Die Krim-Blockade
Am 20. September 2015 haben die Krimtataren zusammen mit anderen Aktivisten die Durchfahrt in die Krim an allen Kontrollpunkten in der Region Cherson blockiert. Die seitdem geltende Blockade betrifft nur Lastkraftwagen, die Waren – hauptsächlich Lebensmittel – transportieren. Bürger und Personenkraftwagen können die Grenze zur Halbinsel auch weiterhin ungehindert überqueren. Eine Woche später haben Aktivisten auch eine Bahnlinie blockiert, die zu zwei Fabrikanlagen des Oligarchen Dmytro Firtasch führt. Anfang Oktober kam zur Lebensmittelblockade die Sabotage von Stromlieferungen hinzu. So haben Unbekannte am 6. Oktober eine von insgesamt vier in die Krim verlegten Stromleitungen beschädigt. Die Aktion hatte für die Stromversorgung der Krim aber kaum Folgen, denn eine andere Stromleitung wurde sofort außerplanmäßig in Betrieb genommen. Schon am 13. Oktober hatte der ukrainische Stromexporteur Ukrinterenergo die beschädigte Stromleitung repariert.
Die jetzige Krim-Blockade ist nicht die erste. Am 4. Juni 2015 hat die ukrainische Regierung eine Ein- und Ausreiseregelung für das vorübergehend besetzte Gebiet der Autonomen Republik Krim genehmigt. Nach der neuen Verordnung ist die Durchfahrt nur an bestimmten Kontrollpunkten möglich, die rund um die Uhr arbeiten. Mit den neuen Kontrollen wurden nicht nur neue Möglichkeiten zur Korruption geschaffen, sondern auch eine schnelle Absperrung der Verkehrswege ermöglicht. Ein erster »Test« fand Ende Juni 2015 statt, als der LKW-Verkehr an zwei von insgesamt drei Punkten für zwei Tage gestoppt wurde. Damals erklärte die ukrainische Seite den Zwischenfall mit einer Operation der Sicherheitskräfte gegen Schmuggel.
Die Initiatoren der Herbst-Blockade sind nicht nur die Krimtataren. Eine Reihe von anderen Organisationen wie etwa der Rechte Sektor, der Automaidan und der Maidan Selbstverteidigung, aber auch Vertreter der Bataillone Aidar und Donbas helfen bei der Durchführung der Aktion (s. OSZE-Dokumentation auf S. 16). Die große Anzahl von Teilnehmern ist durch eine Interessenskoinzidenz verschiedener Akteursgruppen zu erklären, deren gemeinsamer Nenner die Rückkehr der Krim zur Ukraine ist. So ist eine der Hauptforderungen die Abschaffung der freien Wirtschaftszone Krim, durch die nach Meinung der Aktivisten das »Besatzungsregime« auf der Krim finanziert und Superprofite erwirtschaftet werden. Der Vorsitzende des Medschlis des krimtatarischen Volkes Refat Tschubarow hat zum Beispiel zur Schaffung von Einzelhandelsmärkten an der ukrainischen Grenze für Krim-Bewohner aufgerufen. Dadurch würden die Oligarchen zu Transparenz gezwungen, während die erwirtschafteten Gewinne in der Ukraine verbleiben würden.
Die Ziele der Krimtataren gehen aber weit über die Korruptionsvorwürfe hinaus. Noch am 8. September haben sie eine Anzahl von Forderungen an die Russische Föderation gestellt. Ihnen zufolge sollen die russischen Behörden die Verfolgung der Krimtataren und anderer Bürger der Ukraine auf der Krim stoppen, die ukrainischen politischen Gefangenen freilassen, die Hindernisse für die Arbeit krimtatarischer und ukrainischer Medien auf der Krim beseitigen und das Einreiseverbot für die Anführer der Krimtataren Mustafa Dschemiljew und Refat Tschubarow aufheben. Die Blockade wurde somit mit der Menschenrechtsfrage auf der Halbinsel verknüpft (siehe Dokumentation auf S. 14). Diese Motivation wird an einer Aussage Tschubarows in einem Interview deutlich – »sie [die Russen – KB] misshandeln uns und wir beliefern sie mit Waren«, das sei abnorm.
Die Anführer der Krimtataren sind sich ihrer Grenzen bewusst. Sie streben keine »Befreiung« der Krim durch Militäraktionen an, stattdessen wollen sie Druck auf den Kreml ausüben. Mit der Krim-Blockade hoffen sie, Russland zu Gegenmaßnahmen zu bewegen, was ein Schlag für Russlands Staatsbudget wäre. Schließlich rechnen die Anführer der Krimtataren damit, dass auf der Krim die Unzufriedenheit mit der neuen Regierung wächst. Dass das Unbehagen in offene Proteste umschlägt, glauben sie aber nicht. Die Angst vor Repressionen sei hoch, wenn die Zeit reif für eine Rückkehr der Krim sei, würde jedoch keiner ein Verbleiben der Krim in der Russischen Föderation verteidigen wollen, so die Logik.
Offiziell wurde die Krim-Blockade von den ukrainischen Behörden nicht unterstützt. Allerdings wäre eine solche Aktion ohne deren stillschweigende Einwilligung nicht möglich. Außerdem hat die Cherson-Miliz die Blockade nicht verhindert und später sogar bei Fahrzeugüberprüfungen geholfen (s. OSZE-Dokumentation auf S. 16). Für die Regierung in Kiew ist die Aktion in vielerlei Hinsicht vorteilhaft. Zum einen nutzt Präsident Petro Poroschenko die Frage der Krimtataren, um seine außenpolitische Ziele zu befördern. Am 29. September sprach er bei der 70. UN-Generalversammlung über die Menschenrechtslage auf der Krim. Die Proteste der Krimtataren sind also ein zusätzliches Argument gegenüber Russland, das den Vorwurf der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung auf der Halbinsel für unbegründet hält. Zum anderen kann die Krim-Blockade als Instrument zur Gestaltung der Beziehungen zwischen der Regierung und den Teilen der Wirtschaft dienen, die Interesse am Handel mit der Krim haben.
Die Aufnahme der Freilassung von politischen Gefangenen, unter anderem auch der ukrainischen Kampfpilotin Nadeschda Sawtschenko, auf die Liste der Forderungen der Krimtataren deutet darauf hin, dass die Aktion mit Kiew koordiniert wurde. Schon im letzten Jahr hat Poroschenko eine Kooperation mit den krimtatarischen Führern etabliert. Im Oktober 2014 wurden Tschubarow und Dschemiljew über die Liste des Blocks Petro Poroschenko ins Parlament gewählt. Nach dem Beginn der Krim-Blockade ist diese Zusammenarbeit noch enger geworden. Am 26. September 2015 hat Poroschenko Dschemiljew zum Leiter des Nationalen Rats für Antikorruptionspolitik, ein Beratungsgremium des Präsidenten, ernannt. Außerdem haben die rechtsradikalen Organisationen Dschemiljew am 13. Oktober 2015 für die gute Zusammenarbeit mit dem nichtstaatlichen Orden »Volksheld der Ukraine« ausgezeichnet. Vor ihm haben den im Jahr 2015 eingeführten Orden zum Beispiel der Anführer des Rechten Sektors Dmytro Jarosch und einige Mitglieder der Bataillone Aidar und Donbas bekommen.
Freie Wirtschaftszone Krim
Seit September 2014 gilt in der Ukraine das Gesetz über die freie Wirtschaftszone Krim, demzufolge die Ukraine auf der Krim zehn Jahre lang keine Steuern oder Gebühren erhebt. Ende November 2014 hat auch Russland ein ähnliches Gesetz verabschiedet, das Anfang 2015 in Kraft tritt und eine Geltungsdauer von 25 Jahren hat. Seit dem 1. Januar 2015 ist die Halbinsel Krim somit eine neue Steueroase und trotz der Sanktionen ein attraktiver Standort für lukrative Geschäfte.
Das wahre Ausmaß der Geschäftsbeziehungen mit der Krim ist aber schwer zu beurteilen. Seit der Annexion gibt das ukrainische Statistikamt keine Daten für die Krim mehr heraus. Laut russischem Statistikamt beliefen sich die Warenimporte aus der Ukraine von Januar bis August 2015 auf 36,4 Millionen US-Dollar (s. Tabelle 2 auf S. 10). Höchstwahrscheinlich ist diese Schätzung aber bei weitem zu niedrig. Laut ukrainischen Medien, die sich auf Angaben des Zollamts der Ukraine beziehen, wurden im gleichen Zeitraum Waren im Wert von 610 Millionen US-Dollar in die Krim geliefert und seit der Schaffung der freien Wirtschaftszone Krim auf diese Weise über eine Milliarde US-Dollar verdient. Zum Vergleich: Russland bezuschusst den Krim-Haushalt in diesem Jahr mit etwa 800 Millionen US-Dollar (50,9 Milliarden Rubel).
Aus der Ukraine werden hauptsächlich Lebensmittel importiert. Schon vor der Annexion war die Lebensmittelindustrie der Krim von Lieferungen vom ukrainischen Festland abhängig. Unabhängig vom rechtlichen Status der Krim wurde der Handel somit fortgesetzt. Verglichen mit den Vorjahren ist das Geschäft aber viel profitabler geworden. Nach der Eingliederung in die Russische Föderation wurden die Preise für Lebensmittel um 50 Prozent angehoben (s. Ukraine-Analysen Nr. 141). Die Preisunterschiede wurden durch die Beseitigung der Doppelbesteuerung aber nur verfestigt. Deshalb sind die ukrainischen Nahrungsprodukte auf den Krim-Märkten viel günstiger als einheimische oder russische Lebensmittel. Zum einen leidet die Agrarwirtschaft der Krim aufgrund der Einstellung der Wasserlieferungen über den Nord-Krim-Kanal durch die Ukraine unter Wasserknappheit. Zum anderen reichen die Lebensmittellieferungen aus Russland aufgrund der ungünstigen Verbindung der Halbinsel mit Russland nicht aus. Nach offiziellen Angaben kostete im September 2015 ein Kilogramm Kartoffeln im Durchschnitt etwa 80 Prozent, ein Kilogramm Zucker 55 Prozent und ein Liter Milch 46 Prozent mehr als auf dem ukrainischen Festland (s. Tabelle 1 auf S. 9). Ukrainischen Medien zufolge werden die preisgünstigen Lebensmittel aus der Ukraine auch weiter nach Russland transportiert.
Die Krim-Blockade hat die Lebensmitteleinfuhr aus der Ukraine deutlich reduziert, wenn nicht gestoppt. Wie lange die Blockade noch dauert, ist nicht klar. Inzwischen hat Russland aber nach neuen Transportwegen gesucht. Im Oktober 2015 gab die russische Bundesaufsichtsbehörde für Tier- und Pflanzengesundheit die Aufnahme von Lebensmittellieferungen aus der Türkei trotz der Sanktionen bekannt. Derzeit wird die Möglichkeit einer neuen Fährverbindung mit der Türkei diskutiert.
Umstrittene Stromlieferungen
Die Krim ist neben den Lebensmitteln auch von der Stromversorgung aus der Ukraine abhängig. Ende Dezember 2014 haben das ukrainische Energieunternehmen Ukrinterenergo und der russische Energiekonzern Inter RAO einen Vertrag über Stromlieferungen in die Krim unterzeichnet. Laut diesem Vertrag verpflichtet sich die Ukraine, 550 Millionen Kilowattstunden Strom pro Monat auf die Halbinsel Krim zu liefern. Es wurde ein Strompreis von 2,44 Rubel pro Kilowattstunde vereinbart.
Zum Vergleich: Im Jahr 2014 wurde der ukrainische Strom durch Rinat Achmetows DTEK Krymenergo zum Preis von 3,42 Rubel pro Kilowattstunde auf der Krim verkauft. Nach der Annexion der Krim hat der Oligarch die Stromversorgung der Krim wie folgt organisiert: Das ukrainisch registrierte DTEK Krymenergo kaufte Strom auf dem ukrainischen Markt an und verkaufte ihn dann an die russische Inter RAO, die ihn zu einem niedrigeren Preis dem russisch registrierten DTEK Krymenergo auf der Krim verkaufte. Der Preisunterschied wurde aus dem russischen Staatsbudget finanziert. Nach der Unterzeichnung des Stromliefervertrags mit Ukrinterenergo wurde Rinat Achmetow allerdings aus dem Geschäft geworfen, DTEK Krymenergo wurde Anfang 2015 von den russischen Behörden verstaatlicht.
In der Ukraine war der neue Stromliefervertrag mit Russland sofort umstritten. Ende Januar 2015 sickerte er an die Medien durch. Gleichzeitig wurde eine Anordnung des Regierungsministers Arseniy Jazenjuk an den Energieminister Volodymyr Demtschyschyn bekannt gemacht. Mit ihr forderte Jazenjuk Aufklärung darüber, warum die Ukraine den Stromliefervertrag mit den für sie ungünstigen Bedingungen unterzeichnet hat. So sei der vereinbarte Strompreis niedriger als der Preis des bisherigen Anbieters – DTEK Krymenergo. Außerdem habe die Ukraine die Krim als Teil Russlands vertraglich anerkannt, so Jazenjuk.
Trotz der Rücktrittsforderungen seitens der Radikalen Partei Ljaschkos und der Partei Swoboda wurde der amtierende Generaldirektor von Ukrinterenergo nicht entlassen. Kurz vor der Unterzeichnung des umstrittenen Stromliefervertrags wurde die Leitung von Ukrinterenergo innerhalb eines Monats dreimal ausgetauscht. Anscheinend verharrt die Regierung auch weiterhin auf dem Status Quo. Im Oktober 2015 endete der Wettbewerb um die Besetzung der Führungsposition bei Ukrinterenergo wieder erfolglos.
Mittlerweile ist klar, dass die Regierung den Stromliefervertrag nicht kündigen will, sondern an seiner Verlängerung interessiert ist. Denn nach Aussagen des ukrainischen Energieministers ist dieser Vertrag für die Ukraine äußerst profitabel. Der Stromliefervertrag in die Krim wurde damals an einen anderen Vertrag mit Inter RAO über Stromimporte aus Russland geknüpft. Aufgrund der Kämpfe im Donbas ging die Förderung der Kohle, die in der Ukraine zur Stromerzeugung genutzt wird, stark zurück (s. Ukraine-Analysen Nr. 157). Ende November 2014 führte eine Stromknappheit zu abnehmenden Stromlieferungen in die Krim. Das Problem wurde über zusätzliche Stromimporte aus Russland gelöst. Seit Beginn des Jahres hat die Ukraine etwa 2.072 Millionen Kilowattstunden Strom aus Russland importiert, was weit unter dem vereinbarten Exportvolumen für die Krim liegt (6.600 Millionen Kilowattstunden). Nach Einschätzungen der Autorin entspricht der Nettogewinn der Ukraine gemäß den Geschäftsbedingungen im ursprünglichen Stromliefervertrag mindestens 100 Millionen US-Dollar (s. Tabelle 3 auf S. 9). Seit die Ukraine die Strompreise für die Krim im Juli auf 3,42 Rubel pro Kilowattstunde und im September auf 3,95 Rubel pro Kilowattstunde erhöht hat, stieg der Nettogewinn um ca. 40 Millionen US-Dollar. Bemerkenswert ist, dass sich beide Preisanstiege zeitlich mit den Krim-Blockaden überlappten.
Titanexporte trotz Sanktionen
Anfang 2015 leitete die russische Regierung eine Verstaatlichungswelle auf der Krim ein, bei der ukrainische Oligarchen wie Rinat Achmetow, Ihor Kolomoisky und Serhiy Taruta ihre Krim-Vermögen verloren haben. Dmytro Firtasch war von der Welle allerdings nicht betroffen. Dem Oligarchen gehören auf der Krim zwei große Chemieunternehmen – die Krim-Soda-Fabrik und Krim-Titan. Dabei hat die Krim-Soda-Fabrik nach der Annexion der Krim viel weniger Probleme als Krim-Titan, das von Rohstofflieferungen vom ukrainischen Festland abhängig ist.
Dass es Firtasch gelungen ist, die neue Lieferkette für Krim-Titan erfolgreich zu organisieren, kann man an einer Mitteilung der Group DF ablesen. So lag die Herstellung von Titandioxid durch Krim-Titan im Jahr 2014 auf dem Vorjahresniveau (s. Tabelle 4 auf S. 11), wobei die gesamten Titandioxidexporte im letzten Jahr nur um ein Drittel zurückgingen. Um das Geschäft mit Titandioxid auch nach der Krim-Annexion am Laufen zu halten, musste Firtasch das Unternehmen sowohl nach ukrainischem als auch nach russischem Recht registrieren lassen. Im Juni 2014 wurde deshalb das Unternehmen Titan-Investitionen in Moskau gegründet, das seit Oktober 2014 die Krim-Filiale von dem ukrainischen Unternehmen Krim-Titan pachtet. Im März 2015 wurde Krim-Titan in Ukrainian Chemical Products umbenannt, angeblich um die Sanktionen zu umgehen und Exporte von Titandioxid von der Krim nach Europa zu erleichtern.
Die Versorgung von Krim-Titan mit ukrainischen Rohstoffen sah konkret so aus: Die ukrainische Eisenbahngesellschaft Ukrsalisnyzja, die seit diesem Jahr keinen Güterverkehr mehr zwischen dem ukrainischen Festland und der Halbinsel Krim durchführt, hat die Rohstoffe bis zur Grenze in die Region Cherson transportiert. Danach wurden sie über eine private Eisenbahnlinie direkt an Krim-Titan überführt. Genau diesen Punkt haben die Aktivisten im September 2015 blockiert. Aufgrund der Blockade wurden die Rohstofflieferungen aus der Ukraine eingestellt.
Neben der Neuorganisation der Lieferkette musste sich Firtasch auch um die Rohstoffversorgung kümmern. Die Rohstoffbasis der Titanindustrie in der Ukraine bilden in der Region Schytomyr die Kombinate Irschansk, Meschduretschensk und Walky Ilmenit und in der Region Dnipropetrowsk das Kombinat Wilnohirsk. Alle Unternehmen standen bis vor kurzem unter der Kontrolle Firtaschs. Zwei von ihnen – die Kombinate Irschansk und Wilnohirsk – hat der Krim-Titan seit 2004 verpachtet. Nach dem Ablauf des Pachtvertrags im September 2014 wurden die Kombinate aber wieder unter staatliche Kontrolle gebracht und werden seitdem von dem Staatsunternehmen Vereintes Bergbau-Chemie-Unternehmen (OGChK) verwaltet. Nach einigen Angaben wird das relativ neue OGChK von dem Oligarchen Ihor Kolomoisky und dem Volksfront-Abgeordneten Mykola Martynenko kontrolliert.
Es ist unklar, ob die Kombinate Irschansk und Wilnohirsk nach dem Wechsel des Verwalters ihre Produktion weiterhin in der Krim verkauft haben oder nicht. Festzuhalten ist aber, dass die zwei anderen Kombinate – Meschduretschensk und Walky Ilmenit – ihre Produktionsvolumen im Jahr 2014 wesentlich erhöht haben (dementsprechend um 200 % und 30 %). Das Produktionswachstum dieser Unternehmen setzte sich auch in diesem Jahr fort. Momentan sieht es aber so aus, als ob OGChK und Group DF ihren Konflikt um die Kombinate beendet haben. Kurz vor dem Beginn der Krim-Blockade hat das OGChK zwei Lieferverträge unterzeichnet, mit dem Saporoshjer Titan-Magnesium-Werk und mit Sumychimprom. Das erste Unternehmen gehört Firtasch zu 49 %, während das zweite von einem loyal zu Firtasch stehenden Manager geleitet wird. Nach der Etablierung der Zusammenarbeit mit OGChK wird Firtasch mit Rohstoffen für seine Titanunternehmen versorgt. Es bleibt dann »nur« noch, den Lieferpunkt in Cherson zu entsperren.
Fazit
Wie so oft in der Ukraine, klaffen Rhetorik und Realität auch bei der Krim-Frage weit auseinander. Auf der einen Seite fordert die Ukraine, die internationalen Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim zu verschärfen. Auf der anderen Seite führt das Land die Handelsbeziehungen mit der Krim weiter. Der Spagat ist schwierig. Einerseits scheinen die Vorwürfe der Krimtataren und rechtsradikaler Organisationen berechtigt zu sein. Anderseits wird in der Ukraine argumentiert, dass man die Menschen auf der Krim, die die Ukraine immer noch als Bürger der Ukraine ansieht, nicht im Stich lassen dürfe. Aus dieser Logik ist eine weitere inkonsequente Politik entstanden, die viele Spielräume bietet, auch für Korruption.
Seit der Annexion der Krim versucht die Ukraine, die Abhängigkeiten der Krim vom ukrainischen Festland geschickt auszunutzen. Außerdem zeigt die Krim-Blockade deutlich, dass paramilitärische Organisationen in der Ukraine inoffiziell die Strafverfolgungsfunktionen ausüben, während die Kooptation der krimtatarischen Anführer durch Präsident Poroschenko diese zu einem Instrument seiner Außenpolitik werden lässt. Auf eine der Forderungen der Krimtataren – die Abschaffung der Krim-Wirtschaftszone – wird die ukrainische Regierung aber eher nicht eingehen. Denn die ukrainischen Behörden stellen langsam auf die neue Realität um, die eng mit Wirtschaftsinteressen verbunden ist.