Erlass von 1992 ermöglichte die Gründung von Kosakengesellschaften auf der Ebene von Gehöften, Siedlungen, Dörfern, Städten sowie die Bildung regionaler Gesellschaften (russ.: »wojskowoje kasatschje obschtschestwo«) wie auch einer Allrussischen Kosakengesellschaft. »Wojskowyj« bezieht sich auf »Wojsko«, was sich als »Heer« übersetzen lässt, und auf die paramilitärischen Verbände in den Grenzgebieten eines Staates zurückgeht, der längst nicht mehr besteht. Dieser Reminiszenz an die Zarenzeit ist auch der Umstand geschuldet, dass einige der regionalen Gesellschaften nach landschaftlichen Merkmalen oder Flüssen benannt sind, und nicht nach staatlichen Verwaltungseinheiten. Heute bestehen 12 solcher Regionalverbände bzw. »Heeresgesellschaften«, die das gesamte Territorium Russlands abdecken.

In den 1990er Jahren ergaben Umfragen, dass sich rund 20 Prozent der Bevölkerung des Gebietes Rostow (also eine Million Menschen) als Kosaken betrachteten. Rostow ist zwar eine der Regionen, in denen der Bevölkerungsanteil von Kosaken am größten ist, doch auch in benachbarten Regionen wie etwa Krasnodar, Astrachan, Stawropol und sogar in Kalmückien lebte eine beträchtliche Anzahl Kosaken. Während des Zusammenbruchs der Sowjetunion gab es zahlreiche Aufrufe zur Schaffung autonomer oder unabhängiger Kosakenrepubliken, die jedoch nie Wirklichkeit wurden.

In der Russischen Föderation hat die repressive Politik gegenüber jeder Art Verletzung der territorialen Integrität (etwa 2015 im Fall des kosakischen Nationalisten Wladimir Melichow) dazu geführt, dass heute nur wenige kosakische Aktivisten öffentlich als Nationalisten auftreten. Vielen eigenständigen Kosakengruppen wie etwa dem »Bund der Kosaken« missfallen die Versuche des Kreml, die Bewegung mit Hilfe von GONGOs zu vereinnahmen. Die Daten zur Anzahl dieser Gruppen und deren Mitgliederstärke sind nicht zuverlässig. Die kremlnahen Organisationen beziffern die Anzahl der nicht registrierten Kosaken mit »über 650.000«, doch dürfte das sicherlich eine Untertreibung sein.

Bei den in Russland alle zehn Jahre vorgenommenen Volkszählungen ist die Option, sich als Kosake zu definieren, gestrichen worden. Und es gab Volkszähler, die sich jedem gegenüber, der sich als Kosake bezeichnen wollte, feindselig verhielten. Beim Zensus von 2002 hatten sich nur 140.000 Personen bei der Frage nach der nationalen Zugehörigkeit als Kosake bezeichnet, auch wenn die Behörden die Zahl der Kosaken in der Russischen Föderation auf fünf Millionen schätzten. Zum Vergleich: Bis zum Zensus von 2010 lag die Zahl der Befragten, die sich in ihrer nationalen Zugehörigkeit den »Kosaken« zurechnen, bei knapp 29.700 Personen im Gebiet Rostow. Trotz der nur begrenzt vorhandenen Daten lässt sich mit Fug und Recht feststellen, dass die Kosaken eine der größten nicht anerkannten Ethnien in Eurasien sind.

Gleichzeitig hat der Staat das Erbe der Dienstkosaken für den Versuch genutzt, mit einer Mobilisierung der Kosaken diese zu vereinnahmen, um seine eigenen Zwecke zu verfolgen. Der unter Führung des Staates stehende Teil der Kosakenbewegung ist hauptsächlich damit befasst, für den Staat Dienste zu leisten und nicht etwa, Autonomie oder Unabhängigkeit anzustreben. Die überwältigende Mehrheit der Kosaken ist in einem derartigen Grad patriotisch gesinnt, dass sie den Kreml in internationalen Fragen reflexartig unterstützen würden. Die Zahl der kosakischen Nationalisten ist gering. Gleichwohl werden durch die Versuche des Staates, sich ans Steuer des schweren Lasters des Kosakentums zu setzen, einstige Unterstützer des Kreml unnötigerweise verprellt. Da dieser Teil der Bewegung mit dem Regime verbündet ist, steht sie stärker in der Öffentlichkeit und es gibt mehr Informationen über sie. Im folgenden Abschnitt wird untersucht, wie der Staat auf die Bühne trat, um die Kosakenbewegung zu vereinnahmen.

Förderung der Kosaken durch den Staat

Die gegenwärtig wichtigste Organisation der »Dienst«-Kosaken, also jener, die dem Staat Dienste leisten, ist die »Allrussische Kosakengesellschaft« (russ.: WsKO), die derzeit 12 registrierte Regionalverbände (russ.: wojskowyje kasatschi obschtschestwa, bzw. »Heeresgesellschaften«) umfasst, die sich über mehrere Föderationssubjekte erstrecken. Hierzu gehört jetzt auch der Schwarzmeer-Regionalverband der Kosaken auf der Krim, der als letzter hinzukam. Darüber hinaus gibt es auch Vorstöße zur Gründung eines Ostsee-Kosakenverbands mit Schwerpunkt Kaliningrad. Die WsKO wurde im November 2018 gegründet und trat an die Stelle früherer föderaler Organisationen von Kosakengesellschaften. Insgesamt sind somit 506.000 Kosaken registriert und Tabelle 1 auf S. x bietet einen Überblick deren Zahl in den Regionalverbänden. Erster Leiter der WsKO, und somit erster oberster Ataman der registrierten Kosaken ist Nikolaj Doluda, der früher Mitglied des Kosakenverbandes Krasnodar war und dann beschloss, nach politischer Macht zu streben.

Das föderale staatliche Register der Kosaken wurde 1995 eingerichtet (Präsidialerlass Nr. 835 v. 9. August), mit dem Kosaken wieder in den Dienst des Staates zurückkehrten. Das Register bezieht sich offensichtlich auf die Dienste der Kosaken in der Zarenzeit, auch wenn das »Register« damals eine Einrichtung des polnischen Königs und nicht des russischen Zaren war. Es wurde in den folgenden zwei Jahren ergänzt. Wie erwähnt, haben sich nicht alle Kosakengruppen in das Register eintragen lassen. Einigen Schätzungen zufolge gibt es mehr Zusammenschlüsse von Kosaken außerhalb des Registers als Kosakenorganisationen, die Teil des Registers sind. In einigen Regionen im Süden Russlands bestanden regionale Ämter für Kosakenangelegenheiten. Die einschneidendsten Änderungen erfolgten 2005, als Präsident Putin das Föderale Gesetz »Über den Staatsdienst des russischen Kosakentums« unterzeichnete. Das Gesetz definierte eine »Kosakengesellschaft« als »freiwilligen Zusammenschluss von Bürgern der Russischen Föderation in Form einer nichtkommerziellen Organisation, die gemäß der föderalen Gesetzgebung gebildet wurde und in das staatliche Register der Kosakengesellschaften in der Russischen Föderation eingetragen ist, und deren die Mitglieder auf die vorgeschriebene Weise Verpflichtungen zu staatlichen oder anderen Diensten übernommen haben«. Ebenso werden dort deren Beziehungen zu staatlichen Stellen wie dem Innenministerium (MWD), dem Katastrophenschutzministerium (MTschS), den Streitkräften und den regionalen Behörden geregelt. Darüber hinaus legte das Gesetz für die Aktivitäten der Kosaken eine Finanzierung aus dem föderalen Haushalt sowie den regionalen und kommunalen Haushalten fest. Nachdem sie der gegenwärtigen föderalen Struktur Russlands kritisch gegenübergestanden hatten, waren diese Kosaken nun selbst ein Teil davon.

Ein weiteres Dokument, das während des Interregnums von Dmitrij Medwedew verabschiedet wurde, nämlich die »Konzeption für die staatliche Politik der Russischen Föderation in Bezug auf das russische Kosakentum« nennt für die Zukunft der russischen Kosaken fünf Richtungen: 1) Weiterentwicklung der staatlichen Politik für die Wiedergeburt des russischen Kosakentums; 2) Prinzipien, Ziele und Aufgaben der staatlichen Politik in Bezug auf das russische Kosakentum; 3) Prioritäten der staatlichen Politik; 4) Umsetzung der Politik; 5) gesellschaftliche Zusammenschlüsse der Kosaken und das Kosakentum im Ausland. Weitere Gesetze von 2009 und 2010 legten das Verhältnis der Kosaken zu den Behörden aller Ebenen der Russischen Föderation detaillierter fest. 2009 wurde der 1997 abgeschaffte Rat für Kosakenfragen beim Präsidenten wieder eingeführt.

Nach Putins Rückkehr ins Präsidentenamt gab dieser seine Strategie für die Entwicklung des Kosakentums in der Russischen Föderation für die Zeit bis 2020 bekannt. Im November 2018 unterzeichnete Wladimir Putin einen Erlass, durch den die »Allrussische Kosakengesellschaft« gegründet wurde, und ernannte Kosakengeneral Nikolaj Doluda vom Kosakenverband Kuban zu deren Ataman. Daneben gibt es weitere kremlfreundliche Organisationen wie etwa den »Bund der kosakischen Kämpfer Russlands und im Ausland« (nicht zu verwechseln mit dem zuvor erwähnten »Bund der Kosaken«) unter der Führung von Nikolaj Djakonow und Wiktor Woldolazkij. Im Ausland existieren kleinere Kosakengemeinschaften (z. B. in Großbritannien, Kanada, den USA, Frankreich, Australien und Österreich), die aus Nachfahren freier Kosaken bestehen, die vor den Bolschewiki geflohen waren und ihre Identität als Kosaken bewahrt haben.

Der vom Staat betriebenen Organisation der Kosaken in Russland und im Ausland entsprachen zum Teil Versuche der Kirche, Kosakenbewegungen zu organisieren. Die Mitglieder der Kosakenorganisationen hängen zwar nicht ausschließlich aber doch in ihrer Mehrheit der Russischen Orthodoxen Kirche an. Das alte Motto »Für Zar, Glaube und Vaterland« ist für viele ein Ausdruck ihrer Identität. 2005 beschloss ein Kosakenrat (russ.: »krug«) in Rostow am Don, die Idee engerer Verbindungen zur Russischen Orthodoxen Kirche zu unterstützen. Dieser Bund wurde 2009 feierlich bestätigt, als Patriarch Kirill in Nowotscherkassk (Gebiet Rostow), dem geistlichen Zentrum der russischen Kosaken seine Unterstützung für einen kirchlichen Lenkungsausschuss für Kosaken verkündete. Dementsprechend richtete die Kirche 2010 das Synodale Komitee für die Zusammenarbeit mit den Kosaken ein. Das Komitee koordiniert auf dem gesamten kanonischen Territorium der Russischen Orthodoxen Kirche deren geistlichen Aktivitäten mit dem Kosakentum, insbesondere im Rahmen der internationalen Beziehungen. Dazu gehört auch die Weiterverbreitung kosakischen Gedankenguts in Landesteilen, in denen das Erbe der Kosaken nicht dominant ist, etwa in Tatarstan, wo der Autor 2015 Kosakengemeinschaften besuchen konnte. »Dienst«-Kosaken leisten Dienste für den Staat, etwa in den Bereichen Bildung und innere Sicherheit.

Einsatz von Kosaken in der Bildungspolitik

Die Kosaken selbst behaupten, dass für sie Jugendarbeit Priorität hat, was sie durch formale wie informelle Bildungsarbeit umsetzen. Formal unterhält die WsKO »ein System für gesellschaftliche Kosakenbildung auf dem Gebiet der Kosakenverbände, unter anderem 28 Kadettenschulen und 315 Schulen im Range von regionalen ›Kosakischen Bildungsorganisationen‹ sowie 5.500 Kosakenkurse«. Kosakenkurse befassen sich mit der Vermittlung von Patriotismus und Heimatliebe. Die Ausbreitung dieses Bildungssystems in alle Landesteile geht auf Vorläufer in den traditionellen Siedlungsgebieten der Kosaken zurück.

In den 1990er und frühen 2000er Jahren wurden in den Gebieten Rostow, Wolgograd und Astrachan sowie in der Republik Kalmückien Schulen im Zusammenhang mit kosakischen Kadettenorganisationen eröffnet. In Rostow am Don ist die Schaffung kosakischer Bildungseinrichtungen am weitesten vorangeschritten. Dort wurde ein Netz pädagogischer Institutionen eingerichtet (Bildungsgesellschaften, Mittel- und Oberschulen und sogar 23 Kindertagesstätten), in dem 36.000 Schüler unterrichtet werden. Dieses Bildungssystem hat sich in alle Landesteile ausgebreitet, und es gibt jetzt in vielen Regionen kosakische Bildungseinrichtungen und sogar zwei Universitäten: eine in Moskau (benannt nach dem Hetman und Grafen Kirill Rasumowskij) und eine Nowotscherkassk (benannt nach dem General und Ataman Matwej Platow).

Kosakische Erziehung stellt eine Art militarisierten Patriotismus dar, der den jungen Leuten durch Waffentraining und unterhaltsame Aktivitäten vermittelt werden soll. So stellte beispielsweise ein Kongress 2012 in Nowotscherkassk fest, dass eine der Hauptaufgaben der Kosaken darin bestehe, gegen Behauptungen vorzugehen, die die »Geschichte verfälschen«. Dabei geht es gewöhnlich um jede Interpretation des Zweiten Weltkrieges, bei der die führende Rolle der Sowjetunion bei der Niederringung Nazideutschlands geschmälert wird. In Rostow gründeten die Kosaken 2014 einen Geschichtsrat, der Denkmäler beaufsichtigt und Forschungen zur Geschichte der Kosaken unternimmt. Im Plan zur Entwicklung des Kosakentums bis 2030 werden Bestrebungen genannt, ein einheitliches Geschichtslehrbuch für alle kosakischen Bildungseinrichtungen zu schaffen.

Kosakische Bildung endet aber nicht, wenn die Jugendlichen erwachsen werden. Die jüngste Strategie zur Entwicklung des Kosakentums, die Pläne für den Zeitraum 2020 bis 2030 enthält, strebt die Entwicklung einer einheitlichen Geschichtskonzeption an. Walerij Falkow, Minister für Wissenschaft und Hochschulbildung, erwägt dort die »Vorbereitung eines einheitlichen Konzepts für den Geschichtsunterricht«, was auch eine Reihe allrussischer Konferenzen zur Geschichte der Kosaken umfassen sollte. 2021 verkündete Falkow die Schaffung eines Verbunds von 14 Universitäten mit einer kosakischen Komponente, etwa mit Kursen zur Geschichte und Kultur der kosakischen Vorfahren. Kosakengruppen spielen also bei der formalen Bildung der nächsten Generation in Russland eine wichtige Rolle. Das gleiche gilt auch für die breitere Sozialisierung.

2020 wurde eine landesweite Jugendbewegung der Kosaken gegründet, in der kosakische Jugendorganisationen aus über 75 russischen Regionen zusammengeschlossen sind. Zuvor waren die Kosakenjugenden nach Regionen organisiert gewesen. Die größten kosakischen Jugendorganisationen waren der »Bund der Kosakenjugend des Kuban« (über 100.000 Mitglieder) und der »Bund der Kosakenjugend des Großen Don-Heeres« (»Donzy«, über 20.000 Mitglieder). Die »Donzy« (dt.: »Leute vom Don«) sind ursprünglich 2007 behördlich registriert worden und haben regionale Gliederungen in der Republik Kalmückien und im Gebiet Astrachan. Es gibt männliche und weibliche Mitglieder. Kosakische Identität ist ganz überwiegend maskulin, daher ist die Einbeziehung von weiblichen Personen eine Abkehr von der Norm. Weibliche Mitglieder von Kosakenorganisationen sind typischerweise nicht bei der Verteilung von Werbematerialien und ähnliche Utensilien vertreten, wenn Erwachsene tätig sind. Kosakische Jugendorganisationen lehren Patriotismus, die Handhabung von Waffen, formale Versionen der Geschichte, und sie bilden männliche Mitglieder zum Dienst für die Innere Sicherheit aus.

Einsatz der Kosaken bei der inneren Sicherheit

Neben der Bildung und den Sozialisierungsmechanismen für junge Menschen haben die »Dienst«-Kosaken auch bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit eine wichtige Rolle gespielt. Zu den Aufgaben der WsKO gehört »die Beteiligung an der Vorbeugung und Beseitigung von Notlagen und Naturkatastrophen, Hilfe für Opfer von Naturkatastrophen, Beteiligung am Umweltschutz, »Tätigkeiten für die öffentliche Ordnung und zum Grenzschutz«, sowie die »Organisation und die Beteiligung an Aktivitäten, die auf die Förderung eines gesunden Lebenswandels und die Prävention von Drogen- und Alkoholmissbrauch abzielen.« Die Website der WsKO nennt hierzu Ziffern: 25.690 Kosaken helfen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, 1.164 bewachen die Staatsgrenze, 9.609 sind im Katastrophenschutz tätig, 4.332 organisieren Umweltschutzmaßnahmen und 6.294 bewachen staatliche oder kommunale Objekte.

Das ist am deutlichsten im Fall der Patrouillen zu beobachten, die in den Städten von Kosakentrupps (russ.: »drushiny«) durchgeführt werden. Die russischen Kosaken haben informell zwar schon vor der Jahrtausendwende Sicherheitsaufgaben übernommen (etwa als »Polizei« für die Turko-Mes’cheten in Krasnodar), doch wurde diese Rolle erst 2000 in Rostow und Wolgograd formalisiert. Die Patrouillen dienen den obengenannten Zwecken, sollen aber auch ein einschüchterndes Symbol von Dominanz in der Gesellschaft schaffen. Ab 2012 wurden auch in vielen anderen russischen Städten und Regionen Kosakenpatrouillen eingerichtet, etwa in Moskau, St. Petersburg, Nowosibirsk, Krasnodar und Kasan. Auch in an Russland grenzende Regionen sind Kosakenpatrouillen vorgeschlagen worden, etwa in Luhansk. Bei der Sicherung der Fußballweltmeisterschaft der Männer 2018 in Russland haben Kosakentrupps ebenfalls eine große Rolle gespielt.

Fazit

Die Kosaken sind nach wie vor eines der interessantesten und schillerndsten Elemente der postsowjetischen Gesellschaft in Russland. Der Beitrag hat die Probleme untersucht, Kosaken zu definieren und die Unterscheidung zwischen »freien« und »Dienst«-Kosaken herausgearbeitet. Zudem wurde auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen Staat und »Dienst«-Kosaken eingegangen, wobei die Rolle der Kosaken in den Bereichen Bildung und innere Sicherheit beleuchtet wurde. Gleichwohl sind die Kosaken keineswegs das kulturelle Eigentum des russischen Staates. Die Ukraine, die ebenfalls – als Rivalin – behauptet, die Kosaken zu repräsentieren, wird Gegenstand eines Beitrags für die Ukraine-Analysen sein.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

In einer der Ukraine-Analysen 263 erscheint eine Analyse von Richard Arnold zu der Kosakenbewegung in der Ukraine und ihrer Bedeutung für das Unabhängigkeitsverständnis des Landes.

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