Einleitung
Spätestens seit dem Sieg des Maidan im Frühling 2014 errang ein Buch mit dem Namen »Warum Georgien es geschafft hat« große Popularität in der Ukraine. Das 2011 erschienene Werk der russischen Wirtschaftswissenschaftlerin Larissa Burlakowa sehen seitdem viele ukrainische Politiker und Experten als eine Anleitung für Reformen im eigenen Land. Burlakowa schreibt über die georgischen Reformen unter Präsident Micheil Saakaschwili (2004–2013). Ihr Fazit ist namensgebend für das Buch. Georgien ist nach Burlakowas Auffassung unter Saakaschwili zu einem Musterstaat geworden, der den ehemaligen Sowjetrepubliken vorgeführt hat, dass eine effektive Bekämpfung der Korruption, bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Liberalisierung und Privatisierung, möglich ist. Eine radikale Reform des Staatsapparats, der massiv verschlankt wurde, gab den Bürgern zudem Vertrauen in die Arbeit staatlicher Behörden und machte Georgien attraktiv für ausländische Investitionen. Dies sind nur die wichtigsten in Burlakowas Buch genannten Faktoren, die zu ihrer positiven Bewertung der Präsidentschaft Micheil Saakaschwilis geführt haben. Auch die ukrainischen Medien stellen Georgien unter der Präsidentschaft Saakaschwilis oft als Vorbild für die Ukraine dar. Seit Mai 2015 ist der georgische Ex-Präsident Gouverneur der Region Odessa und viele Bürger hegen die große Erwartung, dass er mit seinem Reformmodell auch in der Ukraine Erfolg haben wird.
Sofort nach seinem Amtsantritt in Odessa setzte sich Micheil Saakaschwili gekonnt in Szene und ließ sich bei Gesprächen mit Marktfrauen filmen oder dabei, wie er mit wenig Sicherheitspersonal durch die Stadt geht und sich die Sorgen der Bürger anhört. Vor laufenden Kameras entließ Saakaschwili hohe Beamte wegen Korruption und Vetternwirtschaft. Die Kameraleute folgten ihm auch, wenn er die von ihm in seiner Region begonnenen Großprojekte besuchte, wie den sich im Bau befindlichen neuen Flughafen, neue Schnellstraßen und schließlich den Hafen von Odessa, den er modernisieren will. Die Dynamik, die der neue Gouverneur bisher bei der Ausführung seiner Reformpläne zeigte, sowie erste sichtbare Erfolge, haben ihn mittlerweile zu einem der populärsten Politiker der Ukraine gemacht. Seine Medienpräsenz wird dazu beigetragen haben. Saakaschwili beschränkt sich zudem thematisch nicht nur auf die Region Odessa, sondern kommentiert gesamtukrainische Themen. Viele Ukrainer sehen in ihm eine positive Alternative zum jetzigen ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk, der im letzten Jahr stark an Popularität einbüßen musste. Mittlerweile erreichen den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko Petitionen für die Ernennung Saakaschwilis zum Premierminister der Ukraine.
Micheil Saakaschwili hat bei all seiner jetzigen Popularität jedoch auch Kritiker. Aufsehen erregte eine Sitzung des ukrainischen Reformrates im Dezember 2015, in der Innenminister Arsen Awakow Saakaschwili mit einem Glas bewarf, nachdem dieser ihm Diebstahl von Staatsgeldern vorgeworfen hatte. Premierminister Jazenjuk, der sich ebenfalls den Vorwurf der Korruption gefallen lassen musste, bezeichnete den georgischen Ex-Präsidenten öffentlich als »Scharlatan«, der nur in der Ukraine tätig sei, weil er sich in Georgien nicht mehr blicken lassen könne. Jazenjuks Anschuldigung gegen Saakaschwili traf jedoch einen wunden Punkt: Ein Großteil der Einwohner Georgiens bewertet ihren Ex-Präsidenten heute negativ. Zudem erhob die georgische Justiz nach seiner Abwahl im Jahr 2013 Anklage gegen Saakaschwili.
Das schwierige Pflaster Odessa
Die Frühlingsmonate 2014, unmittelbar nach der Revolution auf dem Maidan, waren von Machtlosigkeit der Kiewer Übergangsregierung unter Turtschinow gezeichnet. Diese musste tatenlos zusehen, wie russische Soldaten die Krim unter ihre Kontrolle brachten und ebenfalls aus der Russischen Föderation kommende bewaffnete Gruppierungen in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk einen Krieg entfachten. Unruhen gab es auch in anderen südlichen Regionen der Ukraine, wo besonders in den Städten viele Menschen russischsprachig sind. Der Brand im Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014, bei dem 46 Antimaidan-Aktivisten ums Leben kamen, ist der traurige Höhepunkt dieser Ereignisse. Auch, wenn nur eine kleine Minderheit der Odessiter sich pro-russisch positionierte, vergiftete diese Tragödie langfristig das Klima in der Stadt. Im Laufe des Jahres 2014 kam es wiederholt zu Bombenanschlägen in Odessa, in denen Kiew Versuche Russlands sah, die Region zu destabilisieren. Die Lage beruhigte sich bis zum Jahresbeginn 2015. Die Regierung in Kiew war daran interessiert, die Stabilität in Odessa nicht nur durch erhöhte Sicherheitsmaßnahmen zu garantieren, sondern durch eine erfolgreiche Politik prorussischen Stimmen vor Ort den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Micheil Saakaschwili war bereits im Februar 2015 von Präsident Petro Poroschenko als Präsidentschaftsberater in Reformfragen in die Ukraine geholt worden. Er sprach auf Konferenzen, hielt Vorträge und war immer wieder im Gespräch für hohe Posten in der ukrainischen Politik. So war Saakaschwili im März 2015 der vom Präsidenten favorisierte Kandidat für den Posten des Leiters des nationalen Antikorruptionsbüros, der neu geschaffenen obersten staatlichen Behörde im Kampf gegen die Korruption in der Ukraine. Seine Ernennung scheiterte jedoch am Widerstand zivilgesellschaftlicher Organisationen, die in den ukrainischen Reformprozess mit einbezogen sind. Die NGOs befürchteten eine zu große Einflussnahme des Präsidenten auf das Antikorruptionsbüro. Im April desselben Jahres lehnte Saakaschwili das Angebot ab, Vize-Premierminister der Ukraine zu werden, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf seine georgische Staatsangehörigkeit verzichten wollte und das ukrainische Recht keine doppelte Staatsbürgerschaft zulässt.
Die Ernennung von Micheil Saakaschwili zum Gouverneur von Odessa stieß in der politischen Landschaft des Landes auf Beifall, aber auch auf parteienübergreifende Kritik. Politiker wie der Vorsitzende der »Radikalen Partei« Oleh Ljaschko, oder »Batkiwschyna«-Vorsitzende Julia Timoschenko, kritisierten die Berufung eines weiteren Ausländers auf einen Führungsposten in der Ukraine. Der durch seine populistischen Aussagen bekannte Ljaschko wetterte damals, der Präsident würde den Ukrainern somit vorführen, dass er das ukrainische Volk für unfähig halte, sich selbst zu regieren. Damit spielte er auf die drei ukrainischen Minister im Kabinett Jazenjuk an, die aus dem Ausland kamen und erst kurz vor ihrer Ernennung eingebürgert wurden. Präsident Poroschenko hielt dem jedoch entgegen, dass nur eine Person, die nicht in die lokale korrupte Vetternwirtschaft verstrickt ist und von außen kommt, die Region Odessa unbefangen reformieren könnte. Durch seine Tätigkeit als Präsident Georgiens, dessen Amtszeit vor allem in Westeuropa und den USA positiv bewertet wird, solle die Region auch von den internationalen Kontakte Saakaschwilis zu Investoren profitieren.
Für Micheil Saakaschwili ist die Ukraine zudem kein fremdes Land. 1992 beendete er sein Studium am Institut für Internationale Beziehungen der Nationalen Taras Schewtschenko Universität Kiew. Seinen Wehrdienst bei den sowjetischen Grenztruppen leistete Saakaschwili ebenfalls auf dem Gebiet der Ukrainischen Sowjetrepublik ab. Der spätere Präsident Georgiens hat während seiner Zeit in Kiew auch die ukrainische Sprache erlernt, spricht jedoch fließender und auch häufiger russisch. Zu Odessa hat Saakaschwili eigenen Aussagen nach einen besonderen emotionalen Bezug. Aufgrund der Lage Odessas am Schwarzen Meer bestehe eine Nähe zu seiner Heimat Georgien. Zudem wohnen in der Millionenstadt Odessa viele Bürger georgischer Herkunft.
Die Reformprojekte Micheil Saakaschwilis in Odessa
Micheil Saakaschwili kündigte nach seiner Ernennung zum Gouverneur von Odessa im Mai 2015 eine Reihe von Reformen an. Es folgt eine Auswahl seiner wichtigsten Projekte:
Zu den Plänen Micheil Saakaschwilis in der Region Odessa zählt eine Reihe von Bauprojekten zur Verbesserung der Infrastruktur:
Der Internationale Flughafen Odessa wird bereits seit dem Jahr 2012 modernisiert und vergrößert. Micheil Saakaschwili setzte das Jahr 2016 als Datum der Inbetriebnahme des sich aktuell im Bau befindlichen neuen Terminals fest. Für die fristgerechte Fertigstellung engagierte der Gouverneur türkische Unternehmen, die während der Zeit seiner Präsidentschaft in Georgien bereits den Flughafen Batumi gebaut hatten. Ferner erklärte Saakaschwili den Flughafen Odessa für offen, denn bisher war die ukrainische Luftfahrt durch das Monopol der Ukrainian International Airlines geprägt, die dem Oligarchen Kolomojskyi gehört. Saakaschwili kündigte an, dieses Monopol zu brechen und durch Verhandlungen mit Fluggesellschafften wie WizzAir günstige Flugverbindungen von und nach Odessa zu schaffen.
Ein von Saakaschwilli auf den Weg gebrachtes Projekt ist die Errichtung von modernen hochtechnisierten Grenzübergängen zur Republik Moldau und nach Rumänien. Checkpoints derselben Bauweise wurden während der Präsidentschaft Saakaschwilis in Georgien errichtet und sollen seiner Aussage nach Korruption an den Grenzübergängen unmöglich machen. Außerdem soll eine schnellere Abfertigung Wartezeiten für Reisende verkürzen. Ferner sollen sichere Grenzübergänge an der Grenze zur Republik Moldau eventuelle Gefahren bannen, die aus dem unter russischem Einfluss stehenden Transnistrien kommen könnten. Prorussische Aktivisten aus Transnistrien werden zu den Organisatoren der Unruhen in Odessa 2014 gezählt. Außerdem sind in der abtrünnigen Republik Transnistrien, die 1992 mit Hilfe der russischen Armee völkerrechtswidrig von der Republik Moldau abgespalten wurde, noch immer russische Truppen stationiert.
Odessa ist der größte Hafen der Ukraine sowie einer der größten am Schwarzen Meer. Seit den 1990er Jahren hat der Hafen den Ruf, das maritime Zentrum des Schmuggels in den postsowjetischen Staaten zu sein. Saakaschwili erklärte es zu einer Hauptaufgabe, den Hafen zu modernisieren und den organisierten Schmuggel zu bekämpfen. Neue Techniken sollen die Abfertigung von Containern durch den ukrainischen Zoll sicherer, aber auch unkomplizierter machen. Der Zoll soll gänzlich einer neuen Hauptzollbehörde unterstellt werden. Kritiker bemängeln, dass diese neue Behörde unter Kontrolle Saakaschwilis stehen wird.
Zu weiteren Infrastrukturprojekten zählen die Schnellstraßen nach Kiew oder an die rumänische Grenze, für die Saakaschwili im Sommer 2015 die ersten Spatenstiche machte.
Als vorbildlich für die Ukraine gelten die Reformen Saakaschwilis im Verwaltungsapparat:
Saakaschwilis Instrument im Kampf gegen die Korruption in der Region Odessa wurde im Juni 2015 das Antikorruptionsbüro. Offiziell untersteht diese Behörde dem nationalen Antikorruptionsbüro in Kiew, ist in diesem Fall aber Saakaschwilli Rechenschaft schuldig.
Die Ukraine reformiert derzeit die Polizei. Für die Durchführung sind die einzelnen Regionen verantwortlich. Während in den anderen Regionen des Landes die Polizeibehörden dem Innenministerium unterstehen, gab Präsident Poroschenko der Polizei in der Region Odessa einen Sonderstatus und machte Giorgi Lotkipanidze, den ehemaligen georgischen Innenminister der Regierung Saakaschwili, zum Chef der lokalen Polizeibehörde. Unter seiner Aufsicht mussten sich die Beamten der alten Milizija einem harten Auswahlverfahren unterziehen, welches die meisten von ihnen nicht bestanden. Die Beamten, die in der neuen Polizei ihren Dienst fortsetzen dürfen, folgen einem strengeren Dienstreglement, erhalten aber auch deutlich mehr Lohn.
Am 16. Oktober 2015 eröffnete Präsident Petro Poroschenko das neue »Administrative Dienstleistungszentrum« für Bürger in Odessa. Diese moderne Form einer Verwaltungsbehörde soll die administrativen Anliegen der Bürger schnell und unkompliziert bedienen und zudem immun gegen Schmiergeldzahlungen sein. So soll es den postsowjetischen »OWIR« ersetzen, der als Inbegriff ineffektiver Bürokratie gilt.
Saakaschwili zwischen Popularität und Misstrauen
Laut Svetlana Norets, Odessiterin und Aktivistin der »Europäischen Jugend der Ukraine«, ist Saakaschwili bei den meisten Bewohnern der Region Odessa populär. Auch wenn viele seiner Gesten für die Kamera inszeniert sind, hat Saakaschwili das Image, Probleme anzupacken. Viele Bürger finden es auch gut, dass Saakaschwili Experten von Außerhalb nach Odessa holt. Jüngst ernannte er Maria Gajdar, die Tochter des verstorbenen liberalen russischen Reformators Jegor Gajdar, zur regionalen Beauftragten für soziale Fragen.
Ein seiner Popularität widersprechender Rückschlag für Saakaschwili waren die ukrainischen Lokalwahlen im Oktober 2015 (s. Ukraine-Analysen 159). Sein Kandidat Oleksandr Borowyk verlor die Wahl zum Bürgermeister von Odessa. Svetlana Norets erklärt die Niederlage damit, dass Saakaschwili im Wahlkampf sehr auf sich selbst fixiert war, obwohl er als Gouverneur der Region ganz andere Kompetenzen hat, als der Bürgermeister, und die Kandidatur Borowyks auch viel zu spät bekanntgegeben hat. Die Wähler zogen es vor, für den Amtsinhaber zu stimmen, den sie bereits kannten. Nach der Wahlniederlage kündigten Saakaschwili und Borowyk an, gegen die Wahlergebnisse zu klagen, was vom Gericht jedoch abgewiesen wurde. Viele Odessiter befürchten zudem, dass Saakaschwili seine Position als Gouverneur dazu nutzt, eine Basis für höhere Posten in der ukrainischen Regierung zu schaffen. In diesen Kontext fallen seine Ankündigungen, eine neue Partei zu gründen.
Positiv bewerten Micheil Saakaschwili auch viele Aktivisten der ukrainischen Zivilgesellschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. So auch Serhij Hula, der Gründer der »Bewegung Nein zu Schmiergeld«, welche gegen Korruption an der Basis kämpft. Für Hula stehen Saakaschwilis Reformen der Polizei und des Zolls in der Region Odessa im Fokus. Allerdings gesteht Hula ein, dass das Reformmodell Georgiens nicht auf die Ukraine übertragbar sei.
Die Ukraine hat 40 Millionen Einwohner, wenn man die Gebiete, über die Kiew derzeit keine Kontrolle hat (Krim und Teile des Donbass), außen vor lässt. Miriam Kosmehl, Projektleiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung in Kiew, findet die Ausgangslage in der Ukraine mit der des 3,7 Millionen-Einwohnerlandes Georgien unvergleichbar. Zur Popularität Saakaschwilis kommentiert Miriam Kosmehl, dass viele Ukrainer nur zu gerne glauben würden, dass endlich jemand gekommen sei, um für sie Ordnung im Land zu schaffen. Doch beobachten viele Ukrainer sein Handeln auch kritisch. Saakaschwili nennt Missstände der Regierung Jazenjuk beim Namen und ist deswegen bei vielen Ukrainern populär, doch inwiefern seine Kritik selektiv oder populistisch ist, ist eine andere Frage. Eine Bewertung seiner Tätigkeit als Gouverneur von Odessa ist verfrüht, Saakaschwili muss sich erst noch zeigen, sagt Miriam Kosmehl. Viele Bürger misstrauen zudem Saakaschwilis Plänen, eine neue politische Partei in der Ukraine zu gründen.
Saakaschwilis Popularität in der Ukraine wird in Georgien nur schwer nachvollzogen. Dort haben viele Menschen noch die negativen Seiten seiner Präsidentschaft in Erinnerung. Die Expertin Kristina Arakelova aus Tbilissi sagt, dass viele georgische Beobachter davor warnen, Saakaschwilis Reformen in Georgien zu überschätzen. Ihrer Ansicht nach sind außer seiner Prestigeprojekte, wie der Reform der georgischen Polizei, viele Reformen nur angekündigt, doch nie umgesetzt worden. Zudem entwickelte der zu Beginn seiner Amtszeit sehr populäre Micheil Saakaschwili im Laufe seiner Regierung einen immer autoritäreren Führungsstil, bei dem er seine Opponenten verhöhnte oder beleidigte. Die Polizei schlug gegen die Regierung gerichtete Demonstrationen gewaltsam nieder. Die gewaltsame Auflösung einer Demonstration durch die Polizei auf dem Rustaweli-Boulevard in der georgischen Hauptstadt Tbilissi 2007 ist schließlich einer der Anklagepunkte, für die Saakaschwili von der georgischen Justiz gesucht wird. Es ist zudem bemerkenswert, dass dem Politiker, der den Kampf gegen Korruption zur Chefsache erklärt hat, in Georgien auch Veruntreuung von Staatsgeldern zu privaten Zwecken vorgeworfen wird. Diese Skandale trüben das Bild des Ex-Präsidenten in seiner Heimat, auch wenn die EU-Kommission die Anschuldigungen als politisch motiviert bezeichnete. Laut Kristina Arakelova werden manche von Saakaschwili begonnene Reformprojekte fortgeführt und auch die Nachfolgeregierung ist nach Westen orientiert. Doch aufgrund von Saakaschwilis Wesen, das von vielen Georgiern als autoritär und selbstherrlich empfunden wird, wird sein Name nicht mehr mit den Reformen in Verbindung gebracht, für die er die treibende Kraft war. Es wäre außerdem falsch, die in Georgien von 2004–2013 durchgeführten Reformen nur auf die Person des damaligen Präsidenten zu projizieren. Bei der Rosenrevolution 2004 gewann die georgische Zivilgesellschaft. Diese bildete ein breites Parteienbündnis, welches sich schließlich aufgrund des Machtanspruches Saakaschwilis zerstritt.
Fazit
Micheil Saakaschwili ist die auffallendste Gestalt der heutigen politischen Bühne in der Ukraine. Vieles davon verdankt er seinem medienwirksam inszenierten dynamischen Auftreten. Der Sieg des Maidan im Frühling 2014 war ein Sieg der ukrainischen Zivilgesellschaft, welche demokratische Strukturen, eine Dezentralisierung der Staatsgewalt und Kontrollmechanismen etablieren wollte. Es ist wichtig, dass die ukrainische Zivilgesellschaft in ihrem gesunden Misstrauen gegenüber Politikern auch bei Saakaschwili keine Ausnahme macht und seine Tätigkeit in Odessa genau beobachtet, ohne sich durch seine anfänglichen Erfolge blenden zu lassen.
Für Saakaschwili selbst ist die Tätigkeit in der Ukraine eine Chance, um seinen guten Ruf wiederherzustellen und ein mögliches Comeback in die georgische Politik vorzubereiten. Auf Saakaschwilis Schultern lastet ein Erfolgsdruck, der auch als Chance für die Region Odessa gelten kann. Der Gouverneur von Odessa wird bemüht sein, seine Arbeit gut zu machen, da davon seine politische Zukunft abhängt. Seine Popularität und den Vertrauensvorschuss, den ihm viele Bürger der Ukraine gewähren, kann nur er selbst zunichtemachen.
In Georgien wird das Vermächtnis des Ex-Präsidenten nicht eindeutig bewertet. Zum erwähnten Buch von Larissa Burlakowa, »Warum Georgien es geschafft hat«, erschien 2012 jedenfalls ein Gegenwerk des russischen Zentralasienexperten Nikita Mendkowitsch mit dem Namen »Der Preis der Reformen: Warum Georgien es nicht geschafft hat«. Die jetzigen Reformen in Georgien geschehen unter den Zeichen des 2013 geschlossenen Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union