Zwischen Transformation und Sowjetunion

Von Matthes Buhbe

Zusammenfassung
In welcher Gesellschaft möchten die Russen leben? Das ist eine Frage, die man bei uns angesichts der Sorge über autoritäre Tendenzen in Russland in letzter Zeit vermehrt stellt. Hinweise gibt eine Erhebung des Moskauer Instituts für komplexe Gesellschaftsstudien, die ein facettenreiches Bild zeichnet. Die Erinnerung an die Breschnjew-Zeit spielt im Denken vieler älterer Russen eine große Rolle. Doch die jüngere Generation blickt nicht nostalgisch zurück auf das gute Zusammenleben in den jungen Jahren. Allerdings gilt ihr Interesse auch nicht vordringlich „westlichen Werten“ einer demokratischen Gesellschaft mit großen individuellen Freiheitsspielräumen. Die Erhöhung des Lebensstandards bleibt wichtigstes Ziel aller Russen. Auf Platz zwei und drei rangieren (mit abnehmender Tendenz): Herstellung von Ordnung in allen Lebensbereichen und Chancengleichheit für alle.

PDF-Datei in neuem Fenster anzeigen

Zum Weiterlesen

Artikel

Antirevolutionäre Revolutionserinnerungspolitik: Russlands Regime und der Geist der Revolution

Von Il’ja Kalinin
Russlands Führung steht im Jahr 2017 vor einer Herausforderung: Sie muss Erinnerung an die Oktoberrevolution in ein Geschichtsbild verpacken, das Revolutionen als solche ablehnt. Ihre zentrale Botschaft lautet: Versöhnung. Doch es geht nicht um den Bürgerkrieg 1917–1920. Die Vergangenheit ist nur vorgeschoben. Es geht darum, jede Form von Kritik am heutigen Regime als Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens zu diffamieren und mit dem Stigma zerstörerischer revolutionärer Tätigkeit zu belegen. (…)
Zum Artikel auf zeitschrift-osteuropa.de
Analyse

Vom "Vaterländischen Krieg 1812" zum "Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945" Siegesmythen als Fundament staatlicher Geschichtspolitik in der Sowjetunion, der Russländischen Föderation, der Ukraine und Belarus

Von Stefan Troebst
Die Geschichtspolitik der Russländischen Föderation weist eine Konstante und etliche Variablen auf: Fest steht allein der »Sieg über den Faschismus« im »Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945« als Gründungsmythos des 1992 als Zerfallsprodukt der UdSSR entstandenen Konglomeratstaats. Weiterhin unklar hingegen ist, ob erinnerungskulturell künftig »Stalin« oder der »Entstalinisierung« der Vorzug gegeben werden soll. Der 2005 erfolgte Rückgriff auf den nur Wenigen präsenten patriotischen Erinnerungsort »1612« war ebenso erratisch wie der 2012 verstärkte Bezug auf den heroischen lieu de mémoire »1812« nahe liegend. Der selektive geschichtspolitische Bezug auf die Vergangenheiten von Sowjetunion, Zarenreich, Großfürstentum und Rus hält überdies das Spannungsverhältnis zwischen multiethnisch-russländischem Imperium und monoethnisch-russischem Nationalstaat aufrecht und hemmt damit den Prozess der Bildung einer corporate identity der Bürger der Russländischen Föderation.
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS