Schleppende Korruptionsbekämpfung in der Ukraine

Von Andrei Marusov (Kiew)

Zusammenfassung
Ein Jahr nach dem Euromaidan 2014 können die ukrainischen Behörden kaum auf viele erfolgreiche Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung stolz sein. Die Einführung von neuen Institutionen und Richtlinien, welche die Offenheit und Transparenz der Regierung und den Dialog mit der Zivilgesellschaft verbesserten, sind die einzigen vergleichsweise positiven Resultate. Es ist beinahe unmöglich und sehr umstritten, Fortschritte zu erreichen in so wichtigen Bereichen wie der Bekämpfung von tiefverwurzelter Korruption, der Rückgewinnung des Vermögens von Janukowitsch und seiner Verbündeten und der Durchführung von echten Ermittlungen in Korruptionsfällen.

Gesetzespaket zur Korruptionsbekämpfung

Die Ukraine übernahm nach dem Euromaidan höchst ineffektive Regelungen und Organe der Korruptionsbekämpfung. Die Bereitschaft und Kapazität von Strafverfolgungsbehörden (Innenministerium, Staatssicherheitsdienst und Staatsanwaltschaft) korruptes Verhalten zu identifizieren, zu verhindern, zu untersuchen und zu bestrafen war ebenfalls in Verruf geraten. Aus diesem Grund wurde die Entwicklung neuer Regelungen und Organe der Korruptionsbekämpfung als höchste Priorität eingestuft.

Der tatsächliche Durchbruch wurde am 14. Oktober 2014 erreicht, als das ukrainische Parlament das sogenannte »Antikorruptionsgesetzespaket« verabschiedete. Das erste Mal in der Geschichte der unabhängigen Ukraine erhielt die Strategie zur Bekämpfung der Korruption für 2015 bis 2017 den Status eines Gesetzes. Die Antikorruptionsstrategie definiert unter anderem die vorrangigen Bereiche der Korruptionsbekämpfung, die verantwortlichen Behörden und die Überwachungs- und Bewertungsindikatoren.

Zwei komplett neue Institutionen der Korruptionsbekämpfung sollten gegründet werden. Das Nationale Antikorruptionsbüro wird die so genannte »Eliten-Korruption« – also Korruptionsdelikte von Beamten, Parlamentsabgeordneten, Bürgermeistern, Polizisten, Richtern und Staatsanwälten– untersuchen, und sich auch mit großen Korruptionsfällen mit Bezug zu allen gewählten Staatsvertretern beschäftigen.

Die Nationale Agentur für Korruptionsprävention wird unter anderem die Antikorruptionspolitik der Ukraine entwickeln und koordinieren, Interessenkonflikte identifizieren und kontrollieren, den Lebensstil aller Beamten überwachen und eine frei zugängliche Online-Datenbank der Vermögensdeklarationen führen.

Zusätzlich wurde mit dem Gesetzespaket die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die sogenannte »illegale Bereicherung« eingeführt. Wenn ein Beamter nicht in der Lage ist, die Diskrepanz zwischen seiner Vermögensdeklaration und seinem tatsächlichen Lebensstil zu erklären, wird das strafrechtliche Ermittlungen und/oder eine Beschlagnahmung seines Vermögens zur Folge haben.

Personen, die in den letzten Jahren für Antikorruptionsermittlungen zuständig waren, ist es untersagt, sich für eine entsprechende Position innerhalb des Nationalen Antikorruptionsbüros zu bewerben. Führungskräfte des Nationalen Antikorruptionsbüros, deren höhergestellte Mitarbeiter und die Nationale Agentur für Korruptionsprävention werden mit Beteiligung durch die Zivilgesellschaft ausgesucht. Artem Sytnyk wurde kürzlich durch den ukrainischen Präsidenten zum Direktor des Nationalen Antikorruptionsbüros ernannt, nachdem eine unabhängige Kommission aus über 150 Kandidaten eine Vorauswahl von drei Kandidaten getroffen hatte. Obwohl die Kommissionsmitglieder durch den Präsidenten, das Kabinetts und das Parlament ernannt wurden, war keiner von ihnen ein Regierungsbeamter. Alle Treffen der Kommission wurden online übertragen. [Einen ausführlichen Bericht zum Auswahlverfahren bietet der Beitrag von Jewgenij Zacharow in der vorliegenden Ausgabe.] Repräsentanten der Zivilbevölkerung werden auch an dem Einstellungsprozess der Führungskräfte des Nationalen Antikorruptionsbüros mitwirken.

Fünf Mitglieder der Nationalen Agentur für Korruptionsprävention werden durch eine Kommission ausgesucht. Dabei wird die Hälfte der Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen kommen. Die Aktivitäten des Nationalen Antikorruptionsbüros und die der Nationalen Agentur für Korruptionsprävention werden durch spezielle zivile Räte überwacht werden, deren Vollmachten in der Gesetzgebung festgeschrieben sind.

Verzögerungen

Obwohl ukrainische Behörden erfahren darin sind, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Entscheidungsfindung vorzutäuschen, repräsentierten die oben erwähnten Regelungen einzigartige Neuerungen. Die Schaffung der neuen Institutionen der Korruptionsbekämpfung wird jedoch durch verzögerte Entscheidungen des Präsidenten und der Regierung verlangsamt. Bis jetzt wurden lediglich der Direktor des Nationalen Antikorruptionsbüros und sein Stellvertreter ernannt. Die Auswahl für die Mitglieder der Nationalen Agentur für Korruptionsprävention hat erst vor kurzem begonnen.

Noch alarmierender ist jedoch, dass die Verabschiedung neuer Rechtsvorschriften für die Polizei und Staatsanwaltschaft durch das Parlament verzögert wurde. Das Nationale Antikorruptionsbüro und die Nationale Agentur für Korruptionsprävention werden nicht handlungsfähig sein, wenn sie nicht durch eine Reform des kompletten Strafverfolgungssystems unterstützt werden.

Des Weiteren ist die Regierung unverantwortlich spät bei der Reform des öffentlichen Dienstes. Eine solche Reform sollte einen wirklich professionellen öffentlichen Dienst mit minimalen Anreizen für korruptes Verhalten schaffen. Der Gesetzesentwurf wurde erst kürzlich eingereicht.

Außerdem existiert in der Zivilbevölkerung eine wachsende Unzufriedenheit über das Unvermögen der Regierung, Beamte zu entlassen, die während der Amtszeit von Janukowitsch ranghohe Positionen innehatten und mit dem KGB kooperierten. Der Prozess der »Lustration« wurde eingeleitet durch die entsprechende Rechtsvorschrift und wurde als eine wichtige Maßnahme zum Abbau alter Korruptionsstrukturen wahrgenommen.

Die Aussagen des ukrainischen Oligarchen Dmitri Firtash vor dem obersten Gerichtshof in Österreich bestätigten, dass ukrainische Parteien im hohen Maße von der finanziellen Unterstützung durch Oligarchen abhängig sind. Das Ergebnis: Politische Korruption ist bereits in der Arbeitsweise des politischen Systems verankert. Die zivile Expertengemeinschaft reagierte mit dem Antrag, die Parteienfinanzierung radikal zu reformieren. Allerdings stieß der entsprechende Gesetzesentwurf bei der Regierungsmehrheit im Parlament auf Widerstand.

»Öffnung« der Regierung

Ein signifikanter Fortschritt wurde hingegen durch die »Öffnung der Regierung«, die Veröffentlichung der Haushaltsausgaben und verschiedener staatlicher Datenbanken erreicht.

Das neue Vergabegesetz wurde im April 2014 beschlossen. Es erlaubt, jeden öffentlichen Auftrag vom Planungsstadium bis hin zur tatsächlichen Fertigstellung des Beschaffungsvertrages freizugänglich auf dem staatlichen Beschaffungswesen-Internetportal zu überwachen. Die staatlichen und kommunalen Unternehmen sind verpflichtet, wichtige Informationen über ihre Beschaffungen zu veröffentlichen. Zivile Aktivisten und Journalisten garantieren zusätzlich, die Arbeit der zuständigen Kommission für Beschaffungswesen zu beaufsichtigen. Eine Anzahl von Antikorruptionsmaßnahmen wurde außerdem hinzugefügt (zum Beispiel eine »schwarze Liste« mit Bietern, die in Preisabsprachen verwickelt waren und das Verbot für Verwandte von Mitgliedern des Beschaffungsausschusses an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen).

Das Gesetz über die transparente Verwendung öffentlicher Mittel wurde im Februar 2015 verabschiedet und war ein Schritt in Richtung eines umfangreicheren Zugriffes auf Informationen über die Haushaltsausgaben der Regierung. Die Regierung muss in naher Zukunft einzelne Online-Portale für die Verwendung der öffentlichen Finanzen einschließlich der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Haushaltsströme einrichten. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel wird dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorlegen, welcher ein elektronisches System für Beschaffungswesen, elektronische Auktionen, vereinfachte Abläufe und einen leichteren Zugriff auf Daten des Beschaffungswesens vorsieht.

Das Pilotprojekt, die elektronische Plattform »proZorro«, entwickelt von einem zivilen IT-Aktivisten mit Transparency International Ukraine als formalem Eigentümer, wird gegenwärtig für staatliche Anschaffungen unterhalb eines Schwellenwertes gefördert.

Das Gesetz über die freie Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Daten, welches im April 2015 verabschiedet wurde, verpflichtet alle staatlichen Organe und Institutionen ihre Daten, auf dem staatlichen Webportal freizugänglich zu veröffentlichen.

Das »Antikorruptionsgesetzespaket« erweiterte auch den Zugang zu Informationen über juristische Personen und Liegenschaften. Alle juristischen Personen müssen ihre Endbegünstigten offenlegen (diese Maßnahmen richten sich in erster Linie an Offshore-Besitzer). Der Zugriff auf das Eigentumsregister ist gegen eine geringe Gebühr für alle möglich. Ein Gesetzesentwurf, welcher den Zugang zu Informationen über Landeigentum sicherstellen soll, wird gegenwärtig im Parlament debattiert.

Die geplanten Reformen stießen schnell auf eine Vielzahl von Hindernissen. Die Mehrheit der Geschäftsführer staatlicher und kommunaler Unternehmen versäumte es, ihre Beschaffungsdaten offenzulegen, da das Kabinett nicht genügend Druck auf sie ausübte. Auch die Qualität der Daten im Eigentumsregister erwies sich als sehr schlecht. Das Justizministerium, welches das Unternehmensregister betreibt, scheiterte daran, dass Gesetz über den Endbegünstigten richtig zu implementieren. Die Regierung ist unvertretbar langsam bei der Umsetzung der Verpflichtungen der »Open Government Partnership«, d. h. der Öffnung von Regierungsdaten für die Bevölkerung.

Schließlich wird für die Bereitstellung des Zugriffs auf alle staatlichen Datenbanken eine gut funktionierende elektronische Verwaltung benötigt. Die Relevanz dieser Aufgabe wird von zentralen Entscheidungsträgern jedoch vernachlässigt.

Versuch eines Dialoges

Eine erfolgversprechende Maßnahme, um Korruption zu verhindern und Korruptionspraktiken zu entwurzeln, ist die Einführung eines Dialogs zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft inklusive Anti-Korruptions-Aktivisten. Die ukrainische Zivilgesellschaft vereinte sich schnell unter der Dachorganisation »Reanimation des Reformpaketes«, in der die Antikorruptionsgruppe besonders aktiv ist. Die Reaktion der Regierung war ambivalent.

Der Präsident schuf den Nationalen Reformrat als eine beratende Plattform. Die Gründung des Nationalen Rates für Antikorruptionspolitik durch den Präsidenten wurde allerdings erst kürzlich eingeleitet. Die Regierung richtete unter Beteiligung von Experten der Dachorganisation »Reanimation des Reformpaketes« ebenfalls ein Beratungsgremium für Reformangelegenheiten ein. Das Antikorruptionsprogramm der Regierung, welches die Antikorruptionsstrategie für 2015 bis 2017 umsetzen soll, wurde aber erst ein halbes Jahr nach Annahme des entsprechenden Gesetzes durch das Parlament genehmigt und veröffentlicht.

Der beste Dialog über Korruptionsbekämpfung wird vom parlamentarischen Antikorruptionsauschuss unter Leitung des ehemaligen Enthüllungsjournalisten Egor Sobolev geführt.

Es gibt einige Erfolgsgeschichten über die Zusammearbeit zwischen Nichtregierungsorganisationen und Ministerien oder Gemeinden bei der Korruptionsbekämpfung. Zum Beispiel wurden Antikorruptionsaktivisten (wie auch der Autor dieses Artikels) von Pavlo Sheremeta, dem ehemaligen Minister für Wirtschaftsentwicklung und Handel, eingeladen, an der Ausarbeitung des Vergabegesetzes teilzunehmen. Die Experten der Dachorganisation »Reanimation des Reformpakets« kooperierten ebenfalls erfolgreich mit dem Justizministerium bei der Entwicklung des »Gesetzespaketes zur Korruptiosbekämpfung«.

Auf Einladung des Verteidigungsministers Stepan Poltorak wurde eine Gruppe von Freiwilligen für den Beschaffungsausschuss des Ministeriums ausgesucht. Sie erhielten grünes Licht, das Beschaffungssystem des Ministeriums zu reformieren. Kürzlich entschied der Minister, einen erheblichen Teil der Beschaffungen über die Plattform »proZorro« abzuwickeln.

Die Nachhaltigkeit dieser und anderer Initiativen steht jedoch nach wie vor zur Debatte. So befürchten viele Aktivisten, dass die Behörden erneut die Beteiligung nicht-staatlicher Organisationen nur scheinbar ernst nehmen, wie sie es in den vorherigen Jahren getan haben.

Deklarative Reformen

Der Bedarf an drastischen Reformen in allen Schlüsselbereichen wurde immer wieder durch den Präsidenten, die Regierung und die Regierungskoalition im Parlament bestätigt. Aus der Perspektive der Korruptionsbekämpfung müssen die Reformen für Korruption anfällige Regelungen in den wichtigsten Bereichen durch ein Regelwerk ersetzen, welches für Beamte und andere Zielgruppen klare Anreize zur Vermeidung von Korruption schafft. Leider ist dies derzeit nicht der Fall.

Es gab nur einige wenige erste Schritte die gemacht wurden, um die Reformen im Energiesektor voranzubringen, welcher seit Jahren von Korruption besonders betroffen ist. Die allgemeine Deregulierung der Wirtschaft und der Abbau von Bürokratie wurden zwar vom neuen Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Handel, Aivaras Abromavichus, verkündet, tatsächliche Maßnahmen müssen allerdings erst noch durchgeführt werden.

Die Regierung kündigte letztes Jahr die Reform im Bereich Steuerpolitik und Steuerverwaltung an. Diese wurden jedoch durch einflussreiche Wirtschaftsakteure kritisiert. Die Leitungen der Finanzverwaltung und der Steuerbehörde wurden kürzlich nach Korruptionsvorwürfen entlassen. Es gibt Berichte, dass Angehörige der neuen herrschenden Eliten das Netzwerk zur Steuervermeidung unterstützen.

Trotz reformfreundlicher Aussagen des neuen Gesundheitsministers, gibt es noch kein klares Verständnis davon, was eine Reform in diesem Bereich bedeuten würde. Es scheint, dass das Ministerium bei der Organisation des Erwerbs notwendiger Medikamente auch dieses Jahr scheitern wird. Die Implementierung des Gesetzes, welches die Verantwortung für die Beschaffung von Aids-, Tuberkulose- und weiteren Medikamenten an internationale Organisationen übergibt, wird stillschweigend sabotiert. Patientenorganisationen vermuten, dass die Sabotage durch die Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Führungsebenen des Ministeriums verursacht wird, sich von alten Korruptionspraktiken zu lösen.

Die Reform der Sozialleistungen wurde ebenfalls verkündet. Die tatsächlichen Maßnahmen erinnern allerdings an die vor Jahren durchgeführten populistischen Maßnahmen der ukrainischen Regierung unter Julia Timoschenko.

Die Dezentralisierung und Aufwertung der kommunalen Selbstverwaltung bleibt eine bloße Floskel.

Wenn es keine geeigneten Reformen gibt, werden die neuen Regelungen und Organe zur Korruptionsbekämpfung nicht in der Lage sein, einen Durchbruch im Kampf gegen Korruption zu erreichen.

Scheinermittlungen

Obwohl die, von der ukrainischen Regierung unter Janukowitsch aufgebaute »vertikale Korruption« und mehrere Systeme von Korruption im größeren Umfang zerstört wurden, werden ernsthafte Ermittlungen gegen Korruption derzeit sabotiert oder nur vorgetäuscht.

Generalstaatsanwälte aus der Zeit nach dem Euromaidan scheiterten daran, Korruptionsermittlungen gegen Mitglieder der Regierung unter Janukowitsch einzuleiten. Praktisch alle Korruptionsermittlungen gegen Janukowitsch und seine Verbündeten — die zum Einfrieren von Vermögen und der Beschlagnahmung von Eigentum führten — wurden allein von EU-Behörden durchgeführt. Zu diesem Ergebnis kam der kürzlich veröffentlichte Bericht »Ein Jahr nach dem Fall der Regierung unter Janukowitsch: Eine rechtliche Analyse der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit« erarbeitet von Transparency International Russland mit Unterstützung von Transparency International Ukraine.

Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass die EU-Länder ihre Sperrung des Vermögens von Janukowitsch und seinen Verbündeten aufheben werden, wenn die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft keine notwendigen Beweise für zugrundeliegende Korruptionsdelikte liefert.

Die ukrainische Regierung plante, über 1,5 Mrd. Griwna (zum derzeitigen Wechselkurs gut 30 Mio. Euro) durch den Verkauf von im Zuge von Korruptionsermittlungen beschlagnahmten Vermögen, einzunehmen. Gemäß der Daten der ukrainischen Aktionszentrale für Antikorruption, welche die Rückführung des Vermögens von Janukowitsch überwacht, erhielt der Staatshaushalt seit Beginn 2015 jedoch nur 5.000 Griwna (gut 200 Euro).

Kürzlich wurden der Katastrophenschutzminister und sein Stellvertreter während einer Regierungssitzung wegen Korruptionsverdacht festgenommen. Die Festnahme wurde von allen führenden Fernsehsendern übertragen und von Ministerpräsident Jazenjuk als Beweis dafür genommen, dass die Regierung gewillt ist, bei der Korruptionsbekämpfung auch gegen hochrangige Politiker vorzugehen.

Der Außenminister, der im letzten Sommer von investigativen Journalisten eines korrupten Verhaltens beschuldigt wurde, trat allerdings erst unter großem Druck durch die Medien und der Zivilbevölkerung zurück. Bis jetzt wurde keine Ermittlung eingeleitet. Der ehemalige Generalstaatsanwalt Vitalij Yarema verteidigte seinen Stellvertreter als Journalisten aufdeckten, dass dessen Sohn große Grundstücke erworben hatte. Der Ursprung seines Vermögens war unklar. Erst nach öffentlichem Protest wurde er durch das Parlament entlassen.

Ein glimmendes Pulverfass

Es gibt eine stetig wachsende öffentliche Enttäuschung über das Fehlen von tatsächlichen Reformen und Ermittlungen bei der Korruptionsbekämpfung. Gemäß einer Ende 2014 durchgeführten landesweiten Umfrage des Internationalen Instituts für Soziologie in Kiew gehörten die strafrechtliche Verfolgung von Janukowitsch und seinen Verbündeten sowie die drastische Reduzierung der Korruption zu den drei größten Erwartungen der Ukrainer nach dem Euromaidan. Die dritte Erwartung betraf die Erhöhung von Gehältern und Renten.

Ein Jahr nach dem Euromaidan gaben in einer Umfrage nur wenige Ukrainer (5 %) an, dass die Korruption zurückgegangen sei, während die überwältigende Mehrheit glaubt, dass das Ausmaß der Korruption gleich geblieben ist (47 %) oder sogar zugenommen hat (32 %). Eine ähnliche Ernüchterung zeigt sich bei ukrainischen Unternehmen. Nach einer Umfrage vom März 2015 (durchgeführt von Transparency International Ukraine, der Privat Bank, PwC Ukraine und dem Meinungsforschungsunternehmen GfK) sind zwei Drittel der befragten 2.700 Spitzenmanager privater Unternehmen der Meinung, dass sich das Korruptionsniveau im Zeitraum von vor dem Euromaidan bis heute nicht verändert hat. Ein Drittel der Befragten gab an, dass sich die Situation verschlechtert hat, während nur 15 % von einer Verbesserung ausgingen. Als die korrupteste staatliche Behörde nannten die Manager die Finanzverwaltung.

Andererseits entzündete der Euromaidan einen beispiellosen bürgerlichen Aktivismus. Hunderttausende unterstützen auf unterschiedliche Art und Weise die ukrainischen Streitkräfte. Zum ersten Mal in ihrem Leben engagieren sich die Menschen in Aktivitäten gegen Korruption, entwickeln Projekte für soziale Zwecke, treten Nichtregierungsorganisationen oder Parteien bei. Die Konkurrenz für die Position im Nationalen Antikorruptionsbüro ist mit 60 bis 80 Bewerbungen auf eine freie Stelle bemerkenswert hoch. Dieser Aktivismus ist die wesentliche Antriebskraft für die Bekämpfung der Korruption.

Immer mehr Ukrainer glauben, dass die Mehrheit der regierenden politischen Elite der Ukraine nicht gewillt ist, alte Korruptionspraktiken aufzugeben. Die Idee einer »Dritten Maidanrevolution« (die Orange Revolution wird als erste Revolution gezählt) wird von Politikern, Journalisten und nicht-staatlichen Organisationen intensiv debattiert. Obwohl eine »Dritte Maidanrevolution« vielleicht den Weg für echte Korruptionsbekämpfung ebnen würde, könnte eine weitere Revolution die Ukraine auch in Anarchie und Chaos stürzen.

Übersetzung aus dem Englischen: Katharina Fischer

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