Zwischen Transformation und Sowjetunion

Von Matthes Buhbe

Zusammenfassung
In welcher Gesellschaft möchten die Russen leben? Das ist eine Frage, die man bei uns angesichts der Sorge über autoritäre Tendenzen in Russland in letzter Zeit vermehrt stellt. Hinweise gibt eine Erhebung des Moskauer Instituts für komplexe Gesellschaftsstudien, die ein facettenreiches Bild zeichnet. Die Erinnerung an die Breschnjew-Zeit spielt im Denken vieler älterer Russen eine große Rolle. Doch die jüngere Generation blickt nicht nostalgisch zurück auf das gute Zusammenleben in den jungen Jahren. Allerdings gilt ihr Interesse auch nicht vordringlich „westlichen Werten“ einer demokratischen Gesellschaft mit großen individuellen Freiheitsspielräumen. Die Erhöhung des Lebensstandards bleibt wichtigstes Ziel aller Russen. Auf Platz zwei und drei rangieren (mit abnehmender Tendenz): Herstellung von Ordnung in allen Lebensbereichen und Chancengleichheit für alle.

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Artikel

Antirevolutionäre Revolutionserinnerungspolitik: Russlands Regime und der Geist der Revolution

Von Il’ja Kalinin
Russlands Führung steht im Jahr 2017 vor einer Herausforderung: Sie muss Erinnerung an die Oktoberrevolution in ein Geschichtsbild verpacken, das Revolutionen als solche ablehnt. Ihre zentrale Botschaft lautet: Versöhnung. Doch es geht nicht um den Bürgerkrieg 1917–1920. Die Vergangenheit ist nur vorgeschoben. Es geht darum, jede Form von Kritik am heutigen Regime als Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens zu diffamieren und mit dem Stigma zerstörerischer revolutionärer Tätigkeit zu belegen. (…)
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Analyse

Die russische Identität und der Siegesmythos

Von Ivo Mijnssen
Der Sieg der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland im »Großen Vaterländischen Krieg« ist ein zentraler Baustein der nationalen Identität Russlands. Die russische Regierung sieht die Verbreitung einer unkritischen, »korrekten« Interpretation dieses Sieges als eine wichtige Aufgabe. Um damit auch die russische Jugend zu erreichen, bedient sie sich der Unterstützung durch »patriotische« Jugendorganisationen wie Naschi. Während der Mythos zur Konsolidierung der russischen nationalen Identität beiträgt, provoziert er im post-sowjetischen Raum starken Widerstand.
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