Wie deutschsprachige alternative Medien vom Kreml unterwandert und instrumentalisiert werden

Von Arista Beseler (Universität Passau)

Zusammenfassung
In den letzten Jahren haben sogenannte alternative Medien in westlichen Demokratien viel wissenschaftliche und mediale Aufmerksamkeit erhalten. Vernachlässigt wurden dabei allerdings die Fragen, ob und wie alternative Medien mit ausländischen Akteuren vernetzt sind. In dieser Analyse werden die Erkenntnisse einer wissenschaftlichen Studie des RUSINFORM-Projektes präsentiert, in der die Verbindungen deutschsprachiger alternativer Medien zu Russland untersucht wurden. Die Fallstudie zeigt, dass die Hälfte der analysierten 20 alternativen Medien institutionelle, mediale oder persönliche Verbindungen zum Kreml unterhält.

Was sind alternative Medien und was haben sie mit Russland zu tun?

Mein Ko-Autor Florian Töpfl und ich definieren alternative Medien als Korrektiv der »traditionellen« oder »Mainstream«-Nachrichtenmedien. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine Selbstzuschreibung, die sich auf die Produktion, den Inhalt, die Organisation oder den Zweck des Mediums beziehen kann. Wenn sich ein Medium also vom etablierten Mainstream hinsichtlich der Themensetzung, der politischen Ausrichtung oder auch der Organisationsstruktur unterscheidet, kann es als Alternativmedium definiert werden.

Obwohl die wissenschaftliche Definition von alternativen Medien lange Zeit verwendet wurde, um eine Reihe von linksgerichteten progressiven Medien, wie beispielsweise feministische Medienangebote, zu beschreiben, wurden in den vergangenen Jahren vermehrt auch andere nicht-professionelle Nischen-Medien unter dieser Bezeichnung analysiert. Dabei lag der Fokus insbesondere auf populistischen, rechtsgerichteten, wenn nicht sogar rechtsextremen Medien. Derartige alternative Medien sind außerdem auch dafür bekannt, Verschwörungsmythen, Wissenschaftsskepsis, Ausländerfeindlichkeit sowie Feindseligkeit gegenüber religiösen Gruppen zu verbreiten. Aufgrund dieser antidemokratischen Ausrichtung dienen viele alternative Medien als idealer Nährboden für die Propaganda des Kremls, die auf die Destabilisierung demokratischer Gesellschaften abzielt und sich dabei oft selbst vergleichbarer Inhalte bedient.

Hinzu kommt, dass die Sowjetunion und ihr mächtigster Nachfolgestaat Russland eine lange Geschichte der offenen und verdeckten Einflussnahme im Ausland haben, um ihre geopolitische Stellung zu stärken. Diese sogenannten aktiven Maßnahmen umfassen diverse Taktiken, beispielsweise offene Aktivitäten wie den Einsatz kremlfinanzierter Auslandsmedien, teilweise verschleierte Taktiken wie die Finanzierung von sogenannten Frontorganisationen[1] oder die Kultivierung von politischen Verbindungen. Zu den vollständig im Verborgenen durchgeführten Aktivitäten gehört beispielsweise, Falschinformationen zu verbreiten oder mittels sogenannter Einflussagent:innen, also Personen, die verdeckt zugunsten des Kremls handeln, zu agieren. Im Zuge der Verbreitung des Internets wurden diese vormals analogen Taktiken in den digitalen Raum übertragen. Das Internet wurde somit zum wichtigsten Medium der russischen Einflussnahme, wobei hier unter anderem Taktiken wie Hacking, Trolling oder der Einsatz von Bots instrumentalisiert werden, um Desinformation zu verbreiten und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Auch alternative Medien können von den Eliten Russlands ausgenutzt werden, indem sie, bewusst oder unbewusst, Einfluss im Ausland ausüben. Somit ist die Instrumentalisierung alternativer Medien ein wirkmächtiges Mittel im Repertoire der aktiven Maßnahmen, die dem Kreml zur Verfügung stehen.

Bisherige Studien, die sich mit Russlands Auslandspropaganda beschäftigen, thematisierten hauptsächlich die offiziellen russischen Auslandskommunikationskanäle RT und Sputnik. Nach dem großflächigen russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 zeigten sich jedoch auch jenseits von RT und Sputnik kremlnahe Narrative in deutschsprachigen alternativen Medien. Darüber hinaus ließen sich vereinzelte Kooperationen zwischen deutschsprachigen alternativen Medien und dem Kreml nachweisen. Bisher gab es jedoch noch keinen systematischen Überblick über die Verbindungen deutschsprachiger alternativer Medien zu ausländischen Akteuren. Im vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanzierten Projekt RUSINFORM führten wir deswegen eine empirische Fallstudie durch, die sich mit der Frage beschäftigt, wie und in welchem Ausmaß deutschsprachige alternative Medien mit Russlands Eliten verbunden sind. Diese Analyse basiert auf unserer wissenschaftlichen Studie und stellt ihre wichtigsten Ergebnisse vor.

Forschungsdesign der Studie

Deutschland gilt als eines der einflussreichsten Länder Europas und ist aus diesem Grund ein bedeutendes Ziel der russischen Propaganda. Deswegen eignet sich Deutschland besonders gut, um die Propagandabemühungen des Kremls zu erforschen. Die Fallstudie berücksichtigte allerdings nicht nur in Deutschland ansässige Alternativmedien, sondern alle deutschsprachigen alternativen Medien, einschließlich denen aus Österreich und der Schweiz. Dies liegt vor allem darin begründet, dass einige dieser außerhalb von Deutschland registrierten Alternativmedien ein großes deutsches Publikum besitzen. In der Untersuchung identifizierten wir im Juni 2022 die zwanzig reichweitenstärksten Alternativmedien. Als Auswahlkriterium dienten die Webseiten-Aufrufe sowie die Anzahl der Follower:innen auf diversen sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten.

Für diese zwanzig Alternativmedien sammelten wir Dokumente, die Informationen über ihre (mutmaßlichen) Verbindungen zu den russischen Eliten enthalten. Die Materialien umfassen Nachrichtenartikel, Fact-Checking-Berichte und andere öffentlich zugängliche Online-Inhalte. Wir verglichen dabei verschiedene Quellen, um Behauptungen kritisch zu durchleuchten und die Erkenntnisse abzusichern. Dabei wurden auch Informationen von den alternativen Medien selbst herangezogen, jedoch unter Berücksichtigung ihrer Glaubwürdigkeit. Wir werteten 191 Schlüsseldokumente aus, die besonders relevante Informationen über die alternativen Medien und ihre Verbindungen zum Kreml enthalten. Schließlich ordneten wir die Verbindungen zwischen den Alternativmedien und dem Kreml in verschiedene Kategorien ein.

Ergebnisse der Fallstudie

Wir unterscheiden drei Kategorien von Verbindungen zwischen alternativen Medien und den russischen Eliten: institutionelle, mediale und persönliche Verbindungen.

Institutionelle Verbindungen beinhalten offizielle Kooperationen zwischen Alternativmedien und dem Kreml sowie kremlnahen Organisationen. Dies schließt offizielle finanzielle Unterstützung oder gemeinsame Veranstaltungen mit ein. Ein Beispiel dafür ist das deutsche Alternativmedium Compact, welches beispielsweise mit der kremlnahen Denkfabrik »Institut für Demokratie und Zusammenarbeit« (Institut demokratii i sotrudnitschestwa) kooperierte, wobei hier finanzielle Unterstützung direkt an Jürgen Elsässer, den Chefredakteur von Compact, floss. Einige Medienvertreter:innen wie Alina Lipp (Neues aus Russland) und Thomas Röper (Anti-Spiegel) wurden zu Konferenzen eingeladen, die kremlnahe Organisationen veranstalteten. Beide bestreiten eine direkte Verbindung zum Kreml und finanzieren sich sowie ihre Medienangebote laut eigenen Angaben über Spenden. Treffen zwischen hochrangigen russischen Persönlichkeiten und Vertreter:innen von Alternativmedien fanden ebenfalls statt. So traf sich Lipp, die Betreiberin des Kanals »Neues aus Russland« mit Marija Sacharowa, der Leiterin der Informations- und Presseabteilung des russischen Außenministeriums.

Die Kategorie der medialen Verbindungen umfasst Medienpartnerschaften und den Austausch von Inhalten zwischen alternativen Medien und dem Kreml oder kremlnahen Organisationen. Medienpartnerschaften umfassen die gemeinsame Produktion sowie Verbreitung von Inhalten und auch Interviewauftritte oder Tätigkeiten als Gastautor:innen. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit von Jürgen Elsässer (Compact) und Alina Lipp (Neues aus Russland) mit russischsprachigen Staatsmedien oder RT DE. Auch Thomas Röper (Anti-Spiegel) und Ken Jebsen (sein bürgerlicher Name ist Kayvan Soufi-Siavash, er war früher Inhaber von KenFM und ist nun für Apolut verantwortlich) wurden als Experten in russischsprachige Staatsmedien oder RT DE eingeladen und verweisen auf diese in ihren eigenen Artikeln. Lipp und Röper fungierten sogar als selbsternannte »Kriegskorrespondent:innen« für besetzte Gebiete in der Ukraine, wobei Lipp Material an russische Staatsmedien verkaufte. Zu den medialen Verbindungen gehört außerdem die einseitige Weiterverbreitung von Inhalten. So warb das Schweizer Alternativmedium Klagemauer.TV beispielsweise für RT DE und teilte Inhalte von Lipp und Röper. Bodo Schiffmann, der Betreiber des Kanals »Alles Ausser Mainstream«, gab den Inhalten von RT DE nach dessen Sperre im EU-Raum ein temporäres Zuhause auf seinem Telegram-Kanal, wo er RT-Inhalte veröffentlichte.

Zuletzt ließen sich auch persönliche Verbindungen zwischen Einzelpersonen, die zu bestimmten alternativen Medien gehören, und der russischen Elite identifizieren. Diese Verbindungen beziehen sich, anders als bei den institutionellen Verbindungen, nicht direkt auf die Tätigkeiten des Alternativmediums, sondern sind stattdessen persönlicher Natur. Ein Beispiel dafür ist Ken Jebsen (Apolut), der an kremlaffiliierten Veranstaltungen teilnahm, die nichts mit seiner Rolle als Medienschaffender zu tun hatten. Bei der Veranstaltung warb er für Immobilien auf der von Russland annektierten Krim. Jebsen pflegt außerdem persönliche Beziehungen zu Iwan Rodionow, dem ehemaligen Chefredakteur von RT DE. Ein letztes Beispiel für Personen mit persönlichen Verbindungen zum Kreml ist Stefan Magnet, Chefredakteur des österreichischen Alternativmediums AUF1. Er begleitete Mitglieder der österreichischen rechtspopulistischen Partei FPÖ auf einer Reise nach Moskau, wo die FPÖ einen »Freundschaftsvertrag« mit Putins Partei »Einiges Russland« unterzeichnete.

An diesen Beispielen wird deutlich, wie einige alternative Medien im deutschsprachigen Raum Verbindungen zu Russlands Eliten unterhalten. Dazu sei allerdings angemerkt, dass nicht alle Alternativmedien, die wir analysiert haben, derartige Verbindungen aufwiesen. Von zwanzig Medien wiesen zehn belegbare Verbindungen auf, während die andere Hälfte keine (nachweisbaren) Kontakte zum Kreml unterhielt und sich in einigen Fällen sogar offen gegen Putin und Russlands Angriff auf die Ukraine aussprach. Insbesondere haben sich die Chefredakteure von Reitschuster, Junge Freiheit, Achse des Guten und Tichys Einblick entschieden vom Kreml distanziert. Darüber hinaus vertreten die rechtsgerichteten Alternativmedien PI News und Journalistenwatch eine selbsterklärte proamerikanische Sichtweise, wobei ihr Verständnis von Pro-Amerikanismus kritisch zu hinterfragen ist. Journalistenwatch wird beispielsweise von einer in den USA ansässigen antiislamischen Denkfabrik, dem Middle East Forum, finanziert. Diese sechs russlandkritischen Alternativmedien gehören zu den meistbesuchten deutschsprachigen alternativen Medien. Auf der anderen Seite stehen zehn der zwanzig untersuchten Medien nachweislich in Verbindung mit der russischen Elite. Einige Alternativmedien, insbesondere Compact, Anti-Spiegel und Neues aus Russland, weisen sogar über mehr als eine Kategorie Verbindung mit kremlnahen Netzwerken auf.

Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Analyse haben wir die Verbindungen zwischen führenden deutschsprachigen alternativen Medien und der russischen Elite untersucht. Dabei konnten wir drei Arten von Verbindungen ausmachen: institutionelle, mediale und persönliche. Die Hälfte der zwanzig untersuchten Alternativmedien weisen mindestens eine Art von Verbindung zur russischen Elite auf, wobei die Verbindungen verdeckt oder aber ganz offen sein können.

Die Bemühungen des Kremls oder anderer ausländischer Akteure sollten demnach bei der Analyse alternativer Medienlandschaften berücksichtigt werden. Denn dieser Art der ausländischen Einflussnahme ist im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. In der öffentlichen Debatte fanden meist nur die offiziell vom Kreml finanzierten Medien wie RT und Sputnik Beachtung. Unsere Studie zeigt jedoch, dass der Kreml auch andere alternative Medien instrumentalisiert, wenn auch auf subtilere Weise. Alternative Medien können als potenzielle Einflussagentinnen des Kremls fungieren. Deswegen halten wir eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Thema für notwendig, um die Natur und Auswirkungen dieser transnationalen Verbindungen besser zu verstehen.

Obwohl sich unsere Studie auf deutschsprachige alternative Medien konzentrierte, sind ähnliche Muster wahrscheinlich auch in anderen westlichen Ländern zu beobachten, die von Russlands Einflussnahme betroffen sind. Darüber hinaus könnten die Erkenntnisse auf Kommunikationsstrategien anderer autoritärer Regime übertragbar sein, die ebenfalls besser erforscht werden sollten.

Unsere Studie weist darauf hin, welche schwerwiegenden Folgen derartiger Verbindungen für die Demokratie und die Unabhängigkeit der Medienlandschaft nach sich ziehen könnten. Für Deutschland und andere westliche Demokratien werfen unsere Erkenntnisse wichtige Fragen hinsichtlich der Überschaubarkeit der Medienfinanzierung und -affiliation auf und unterstreichen die Notwendigkeit, mehr Transparenz bei Eigentums- und Finanzierungsverhältnissen in alternativen Medienlandschaften zu schaffen.

Diese Analyse basiert auf der Forschung des Projektes RUSINFORM (https://www.rusinform.uni-passau.de/), welches vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramms der Europäischen Union (Zuschussvereinbarungsnummer 819025) gefördert wird.

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Verweise

[1] Das Netz der Frontorganisationen. (1954). Ost-Probleme, 6(41), 1638–1656. http://www.jstor.org/stable/44925338

Lesetipps / Bibliographie

  •  Abrams, S. (2016). Beyond Propaganda: Soviet Active Measures in Putin’s Russia. Connections, 15(1), 5–31.
  • Beseler, A., & Toepfl, F. (2024). Conduits of the Kremlin’s Informational Influence Abroad? How German-Language Alternative Media Outlets Are Connected to Russia’s Ruling Elites. The International Journal of Press/Politics, 0(0). https://doi.org/10.1177/19401612241230284.

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Analyse

It’s fake! Wie der Kreml durch Desinformationsvorwürfe die Diskreditierung von Informationen in ein Propagandainstrument verwandelt

Von Maxim Alyukov, Margarita Zavadskaya
Während des Einmarsches in die Ukraine hat das Putin-Regime Desinformationsvorwürfe in ein neues Propagandainstrument verwandelt, indem es mit Hilfe des Etiketts »Fake« die Glaubwürdigkeit jedweder für das Regime problematischer Information untergräbt. Bei der Untersuchung der Auswirkungen dieser Desinformationsvorwürfe stützen wir uns auf Ergebnisse eines Online-Experiments, das in Russland durchgeführt wurde. Wir zeigen auf, dass Desinformationsvorwürfe es einem Autokraten ermöglichen, Narrative, die das Regime herausfordern, im Voraus zu diskreditieren. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie autoritäre Propaganda sich in den neuen, gesättigten Medienräumen entwickelt und faktenbasierte Ansätze zur Propagandabekämpfung heute in Frage stellt.
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