Kunstausstellungen in russischen Museen über den Krieg gegen die Ukraine

Von Anastasia Serikova (Universität Bielefeld)

Zusammenfassung
Dieser Beitrag befasst sich mit Kunstausstellungen in russischen Museen über den Krieg gegen die Ukraine. Die Analyse legt quantitative Daten über Kunstausstellungen und deren Umfang im Vergleich mit anderen Ausstellungen vor, die sich in russischen Museen mit dem Krieg gegen die Ukraine befassen, sowie eine qualitative Analyse der wichtigsten Genres und Themen dieser Kunstausstellungen: Porträts von Militärs, das Thema Front, der Donbas und die Kinder des Donbas. Der Beitrag kommt zu dem Schluss, dass Kunstausstellungen ein eindrucksvolles Beispiel dafür sind, wie angesichts eines aktuellen Krieges sehr schnell ein Kulturerbe geschaffen wird, das im Interesse des Staates zur Nutzung und Förderung bestimmter Ideen eingesetzt wird.

Kunst im Krieg

Das Kulturerbe spielt in Bezug auf Kriege auf unterschiedliche Art und Weise eine Rolle. Einerseits wird es unter den Bedingungen eines Krieges zu einem Objekt, das vernichtet werden kann und das zu schützen, wiederherzustellen oder zu rekonstruieren ist. Andererseits kann es auch als Instrument für einen Krieg dienen, indem es zu propagandistischer Manipulation eingesetzt wird, die eine militärische Aggression rechtfertigt und Helden- bzw. Opferbilder schafft. Kunstwerke als Objekte des Kulturerbes können in Abhängigkeit von ihren Themen und Genres Opfer des Krieges werden (siehe: Kuhr-Korolev, Schmiegelt-Rietig, Zubkova, 2019; in d. Lesetipps). Gleichzeitig spiegeln sich in Kunstwerken Vorstellungen vom Krieg wider, die für eine bestimmte Epoche prägend sind. Dann können Kunstwerke über den Krieg als Versuche betrachtet werden, durch objektive Wiedergabe der Kriegsrealität Widerstand gegen den Krieg zu leisten (siehe: Brockington, 2016; in d. Lesetipps). Andererseits können sie auch als Instrumente des Kriegs dienen, indem sie die Interessen einer der Konfliktparteien vertreten.

Seit Beginn des vollumfänglichen Krieges gegen die Ukraine hat sich das Interesse der Forschung auf eine Analyse des aktuellen Zustands des Kulturerbes und der Museumsbeständen der Ukraine konzentriert, wie auch auf eine Abschätzung des Schadens, den der Krieg verursacht hat. Die Aufmerksamkeit gilt auch der Arbeit der Museen in der Ukraine zum Kulturerbe des aktuellen Kriegs (siehe u. a.: Iakovlenko 2022, Levin 2023, Kharkhun 2025; in d. Lesetipps). Ausstellungen in russischen Museen, die dem derzeitigen Krieg gewidmet sind, werden dabei nur am Rand beachtet. Der Bericht »Wartime Propaganda: Russian Museums under Pressure« von 2023, der im Rahmen des Projektes »Bridges between the EU and Russia II« erstellt wurde, ist nahezu der einzige englischsprachige Text zu diesem Thema (siehe hierzu die Russland-Analysen 453: https://laender-analysen.de/russland-analysen/453/kriegspropaganda-russische-museen/).

Kunstausstellungen in russischen Museen zum Krieg gegen die Ukraine wurden bislang lediglich von zwei russischsprachigen Publikationen thematisiert, die die Frage aus entgegengesetzten Positionen betrachten. Als erste befassten sich Journalist:innen unabhängiger Medien (vor allem Dmitrij Schwez) mit den Kunstausstellungen. Schwez hat in seinem Beitrag für Mediazona (https://en.zona.media/article/2024/08/13/artsalsk-trl) von 2024 eine Ausstellung mit Porträts von Teilnehmer:innen an der »militärischen Spezialoperation« (russ. Abk.: SWO) analysiert, die in der Stadt Salsk gezeigt wurde. Er ging der Frage nach, ob die Ausstellung die realen Verluste der russischen Streitkräfte widerspiegelte. Die zweite Publikation wurde von Expert:innen des Lichatschow-Instituts für das Kulturerbe verfasst, die die offizielle Position der russischen Regierung wiedergibt. In Kapitel fünf der Monografie »Krieg und Museum. Besonderheiten der Ausstellungstätigkeit militärhistorischer Museen in Russland in der Gegenwart« von 2025 (http://cr-journal.ru/rus/journals/621.html&j_id=56) werden kurz einige Kunstausstellungen über den gegenwärtigen Krieg beschrieben. Allerdings fehlt dort jeder Versuch einer Analyse. Mein Beitrag versucht, Kunstausstellungen zum Krieg gegen die Ukraine, die in russischen Museen während dieses Krieges gezeigt werden, als Beispiel für eine Instrumentalisierung von Kulturerbe zu analysieren und geht folgenden Fragen nach: Wie viele solcher Ausstellungen gibt es? Welche Genres und Themen sind dort vertreten? Welche Bilder und Vorstellungen werden dort erzeugt?

Forschungsdesign, Methode und Daten

In der ersten Phase der Analyse von März 2022 bis August 2024 wurde eine digitale Ethnografie von Beiträgen russischer unabhängiger und staatlicher Medien auf Telegram und VKontakte unternommen, um Publikationen zu Ausstellungen in russischen Museen zu sammeln. In der zweiten Phase von Oktober 2024 bis Februar 2025 wurden die quantitativen Daten zu russischen Ausstellungen und Museumsveranstaltungen zum Krieg (von April 2022 bis November 2024) mit der Software Python systematisiert und einer ersten Analyse unterzogen. Die Daten entstammten den Gruppen russischer Museen auf der Plattform VKontakte. Die dritte und vorläufig abschließende Phase umfasst eine Analyse der Fotografien von Kunstausstellungen.

Es sind nur wenig offizielle Schätzungen zur Anzahl der Ausstellungen über die »militärische Spezialoperation« in russischen Museen vorhanden, und sie sind recht widersprüchlich. Ende 2023 vermeldete das russische Bildungsministerium, dass in russischen Schulen über 14.000 Ausstellungen zur »SWO« eröffnet worden seien. Anfang 2024 verkündete die russische Kulturministerin Olga Ljubimowa, dass russische Museen für das Jahr 2024 mindestens 450 Ausstellungen zur neuesten Geschichte des Donbas und »Neurusslands« [als »Neurussland« werden in der russischen Propaganda vor allem die teilweise besetzten und von Russland als annektiert betrachteten ukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja bezeichnet, Anm. d. Red.] planten. Im staatlichen Bericht zur Situation der Kultur im Jahr 2023, der im Herbst 2024 veröffentlicht wurde, ist die Zahl von 1.800 Ausstellungsprojekten zu finden, die mit Hilfe von Artefakten »aus dem Gebiet der SWO« umgesetzt wurden, sowie von der »Erstellung von über 29.400 Ausstellungen (einschließlich virtueller Projekte), die den Ereignissen der SWO und den Heldentaten der Teilnehmer:innen gewidmet sind. Davon wurden 11.000 Ausstellungen in Kultureinrichtungen zusammengestellt.« Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Zahlen die maximale Anzahl der Ausstellungen über den Krieg wiedergeben, die in russischen Kultur- und Bildungseinrichtungen gezeigt wurden oder werden.

Im Rahmen der quantitativen Datenanalyse von Posts russischer Museen im Netzwerk VKontakte konnten wenigstens 805 Ausstellungen zum Krieg ermittelt werden, die vom 24. Februar 2022 bis Ende November 2024 in 490 Museen in 79 Regionen Russlands gezeigt wurden, darunter auch in den besetzten Gebieten der Ukraine. Seit 2022 ist die Menge der »SWO-Ausstellungen« auf das Dreizehnfache gestiegen. 2022 wurden 36 Ausstellungen organisiert, 2023 waren es 287 und im genannten Zeitraum 2024 waren es 482. Die größte Gruppe bilden 497 thematische Ausstellungen, die das offizielle staatliche museale Narrativ zum Krieg gegen die Ukraine wiedergeben. Dieses wird von den führenden historischen Museen geformt, vom Museum des Sieges in Moskau und dem Museum für zeitgenössische Geschichte Russlands. Zu Beginn des Krieges versuchten die Ausstellungen, die Gründe für den Krieg zu erklären (etwa mit der Ausstellung »Der ganz gewöhnliche Nazismus« im Museum des Sieges). Ende 2022 verschob sich der Fokus in Richtung einer Konstruktion der Figur des »Helden der SWO«, wobei Parallelen zu den sowjetischen Soldat:innen gezogen werden, die im »Großen Vaterländischen Krieg« gekämpft haben (die Ausstellung »Dem Vermächtnis treu« im Museum des Sieges [im russischen Titel wurden die Anfangsbuchstaben der beiden Worte durch die lateinischen Kriegssymbole »Z« und »V« ersetzt, die die »militärische Spezialoperation« symbolisieren und zu Anfang der Vollinvasion auf russischen Militärfahrzeugen aufgemalt waren; »Großer Vaterländischer Krieg« (1941–1945) ist eine in Russland verbreitete, pathetische, aber auch verkürzende Bezeichnung für den Zweiten Weltkrieg, Anm. d. Red.]. Bis Mitte 2023 bildete sich allmählich ein Grundmuster thematischer Ausstellungen über den Krieg heraus. Dieses wurde in den »Methodischen Empfehlungen zu Ausstellungen über die Geschichte der militärischen Spezialoperation, die in Museen der Russischen Föderation ausgearbeitet werden« festgeschrieben, die das Kulturministerium und das Museum für zeitgenössische Geschichte Russlands formuliert haben.

Neben thematischen Ausstellungen konnten 174 Fotoausstellungen ermittelt werden, unter anderem mit Fotos von Kriegskorrespondent:innen. Sie zeigen Kinder, Zivilist:innen und zerstörte Städte des Donbas sowie Fotoporträts von »SWO-Teilnehmer:innen« und ihren Frauen, den Teilnehmerinnen am Projekt »Ehefrauen der Helden«. Auch wurden 134 Kunstausstellungen zum Krieg gegen die Ukraine gefunden, die sich dabei nach Genre und Thema unterscheiden und den Hauptfokus dieser Analyse darstellen.

Porträts russischer Militärs

Die größte Gruppe von Kunstausstellungen (wenigstens 59) ist den »SWO-Teilnehmer:innen« und deren Huldigung mit Hilfe von Porträts gewidmet. Gemalte Porträts von Kriegsteilnehmer:innen vom Grekow-Studio der Militärmaler des russischen Verteidigungsministeriums sowie die Arbeiten, die bei einer Reihe anderer Wanderausstellungen gezeigt werden (z. B. »SWOi« [von SWO abgeleitet und bedeutet gleichzeitig in etwa: »Unsere«, Anm. d. Red.], »Helden unserer Zeit«, »Geschundenes Land des Donbass«) setzen in Vielem die Traditionen des sowjetischen pathetischen Soldatenporträts im Stile des Sozialistischen Realismus fort. Sie stellen Militärangehörige in Feld- oder Paradeuniform als Halbfigur dar, in pathetischer Pose, manchmal mit ihren Auszeichnungen. Dabei sind die Porträts der »SWO-Teilnehmer:innen« vom Raum des Krieges entrückt; die Porträtierten werden über den Hintergrund – zum Beispiel mehrstöckige Wohnblöcke, Landschaften oder neutralen Hintergrund – gleichsam in den Raum von Friedenszeiten gerückt. Porträtgrafiken von Kriegsteilnehmer:innen sind als Kopfbild oder Schulterstück gehalten. Der Stil der Grafiken unterscheidet sich merklich von den gemalten Porträts: Sie sind weniger formalisiert, es werden verschiedene Materialien und Farben eingesetzt; die Kopfhaltung variiert und die stilistischen Elemente erinnern mitunter sogar an Comicbilder von Superhelden.

Anders als die sowjetische Porträttradition, bei der Heerführer aus der Zeit des Bürgerkriegs, Volkskommissare, Marschälle und Generäle dargestellt werden, sind die Protagonisten, die im Kontext des Krieges gegen die Ukraine porträtiert wurden, überwiegend regionale Kriegsteilnehmer:innen der unteren oder mittleren Ränge, Freiwillige, mitunter auch anonyme Soldaten (z. B. bei der Wanderausstellung »Die Kohle des Donbass«). Porträts hochrangiger oder im Zusammenhang mit dem Krieg durch die Medien bekannter Personen konnten nur bei der schon erwähnten Ausstellung »Dem Vermächtnis treu« im Museum des Sieges in Moskau ausfindig gemacht werden. Einige gemalte oder gezeichnete Porträts zeigen Darja Dugina (die im August 2022 Opfer eines Attentats wurde), den Dumaabgeordneten Adam Delimchanow, das Oberhaupt der »Volksrepublik Donezk«, Alexander Sachartschenko, sowie Kriegsteilnehmer:innen, die aus den russischen staatlichen Medien bekannt sind.

Dabei konstruieren die Kunstausstellungen zum aktuellen Krieg gegen die Ukraine nicht ein Führerbild, wie das noch bei der sowjetischen Malerei zum »Großen Vaterländischen Krieg« der Fall war. Putin ist der einzige Vertreter der militärischen und politischen Führung Russlands, der bei thematischen Ausstellungen zum Krieg zitiert oder visuell dargestellt wird, allerdings nur auf Fotografien: durch Aufnahmen bei offiziellen Veranstaltungen (z. B. im Museum der militärischen Spezialoperation in Nischnij Nowgorod), durch Aufnahmen, auf denen Putin Kriegsteilnehmer, die sich hervorgetan haben, persönlich auszeichnet (z. B. im »Museum der Geschichte der SWO« in Saratow oder dem Museum und der Gedenkstätte über den Großen Vaterländischen Krieges in Kasan). Allerdings gibt es nur wenige solcher Fotografien, und Putin-Porträts oder thematische Gemälde, auf denen er zu sehen wäre, sind in den Museumsausstellungen zum Krieg bislang nicht vertreten, weder bei thematischen noch bei Kunstausstellungen. Das könnte darauf hinweisen, dass sich in Russland bislang zumindest in musealen Ausstellungen noch kein Führerkult herausgebildet hat.

Für die meisten gemalten oder gezeichneten Porträts waren offensichtlich Fotos die Grundlage, weil die überwiegende Mehrheit der dargestellten Kriegsteilnehmer:innen bereits gefallen waren und posthum porträtiert wurden. Porträts von Protagonisten in natura sind eher Ausnahmen. Solche Portraits sind in der Ausstellungsserie »SWOi« zu finden, die vom Zentrum Babel art, einem Zusammenschluss regionaler Maler organisiert wurde, sowie in Sergej Boschenkos Ausstellung »Porträts von Teilnehmern der SWO« (Staatliches Heimatkundemuseum Altai). Der Tod der Porträtierten wird dabei nicht akzentuiert. Wenn über den Militärangehörigen außer dem Namen zusätzlich etwas mitgeteilt wird, kann das das Wort »posthum« in der Zeile über verliehene Auszeichnungen, seine Einsätze bei Kampfhandlungen oder manchmal das Alter sein. Persönliche Geschichten, die bei den Besucher:innen Mitgefühl oder Mitleid auslösen oder die Bedeutung erklären, warum Porträts ausgerechnet dieser Personen im Museum zu sehen sind, fehlen.

Das Thema Front

Eine weitere Gruppe aus wenigstens 24 Ausstellungen umfasst Grafiken, Etüden und Gemälde, die sich mit dem Thema der Front »im Gebiet der SWO« befassen. Wenn bei den Porträts von Kriegsteilnehmern:innen die Maler:innen praktisch nicht in Erscheinung treten, dann rückt die Figur des/der Künstler:in bei dieser Kategorie in den Vordergrund. Bei persönlichen Ausstellungen werden Etüden und Grafiken von Amateurmaler:innen vorgelegt, die selbst am Krieg teilnahmen, z. B. von Julija Tolstoussowa (die Ausstellung »Menschen, vom Krieg gezeichnet«), von Leonid Karaschanin (die Ausstellung »Zeit der Helden«), von einem anonymen Kriegsteilnehmer unter dem Pseudonym »Alexander Newskij« (die Ausstellung »Tagebuch eines Mitarbeiters, eine Außenansicht«), wie auch von anderen Personen, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Krieg zu tun hatten, zum Beispiel von der Freiwilligen Mila Prijmakowa (die Ausstellung »Was in der Seele schmerzt«). In den Begleittexten zu den Ausstellungen wird die militärische Erfahrung der Maler:innen betont.

Die Museen und die Künstler:innen positionieren sich als Zeitzeug:innen, als Augenzeug:innen der realen Lage der Dinge an der Front, die nun das Gesehene auf Papier festhalten, wobei sie die Ähnlichkeit ihrer Erfahrungen mit der Arbeit der Feldmaler:innen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges herausstellen. Ein anderer Weg, auf dem sich Museen dem Thema der Verbindung zwischen den Generationen und der Nachfolge militärischer Heldentaten widmen, sind Ausstellungen, in denen Arbeiten zum Thema Front zusammengestellt werden, die von Veteran:innen des Zweiten Weltkriegs, des Krieges in Afghanistan und des aktuellen Krieges gegen die Ukraine stammen (z. B. die Ausstellung »Außen Krieg – im Innern Frieden: Malerei von Frontkünstlern«).

Ausstellungen mit Bildern professioneller Maler:innen, beispielsweise des Grekow-Studios oder regionaler Künstler unterscheiden sich von Amateurarbeiten nur durch die Größe der Bilder und ihren starken Hang zum Realismus. Thematisch sind es die gleichen Landschaften mit Kriegsgerät und Frontszenen im grün-braunen Farbbereich. Soldat:innen werden nicht im Schützengraben gezeigt, sondern in Sicherheit, in voller Größe, mit Alltagsdingen beschäftigt. Bei den Arbeiten zum Thema Front »im Gebiet der SWO« werden Kampfhandlungen nicht unmittelbar dargestellt, weshalb sie nicht dem Genre der Schlachtgemälde zugeordnet werden können. Auch der Feind fehlt völlig. Auf dessen Existenz deutet nur das Kriegsgerät hin, das abstrakt in den Himmel schießt.

Maler:innen aus dem Donbas und Kinderzeichnungen

Die letzten beiden Kategorien von Kunstausstellungen repräsentieren das Thema Krieg nur mittelbar. Die erste der beiden (wenigstens 21 Ausstellungen) zeigen im international anerkannten Teil der Russischen Föderation Arbeiten zeitgenössischer Maler:innen aus dem Donbas. Als wichtigster Organisator tritt das Donezker Museum »ArtDonbass« in Erscheinung, das eine Zusammenarbeit mit Museen in Russland aufbaut, bei denen es mit Ausstellungen gastiert. Im Vergleich zu den künstlerischen Arbeiten der ersten beiden Kategorien sind die Bilder dieser Ausstellungen lebhaft, farbenintensiv und stilistisch vielfältig, von realistischen Arbeiten bis zu Gemälden mit expressionistischen oder surrealistischen Elementen (z. B. die Ausstellungen »Ohne Grenzen. Künstler des Donbass«, »Der Donbass in unserem Herzen! Menschen, Musik, Bilder«, »Unsere Republik – unsere Entscheidung!« und »Winde des Donbass«). Wichtigste Aufgabe dieser Ausstellungen ist die positive Repräsentation der »neuen Regionen« [der von Russland besetzten und als annektiert betrachteten ukrainischen Gebiete, Anm. d. Red.]. Die idyllischen Szenerien und Landschaften, Industriekulissen, Etüden mit einem Fokus auf Kultur- und Architekturdenkmäler, Blumen, Stillleben, wilde und Haustiere konstruieren ein »paradiesisches« Bild des Donbas.

Die zweite und letzte Kategorie von Kunstausstellungen, die mittelbar im Zusammenhang mit dem Krieg stehen, sind Ausstellungen mit Kinderzeichnungen (mindestens 17 Ausstellungen). Die größte Gruppe stellen hier Ausstellungen mit Kinderzeichnungen aus dem Donbas über ihre unmittelbare Umgebung (z. B. die Wanderausstellungen »Der lodernde Donbass in den Augen von Kindern«, »Zwei Blicke auf den Krieg« und »Swatowo« [ukr.: »Swatowe«, eine Kleinstadt im Gebiet Luhansk, die von Russland im März 2022 besetzt wurde, Anm. d. Red.] mit den Augen von Kindern. Wir träumen«). Die Museen sind wie die Ausstellungen mit Porträts und Kriegsteilnehmer:innen auf eine Herstellung von Parallelen zwischen dem »Großen Vaterländischen Krieg« und dem aktuellen Krieg gegen die Ukraine ausgerichtet, insbesondere die Ausstellung »Kindheit, vom Krieg unterbrochen« (Historisch-Heimatkundliches Museum Stupino) umfasst Frontzeichnungen von Nikolai Schukow (eines Künstlers, der den Zweiten Weltkrieg erlebt hat), die den Kindern des Krieges gewidmet sind, sowie zeitgenössische Zeichnungen von Kindern aus dem Donbas. Eine zweite und kleinere Gruppe von Ausstellungen sind Zeichnungen russischer Kinder (z. B. die Wanderausstellungen »Mein Vater ist ein Held« und »Neue Wegscheiden der Geschichte Russlands – mit den Augen der Generation Z«). Diese sind thematisch vielfältiger und umfassen Porträts der Vorväter beim Militär, Zeichnungen und Kollagen zu patriotischen Themen und zur Unterstützung der »SWO«.

Zu erwähnen ist, dass bei thematischen Ausstellungen zum Krieg gegen die Ukraine Kinder aus dem Donbas einen wichtigen Platz einnehmen. Sie werden als Schutzobjekte und als Opfer hingestellt, die den Angriffskrieg rechtfertigen sollen. Ihnen sind Kunstinstallationen gewidmet, etwa ein Spielplatz mit Schaukeln, über die im Moskauer Museum des Sieges papierene Engel platziert werden, ein Sandkasten mit Kinderspielzeug und Silhouetten von Kindern an die Mauern des Museums der Geschichte der SWO in Saratow projiziert werden. Dabei wird den Kindern in Russland merklich weniger Aufmerksamkeit zuteil als den Kindern im Donbas. Sie treten nur selten auf Familienfotos in Erscheinung, sind aber überwiegend die Autor:innen der Zeichnungen, Briefe und Postkarten an Kriegsteilnehmer:innen an der Front, die jetzt in den Vitrinen der Museen ausgestellt werden.

Fazit

Kunstausstellungen zum Krieg gegen die Ukraine, die von russischen Museen zusammengestellt werden, sind ein markantes Beispiel dafür, wie rasch ein neues Kulturerbe geschaffen wird, mit dem ein Bild und Vorstellungen vom Krieg gezeichnet wird, das im Interesse des Staates liegt: schweigsame Militärs, eine Front, die »ohne Schrecken« ist (und an der es keinen Feind gibt), ein idyllischer Donbas und die Kinder des Donbas, die es zu verteidigen gilt. Diese Objekte werden in den Museen ausgestellt und erlangen damit den Status eines Museumsexponats, eines Teils des Kulturerbes. Und zwar nicht deshalb, weil sie einen bestimmten Wert darstellen, sondern weil sie aufgrund einer politischen Anordnung von oben geschaffen und in einem Museum platziert werden. Aus künstlerischer Sicht sind die darstellenden Arbeiten, die in Ausstellungen zum Krieg gezeigt werden, äußerst mittelmäßig.

Ein großer Teil der typenhaften künstlerischen Arbeiten (insbesondere der Porträts), die bei Ausstellungen zum Krieg gegen die Ukraine zu sehen sind, wurden von regionalen Maler:innen unterschiedlichen Profils und von Studierenden lokaler Kunsthochschulen angefertigt. Die technisch hochwertigsten Gemälde kommen allerdings vom Grekow-Studio der Militärkünstler des Verteidigungsministeriums. Vor allem Jurij Siwatschow, der mit dem Grekow-Studio in Verbindung steht, wie auch Julija Tolstoussowa haben wegen ihrer Arbeiten zum Krieg gegen die Ukraine eine gewisse Bekanntheit erlangt. Beide haben ein Kunststudium abgeschlossen. Bei einigen Ausstellungen, die sich um Arbeiten eines Malers drehen, der auch Militär war, wird versucht, dessen Leben und Schaffen zu gedenken. Dabei werden allerdings nur die heroischen und Paradeseiten des Lebens des Betreffenden präsentiert.

Möglicherweise ist diese mangelhafte Qualität der zeitgenössischen Arbeiten der Grund, der Museen dazu bringt, in die Ausstellungen auch Themen des »Großen Vaterländischen Krieges« zu integrieren. Das entspricht zudem den Interessen des Staates. Hervorzuheben ist auch, dass die Kunstausstellungen im Vergleich zu thematischen Ausstellungen zum Krieg gegen die Ukraine nur eine zweitrangige Stellung innehaben. Es geschieht recht häufig, dass Kunstausstellungen im Foyer, neben der thematischen Hauptausstellung zu sehen sind und somit eine Art Hintergrund für letztere bilden.

Ausstellungen zum Krieg gegen die Ukraine, die in Museen gezeigt werden, werfen noch viele Fragen auf. Sind sie – wie die Medien – einer der Kanäle für staatliche Propaganda? Dies muss man wohl bejahen. Allerdings bleibt die Frage, was genau eine Ausstellung im Museum zu Propaganda macht. Worin besteht die Spezifik von Propaganda im Museum? Bislang wurde Propaganda durch Museen lediglich im Kontext historischer Forschungen als Teil der Wirklichkeit einer bestimmten historischen Epoche betrachtet, die mit dem Sturz des betreffenden Regimes längst vergangen ist (siehe: Kivelitz 1999, und Jolles 2005; in d. Lesetipps). Propaganda durch Museen als zeitgenössisches Phänomen harrt noch einer konzeptuellen Aufarbeitung, die sich auf die bestehende Forschung zu Propaganda stützen sollte. Propaganda durch Museen ist womöglich dann am wirksamsten, wenn sie für Besucher:innen nicht zu bemerken und als solche nicht erkannt wird. Das führt uns zur zweiten, nicht weniger wichtigen Frage: Wie nehmen die Besucher:innen die Museumsausstellung zum Krieg gegen die Ukraine wahr? Welche Gefühle haben sie dabei? Ungeachtet des begrenzten Zugangs zum Feld wird auch zu diesem Aspekt geforscht, wobei belastbare Ergebnisse noch ausstehen.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

Lesetipps / Bibliographie

  • Brockington, G.: Art Against War. In: J. Bourke (Hg.): A Global History of Art in Modern Warfare. London: Reaktion 2017.
  • Iakovlenko, E.: Eyewitness the Russian War in Ukraine: The Matter of Loss and Arts. In: Sociologica. 16.2022, Nr .2, S. 227–238.
  • Jolles, A.: Stalin’s Talking Museums. In: Oxford Art Journal, 28.2005, Nr. 3, S. 431–455.
  • Kharkhun V.: Warring Memory: Exhibiting the Russo-Ukrainian War in Ukraine’s National Museums. In: Nationalities Papers, 2025, S. 1–25.
  • Kivelitz, Ch.: Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen. Konfrontation und Vergleich: Nationalsozialismus in Deutschland, Faschismus in Italien und die USSR der Stalinzeit. Bochum: Winkler 1999.
  • Kuhr-Korolev, C.; U. Schmiegelt-Rietig, E. Zubkova: Raub und Rettung. Russische Museen im Zweiten Weltkrieg In Zusammenarbeit mit Wolfgang Eichwede. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2019.
  • Levin, A.: Introduction: Voices from Ukrainian Museums. In: Museum & Society, 21.2023, Nr. 2, S. 1–3.

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