Erdgasverbrauch
Die Nachfrage nach Erdgas ist in der Ukraine in den letzten Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit gefallen – von 59 Mrd. Kubikmeter 2011 auf 34 Mrd. Kubikmeter 2015. Der deutliche Rückgang um 33 Prozent von 2013 bis 2015 geht auf eine Kombination von Faktoren zurück. Wegen des Konflikts in Teilen der Regionen Donezk und Luhansk sowie der Annexion der Krim ist der Erdgasverbrauch der Ukraine netto (d. h. unter Einbeziehung des Verlustes der Erdgasproduktion auf der Krim) um etwa 15 Prozent gesunken. Die andere Hälfte des Rückgangs beim Erdgasverbrauch hat verschiedene Ursachen:
Steigende Preise für Erdgas und Heizung, niedrigere Verbrauchsnormen für Haushalte ohne Zählgeräte sowie einige Fälle von Rationierung.Wirtschaftlicher Abschwung mit einem Rückgang der Industrieproduktion um 27 %.Geringere technische Verluste aufgrund einer Abnahme des internationalen Erdgastransits um 22 % und der nationalen Versorgungslieferungen um 33 %, möglicherweise auch aufgrund verbesserter Wartung.Die Wintertemperaturen waren seit 2013/14 überdurchschnittlich hoch, woraus eine unterdurchschnittliche Heizungsnutzung resultierte.
Die Nachfrage wird 2016 wohl weiter sinken – in den ersten neun Monaten des Jahres lag sie 10 % unter den Vorjahreswerten. Trotz der langsamen Erholung der ukrainischen Wirtschaft ging der Gasverbrauch der Industrie um 19 % zurück. Der Gasverbrauch der Privathaushalte sank um 7 %, teils aufgrund der Gaspreiserhöhungen vom Mai dieses Jahres. Dazu kommt, dass mit Unterstützung westlicher Geldgeber zahlreiche Energieeffizienzmaßnahmen diskutiert und teilweise auch eingeführt werden. Das könnte den Gasverbrauch von Fernwärmeunternehmen und Haushalten weiter senken. Das technische Einsparpotential wird mittelfristig (innerhalb von drei bis fünf Jahren) auf 5 Mrd. Kubikmeter und langfristig (in zehn Jahren) auf 9 Mrd. Kubikmeter geschätzt.
Erdgasimporte
Die Ukraine hat sowohl einen Einbruch der Erdgasimporte um 50 % als auch einen tiefgreifenden Wandel ihrer Gasimportstruktur erlebt. Während die Importe aus dem Westen 2015 von Null auf 10 Mrd. Kubikmeter gesteigert wurden, sanken die Direktimporte aus Russland von 33 Mrd. Kubikmetern 2012 auf Null. In letzter Zeit sind auch die Importe aus der EU leicht zurückgegangen. Die Vorräte in ukrainischen Erdgasspeichern sind daher von 17 Mrd. Kubikmetern am 11. November 2015 auf 14 Mrd. Kubikmeter am 11. November 2016 gesunken.
Technisch ermöglicht wurde dieser Wechsel der Importquellen durch eine massive Erhöhung der Reverse-flow-Kapazitäten, d. h. der Möglichkeit, die Fließrichtung des Erdgases in den internationalen Transitpipelines umzukehren. Arbeiten alle erprobten Reverse-flow-Verbindungen in voller Auslastung, kann die Ukraine etwa 22 Mrd. Kubikmeter pro Jahr aus der EU importieren. Direkte Erdgasimporte aus Russland sind damit für die ukrainische Gasversorgungssicherheit nicht länger unabdingbar. Dafür wäre allerdings der ständige Einsatz dieser Kapazitäten, auch im Sommer, nötig, um sämtliche Speicher zu füllen – wofür wiederum beträchtliche Vorfinanzierungen nötig wären, denn Gas muss der Importeur eigentlich im Voraus zahlen.
Dieses Problem wurde zum Teil durch einen Überbrückungskredit der EBRD über 300 Mio. USD an Naftohaz gelöst, der als Umlaufvermögen zum Ankauf von Reverse-flow-Erdgas zweckgebunden ist. So konnte Naftohaz 2015 etwa 1,7 Mrd. Kubikmeter Gas erwerben und den Kredit inklusive Zinsen komplett zurückzahlen. Entsprechend wurde er 2016 erneut gewährt. Die Kreditvereinbarung beinhaltet Bedingungen für eine transparente Abwicklung der Erdgaskäufe sowie eine Reform der Unternehmensführung von Naftohaz. Letztere war Gegenstand einiger politischer Auseinandersetzung in der Ukraine, da das Energieministerium die Kontrolle über Naftohaz an das Wirtschaftsministerium abgeben musste, dem Naftohaz nun unterstellt ist. Zusätzlich zu dem Kredit der EBRD konnte Naftohaz im Oktober 2016 nach mehr als einem Jahr andauernder Verhandlungen einen ähnlichen Kredit über 500 Mio. USD von der Weltbank erhalten.
Bislang läuft der Großteil der Gasimporte über Naftohaz (2015 etwa 95 %), dessen Großhandelssparte eine bevorzugte Behandlung genießt. Anders als private Versorger muss Naftohaz beim Kauf ausländischen Gases keine Umsatzsteuer zahlen, nicht vorfinanzieren, nicht die Hälfte des monatlich verbrauchten Gases in ukrainischen Speichern lagern und keine Finanzgarantien abgeben. Es scheint aber Anzeichen zu geben, dass private Importeure 2016 trotzdem eine größere Rolle spielen werden.
Durch Reverse Flows, einen geringeren Importbedarf und niedrige Gaspreise in der EU – die Gaspreise in Westeuropa halbierten sich von 27 Euro pro Megawattstunde im Januar 2013 auf 14 Euro pro Megawattstunde im Dezember 2015 – konnte die Ukraine deutlich günstigere Importpreise sichern. Begünstigend kam hinzu, dass Naftohaz seine Handelsbeziehungen mit EU-Standards in Übereinstimmung brachte (etwa durch Verwendung eines Standardvertrags), so dass auf konkurrierende europäische Versorgungsunternehmen wie Engie, Statoil, Trailstone und RWE gezählt werden konnte. Die Gesamtkosten für importiertes Gas fielen von etwa 11 Mrd. USD 2014 auf etwa 4,5 Mrd. USD 2015.
Die ungewöhnlich entspannte Gasmarktsituation in der EU war für die Ukraine ein glücklicher Umstand. Die EU-Unternehmen benötigten nicht die gesamte Erdgasmenge, zu deren Abnahme sie sich gegenüber dem russischen Erdgaskonzern Gazprom verpflichtet hatten, und aufgrund dieses Überangebots auf dem europäischen Markt konnte Gazprom Firmen, die Gas an die Ukraine zurückverkauften, nicht wirksam bestrafen. Mehrere EU-Gasunternehmen konkurrierten daher um Gaslieferungen in die Ukraine – was zu sehr moderaten Preisen für diese Reverse Flows führte. Für die Zukunft sind Reverse Flows allerdings mit verschiedenen Risiken behaftet, die nicht ignoriert werden sollten:
Durch Nord Stream II könnte Gazprom das Gastransitsystem der Ukraine und damit auch das der Slowakei größtenteils umgehen. So könnte Gazprom die Reverse Flows in die Ukraine verteuern (da die Ukraine nicht mehr im Zentrum, sondern am Ende der Pipeline läge).Eine angespanntere Gasversorgungssituation in der EU könnte EU-Gasunternehmen dazu bewegen, ihre eigenen Kunden zu bedienen, bevor sie überschüssiges Gas an die Ukraine verkaufen.Jegliche Unterbrechung der Gaslieferungen durch die Ukraine (beispielsweise im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Naftohaz und Gazprom über bestehende vertragliche Verpflichtungen) würde bedeuten, dass weniger Gas in den östlichen Mitgliedsstaaten der EU ankommt, welche dann kaum bereit sein würden, für volle Reverse Flows zu sorgen.
Erdgasproduktion
Die Gasproduktion in der Ukraine betrug im letzten Jahrzehnt etwa 20 Mrd. Kubikmeter pro Jahr. Der Großteil des Gases wird immer noch von staatlichen Unternehmen produziert – vor allem von UkrGasVydobuvannya (UGV), einem Tochterunternehmen von Naftohaz. Die Gasproduktion durch das staatseigene Unternehmen ChornomorNaftohaz im Schwarzen Meer nahe der Krim (1,7 Mrd. Kubikmeter 2013) wurde aus den Statistiken herausgenommen, da das Unternehmen derzeit nicht von der Ukraine kontrolliert wird. Es wurde Anfang 2014 vom Regionalparlament der Krim übernommen.
Die Produktion auf dem ukrainischen Festland ging 2015 gegenüber 2013 leicht zurück. Ein Grund dafür ist eine Parlamentsentscheidung vom Sommer 2014 über eine Verdoppelung der Konzessionsgebühren.
Es wird erwartet, dass die Ukraine ihre Gasproduktion deutlich steigern kann, wenn der regulatorische Rahmen produzentenfreundlicher gestaltet wird. Die wichtigsten regulatorischen Hemmnisse sind ungünstige Zugangsbedingungen für Privatunternehmen (bei Lizenzerhalt, Netzzugang, fehlende Rechtsstaatlichkeit und Besteuerung) und die niedrigen Gaspreise, die an staatliche Unternehmen gezahlt werden. Bezüglich beider Probleme wurden einige Verbesserungen erreicht. Die Steuererhöhungen von 2014 wurden Anfang 2016 teilweise zurückgenommen und zeitlich befristete Verpflichtungen, Gas an Naftohaz zu verkaufen, sind ausgelaufen. Wohl wegen der hochgradig politisierten Atmosphäre sind derzeit nur einige kleinere Privatunternehmen mit oligarchischen Interessen in der Lage, erfolgreich in der Ukraine zu operieren. Zwei große Öl- und Gasunternehmen – Shell und Chevron – haben Gasförderprojekte in der Ukraine eingestellt und Exxon musste seine Schwarzmeerprojekte wegen der Annexion der Krim stoppen. Die nähere Zukunft könnte jedoch grundlegende Veränderungen mit sich bringen. Wegen der jüngsten Preiserhöhung verkauft UGV jetzt Gas an Naftohaz zu einem regulierten Preis von 4,849 UAH pro Tausend Kubikmeter, das ist ein dreimal höherer Preis als zuvor. Mit 185 USD pro Tausend Kubikmeter stimmt der Erzeugerpreis jetzt mit den Importpreisen überein. Das sollte UGV Investitionen und eine steigende Produktion ermöglichen. Zudem diskutiert die Regierung eine Umstrukturierung von Naftohaz, wobei es eine Option ist, UGV durch Verkauf an einen westlichen Investor zu privatisieren.
Erdgastransit
Der Gastransit durch die Ukraine ist im vergangenen Jahrzehnt wegen des Baus von Nord Stream 1 (einer Pipeline durch die Ostsee direkt von Russland nach Deutschland), der vollen Auslastung der Transitroute durch Belarus und der sinkenden EU-Gasnachfrage deutlich zurückgegangen. Nach einem starken Abfall 2014 begann sich die Transitmenge 2015 zu stabilisieren. Von April 2015 bis März 2016 gingen 41 % des russischen Gastransits nach Zentraleuropa durch die Ukraine, 28 % durch Belarus und 31 % über Nord Stream.
Naftohaz gibt an, dass die auf der Grundlage des Gastransitvertrags von 2009 erzielten Einnahmen 2014 etwa 2 Mrd. USD betrugen. Ende 2015 brachte die ukrainische Energieregulierungsbehörde eine neue Tarifstruktur für den Gastransfer ins Gespräch, die auch die Gastransitpreise beträfe. Sie soll den momentan gültigen Gastransitvertrag mit Russland durch einen nichtdiskriminierenden Tarif ersetzen, der mit der EU-Gasgesetzgebung übereinstimmen würde. Diese Tarifregelung wurde entwickelt, um die Gastransitpreise stark zu erhöhen – es sei denn, Gazprom würde erhebliche Gastransitmengen bis über 2019 hinaus zusichern, wenn Gazprom die Inbetriebnahme von Nord Stream II plant. Da Nord Stream II die Ukraine umgehen soll, ist Gazprom nicht daran interessiert, sich über 2019 hinaus festzulegen, und besteht darauf, dass die Ukraine den bestehenden Gastransitvertrag erfüllt, der 2019 ausläuft. Naftohaz steht auf dem Standpunkt, der Transitvertrag würde nicht mit der EU-Gesetzgebung übereinstimmen, dem die Ukraine wegen ihrer Mitgliedschaft in der Energiegemeinschaft entsprechen muss. Unter anderem möchte Naftohaz die Zuständigkeit als Vertragspartner von Gazprom an Ukrtransgaz übergeben – damit Ukrtransgaz sich zu einem komplett entflochtenen Netzbetreiber entwickeln kann, der die Anforderungen des Dritten Energiepakets der EU erfüllt. Deswegen hat Naftohaz den Schiedsgerichtshof in Stockholm um ein Urteil zum Transitvertrag angerufen. Bis zu einer Schlichtung in Stockholm, zu der es nicht vor 2017 kommen wird, bleibt der momentane Transitvertrag gültig.
Reformen
Durch das IWF-Programm, die Mitgliedschaft in der Europäischen Energiegemeinschaft und das Assoziierungsabkommen mit der EU hat sich die Ukraine zu einer Öffnung der Erdgaswirtschaft verpflichtet sowie dazu, den staatseigenen vertikal integrierten Gasmonopolisten Naftohaz umzustrukturieren und die Gaspreise kostenorientiert zu gestalten. Das hat bereits zu wichtigen Reformen geführt – entscheidende Schritte stehen allerdings auch noch aus.
Preisanpassung
2014 waren die Gaspreise für Privathaushalte fünfmal niedriger als der Marktpreis, so dass die Regierung Ausgleichszahlungen an Naftohaz aus dem Staatshaushalt leistete. 2014 entsprachen diese Subventionen 5,7 % des Bruttoinlandsprodukts. Die große Bandbreite an Gaspreisen für verschiedene Verbraucher leistete einer massiven Korruption Vorschub und stand einem effizienten Energieverbrauch im Weg. Seit 2014 haben sich die Gaspreise für Privathaushalte versechsfacht. Auf der einen Seite hat dieser Preisanstieg sicherlich dazu beigetragen, die finanzielle Situation von Naftohaz zu stabilisieren, was wiederum eine Stabilisierung des Staatshaushalts bewirkte. Auf der anderen Seite hat er zu einem Rückgang der inländischen Gasnachfrage geführt und Anreize für Investitionen im effizienzsteigernden Bereich gesetzt.
Die letzte Preisanpassung fand im Mai 2016 statt. Zu diesem Zeitpunkt hob die neue Regierung der Ukraine – einigermaßen unerwartet und früher als zuvor mit dem IWF vereinbart – die Gas- und Heizpreise an, wohl um das IWF-Programm wieder zu erfüllen. Sie entschied in diesem Zuge, die bestehenden Preisnachlässe für Privatkunden und Fernwärmeunternehmen abzuschaffen, und schuf einen einheitlichen Preis, der an den Gasimportpreis gekoppelt ist. Entsprechend sind die Gaspreise seitdem ungefähr kostendeckend.
Gasmarktreform
Der ukrainische Erdgasmarkt war 2014 von staatseigenen Unternehmen und regulierten Preisen gekennzeichnet. Nur die Gasverteilung war privatwirtschaftlich organisiert – hauptsächlich durch Dmitro Firtaschs Group DF – und große Verbraucher konnten Gas zu Marktpreisen kaufen (wenn sie es schafften, Zugang zum Gastrannetz zu bekommen, ein Vorgang, der für seine Intransparenz berüchtigt war). Die Interessen der großen Oligarchen erschwerten (und erschweren weiterhin) eine Reform dieses Sektors.
Die internationalen Verpflichtungen der Ukraine gaben jedoch den nötigen Impuls für einen echten Reformprozess, der die ukrainische Gesetzgebung mit dem Dritten Energiepaket der EU in Übereinstimmung bringen soll. Das Gasmarktgesetz vom Oktober 2015 schafft die rechtliche Grundlage für eine »Entflechtung« (die Trennung des Betriebs des Leitungsnetzes von Gasproduktion und Versorgung) und eine Öffnung des Markts sowie für einen freien Zugang zur Gasinfrastruktur. Außerdem wurde der Gasmarkt liberalisiert, so dass sämtliche Kunden ihren Gasversorger nun frei wählen können, sodass sich kostenorientierte Preise im Wettbewerb bilden sollen.
Bis Anfang 2016 hat die Ukraine – mit Unterstützung der Energiegemeinschaft und anderer Partner – mehr als 50 Verordnungen und Durchführungsbestimmungen eingeführt, die nötig sind, um die volle Anwendung des Gesetzes abzusichern – einschließlich seiner Netzwerkcodes, Standardverträge, Bewilligungsvoraussetzungen, Methoden der Preiskalkulation, Vergleichs- und Überprüfungsverfahren, Berichtsformulare und Compliance-Programme. Etliche wichtige Elemente des ukrainischen Gasmarkts sind jedoch nach wie vor in der Diskussion. So müssen zum Beispiel die Regeln zur Gasbilanzierung und zum Gashandel noch angepasst werden. Außerdem stellt sich die Frage, ob eine bzw. welche Handelsplattform für Gas entwickelt werden soll, um einen transparenten, liquiden und wettbewerbsfähigen Markt zu schaffen. So fehlt momentan noch ein klares Referenz-Gaspreissignal für den ukrainischen Markt. Daher sind die Verbraucherpreise für Haushalte an deutsche hub future prices gekoppelt.
In der Vergangenheit hatte die Energieregulierungsbehörde, die bei der Festlegung wichtiger Preise (für Kohle, Stromerzeugung, Stromverbrauch etc.) eine wichtige Rolle spielt, starke Verbindungen in die Politik und zu bestimmten Oligarchen. Das Gesetz über eine unabhängige Energieregulierungsbehörde soll dieses Problem abschwächen. Stark forciert von den internationalen Geldgebern wurde es im Oktober 2016 verabschiedet.
Umstrukturierung von Naftohaz
Der staatliche Energiekonzern Naftohaz beschäftigt etwa 80.000 Menschen und kontrolliert den Gastransport, die Gasspeicher sowie einen Großteil der Gasimporte und der inländischen Produktion von Gas und Öl. Das Unternehmen stand in der Vergangenheit stets synonym für Verschwendung, Korruption und Intransparenz. Oligarchen mit Zugang zum Naftohaz-Management konnten beträchtliche Gewinne aus dem Gasgeschäft erzielen (als der ukrainische Erdgasverbrauch bei 50 Mrd. Kubikmeter lag und der internationale Preis bei 400 USD pro Tausend Kubikmeter, belief sich der Großhandelsumsatz für Gas auf 20 Mrd. USD pro Jahr).
Die Umstrukturierung von Naftohaz ist also eine Grundvoraussetzung, nicht nur für einen funktionierenden Gasmarkt, sondern auch zur Bekämpfung der politischen Korruption. Erstens reduzierte Naftohaz dank der gestiegenen Preise, der zurückgehenden Nachfrage auch für subventioniertes Gas, der strengen Anforderungen zur Erhöhung der Finanzdisziplin, der Verpflichtung der Verbraucher, Naftohaz im Voraus zu bezahlen, und der Instrumente zur Schuldeneintreibung seinen Verlust deutlich, von 5,7 Mrd. Euro 2014 auf 1 Mrd. Euro 2015. Zweitens wurde ein neues Management eingesetzt, das eine Verbesserung der Unternehmensleitung anstrebte, die Transparenz deutlich erhöhte (2014 veröffentlichte Naftohaz erstmals einen umfassenden Geschäftsbericht) und den Kontakt mit inländischen und internationalen Stakeholdern verbesserte. Das Beschaffungswesen wurde reformiert und vor allem führte der neue Leiter der Produktionssparte UkrGasVydobuvannya (UGV) Oleg Prokhorenko einen anscheinend ziemlich erfolgreichen Kampf gegen die interne Korruption. 2015 wurde die Kontrolle über Naftohaz vom Energie- an das Wirtschaftsministerium übertragen. Im Frühjahr 2016 wurde ein neuer Aufsichtsrat von Naftohaz gewählt, unter dessen fünf Mitgliedern drei erfahrene Personen aus der westlichen Erdgasbranche sind. Anfang 2017 wird der Aufsichtsrat in vollem Umfang tätig sein – und damit auch das Management bestimmen können.
Um die Effizienz von Naftohaz zu steigern (und die Anforderungen des Dritten Energiepakets zu erfüllen), muss das vertikal integrierte Unternehmen wirksam entflochten werden. Nach dem endgültigen Urteil im Streit zwischen Gazprom und Naftohaz werden Gastransfer und Speicherkapazitäten an das neue Unternehmen »Gaspipelines der Ukraine« übertragen. Diese Entscheidung des Ministerkabinetts vom November 2016 klärt die zukünftige Struktur des ukrainischen Gassektors allerdings nicht wirklich, sondern verschiebt dieses politisch heikle Thema in die Zukunft.
Eine ausführlichere englische Version dieses Beitrags ist veröffentlicht worden als: Georg Zachmann: Reaching the point-of-no-return for Ukraine’s gas sector, German Advisory Group. Institute for Economic Research and Policy Consulting, Policy Paper [PP/03/2016], im Internet verfügbar unter <https://www.beratergruppe-ukraine.de/wordpress/en/publications/policy-papers/>