Privatbank-Verstaatlichung: Eine erste (polit-)ökonomische Einschätzung

Von Gunter Deuber (Raiffeisen Bank International, Wien)

Zusammenfassung
Ende Dezember wurde nicht gänzlich überraschend die größte Bank in der Ukraine, die Privatbank, verstaatlicht. Dieser überfällige Schritt – offiziell nach einem Ansuchen der Eigentümer – ist wesentlichen Entscheidungsträgern nicht einfach gefallen, passt aber zu Forderungen von IWF und anderen Unterstützern nach mehr Strukturreformen (inklusive Begrenzung von Schattenwirtschaft und Korruption). Begünstigend kam hinzu, dass zu diesem Zeitpunkt das Risiko von Verwerfungen an den Finanzmärkten lokal und international begrenzt war. Auf jeden Fall wurde die Position der reformorientierten Notenbank durch die Verstaatlichung gestützt. Aus gesamtwirtschaftlicher und politischer Perspektive ist nun entscheidend, dass die betriebswirtschaftlich bzw. regulatorisch gesehen notwendige Umstrukturierung bzw. Teilabwicklung des Kreditinstitutes entschlossen und ohne Elemente eine »Oligarchenspiels« vollzogen wird. Nur so ist eine längerfristig ratsame (Teil-)Reprivatisierung vorstellbar.

(Zwangs-)Verstaatlichung nicht überraschend

In den Tagen vom 15. bis 18. Dezember ist letztlich der durchaus politische aber nicht völlig überraschende Entschluss zur Verstaatlichung der ukrainischen Privatbank gefallen. In den letzten Jahren wurde von vielen Seiten Zweifel an der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells der Privatbank angemeldet. Zwar war die Privatbank in den letzten zwei Jahren moderat profitabel (ohne aber die Kapitalkosten zu verdienen), doch gab es genügend Anzeichen für die Notwendigkeit einer umfassenden Umstrukturierung.

Letzteres hängt auch damit zusammen, dass zwei prominente ukrainische Oligarchen Mehrheitseigentümer der Privatbank waren und die Privatbank stark auf ihre in der Privat-Gruppe zusammengefassten Geschäftsinteressen (mit starkem Fokus auf die Ostukraine) ausgerichtet waren. Die Privatbank hat deshalb vor allem Kredite an sog. befreundete Entitäten (vor allem mit Sitz in der Ostukraine) vergeben, was in Aufsichtskreisen »related party lending« genannt wird.

Angesichts dieser Ausrichtung verschlechterte sich die Qualität der Aktiva der Bank erheblich. Die Quote der notleidenden Kredite verdoppelte sich in den letzten Jahren, im Firmenkundengeschäft waren gemäß offiziellen Zahlen mindestens 30 % der Kreditengagements notleidend. Des Weiteren musste die Privatbank 2015 einige internationale Obligationen und weitere Auslandschulden umstrukturieren, was nicht für eine uneingeschränkte Solidität der Bank spricht. Zudem war das Kreditinstitut in den letzten Jahren in dubiose bzw. betrügerische Transaktionen (wie Steuervermeidung und mögliche Kapitalflucht) involviert und zugleich auf umfassende Notenbankfinanzierung angewiesen. Ferner erhärtet sich nach der Verstaatlichung auch der Verdacht, dass zuvor die Bewertung von Kredit­sicherheiten (unter Beteiligung einer international renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) nicht ordnungsgemäß gehandhabt wurde.

Gemäß jüngsten Schätzungen waren 90 % bis 97 % der Kreditengagements der Privatbank an befreundete Entitäten gegangen, während frühere Notenbankschätzungen, die nun hinterfragt werden müssen, von 30 % bis 40 % ausgegangen waren. Prinzipiell wurden die meisten großen (Firmenkunden-)Kreditengagements der Privatbank über komplexe Holding- und Briefkastenfirmenstrukturen gemäß nationalem oder internationalem Recht bzw. über direktes Offshoring abgewickelt.

Der Fokus auf das sog. »related party lending« in intransparenten Firmenstrukturen gekoppelt mit der regionalen Konzentration auf die Ostukraine birgt aus regulatorischer Sicht folgenschwere betriebswirtschaftliche Klumpen- bzw. Konzentrationsrisiken, während Offshoring-Aktivitäten in Anbetracht der ukrainischen Kapitalverkehrsbeschränkungen zu Kapitalflucht beitragen können. Zudem kann exzessives »related party lending«, vor allem wenn von der größten Bank eines Landes betrieben, volkswirtschaftlich eine suboptimale Kapitalallokation fördern bzw. es werden ökonomisch nicht rationaler Kreditentscheidungen getroffen und intransparente Wirtschaftsstrukturen gefördert.

Der ukrainische Bankensektor steht derzeit unter massivem Anpassungsdruck in Bezug auf die Geschäftspraktiken (v. a. das »related party lending«) und regulatorische Anforderungen (etwa in Bezug auf die Kapitalausstattung). Diesem Anpassungsdruck, ausgehend vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der ukrainischen Notenbank (Nationalbank der Ukraine – NBU), war die Privatbank in Bezug auf mehrere Dimensionen – wie auch viele andere Marktakteure in den letzten Jahren – nicht gewachsen. In den letzten zwei bis drei Jahren wurden fast 100 Banken in der Ukraine geschlossen, 2015 mit der Delta Bank auch ein größeres Kreditinstitut und von Januar 2016 bis Mitte Februar 2017 wurden 16 Banken geschlossen und weitere vier haben sich selbst liquidiert.

Für die Privatbank wurden mehrere Umstrukturierungspläne mit der NBU vereinbart, der letzte umfassende (inkl. einer Rekapitalisierungs-Vereinbarung) im Februar 2016. Nach jüngsten Angaben der NBU war die Privatbank hier deutlich im Verzug. Insofern war die Privatbank-Verstaatlichung letztendlich aus regulatorischer Sicht – obwohl von Teilen des Privatbank-Managements zunächst als »feindliche Übernahme« bezeichnet – nur konsequent und im Einklang mit der Stoßrichtung des aktuellen Abkommens mit dem IWF und weiteren Unterstützern. Die nachhaltige Stabilisierung, Rekapitalisierung und Reformierung des Bankensektors (einschließlich Überwachung und Reduzierung von »related party lendings«) wird vom IWF und anderen Unterstützern (etwa der EU, anderen G7 Staaten oder der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, EBWE) als Voraussetzung für nachhaltige gesamtwirtschaftliche Perspektiven gesehen.

Zeitpunkt und Ablauf der Verstaatlichung

Die Privatbank-Verstaatlichung über das Wochenende in einer eher ruhigen Kalenderperiode kurz vor Jahresende (und damit wichtigen Bilanzstichtagen) und im Zusammenspiel mit umfassenden vertrauensbildenden Schritten entspricht prinzipiell internationalen Marktstandards. Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen gehörten eine 100 % Garantie der Privatbank-Einlagen durch den Staat (ein Privileg, das bisher nur die Oschadbank hatte) oder öffentliche vertrauensbildende Stellungnahmen relevanter politischer Akteure und der NBU. Auch das rasche Einbringen von staatlichem Kapital über das Finanzministerium, welches dann einen Übergang der Eigentümerschaft begründet, sowie die Bereitstellung neuer Notenbankrefinanzierungslinien entsprechen internationalen Standards.

Die Verstaatlichung erfolgte nachdem sich zuvor Gerüchte am Markt, in der Presse und in sozialen Medien über eine angespannte Liquiditätssituation der Privatbank deutlich intensivierten und zugleich heftige Abflüsse von Geldeinlagen bei der Privatbank zu beobachten waren. Diese waren an einzelnen Tagen höher als zuvor in gesamtwirtschaftlichen Krisenzeiten. Solche teils von Gerüchten und Falschinformationen genährte Prozesse sind per se nicht unüblich im Vorfeld von Bankenpleiten. Im spezifischen Kontext der Ukraine gab es in der Öffentlichkeit und in Branchenkreisen (einschließlich Vertretern des Managements der Privatbank) natürlich auch Spekulationen, dass eine gezielte Stimmungsattacke gegen die Bank ins Rollen gebracht wurde. Letztendlich suchten die Mehrheitseigentümer der Privatbank dann nach Gesprächen mit der Staatsführung und NBU formell um eine staatliche Übernahme an.

Möglichst rasch wurden personelle Umstrukturierungen angegangen und schon am 23. Dezember ein neuer Aufsichtsrat geformt. Dieses Leitungsgremium besteht nun aus sieben Personen, fünf Repräsentanten des IWF, der EBWE, der Weltbank und des Finanzministeriums sowie zwei unabhängigen Bankfachleuten und Krisenmanagern (einer davon wurde zum Aufsichtsratsvorsitzenden bestellt). Zuvor bestand der Aufsichtsrat aus drei Personen, zwei davon die vorigen Mehrheitseigentümer. Angesichts zunehmender Verdachtsmomente bei der Bewertung von Kreditsicherheiten wurde unlängst auch ein neuer Wirtschaftsprüfer bestellt. Prinzipiell verpflichteten sich die bisherigen Mehrheitseigentümer konstruktiv bei der Umstrukturierung der Privatbank mitzuwirken, was sich vor allem auch die Großkundenkredite gegenüber ihnen teils nahe stehenden Entitäten bezieht. Wie diese Verpflichtung tatsächlich umgesetzt wird ist derzeit unklar.

Der Zeitpunkt der Verstaatlichung passt zu den langfristigen Entwicklungstrends des ukrainischen Banksektors. Die Privatbank bzw. ihre Eigentümer konnten oder wollten regulatorischen Forderungen (v. a. auch der Re-Kapitalisierung) nicht nachkommen; andere wichtige Mitwettbewerber haben dies getan, teils auch mit Hilfe internationaler Geldgeber (wie der EBWE). Mit der Verstaatlichung bleibt auch der insgesamt positive Blick externer Unterstützer auf die Bankenreform bestehen.

Gleichzeitig ist beachtenswert, dass die Verstaatlichung der Privatbank aber auch erst erfolgte nachdem in den letzten Monaten umfassende Informationen über die wahre Dimensionen der intransparenten Geschäftsaktivitäten im »related party lending« an die (internationale) Öffentlichkeit gelangten. Zudem ist hier von Interesse, dass gerade im Herbst 2016 der politische Druck auf die NBU nochmals besonders groß wurde, da es Gesetzesinitiativen gab ihre Unabhängigkeit einzuschränken. Allerdings wurden in 2016 auch wichtige Schritte zur Korruptionsbekämpfung gemacht und es war immer klar, dass in diesem Zusammenhang auch die spezifischen »related party lending« Praktiken im Bankensektor angegangen werden. Zudem wurde innerhalb der NBU in den letzten Jahren viel Personal ausgetauscht, ein Prozess der die Unabhängigkeit der NBU stärkte. Insofern ist die Privatbank-Verstaatlichung zum jetzigen Zeitpunkt klar als Teil eines länger angelegten politischen Prozesses zu sehen.

Einerseits hätten das problematische Geschäftsmodell der Privatbank und für den Wettbewerb im Bankensektor schädliche aggressive Geschäftspraktiken bereits früher regulatorische Einschränkungen der Privatbank gerechtfertigt, andererseits war die Privatbank-Verstaatlichung wohl erst jetzt ohne Kollateralschaden möglich war. In den letzten zwei Jahren wurden große Teile des Bankensektors reformiert (inklusive Kapitalerhöhungen), wodurch nun andere Kreditinstitute schockresistenter sind und sich die Refinanzierungs- und Ertragslage im Bankensektor allgemein 2016 stabilisiert hat. Zudem erfüllt die Ukraine bis dato die meisten harten ökonomischen Auflagen des IWF-Beistandsabkommens und die Devisenreserveposition ist weniger kritisch als noch vor ein oder zwei Jahren. Somit hat sich die Risikowahrnehmung am internationalen Finanzmarkt leicht verbessert und es wurde eine gewisse Erwartungs- und Marktstabilität – auch auf dem heimischen Devisenmarkt – erreicht. Daher war nun das Risiko geringer, dass die Privatbank-Verstaatlichung eine Banken-, Währungs- und Vertrauenskrise auslösen könnte.

Insofern ist die Verstaatlichung in gewisser Weise auch der Kulminationspunkte der länger angelegten Umstrukturierung des Bankensektors. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Privatbankthematik eine Teilvereinbarung, zumindest informellerer Natur, zur Genehmigung weiterer IWF-Zahlungen war. Zudem stärkt die Privatbank-Verstaatlichung die Rolle der eher reformorientierten NBU in Bezug. So konnten etwa nach der Privatbank-Verstaatlichung (und damit einem geringeren Risiko dubioser Transaktionen) einige Devisenmarktrestriktionen für andere ukrainische Banken – ohne negative Wechselkursfolgen – gelockert werden.

Zu groß und zu vernetzt um zu fallen

Prinzipiell gab es keine Alternative zur Verstaatlichung. Im Februar 2016 (als der letzte umfassende Restrukturierungszeitplan mit der Privatbank vereinbart wurde) erklärte die NBU drei Banken in der Ukraine (Privatbank, Oschadbank und Ukreximbank) zu sogenannten systemisch wichtigen Banken. Mit diesem Status gehen erhöhte regulatorische Anforderungen einher; aber selbstverständlich auch eine gewisse behördliche Verantwortung. Zudem ist die Privatbank in Bezug auf die Bilanzsumme eben die größte Bank der Ukraine.

Dementsprechend ist ihre Vernetzung und gesamtwirtschaftliche Bedeutung immens. Die Privatbank betreibt mit etwa 25.000 Mitarbeitern ca. 2.500 Filialen und über 7.500 Geldautomaten in der Ukraine. Damit ist das Kreditinstitut auch eine Säule im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr der Ukraine. Etwa 50 % aller Transaktionen im nationalen Zahlungsverkehr werden unter Einbezug der Privatbank abgewickelt. Auf der Einlageseite hat die Privatbank insgesamt einen Marktanteil von 20 % bis 30 %. Die Privatbank hat etwa 20 Millionen eigene Kunden, darunter fast 5 Millionen aus einkommensschwachen Teilen der ukrainischen Bevölkerung. In Teilsegmenten des Privatkundenmarktes hat die Privatbank sogar Marktanteile von fast 50 %, während die jeweils stärksten Mitbewerber »nur« auf 5 % bis 18 % kommen.

Das immense Einlagevolumen wurde teils durch sehr attraktive Konditionen – deutlich über denen von größeren Wettbewerbern mit einem klassischen Geschäftsbankenmodell – angeworben. Die (vermeintlich) attraktiven Einlagekonditionen deuteten zwar auf gewisse bankspezifische Risiken hin, doch haben sich viele Einleger wohl auf eine implizite Staatsgarantie, begründet durch die Größe der Bank und den Status der Privatbank als Systembank, verlassen. Wobei zu betonen ist, dass die Privatbank es auch verstanden hat sich mit aus Kundensicht attraktiven Bankdienstleistungen, Zusatzangeboten und digitalen Innovationen als attraktive Privatkundenbank zu positionieren. Das durchaus renommierte internationale Fachmagazin »The Banker« prämierte die Privatbank sogar noch in 2016 als »Bank des Jahres in der Ukraine«, wobei die Privatbank 2015 und 2016 auch einige weitere Branchenauszeichnungen erhielt.

Kritische Beobachter hatten die Privatbank indes schon lange als »Staubsauger« für Privatkundeneinlagen ukrainischer Kleinsparer bezeichnet, die dann in das intransparente Firmennetzwerk der Privat-Gruppe eingebracht wurden. Etwa 80 % der Gesamteinlagen der Privatbank kamen von Privatkunden, während 85 % der Kredite an Firmenkunden und (vor allem von der Privat-Gruppe betriebenen) Briefkastenfirmen vergeben wurden. Prinzipiell war die Privatbank damit das Herzstück der Privat-Gruppe. Letztere war nie eine juristisch definierte und transparente juristische Entität und ist (mit Beteiligungen in den Bereichen Schwerindustrie, Energie und Medien) seit Jahren eines der größten Oligarchen-Konglomeraten in der Ukraine und der GUS-Region insgesamt. Ökonomisch gesprochen war die Privatbank damit eher ein äußerst intransparenter risikoorientierter Private-Equity Fonds mit internationalen Offshoring-Aktivitäten (wichtige Auslandsstandorte der Privatbank waren v. a. Zypern, Lettland, Russland, Italien und Portugal), finanziert durch ukrainische Kleinsparer und abgesichert über eine (implizite) Staatsgarantie.

Die nun vollzogene Verstaatlichung kann man den verantwortlichen Akteuren nicht prinzipiell vorhalten. Es ist vielmehr zu fragen, warum ein Kreditinstitut wie die Privatbank mit einem solchen Geschäftsmodell eine systemische Dimension erlangen konnte. Wobei auch einige internationale Akteure (Ratingagenturen, andere Banken) lange eine zu optimistische Sicht auf die Aktivitäten der Privatbank hatten – oder eben auf eine staatliche Stützung setzten.

Unmittelbare und mittelbare Implikationen

Die unmittelbaren finanziellen Implikationen der Verstaatlichung sind immens. Zur Stützung der Privatbank sind gemäß aktuellem Kenntnisstand etwa 140–150 Mrd. Griwnja bzw. 4,5 bis 5,5 Mrd. US-Dollar notwendig. Diese Summe übertrifft das für die kommende Jahre im IWF-Programm als Zielparameter vereinbarte gesamtstaatliche Haushaltsdefizit für die nächsten Jahre. Die zur Verstaatlichung notwendigen Gelder sind allerdings in den Staatshaushalt integrierbar, da zunächst vor allem eine Refinanzierung durch staatliche Lokalwährungsanleihen bzw. auf dem lokalen Markt (inklusive der NBU) notwendig ist und hier schon großvolumige und lange laufende Anleihen emittiert wurden. Auf dem lokalen Finanzmarkt herrschen derzeit gute Refinanzierungsmöglichkeiten vor, da die verbliebenen Kreditinstitute in der Ukraine tendenziell überliquide sind (d. h. über deutlich mehr Einlagen verfügen, als sie derzeit im Kreditgeschäft verwendbar).

Allerdings sind die zur Stabilisierung der Privatbank notwendige Summen substanziell in Relation zu den Gesamtaktiva der Privatbank (in der Ukraine), die sich in den letzten Jahren auf »nur« etwa 11 bis 12 Mrd. US-Dollar beliefen. Angesichts der Verstaatlichung und der notwendigen Summen zur Stabilisierung der Privatbank ist es auch konsequent, dass verbliebende internationale institutionelle Anleihegläubiger der Bank über einen sog. »Bail-in« bzw. das Abschreiben ihrer Anleihen im Nominalwert von ca. 600 Mio. Millionen einen gewissen Beitrag zur Sanierung der Bank machen müssen – zumal viele dieser Investoren äußert spekulative Akteure sind, denen die Risiken der internationalen (Re-)Finanzierung der Privatbank spätestens seit der Umschuldung von internationalen Anleihen 2015 offensichtlich bekannt waren und zumal der »Bail-in« im Einklang mit ukrainischem (Einlagensicherungs-)Recht steht.

Herkulesaufgabe Restrukturierung und Re-Privatisierung

Internationale Geldgeber und Partner der Ukraine (IWF, EU, EBWE) haben in ersten Stellungnahmen die Verstaatlichung der Privatbank als positiven Schritt zur Sicherung der Finanzstabilität und für die Reformperspektiven des Landes bewertet. Es ist aber derzeit noch nicht abzusehen, inwiefern die Privatbank-Verstaatlichung zu einem nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Reformprozess beitragen kann. Durch die engen Verflechtungen der Privatbank mit weiteren Aktivitäten der Privat-Gruppe stehen in den kommenden Monaten oder auch Jahren viele Vermögenswerte in der Ukraine zur Disposition.

Perspektivisch ist nun wichtig, dass bei der Umstrukturierung und Teilabwicklung der Privatbank nicht der Eindruck einer erneuten Vermögens- und Wirtschaftsmachtumverteilung »traditioneller ukrainischer Spielart« innerhalb enger Kreise der ukrainischen Wirtschaftselite entsteht. Zudem darf die eventuell anstehende juristische Aufarbeitung der Privatbank-Aktivitäten nicht von Partikularinteressen geprägt sein oder wichtige Aspekte vorsätzlich ausblenden. Zudem gilt zu beachten, dass es in der Ukraine mit der International Investment Bank (MIB), der KredytDnipro Bank und der First Ukrainian International Bank immer noch mindestens drei größere Banken (mit etwa 7 % bis 8 % Marktanteil) gibt, die wichtigen Personen des öffentlichen Lebens bzw. Oligarchen (inklusive dem Präsidenten) nahe stehen. Für eine glaubwürdige Umstrukturierung des ukrainischen Bankensektors ist es damit entscheidend, dass auch diese Banken im regulatorischen Fokus bleiben und nun nicht attraktive Teile der Privatbank günstig bei diesen Banken landen. Insofern ist es auch etwas überraschend, dass die NBU unlängst erklärte, dass die Restrukturierung im Bankensektor nun größtenteils abgeschlossen wäre.

Nach der Privatbank-Verstaatlichung befinden sind nun knapp 50 % des Bankensektors in Staatseigentum; zuvor waren es 20 % bis 25 %. Dies birgt vor dem Hintergrund der institutionellen Rahmenbedingungen in der Ukraine mittelfristige Risiken. Hier wäre vor allem das Risiko einer Rückkehr zu »related party lending« Praktiken zu nennen bzw. so könnten insgesamt massive Marktverzerrungen entstehen. Daher sollte der nun sehr hohe Staatsanteil im Bankensektor nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden.

Allerdings ist eine Re-Privatisierung unter Beteiligung einer größeren westeuropäischen bzw. nicht-russischen Auslandsbank in den kommenden Jahren kaum realistisch. Viele westeuropäische Banken haben in den letzten Jahren eher negative Erfahrungen in der Ukraine gemacht bzw. bewusst den ukrainischen Markt verlassen; letzteres auch unter Akzeptanz teils erheblicher Verluste. Noch verbliebene Akteure beschränken sich auf eng abgegrenzte Geschäftsfelder bzw. verfolgen sog. »Nischenspieler«-Strategien. Daher ist mittelfristig eher eine Kapitalbeteiligung von relevanten internationalen Finanzorganisationen an der Privatbank realistisch, worauf in einem optimistischen Restrukturierungsszenario (bei gesamtwirtschaftlicher Stabilität) dann in vier bis sechs Jahren eine (Teil-)Privatisierung folgen könnte. Am wahrscheinlichsten erscheint in einem solchen Fall entweder eine Rückführung in ukrainische (Teil-)Eigentümerschaft, während eine Beteiligung einer Auslandsbank eher unwahrscheinlich ist bzw. hier in Abhängigkeit der politischen Großwetterlage noch russische oder als spekulative Option etwa chinesische Kreditinstitute in Frage kommen würden. Dabei ist auch zu beachten, dass mit der Oschad- und Ukreximbank schon zwei weitere größere Kreditinstitute in staatlicher Eigentümerschaft ebenfalls (teil-)privatisiert werden sollen. Damit gibt es einen Käufermarkt (mit ungünstigen Bedingungen für den Verkäufer) für Bankbeteiligungen in der Ukraine, während Investoren eher an kleineren Entitäten wie der Oschad- und Ukreximbank interessiert sein könnten. Dies bedeutet, dass große Teile der Privatbank wohl abgewickelt werden müssen.

Die anstehende umfassende Restrukturierung und dann denkbare Re-Privatisierung der Privatbank sind beides gesamtwirtschaftlich, betriebswirtschaftlich und politisch gesehen Herkulesaufgaben. Relevante Akteure müssen beweisen, dass eine entschlossene, professionelle und transparente Umstrukturierung und Teilabwicklung der Privatbank vollzogen wird. Der Bevölkerung wäre es kaum vermittelbar, wenn über die bisherigen Summen hinaus weitere substanzielle Mittel zur Sanierung der Privatbank aufgebracht werden müssen bzw. deutlich würde, dass die bisherigen Mehrheitseigentümer viele ihrer wirtschaftlichen Probleme dem ukrainischen Steuerzahler übergeben haben. Auch wäre es kaum vermittelbar, wenn es in Teilbereichen zu einer für Einzelpersonen lukrativen Zerschlagung kommt. Was für die Bevölkerung gilt, gilt gleichermaßen für wichtige Kooperationspartner der Ukraine wie etwa IWF, Weltbank, EU und EBWE.

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