Analyse Von Svetlana Erpyleva
Diese Analyse untersucht die Folgen des russisch-ukrainischen Krieges und der seit Kriegsbeginn ausgeweiteten Repressionen für den sogenannten unpolitischen Aktivismus in Russland. Die bisherige Forschung zur Zivilgesellschaft in Zeiten des Krieges stellt dort sowohl eine Tendenz zur Politisierung wie auch zur Entpolitisierung fest. Ich argumentiere in diesem Beitrag, dass die beiden Tendenzen nicht zwei sich widersprechende Erklärungen der Realität darstellen, sondern einen Widerspruch, der dieser Realität selbst entspringt. Am Beispiel einer Langzeitstudie zu einer konkreten Umweltbewegung zeige ich auf, wie die Aktivist*innen nach Kriegsbeginn gleichzeitig eine Politisierung erfahren (indem ihnen die Verbindung zwischen ihrem Handeln und dem Kampf gegen das Regime bewusst wird) und eine Entpolitisierung (weil sich die Menschen ohnmächtig fühlen und von der Politik zurückziehen).
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Analyse Von Marija B.
Eine aktuelle Studie des Hannah-Arendt-Zentrums zeigt, dass die Beteiligung an zivilgesellschaftlichen Initiativen Russ:innen hilft, horizontale Beziehungen aufrechtzuerhalten und auszubauen und gemeinsam mit anderen aktiv und politisch handlungsfähig zu bleiben. Angesichts der stärker gewordenen Repressionen, mangelnder Ressourcen und der fehlenden Aussicht auf baldige Veränderungen in Russland blieben viele Aktivist:innen im Untergrund, indem sie keine NGO registrieren und Öffentlichkeit meiden. Die Notwendigkeit, »unter dem Radar« der Repressionsmaschinerie zu bleiben, führt zu kreativen Lösungen, horizontaler Koordination und einer verstärkten Rolle von Ressourcenzentren und Plattformen, die Zusammenarbeit ermöglichen. Gegenwärtig ist es in Russland aufgrund der Gefahr politischer Repression nicht möglich, Aktivismus so transparent und zentralisiert zu organisieren wie in Demokratien. Dennoch leisten Aktivist:innen zivilgesellschaftlichen und politischen Widerstand.
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