Entschliessung des Europäischen Parlaments zu den Assoziierungsabkommen

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Januar 2016 zu den Assoziierungsabkommen sowie den vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine (2015/3032(RSP))

(…)

Ukraine

31. begrüßt, dass das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Ukraine zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist; verurteilt allerdings die Tatsache, dass die Russische Föderation ihr Freihandelsabkommen mit der Ukraine einseitig aufgehoben hat, Ausfuhren der Ukraine nach Russland schwere Handelsbeschränkungen auferlegt hat und die Durchfuhr von Waren in Drittländer behindert und damit gegen die WTO-Regeln und andere bilaterale Handelsabkommen verstößt; fordert die EU nachdrücklich auf, die Ukraine bei den derzeit bei der WTO laufenden Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten mit Russland zu unterstützen und dies auch künftig zu tun;

32. betont, dass die Kommission sich eineinhalb Jahre lang so offen gezeigt hat wie noch nie und auch entsprechende Anstrengungen unternommen hat, um alle Zweifel auf russischer Seite mit Blick auf die Auswirkungen der Umsetzung des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens auszuräumen und praktische Lösungen zu finden; bedauert, dass die russische Seite keine konkreten Beispiele dafür vorbringen konnte, inwiefern ihr Markt und ihr Handel mit dem Inkrafttreten des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens beeinträchtigt werden würde; bekräftigt, dass Russland im Zuge der Umsetzung des Assoziierungsabkommens und des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens von verstärktem Handel und verstärkter Wirtschaftsaktivität und einer stabileren Nachbarschaft profitieren könnte; fordert in diesem Zusammenhang, dass geprüft wird, ob weitere Möglichkeiten für einen Dialog auf hochrangiger Ebene bestehen;

33. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in ihrer vollen Stärke und voll funktionsfähig zu erhalten; nimmt zur Kenntnis, dass die ukrainische Regierung eine Aufstockung der internationalen Friedenstruppe an der ukrainisch-russischen Grenze und in den Gebieten Luhansk und Donezk gefordert hat; stimmt der Auffassung zu, dass den Konfliktparteien im Rahmen der umfassenden Umsetzung des Minsker Abkommens der Einsatz einer EU‑geführten GSVP‑Mission zur Unterstützung bei Aufgaben wie der Minenräumung, der Vorbereitung von Kommunalwahlen und der Sicherstellung eines ungehinderten Zugangs für Hilfsorganisationen angeboten werden sollte, sobald die Lage dies gestattet;

34. ist ernsthaft besorgt, was die Umsetzung der Minsker Abkommen bis zur ursprünglich vereinbarten Frist am 31. Dezember 2015 angeht; weist erneut darauf hin, dass die russischen Staatsorgane diesbezüglich eine besondere Verantwortung tragen; weist erneut darauf hin, dass seit Mitte Oktober 2015 vermehrt gegen das Waffenstillstandsabkommen verstoßen wurde, Beobachter der OSZE‑Sonderbeobachtungsmission nach wie vor in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, die ukrainische Kontrolle über die Gesamtlänge der Grenze zu Russland nicht wiederhergestellt wurde, keine Vereinbarung über die Modalitäten der Kommunalwahlen in den zeitweilig besetzten Gebieten von Luhansk und Donezk erzielt wurde und nicht alle Gefangenen und rechtswidrig inhaftierten Personen, darunter Nadija Sawtschenko oder auch Oleh Senzow, freigelassen wurden;

35. begrüßt den Bericht des niederländischen Untersuchungsrats für Sicherheit über den Abschuss des Malaysia‑Airlines‑Flugs 17 (MH17), bei dem 298 unschuldige Zivilpersonen getötet wurden; befürwortet die Einrichtung eines internationalen Strafgerichts und fordert die Russische Föderation auf, umfassend mit der Staatengemeinschaft zu kooperieren, damit umfassende, unparteiische strafrechtliche Ermittlungen durchgeführt und die Schuldigen vor Gericht gestellt werden können; bedauert die Entscheidung der Russischen Föderation, gegen die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Einrichtung eines internationalen Strafgerichts zur Untersuchung dieses Verbrechens ein Veto einzulegen;

36. bedauert, dass die anhaltende russische Aggression zu einer katastrophalen humanitären Lage im Donezbecken geführt hat und dass den ukrainischen und internationalen Hilfsorganisationen kein Zugang zu den besetzten Gebieten gewährt wird; ist zutiefst besorgt angesichts der herausfordernden humanitären Lage der mehr als 1,5 Millionen Binnenvertriebenen; ist zutiefst besorgt über die Menschenrechtsverletzungen auf der von Russland besetzten Krim und insbesondere über die schreckliche Lage der Krimtataren und betont, dass die EU der Ukraine weitere Finanzhilfen zur Verfügung stellen muss;

37. begrüßt, dass die ukrainischen Staatsorgane darauf hinarbeiten, den Aktionsplan zur Liberalisierung der Visumregelung umzusetzen, und würdigt den positiven abschließenden Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung dieses Plans; begrüßt, dass in der Ukraine vor Kurzem neue Gesetze und Maßnahmen angenommen wurden, durch die sich der Schutz vor Diskriminierung verbessert hat; erwartet, dass die ukrainische Führung ihren Zusagen im Bereich der Korruptionsbekämpfung im ersten Quartal 2016 nachkommt;

38. betont, dass die endemische Korruption die größte Herausforderung im Rahmen der Reformbemühungen darstellt; begrüßt die bisher getroffenen Entscheidungen wie die Einführung von Gesetzen zur Bekämpfung der Korruption und die Schaffung entsprechender Institutionen (des nationalen Büros für Korruptionsbekämpfung, der nationalen Agentur für Korruptionsprävention und einer mit dem Bereich Korruptionsbekämpfung befassten Staatsanwaltschaft) und Mechanismen sowie der nationalen Agentur für die Einziehung von Einkünften aus Korruption; begrüßt darüber hinaus, dass vor Kurzem das Gesetz über die staatliche Parteienfinanzierung, das am 1. Juli 2016 in Kraft tritt, und das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen angenommen wurden;

39. bekundet sein Verständnis dafür, dass die Kriegssituation im Osten der Ukraine die Reformbemühungen erheblich behindert; macht jedoch deutlich, dass der Erfolg und die Widerstandsfähigkeit der Ukraine gegenüber äußeren Feinden von ihrer Wirtschaftsstärke und der Stärke ihres Rechtsrahmens, einer vorbildlich funktionierenden Demokratie sowie von wachsendem Wohlstand abhängen;

40. begrüßt, dass derzeit an einer Verfassungsreform gearbeitet wird, die eine Dezentralisierung und das Justizwesen betrifft; weist erneut darauf hin, dass die Venedig‑Kommission des Europarats zu den beiden Verfahren, die Verfassungsänderungen betreffen, positive Empfehlungen vorgelegt hat; betont, dass in diesen und auch in anderen Bereichen weitere Fortschritte erzielt werden müssen, was insbesondere für die Wirtschaft gilt, wo nach wie vor vorrangig auf eine bessere Regulierung und einen Abbau der Monopole hingearbeitet werden muss, was auch mit Steuerreformen, vermehrter Transparenz und der Schaffung eines günstigen Investitionsklimas einhergehen muss; ist besorgt über den Zustand der ukrainischen Wirtschaft und der finanziellen Gesamtsituation des Landes; nimmt die Berichte über geringe Fortschritte bei der Stabilisierung der Wirtschaftsleistung zur Kenntnis; würdigt den von der Ukraine mit ihren Gläubigern im September 2015 vereinbarten Schuldenerlass, der von entscheidender Bedeutung ist; weist erneut darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft und insbesondere die EU, in Europa ansässige internationale Finanzinstitute, der IWF und einzelne Geberländer zugesagt haben, den bisher einmaligen Betrag von etwa 20 Mrd. EUR bereitzustellen;

41. begrüßt die aktive Unterstützung und Solidarität der EU im Bereich Energie, infolge deren Russland die Gaslieferungen an die Ukraine im Winter 2015–2016 wieder aufnimmt; fordert die Mitgliedstaaten auf, das Potenzial der Ukraine als Transitland umfassend auszuschöpfen und die Zusammenarbeit zu stärken, damit die Energieversorgung der EU und der Ukraine gesichert ist, und zu verhindern, dass neue Leitungen gebaut werden, die an der Ukraine vorbeigeführt werden, wobei insbesondere der Ausbau der Nord‑Stream‑2‑Gasleitung zu verhindern ist, mit der Russland Gas nach Europa liefern will, was sich für die Strategie der EU zur Diversifizierung der Energiequellen als schädlich erweisen könnte, zumal dies nicht dem Unionsrecht entspräche; unterstützt die Absicht der EU, im Rahmen der Energiegemeinschaft den Energiemarkt der Ukraine voll zu integrieren und die Energieabhängigkeit zu verringern, dabei aber die Privathaushalte nicht übermäßig zu belasten; fordert die EU und die ukrainische Regierung auf, Maßnahmen zur Abfederung sozialer Härten auszuarbeiten;

42. würdigt die wirksame, dynamische Arbeit des Parlamentarischen Assoziationsausschusses EU–Ukraine bei der Beobachtung der Sicherheitslage sowie der politischen und wirtschaftlichen Lage in der Ukraine wie auch sein Engagement und seine Unterstützung bei der Verbesserung sämtlicher von den ukrainischen Staatsorganen eingeleiteten EU‑orientierten Reformprozesse; verweist auf die von der Werchowna Rada der Ukraine und dem Europäischen Parlament 2015 unterzeichnete Vereinbarung über die Errichtung eines gemeinsamen Rahmens für die parlamentarische Unterstützung und den Kapazitätsaufbau zwischen den beiden Parlamenten;

43. betont, dass die Zivilgesellschaft der Ukraine gestärkt werden muss, sodass sie die Staatsorgane beraten und dabei unterstützen kann, ihre Reformversprechen auch einzulösen, und eine wirksame Kontrolle ausüben sowie als Informant fungieren kann; begrüßt die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Gruppe der Sachverständigen und der Werchowna Rada in dem Reformprozess und bei der Umsetzung des Assoziierungsabkommens und des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens; würdigt die Tatsache, dass die Prioritäten der Werchowna Rada in einem umfassenden Dialog mit der Zivilgesellschaft festgelegt werden;

44. Nimmt das anstehende niederländische Konsultativreferendum über das Assoziierungsabkommen und das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Ukraine zur Kenntnis; vertraut darauf, dass das niederländische Volk seine Entscheidung auf der Grundlage der Inhalte des Abkommens trifft und dabei berücksichtigt, dass es mit einem spürbaren Nutzen für die EU und insbesondere auch die Niederlande einhergeht;

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Quelle: <http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P8-TA-2016-0018&language=DE>

Comment of the Ministry for Foreign Affairs of Ukraine regarding the approval by the European Parliament Resolution of 21 January 2016 on the Association Agreements/Deep and Comprehensive Free Trade Areas with Ukraine, Georgia and Moldova (22.01.2016)

Ukraine welcomes the European Parliament’s approval on the 21st of January 2016 of the Resolution on the Association Agreements/Deep and Comprehensive Free Trade Areas with Ukraine, Georgia and Moldova and considers it as an evidence of the EP consistent support of the reformist efforts of these countries on their way to the European integration.

The key messages of the approved Resolution are condemnation of the Russian actions aimed at blocking of the European aspirations of the partner-countries as well as a clear appeal to Russia to put an end to the occupation of the Crimea and further provocation of the conflicts in the territories of these countries.

An extremely important message is the European Parliament support of the EU Council Decision to extend economic sanctions against Russia in view of its non-fulfillment of the Minsk agreements until 31 July 2016 and a call on Russian authorities to release immediately all illegally detained Ukrainians, in particular Nadiya Savchenko and Oleh Sentsov. Ukraine also expresses its gratitude for support of its initiative to deploy the EU-led CSDP mission to assist the Minsk agreements implementation.

The EP has supported the positive recommendations of the European Commission concerning the visa liberalization with Ukraine. The EP expects the EU Council and member-states to approve a relevant decision without any delay.

The Ukrainian side expresses a particular gratitude for a clear message of the European Parliament (the institution that represents a direct voice of the EU citizens) that any European state in accordance to the Article 49 of the EU Treaty can claim to membership in the European Union.

Despite difficult security challenges, Ukraine remains committed to implementing the Association Agreement and the Association Agenda.

In this regard, Ukraine relies on continuation of the EU active support of the European transformation process in our country.

Quelle: Ministry of Foreign Affairs of Ukraine, <http://www.kmu.gov.ua/control/en/publish/article?art_id=248780165&cat_id=244314975>

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Analyse

Zur außenpolitischen Orientierung des neuen ukrainischen Präsidenten und der Partei der Regionen

Von Wilfried Jilge
Unmittelbar nach seiner Wahl zum Präsidenten reiste Viktor Janukowitsch zur EU-Kommission nach Brüssel, wo er seinen ersten Antrittsbesuch im Ausland absolvierte. Der früher häufig als prorussisch eingestufte Janukowitsch, für den 2004 die Präsidentenwahlen gefälscht wurden, gab sich in der Pressekonferenz mit José Manuel Barroso ausgesprochen proeuropäisch: Für die Ukraine werde, so Janukowitsch, die europäische Integration ebenso wie die Realisierung systematischer sozioökonomischer Reformen Priorität haben. Experten haben bereits im Wahlkampf darauf hingewiesen, dass der neue Präsident einen auf die Integration der Ukraine in die Strukturen der EU zielenden Kurs – wenn auch vorsichtiger als sein Vorgänger – fortsetzen könnte. Hatte die westliche Berichterstattung Janukowitsch früher meist als moskauhörigen Kandidaten eingestuft (was in dieser Eindeutigkeit schon 2004 nicht ganz richtig war), werden er und seine Rivalin Julia Timoschenko heute immer häufiger als gleichermaßen »prorussisch« wie »proeuropäisch« eingeschätzt. Dies ist keineswegs ausgeschlossen: Bei der Bewältigung der die Ukraine heftig treffenden Finanzkrise ist die Ukraine nicht nur auf Hilfe aus Moskau, sondern auch aus der EU dringend angewiesen. (…)
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Analyse

Rückkehr zum Multivektoralismus? – Eine Bilanz der Außenpolitik Janukowytschs

Von Inna Melnykovska
Die Debatten über die Außenpolitik des Präsidenten Janukowytsch sind stark mit den Debatten über die Innenpolitik verknüpft und normativ geprägt. Beobachter erwarten eine Korrelation zwischen der Annäherung an Russland und einem Anwachsen der autoritären Tendenzen in der ukrainischen Innenpolitik; für Erfolge in der Kooperation mit der EU wird hingegen Demokratie vorausgesetzt. Die Bilanz der einjährigen Amtszeit Janukowytschs zeigt, dass es in den beiden wichtigsten Bereichen der Außenpolitik – Zusammenarbeit mit der EU und mit Russland – Kooperationserfolge, aber auch Konflikte zu verzeichnen gibt. Auf den ersten Blick ähnelt die Außenpolitik Janukowytschs der multivektoralen Außenpolitik des ehemaligen Präsidenten Leonid Kutschma. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass sie im Gegensatz zur Politik Kutschmas nicht primär darauf ausgerichtet ist, die Einflüsse der beiden genannten externen Akteure gegeneinander auszuspielen. (…)
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