Agrarwirtschaft der Ukraine: aktuelle Situation und Entwicklungsperspektiven

Von Vera Belaya (Pfalzgrafenweiler)

Zusammenfassung
Sowohl die EU als auch Russland sind wichtige Agrarhandelspartner für die Ukraine. Durch die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU bekommt die Ukraine ohne Zweifel die einzigartige Chance, einer der Schlüsselspieler auf den internationalen landwirtschaftlichen Märkten zu werden. Russland sieht jedoch die europäische Politik im Hinblick auf das Assoziierungsabkommen als eine Bedrohung für seine traditionelle Einflusssphäre im Bereich Wirtschaft und befürchtet, dass Waren aus der EU über die Ukraine zollfrei nach Russland eingeführt werden könnten und damit hohe Einnahmeverluste für die russische Wirtschaft verursachen würden. Der Artikel befasst sich mit den Entwicklungsperspektiven der Agrarwirtschaft in der Ukraine in einer neuen geopolitischen Situation.

Vorteile und Nachteile für den Agrarsektor nach der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU

Zu den wichtigsten Agrargütern, die aus der Ukraine in die EU ausgeführt werden, gehören Mais (6,8 Mio. Tonnen in 2013), Weizen (ca. 87 Tsd. Tonnen in 2013), Honig (17 Tsd. Tonnen in 2013), Geflügelfleisch (210 Tonnen in 2013) und Milchpulver (40 Tonnen in 2009). Dabei ist anzumerken, dass die Ukraine vor allem Rohstoffe in die EU exportiert und hochwertige Veredelungserzeugnisse mit hoher Wertschöpfung aus der EU einführt (z. B. Käse, Milch und Sahne, ca. 18 Tsd. Tonnen in 2013).

Laut dem Institut für ökonomische Forschung und politische Beratung in der Ukraine wird die landwirtschaftliche Produktion im Falle der vollständigen Errichtung einer Freihandelszone mit der EU bei einer Aufrechterhaltung der Freihandelszone mit Russland um 42,8 % wachsen, im Falle der Aufhebung der Freihandelszone mit Russland sogar um 43,7 %. Die Zusammenarbeit mit der EU im landwirtschaftlichen Sektor ist für die Ukraine gerade in langfristiger Perspektive sehr vorteilhaft. Forschungen haben ergeben, dass die ukrainischen Exporte von Getreide, Fleisch und anderen Lebensmitteln bei einer Senkung der Importtarife um 20 % zunehmen würden – sogar ungeachtet einer Einführung von Quoten. Es wird erwartet, dass der Importumfang nach einer Senkung der Importzölle auf Seiten der Ukraine um 7 % wachsen wird, hauptsächlich wegen zunehmender Lieferungen von Getränken, Pflanzenölen und -fetten, Fleisch, tierischen Ölen und Fetten sowie Zucker. Liberalisierte Handelsbeziehungen werden Lieferungen neuer Waren ankurbeln, die auf ukrainischen und europäischen Märkten bis dahin nicht bekannt gewesen sind. Mittel- und langfristig werden die Exporteure agrar- und ernährungswirtschaftlicher Güter ein breites Spektrum von Möglichkeiten haben. Für die Exporteure von Ölkulturensaatgut wird die Aufhebung der Exportzölle sehr vorteilhaft sein.

In Zukunft sollen ukrainische Waren europäischen Standards entsprechen, besonders was ihre Qualität betrifft. Waren, die in der EU hergestellt werden, entsprechen diesen Anforderungen zur Gänze. Das bedeutet, dass die oben erwähnten Warengruppen die ukrainischen Märkte nach einer Vertragsunterzeichnung überfluten werden – aufgrund allmählich sinkender Tarife und mit einer Verzögerung infolge erhöhter nicht-tarifärer Beschränkungen seitens der Ukraine. Die zunehmende Anzahl von Importwaren wird die Konkurrenz auf dem ukrainischen Markt steigern und möglicherweise werden die Unternehmer der weniger effektiven ukrainischen Wirtschaft kurzfristig gesehen Verluste machen. Nichtsdestotrotz ist eine solche Situation im Interesse der Geschäftsleute: Sind sie bereit, sich den Schwierigkeiten der gesteigerten Konkurrenz zu stellen, werden sie langfristig von ihr profitieren.

Die Waren der ukrainischen Produzenten entsprechen leider nur teilweise den hohen Qualitätsstandards der Europäischen Union. Deshalb muss es so bald wie möglich zu einer Anpassung an EU-Normen kommen. Auf jeden Fall wird die Konkurrenzfähigkeit auf den europäischen Märkten bei den ukrainischen Produzenten zusätzliche Transaktionskosten verursachen. Diese Kosten können durch das hohe Rentabilitätsniveau gedeckt werden, das dank der europäischen Märkte möglich ist, allerdings nur bei einer erfolgreichen Positionierung der ukrainischen Waren. Die ukrainischen Landwirtschaftsproduzenten müssen ihre Finanzpläne revidieren, um in den vollen Genuss der Vorteile des Zugriffs auf die neuen Märkte zu kommen.

Der Staat wird die Möglichkeit bekommen, die Agrarpolitik entsprechend der EU-Gesetzgebung zu modernisieren. Gleichzeitig wird die Entwicklung von Standards und Infrastruktur landwirtschaftlicher Märkte eine zusätzliche Finanzierung durch staatliche Budgets erforderlich machen. Die landwirtschaftlichen Unternehmen werden von der Zusammenarbeit und dem Wissens-, Erfahrungs- und Technologieaustausch mit EU-Unternehmen und -Agenturen profitieren. Konsumenten werden Produkte von höherer Qualität konsumieren können, insbesondere was ökologische Standards angeht. Die Entwicklung der Landwirtschaft wird sich positiv auf das Wachstum von Beschäftigung und Wohlstand in den landwirtschaftlichen Regionen des Landes auswirken.

Welchen Einfluss hat Russland?

Sowohl die EU als auch Russland sind wichtige Handelspartner der Ukraine im Agrarbereich. Russland exportierte von Januar bis September 2014 Agrargüter im Wert von 487 Mio. USD in die Ukraine, die Ukraine führte im gleichen Zeitraum Agrargüter im Wert von 830 Mio. USD nach Russland aus. Bei den Ausfuhren beider Länder ist jedoch eine sinkende Tendenz zu beobachten. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Lieferumfänge um jeweils 40 % bzw. 15 % zurückgegangen. Das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine steht deshalb in Konkurrenz zur Zollunion Russlands, die der Ukraine einen zollfreien Markt anbietet. Diese Konkurrenz führte in den letzten Jahren mehrfach zu schwerwiegenden Konflikten zwischen Russland und der Ukraine in den Bereichen Handel und Zollabwicklung.

Im März 2014 wurde der politische Teil des Assoziierungsabkommens in Brüssel unterzeichnet. Der wirtschaftliche Teil, der das Freihandelsabkommen beinhaltet, sollte im November vergangenen Jahres unterzeichnet werden, das Vorhaben wurde jedoch gestoppt bzw. verschoben. Grund dafür waren Bedenken, dass Russland als Reaktion darauf den zollfreien Import aus der Ukraine stoppen könnte, was die Krise in der Ukraine verschärfen würde. Bisher können Waren aus der Ukraine zollfrei nach Russland exportiert werden. Als Konsequenzen eines Importstopps wurden Betriebsschließungen und Arbeitslosigkeit befürchtet. Dieses Ereignis kann man als Wendepunkt betrachten, da es eine bis zum heutigen Tag anhaltende politische Krise in der Ukraine ausgelöst hat.

Die Regierung in Moskau sieht die europäische Politik bezüglich der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen mit der Ukraine jedoch als Bedrohung für seine traditionelle wirtschaftliche Einflusssphäre und befürchtet, dass Waren aus der EU, auf die Russland Zölle erhebt, über die Ukraine zollfrei nach Russland eingeführt würden und so hohe Einnahmeverluste für die russische Wirtschaft verursachen würden. Als Gegenmaßnahme zum geplanten Assoziierungsabkommen hat Russland zusammen mit Weißrussland und Kasachstan die Eurasische Wirtschaftsunion gegründet, die eine bereits bestehende Zollunion ab Januar 2015 erweitert. Als Reaktion auf Russlands Kritik am Freihandelsabkommen initiierte die EU trilaterale Gespräche. Im September 2014 wurde in diesen Gesprächen zwischen der EU-Kommission und den Regierungen der Ukraine und Russlands beschlossen, den wirtschaftlichen Teil des Abkommens erst Ende 2015 bzw. Anfang 2016 in Kraft zu setzen.

Im Folgenden wird die aktuelle Situation in der Agrarwirtschaft anhand von zwei Beispielen (Getreide und Milch) erläutert.

Beispiel Getreidemarkt

Die Ukraine gehört zu den zehn größten Getreideexporteuren der Welt. Die Getreideproduktion hat für die Ukraine strategische Bedeutung, von der Entwicklung dieses Zweiges hängen ihre Lebensmittelsicherheit sowie Lebensstandard und -qualität ihrer Bürger ab. Das Land verfügt über klimatische Bedingungen, welche sich hervorragend für die Produktion von Getreidekulturen hoher Qualität eignen, und es ist gut in die Weltmärkte integriert. Zu den Hauptbesonderheiten des Getreidemarktes in der Ukraine zählen vor allem das niedrige Nachfrageniveau und die hohe Deckung der Binnennachfrage durch die einheimische Produktion. Das Exportpotential von Getreide wächst. Der Eigenkonsum ist verhältnismäßig stabil, wegen der Bevölkerungsabnahme und der veränderten Ernährungsstruktur ist aber eine Tendenz zu sinkendem Konsum von Getreide sowie Teig- und Backwaren zu beobachten. Eine wichtige Rolle bei der Getreideproduktion spielen in der Ukraine große aus ehemaligen Genossenschaften und staatlichen Farmen hervorgegangene Landwirtschaftsunternehmen. Sie dominieren die Produktion im Bereich der meisten landwirtschaftlich produzierten Rohzutaten einschließlich der Getreideproduktion (ca. 78 % in 2013). Ein Teil der Großfarmen wird generell unter dem Begriff Agrarholdings zusammengefasst.

In der Ukraine werden jährlich rund 60 Millionen Tonnen Getreide produziert – hauptsächlich Weizen, Mais und Gerste. Der Getreide-Selbstversorgungsgrad der Ukraine betrug im Jahr 2011 192,9 %. Von 2000 bis 2013 hat sich die Produktion von Getreide in der Ukraine fast verdreifacht. Mit der steigenden Getreideproduktion und einer wachsenden Nachfrage auf den internationalen Märkten haben auch die ukrainischen Getreideexporte zugenommen. Ukrainisches Getreide wird in über 80 Länder exportiert. Im Nahen Osten und in Nordafrika ist die Ukraine mittlerweile ein wichtiger Getreidelieferant. Die größten Anteile an Anbaufläche und Produktionsmenge fallen unter den Getreidekulturen auf Weizen und Mais; Weizen- und Maisproduktion sind in der Ukraine auf Expansionskurs.

Hinsichtlich seiner Rentabilität kann man Weizen als eine der stabilsten Kulturen der ukrainischen Landwirtschaft bezeichnen. Fast jede 16. exportierte Tonne Weizen weltweit ist ukrainischer Herkunft. Die Weizenernte besteht durchschnittlich zu 96 % aus Winterweizen. Für die Ernte 2014/15 wurden in der Ukraine 6343,7 Tsd. Hektar mit dieser Kultur bestellt, was einem Rückgang von 88,2 Tsd. Hektar (oder 1,4 %) gegenüber dem Wirtschaftsjahr 2013/14 entspricht. Auch die Abhängigkeit von der Wetterlage spielt eine große Rolle. Bei einer ausreichenden Versorgung der Landwirte mit Produktionsmitteln wird für 2014/15 mit einer Weizenernte in Höhe von 18,7 Mio. Tonnen gerechnet. Die Rentabilität hängt jedoch von einer Reihe von Faktoren ab: von der politischen und ökonomischen Situation im Land und der Konjunktur der Märkte in der Ukraine und weltweit.

Auch Mais ist unter den ukrainischen Produzenten dank der relativen Einfachheit seines Anbaus, seiner Rentabilität und der günstigen klimatischen Bedingungen in der Ukraine sehr beliebt. Jede sechste Tonne Mais, die auf dem internationalen Markt verkauft wird, wurde in der Ukraine angebaut. 22,5 % des Exporterlöses aus landwirtschaftlichen Gütern wurden in 2013 durch Maisexporte erzielt. Die Rentabilität der Maisproduktion betrug in 2012 19,8 %. In den letzten Jahren ist eine deutliche Tendenz zur Erhöhung der Mais-Saatflächen und eine Intensivierung der Maisproduktion zu beobachten. Im Wirtschaftsjahr 2013/14 sind für diese Kultur 4,9 Mio. Hektar vorgesehen, was einem Anstieg von 6,4 % (oder 294,3 Tsd. Hektar) gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Im aktuellen Jahr 2014/15 (Stand: 05.02.2015) wurden aus der Ukraine bereits 21 Mio. Tonnen Getreide ausgeführt, davon ca. 9 Mio. Tonnen Weizen und 9 Mio. Tonnen Mais. Die Exportprognose des US-Landwirtschaftsministeriums für Weizen beträgt 11 Mio. Tonnen für das gesamte ukrainische Wirtschaftsjahr 2014/15. Die Vergrößerungsmöglichkeiten der ukrainischen Getreideproduktion werden bislang nicht vollständig realisiert. Das ukrainische Landwirtschaftsministerium plant, die heimische Getreideproduktion bis zum Jahr 2017 auf 80 Mio. Tonnen zu erhöhen. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Pläne hängt jedoch stark von Investitionen in die Landwirtschaft und der Nutzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse ab, die heutzutage praktisch überhaupt nicht stattfindet. Die Nutzungsperspektiven des ukrainischen Exportpotentials hängen mit der Wettbewerbsfähigkeit der ukrainischen Produktion zusammen. Die Realisierung dieser ehrgeizigen Pläne erfordert jedoch nicht nur eine günstige Preiskonjunktur und günstige Wetterbedingungen, sondern auch neue Technologien, eine Erweiterung der eingesetzten Saaten und Ernteversicherungen für die Landwirte.

Beispiel Milchwirtschaft

Milch ist eines der wichtigsten Tierhaltungsprodukte in der Ukraine, ihr Anteil an der Bruttoproduktion der Landwirtschaft beträgt ca. 11 %. Zurzeit werden in der Ukraine jährlich rund 11,5 Mio. Tonnen Milch produziert, jedoch setzt sich die negative Tendenz zur Reduzierung der Kuhbestände im Land fort. Am 1. März 2014 beliefen sich die Kuhbestände in der Ukraine nur noch auf 2,5 Mio. Tiere, was einem Rückgang von 1,7 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Produktionszuwachs kann mit einer steigenden durchschnittlichen Milchleistung je Kuh erklärt werden. Im Jahr 1990 lag der Kuhbestand in der Ukraine noch bei über 8 Mio. Tieren und die Milchproduktion betrug 25 Mio. Tonnen. Die Rentabilität der ukrainischen Milchproduktion betrug in 2012 2,3 %, was im Vergleich zum Vorjahresniveau ein starker Rückgang ist (18,5 % in 2011). Dieser Rentabilitätsrückgang hat mit steigenden Futter- und fallenden Milchankaufspreisen zu tun. Die größte Gruppe der ukrainischen Milchproduzenten bilden die Haushalte der Landbevölkerung, die erstaunlicherweise 77 % der Milch produzieren; einen Teil davon für den Eigenbedarf und einen Teil für den Verkauf auf regionalen Märkten. Zur Weiterverarbeitung liefern die Haushalte der Landbevölkerung heute ca. 50 % der von ihnen produzierten Milch an. Im Allgemeinen verarbeiten die kleinen Produzenten ihre Produkte nicht weiter, teilweise verkaufen sie sie auf Straßenmärkten.

In 2013 exportierte die Ukraine 0,75 Mio. Tonnen Milchprodukte, in 2012 betrug dieser Indikator 0,82 Mio. Tonnen. Die Importe von Milchprodukten sind im Jahr 2013 auf 0,54 Mio. Tonnen oder um 32 % gestiegen. Hauptgrund für die abnehmenden Exportlieferungen waren zahlreiche Verbote der Einfuhr ukrainischer Milchprodukte seitens der Russischen Föderation. Laut russischen Kontrolleuren war die Qualität der ukrainischen Milchprodukte fragwürdig. Ein Verdacht auf nicht ordnungsgemäße Herstellungstechnologien entstand durch die ungleichen Wachstumsgeschwindigkeiten bei der Milchanlieferung und der Menge der produzierten Milchprodukte. Nach einer Prüfung der ukrainischen Betriebe durch russische Spezialisten wurde die Liefersperre auf dem russischen Markt teilweise aufgehoben. Ein neues Einfuhrverbot ließ jedoch nicht lange auf sich warten und erfolgte im Juli 2014. Ca. 90 % der Käseexporte, 70 % der Butter und 40 % des Milchpulvers aus der Ukraine sind für den russischen Markt bestimmt, das Exportembargo der russischen Behörden war also ein harter Schlag für die ukrainischen Milchverarbeitungsunternehmen.

Als positive Tendenz gilt jedoch die Verbesserung der Milchqualität. Die landwirtschaftlichen Unternehmen liefern immer mehr Milch der höchsten Gütesorte an die Verarbeitungsunternehmen. In 2015 werden die landwirtschaftlichen Unternehmen ungestüm an einer erhöhten Milchleistung je Kuh arbeiten. Die Futter- und Milchankaufspreise, die sich jetzt entwickelt haben, sind gute Motivationsfaktoren. In den kommenden zehn Jahren hat die Ukraine die besten Chancen, ein globaler Produzent von Milchprodukten zu werden, wie folgende Argumente bestätigen: Milchwirtschaft hat in der Ukraine eine lange Tradition. Die geographische Lage der Ukraine ist ideal für eine optimale Befriedigung der wachsenden weltweiten Milchnachfrage. Außer Nord- und Südamerika sind für die Ukraine sämtliche Länder erreichbar, in denen der Milchkonsum von 2010 bis 2020 über 125 Mio. Tonnen zunehmen oder zehnmal mehr als die aktuelle Produktion der Ukraine betragen wird. Auch der Binnenmarkt der Ukraine darf nicht vergessen werden, der über den aktuellen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 92 Kilo hinaus wachsen kann. In Russland beträgt diese Kennzahl 162, in der EU 248 Kilo.

Entwicklungsperspektiven der ukrainischen Agrarwirtschaft und Fazit

Wie erwartet hat die Verschärfung der politischen Situation zu einer Destabilisierung der ukrainischen Wirtschaft geführt, was heftige Wechselkursschwankungen und eine Abwertung der Hrywnja zur Folge hatte. Die heutige ökonomische Situation ist sehr kompliziert und erschwert jegliche langfristigen Entwicklungsprognosen sehr. Wechselkursschwankungen sind in Momenten politischer Instabilität unvermeidbar. Heftige Schwankungen, die zeitgleich mit der Saatperiode stattfinden, wirken sich tatsächlich auf die hohen Kreditzinsen aus und haben für die landwirtschaftlichen Produzenten steigende Produktionskosten zur Folge. Außerdem werden erhöhte Kreditsätze den Zugriff landwirtschaftlicher Unternehmen auf finanzielle Mittel weiter einschränken. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Produzenten wegen des Mangels an Zahlungsmitteln und der Kostspieligkeit der herangezogenen Mittel das Produktionstempo reduzieren, um auf bessere Zeiten zu warten und keine Verluste zu riskieren.

Die ukrainischen Agrarhandelsunternehmen orientieren sich momentan um. Exporte in EU-Länder steigen, während Exporte nach Russland zurückgehen. Die Bedeutung der Getreideexporte für die Stabilisierung des Binnenmarktes ist kaum zu überschätzen. Sie sind der vorteilhafteste Weg, um unvermeidliche Produktionsüberschüsse zu entsorgen. Die Binnennachfrage nach Getreide in der Ukraine wird die Exportfähigkeit des Landes in den kommenden Jahren nicht bedeutend einschränken, da die Verbraucherpräferenzen sich weg von Zerealien und hin zu mehr Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse bewegen. Man kann also davon ausgehen, dass dank des zollfreien Handels mit der EU der Export von Agrarprodukten – insbesondere von Getreide – in die EU weiter steigen wird.

Die ukrainischen Milchunternehmen ziehen die Erschließung neuer Märkte zwar in Betracht, kurzfristig gesehen bleibt dies jedoch ein utopisches Ziel. Wegen der großen Produktionsmengen in Landbevölkerungshaushalten ist die Gewährleistung einer gleichbleibenden Qualität und die Einhaltung tierärztlicher Normen gegenüber potentiellen Abnehmerländern problematisch. Die Milchabholung von Haushaltswirtschaften ist in der Regel mit höherem Transport- und Zeitaufwand verbunden. Zusätzlich verstärken saisonal bedingte Mengenschwankungen Unsicherheiten auf dem Markt. Deshalb kann man Milch in der Ukraine als knappen Rohstoff bezeichnen. Aus diesem Grund wird eine kurzfristige Zunahme der Exporte auch kaum erwartet. Langfristig kann sich die Situation jedoch verändern. Momentan gehören Umorientierung und Diversifizierung der Exportmärkte zu den wichtigsten Aufgaben des ukrainischen Milchsektors. Da der Importstopp für Milchprodukte nach Russland bestehen bleibt und sich die Suche nach neuen Exportmärkten für Käse schwierig gestaltet, werden die ukrainischen Hersteller temporär auf die Produktion von Milchpulver und Butter umstellen müssen. Diese Produkte können höchstwahrscheinlich in die anderen GUS-Länder, nach Nordafrika, Mittelosteuropa und in die EU exportiert werden.

Die ukrainischen Agrarmarktteilnehmer werden in Zukunft in der Lage sein, nicht nur ihr riesiges Produktions- sondern auch ihr ökonomisches Potential zu verwirklichen und weiteres Wachstum sowie eine Integration in das internationale Wirtschaftssystem zu gewährleisten. Dank ihres Ressourcenreichtums spielt die Ukraine eine wichtige Rolle bei den weltweiten Lieferungen landwirtschaftlicher Produkte und Lebensmittel und sie hat gute Entwicklungsperspektiven. So ist es gut möglich, dass die Ukraine zu einem der Top-Agrarexporteure weltweit wird.

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