Menschenfeindlichkeit
Im Jahr 2007 erhielten Polen und die Ukraine den Zuschlag für die Austragung der Fußball-Europameisterschaft (EM) 2012. Aufgrund der fehlenden Infrastruktur, politischer Grabenkämpfe in der Ukraine sowie der Korruptionsskandale im polnischen Fußball kamen recht schnell Zweifel auf, ob die beiden Staaten in der Lage sein würden, die Spiele auszurichten. Seit etwa einem Jahr steht in der europaweiten Diskussion der Sicherheitsaspekt während der Spiele im Vordergrund. Zurzeit überschattet jedoch die Skandalisierung des Umgangs der ukrainischen Regierung mit der früheren Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko andere, nicht-staatliche Formen der Menschenrechtsverletzung, die in direktem Zusammenhang mit der Fußball-EM stehen. Wie in vielen anderen postsozialistischen Staaten spielt im Umfeld des ukrainischen Fußballs Menschenfeindlichkeit eine wachsende Rolle. Diese zeigt sich in Fanverhalten, das von Rassismus, Antisemitismus und Homophobie sowie hoher Gewaltbereitschaft geprägt ist. Teile der Szene lehnen die EM, welche Menschen anderer Hautfarbe und Lebensstils ins Land bringt, rundweg ab und zeigen dies in den Stadien mit dem Schriftzug »Fuck off Euro 2012«.
Schwierige Quellenlage
Das Problem gewalttätiger Hooligans und Ultras im EM-Austragungsland Polen wird seit einiger Zeit relativ breit diskutiert. Die polnischen Hooligans gelten als die »gefährlichsten Europas« und hatten bereits im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 für Befürchtungen gesorgt. Über die gewaltbereite und -suchende Fan-Szene der Ukraine ist dagegen wenig bekannt; Medien berichten selten und in der Politik sowie im Fußballverband und den Vereinen der Premier Liga ist sie ein untergeordnetes Thema.
Die Quellenlage ist daher eher schlecht. Im Jahr 2011 legte das East Europe Monitoring Center unter Federführung der polnischen Nichtregierungsorganisation »Never Again«, die anti-rassistische Fanprojekte in Polen und der Ukraine organisiert, einen Bericht über fremdenfeindliche Zwischenfälle in polnischen und ukrainischen Fußballstadien vor. Hooligan- und Ultra-Gruppierungen verbreiten Bilder und Videos ihrer Kämpfe und Symbolik über ihre eigenen Webseiten oder youtube. Im Gegensatz zu Polen lassen sich gleichwohl keine Statistiken oder wissenschaftlichen Studien finden.
Hooligans, Ultras, Fangruppen
Zwar gibt es in der Ukraine – ähnlich wie in Deutschland – sowohl Hooligans als auch Ultras, aber in der Ukraine verschwimmt die Grenze zwischen den Gruppierungen noch stärker und die Ultraszene scheint um einiges gewaltbereiter. Zudem werden die Begriffe in ukrainischen Berichten synonym gebraucht, so dass häufig nicht klar ist, über welche Gruppierungen gesprochen wird. Oft werden beide Gruppen auch einfach als »Fans« bezeichnet. Nach Angaben des East European Development Institute (EEDI) gibt es in der Ukraine etwa 6.000 Fußball-Hooligans, deren Zahl kontinuierlich steigt, wobei nicht klar ist, woher die Zahl kommt und welche Gruppierungen sie umfasst. Hooligans sind in sogenannten Firmen organisiert und tragen ihre durch Regeln bestimmten Kämpfe zumeist in der »Dritten Halbzeit« aus, also nach den Spielen und außerhalb der Stadien und zentraler – von der Miliz kontrollierter – Orte, oft in (verlassenen) Industriegebieten oder in Wohngebieten. Aber auch in den Stadien sind gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen untereinander oder mit der Miliz an der Tagesordnung.
Die Vereine der ukrainischen Premier Liga haben durchweg organisierte Fangruppen mit einer rechtsradikalen Ausrichtung, mit Ausnahme von Arsenal Kiew, wo Antifa-Gruppen dominieren. Manche Vereine, wie Tschernomorez Odessa oder Dnipro Dnipropetrowsk, haben sowohl rechte als auch linke Gruppierungen, die sich irgendwie arrangieren. Die Namen der rechten Ultra- oder Hooligan-Gruppen verweisen auf die Gewaltbereitschaft oder die ultranationalistische Ausrichtung und sprechen für sich. So bezeichnet sich Dynamo Kiews extrem rechte Hooligan-Gruppe als »Terrorfamilie« und ist für ihre rassistische Symbolik bekannt. Die Hooligans von Karpaty Lwiw nennen sich »Banderstadt«, eine germanisierte Anspielung auf Stepan Bandera, den umstrittenen Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten.
Die rivalisierenden und in den Stadien präsenten Gruppierungen haben verschiedene politische und historische Anknüpfungspunkte und daraus resultierende Symbolik. Gemeinsam ist ihnen das Interesse an Provokation, sowohl des Gegners als auch der Öffentlichkeit und des Staates, sowie eine rassistische Grundhaltung. In den Stadien sind regelmäßig rassistische Symbole zu sehen, wie Keltische Kreuze, die die Überlegenheit der »weißen Rasse« symbolisieren. Dazu kommen antisemitische Spruchbänder sowie faschistische und nationalsozialistische Symbole, die durch entsprechende Gesänge und Gesten unterstützt werden. Auf den Rängen sieht man Zeichen des italienischen Faschismus und der Totenkopf-SS, die Zahl 88 und Hakenkreuze. Daneben sind innerukrainische ultranationalistische Symbole zu sehen, wie zum Beispiel jene der extrem rechten Organisation »Patrioten der Ukraine«, deren Emblem angelehnt ist an die »Wolfsangel«, das Zeichen der SS Division »Das Reich«. Fans aus Lwiw zeigen bei Auswärtsspielen auch das Emblem der Waffen SS Division »Halytschyna«.
Antifaschistische Fangruppen treten selten deutlich in Erscheinung. Im August 2010 demonstrierten jedoch die antifaschistischen Fans von Arsenal Kiew im Stadion gegen die Verhaftung russischer Antifaschisten. Direkt nach dem Spiel wurden sie von Fans von Dynamo Kiew angegriffen, sogar mit Messern und Schlagringen. Die Miliz griff nicht ein.
Auch bei internationalen Spielen sind xenopobe und antisemtische Symbolik und Transparente präsent. Beim Spiel Dynamo Kiew gegen Ajax Amsterdam (Champions League Qualifikation 2010) zeigten die Hooligans die Karikatur eines Juden mit dem Slogan »Juden zeigen« auf einem Banner. Bei einem Auswärtsspiel von Karpaty Lwiw gegen Galatasaray Istanbul im August 2010 wurde auf Türkisch das Spruchband »Türkische Schweine raus aus Europa« gezeigt, in Verbindung mit einem Keltischen Kreuz. Die UEFA verurteilte den Verein zu einer Strafe von 25.000 Euro.
Nachdem in Moskau im Dezember 2010 Jegor Swiridow, ein Spartak-Moskau Fan und Mitglied der Ultra-Gruppierung »Union«, von Männern aus dem Kaukasus erschossen worden war, zeigten verschiedene ukrainische Fangruppen, vor allem von Dynamo Kiew, Transparente mit »Egor Siviridov White Solidarity«. Die meisten Gruppen unterstützen russische rechte Hooligans und Neo-Nazis – auch wenn sonst gerade die Fangruppen aus der westlichen Ukraine für ihre anti-russischen Slogans bekannt sind.
Politisierung
Auch wenn die meisten »Fans« primär provozieren wollen, so wird die Szene durch nationalistische und faschistische bzw. rechtsradikale Parteien und Organisationen politisiert, die gezielt in den Stadien um Jugendliche werben. Ein Beispiel ist die Nachfolgepartei der Sozial-Nationalistischen Partei (1991–2004), die Freiheitsunion (Swoboda), die bei den letzten Kommunal- und Regionalwahlen in der Westukraine stärkste Kraft wurde und bei der nächsten Wahl ins Parlament einziehen könnte. Swoboda-Funktionär Igor Miroschnitschenko ist Sportkommentator des Fernsehsenders ICTV und war bis 2008 Sprecher des Ukrainischen Fußballverbandes.
Am 7. September 2010 organisierte Swoboda in Kiew eine Demonstration unter dem Motto »Für den ukrainischen Fußball«, bei der das Entfernen von »Legionären« aus dem ukrainischen Fußball sowie »rassische Reinheit« gefordert wurden. Zudem waren Keltische Kreuze und rassistische Slogans zu sehen. An der Demonstration nahmen mehrere Tausend Menschen teil, unter ihnen auch rechtsextreme Fußball-Hooligans. Als die Demonstration am Sitz des Ukrainischen Fußballverbandes endete, versprach dessen Vizepräsident, die Forderungen der Demonstranten zu berücksichtigen. Außerdem wenden sich »Fußballfans« gegen die Einbürgerung ausländischer Spieler, zum Beispiel mit Spruchbändern »Auswahl der Ukraine für Ukrainer« oder »Einbürgerung ist der Tod des ukrainischen Fußballs«, die im August 2011 auf den Tribünen gezeigt wurden.
Die meisten Hooligan-Gruppierungen haben enge Kontakte oder überschneiden sich mit Neo-Nazi und Skinhead-Gruppierungen, die für Übergriffe auf ethnische Minderheiten verantwortlich sind.
Subkulturen im Sozialismus
In der Sowjetunion und der heutigen Ukraine wird der Begriff »Hooliganismus« (chuliganstwo), sehr breit gefasst und bezeichnet Rowdytum allgemein. Aber auch gewalttätige Fußball-Fans sind in der Ukraine kein neues Phänomen. Der Ursprung der Ultra- und Hooligan-Szene liegt in verschiedenen Subkulturen der späten Sowjetunion. Bereits zu sowjetischer Zeit galt Fußball-Hooliganismus als »Problem«, über das allerdings wenig bekannt ist. Eine explizit rassistische Ausrichtung war bei dieser von jungen männlichen Erwachsenen getragenen Subkultur noch nicht vorhanden.
Gesellschaftliche Verweigerung und Protest gegen die realsozialistischen Institutionen und Ideologie äußerten sich in der Herausbildung von Subkulturen und sogenannten »informellen« Gruppen. In der Sowjetunion gab es die gleichen Jugendgruppen wie im Westen: von Poppern über Punks und Rocker zu Skinheads und Neonazis. Zumeist imitierten diese Gruppen ihre westlichen Vorbilder und entwickelten ihren eigenen Lebensstil sowie ihr eigenes Normen- und Wertesystem, das sich vom offiziellen unterschied und allein dadurch provozierte. Der sowjetische Staat reagierte auf abweichendes Verhalten mit repressiven Maßnahmen, verstärkter Kontrolle und der Erhöhung von Strafmaßen.
Allerdings waren sowjetische Subkulturen kein Forschungsgegenstand, da sie gesellschaftspolitisch unerwünscht waren. Die wenigen Studien sowjetischer Soziologen und Kriminologen zeigten, dass delinquentes Verhalten Jugendlicher durch ähnliche, sich gegenseitig verstärkende Gründe hervorgerufen wurde wie im Westen: zerrüttete Familien, Alkoholismus in der Familie und schlechte Wohnverhältnisse. Ein nicht zu unterschätzender Grund war Langeweile, gerade in den sowjetischen Vorstädten.
Ende der 1980er Jahre hatte sich in der Sowjetunion eine rechte Szene entwickelt. Für einige Jugendliche, unter anderem Skinheads und Nazipunks, stellte der deutsche Nationalsozialismus ein Vorbild dar, dem sie bewusst oder unbewusst nacheiferten, indem sie dessen Symbolik und Vokabular verwendeten. Mit der Ideologie selbst waren die meisten nicht vertraut, was sich aus der sowjetischen Propaganda und Bildungspolitik in Bezug auf den (deutschen) Faschismus erklärt. Sich als Nazi zu bezeichnen und entsprechende Symbole zu tragen, war relativ riskant, da es das vorherrschende »antifaschistische« Selbstverständnis der sowjetischen Führung direkt herausforderte und damit eine außerordentliche Provokation darstellte. Viele dieser Jugendlichen entstammten dem proletarischen Milieu der »Straßenkinder«, in dem die Betonung körperlicher Stärke zentral ist. Hinzu kamen Anhänger von »White Power«, die von der Überlegenheit der »weißen Rasse« überzeugt sind.
Bereits in den 1970er und 1980er Jahren fand die Hooligan-Kultur ihren Weg aus dem Westen, vor allem England, in die Sowjetunion. Die großen Vereine wie Dynamo Kiew hatten zuerst Hooligans, denn ihre Fans durften gelegentlich zu Auslandsspielen reisen und brachten Symbole und Gesänge mit. Die Hooligans begannen also – wie viele andere Subkulturen – als Import, der an lokale Verhältnisse angepasst und weiterentwickelt wurde.
Nach der Unabhängigkeit
In den 1990er Jahren führten die tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüche sowie Arbeitslosigkeit, Verarmung und Perspektivlosigkeit für viele Menschen zu sozialer Anomie. Soziale Sicherheit, Überregulierung und Vorhersagbarkeit wurden durch Unsicherheit ersetzt. Von diesen Prozessen waren besonders Jugendliche betroffen, die durch den Niedergang von Bildungs- und Freizeiteinrichtungen zusätzlich ein Vakuum in der Freizeitgestaltung erlebten.
Nach der staatlichen Unabhängigkeit war der ukrainische Fußball selbst im Umbruch. Zunächst zerfiel der sowjetische Verband und die neue nationale Liga wurde für die Zuschauer weniger attraktiv. Aufgrund des ökonomischen Niedergangs sanken in den 1990er Jahren die Einnahmen der Vereine, die Stadien verfielen. Da sich die Bedingungen für die Spieler verschlechterten, gingen viele von ihnen ins Ausland. Zugleich wurde die Jugendförderung eingeschränkt. Als sich die wirtschaftliche Lage stabilisierte und sich Sponsoren und Investoren fanden und einige Clubs unter die Kontrolle von Oligarchen gerieten, wurden ausländische Spieler (legionery) aus Afrika und Südamerika eingekauft, die oftmals Anfeindungen – auch der eigenen Fans – ausgesetzt sind. Zugleich wurde Fußball zum Geschäft für die Besitzer der Vereine, die diese auch zur Image-Pflege nutzen.
Wie in anderen Ländern kritisieren heute vor allem die Ultras die Kommerzialisierung des Fußballs. Ihr Protest beinhaltet implizit eine populistische Kritik am »neuen System«, in dessen Rahmen die Kommerzialisierung stattfindet. So richtet sie sich auch gegen internationale Spiele, da diese die Kommerzialisierung des Fußballs befördern. Die Hooligans sind nicht politisch; sie haben keine Programmatik oder Ziele. Ihre Gewaltexzesse sind vor allem eine Kompensation für Alltagserfahrungen. Die Hooligans sind ausschließlich, die Ultras überwiegend männlich. Im Zuge der Systemtransformation verändern sich die Rolle und Position der Männer. Da ihre Familienrolle im Sozialismus vor allem von ihrer Rolle als Ernährer abhängig war, war Arbeit zentral für männliche Identität und Status. Arbeitslosigkeit nach 1991 führte zu Statusverlust und einer Identitätskrise, die einige Männer durch das Ausleben anderer, als »männlich« geltender Verhaltensweisen kompensieren. Innerhalb der Hooligan-Kultur sind zahlreiche Handlungen erlaubt und anerkannt, die gesellschaftlich geächtet und tabuisiert sind, vor allem körperliche Gewalt oder Hass gegen Minderheiten. Zugleich bietet die Gruppe den einzelnen soziale Anerkennung.
Ende der 1990er Jahre wuchs die Zahl der gewalttätigen Vorfälle in den Stadien und bei den Auseinandersetzungen zwischen den Hooligan-Firmen.
Gegenmaßnahmen
Maßnahmen, die die Gewalt in und um die Fußballstadien sowie die rassistische Rhetorik und Symbolik bekämpfen sollen, sind bisher absolut unzureichend. Der ukrainische Staat, die UEFA, ausländische Initiativen und zivilgesellschaftliche Gruppen kooperieren nicht ausreichend.
Ukrainische staatliche Stellen reagierten sehr spät und vor allem auf internationalen Druck. Zwar wurden schon vor mehr als zehn Jahren Sondereinheiten beim Innenministerium und dem Geheimdienst zur Bekämpfung des Hooliganismus eingerichtet, jedoch ohne Erfolg. Aktuell setzt der ukrainische Staat auf Kontrolle, Einschüchterung und die Präsenz der Miliz, um verfeindete Fangruppen auseinanderzuhalten. Bei gewaltbereiten und -suchenden Fans ist diese Strategie aber nicht besonders erfolgreich. Die Miliz ist nicht geschult in Deeskalation, sondern ist selbst gewaltbereit, wie man auf zahlreichen Videos sehen kann. Oftmals wird gegen festgenommene Fans, die (im Stadion) gewalttätig geworden sind, kein Strafverfahren eröffnet.
Im Vorfeld der EM 2012 hat sich der ukrainische Staat offiziell weniger mit den eigenen gewaltbereiten Fußballfans als mit den ausländischen befasst. Die ukrainischen Sicherheitsbehörden erhielten die Liste der gewaltbereiten Fans aus anderen europäischen Ländern, um sie möglichst schon an der Einreise in die Ukraine hindern zu können. Eine Liste einheimischer problematischer Fans, die zunächst 1.218 Personen umfasste, wurde erst im Januar 2012 erstellt. In Donezk konzentriert sich die Regierung der Region auf die am 11. Juni 2012 erwarteten englischen Hooligans und setzt verschiedene Sicherheitsdienste ein, unter anderem Berkut-Spezialeinheiten, von denen ständig 600 bis 800 Kräfte im Einsatz sein sollen. Längerfristige Ziele wie Anti-Rassismus oder Menschenrechtserziehung werden nicht verfolgt.
Die UEFA ist daran interessiert, die EM ohne größere Probleme für die Sicherheit von Spielern und Zuschauern über die Bühne zu bringen und führt seit April 2011 Fortbildungen für Experten für Stadion-Sicherheit aus den Austragungsorten in Polen und der Ukraine durch.
Die Vereine und der Fußballverband ignorieren das Problem weitgehend und beschuldigen sich zuweilen gegenseitig der Untätigkeit bei der Bekämpfung des Rassismus in den Stadien. Rassistische Symbolik ist in Fußballstadien verboten und normalerweise werden zu Spielbeginn Verhaltensregeln für die Zuschauer verlesen, in denen darauf hingewiesen wird, dass keine xenophoben Äußerungen erlaubt sind. Aber die Vereine setzen diese Regeln mit wenigen Ausnahmen nicht durch. Auch die Miliz, die zumeist mit einem hohen Aufgebot in den Stadien präsent ist, schreitet fast nie ein. Einige Vereine der Premier Liga haben eigenes Ordnungspersonal eingestellt, sogenannte Stewards, die die Situation aber auch nicht in den Griff bekommen. Couragierte Fans, die eingreifen, bringen sich in der Regel selbst in Gefahr, da sie tätlich angegriffen werden. In den Statuten des Verbandes und der Premier Liga sind Regelungen für die Bestrafung von Vereinen verankert, deren Fans rassistische Symbolik verwenden. Während der letzten Jahre haben die entsprechenden Komitees aber keine einzige Entscheidung zur Bestrafung einzelner Vereine herbeigeführt.
Fanarbeit und (Medien-)Kampagnen werden – wie in anderen Bereichen der Förderung von Toleranz und Gewaltlosigkeit – von außen initiiert, hier zumeist mit finanzieller Unterstützung der UEFA oder FARE (Football against Racism in Europe). Das FARE – East European Development Project wird von der polnischen Organisation Never Again koordiniert und von der UEFA für drei Jahre finanziert. Anfang 2011 wurden Initiativen zur Förderung positiver Fußballkultur gestartet. Die UEFA und Football Supporters Europe (FSE) stellten finanzielle Mittel für Fan-Gruppen aus Polen und der Ukraine zur Verfügung, die für das Jahr 2011 kleinere Projekte beantragen konnten. In der Ukraine gab es bereits 2010 einige Maßnahmen unter Beteiligung der Fans von Arsenal Kiew, des Kongresses der Ukrainischen Nationalen Minderheiten, des African Centre (Kiew) und NEEKA, einer Nichtregierungsorganisation aus Mukatschewo, die sich ursprünglich mit Naturschutz beschäftigte und heute Migranten und Flüchtlinge in der Ukraine betreut. Fußballspieler, vor allem nicht-ukrainischer Herkunft, beteiligen sich an den Aktionen und tragen Armbinden mit »Unite Against Racism«. Der offizielle Partner von FARE, das East European Development Institute, hat seinen Arbeitsschwerpunkt aber – wie die meisten anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen – nicht im Fußball und auf den Webseiten sucht man vergebens nach Informationen oder Aktivitäten. Kleineren Projekten vor Ort fehlt die (nationale) Vernetzung. Der Staat, der Fußballverband oder die Vereine treten hier so gut wie nie offiziell in Erscheinung.
Es bleibt zu hoffen, dass die ukrainischen Ultras und Hooligans ihre Ablehnung der EM durch Fernbleiben von den Spielen und nicht auf andere Weise ausdrücken werden.