Überraschende Entwicklung mit offenem Ausgang: die Ukraine-USA-Beziehungen

Von Susan Stewart (Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin)

Zusammenfassung
Als Präsident Trumps Amtszeit im Januar 2017 begann, gingen viele Beobachter von einer Verbesserung des russisch-amerikanischen Verhältnisses aus, was vielschichtige Folgen für die Ukraine gehabt hätte. Anderthalb Jahre später ist das Verhältnis sehr angespannt, während die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine weiter ausgebaut werden. Der vorliegende Beitrag erläutert die Faktoren, die für diese überraschende Entwicklung verantwortlich sind, und fragt nach der Nachhaltigkeit des derzeitigen Modells der Beziehungen.

Es hätte auch so aussehen können: Drei Wochen nach seiner Inauguration trifft sich Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die beiden haben auf Anhieb einen guten Draht zueinander. Putin gelingt es, Trump zu überzeugen, dass die Ukraine historisch und kulturell gesehen zu Russland gehört und deswegen in die russische Einflusssphäre fällt. Dies bedeutet, dass Russland eine privilegierte Stellung genießt und dass die USA sich im Wesentlichen heraushalten werden, was die Entwicklung im Land sowie seine außen- und sicherheitspolitische Orientierung betrifft. Im Gegenzug wird Russland sein Vorgehen im Nahen und Mittleren Osten mit den USA abstimmen. Die beiden Länder werden einen gemeinsamen Ansatz im Bereich der Terrorismusbekämpfung ausarbeiten. Eine Arbeitsgruppe zu diesem Zweck hat sich bereits gebildet und erste Vorschläge erarbeitet.

Stattdessen wurden die Sanktionen gegen Russland mehrmals verschärft, die Ukraine mit letalen Waffen beliefert und die Zusammenarbeit mit ihr im Energiebereich intensiviert. Im Juli 2017 wurde ein Sonderbeauftragter für die Ukraine, Kurt Volker, ernannt. Zwei Begegnungen zwischen Trump und Putin fanden im Juli 2017 im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg statt, haben aber zu keinen greifbaren Ergebnissen geführt. Ein Neustart der Beziehungen zu Russland kam nicht zustande, geschweige denn ein »grand bargain«, wie manche gehofft bzw. befürchtet hatten.

Welche Faktoren erklären die überraschend kooperative und intensive Entwicklung der Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine seit dem Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump? Und wie wahrscheinlich ist es, dass diese Situation von Dauer sein wird?

Erklärungsmuster für die Entwicklung der USA-Ukraine-Beziehungen unter Trump

Vier Faktoren zusammengenommen liefern eine plausible Erklärung für den Verlauf der Beziehungen in den letzten anderthalb Jahren. Diese hängen stark vom Stand des russisch-amerikanischen Verhältnisses ab. Erstens haben zunehmende Indizien für russischen Einfluss bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 ein Klima geschaffen, in dem es für Donald Trump fast unmöglich ist, die Beziehungen zu Russland voranzutreiben. Nicht nur haben russische Akteure versucht, über soziale Medien einen Teil der öffentlichen Meinung in den USA im Wahlkampf zu beeinflussen, sondern es gibt auch Vertraute von Trump, die den Kontakt zu offiziellen russischen Stellen oder deren Vermittlern geleugnet bzw. nicht offengelegt haben. Hierzu gehören wohl Trumps Schwiegersohn Jared Kushner sowie der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn. Außerdem weist einiges darauf hin, dass Trump den ehemaligen Leiter des FBI James Comey unter anderem deswegen entlassen hat, weil Comey derartige Kontakte näher untersuchen wollte. Auch in Bezug auf Robert Mueller, der die Untersuchung von Comey fortsetzt, gibt es Hinweise darauf, dass Trump ihn abgesetzt sehen möchte. Mueller hat inzwischen viel Material zur russischen Einmischung in die Wahlen gesammelt. Vor diesem Hintergrund sieht jede Parteinahme Trumps für Putin bzw. Russland suspekt aus. Dies öffnet wesentlich mehr Raum für die Entwicklung der Beziehungen zur Ukraine, als es ohne dieses Klima des Misstrauens gegenüber Russland gegeben hätte.

Zweitens ist es zu einer unüblichen Einigkeit von Demokraten und Republikanern in Bezug auf Russland gekommen. Dies hängt eng mit dem ersten Punkt zur russischen Einmischung zusammen. Die Demokraten sind sehr empört über die zahlreichen Indizien, dass russische Akteure konsequent versucht haben, die Wahlen zu beeinflussen. Diese Empörung führt zu einer russlandfeindlichen Einstellung, die bei den Demokraten in der Regel weniger präsent ist. Die Republikaner hingegen sind traditionell eher russlandkritisch. Diese Kombination hat zur Folge, dass im Kongress eine seltene Einheit im Hinblick auf die Ansicht zum Umgang mit Russland (und dadurch auch weitgehend mit der Ukraine) herrscht.

Hinzu kommt drittens, dass viele Mitglieder des Kongresses das Gefühl haben, ihre Prärogativen als Gesetzgeber gegen die Interessen von Donald Trump schützen zu müssen. Dies führt zu einem hohen Grad von Solidarität innerhalb der beiden Kammern des Kongresses. Diese Solidarität mischt sich mit der oben angesprochenen Einheit in der Russlandfrage. Sie hat klare Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Abgeordneten bei Themen, die Russland und die Ukraine betreffen. Dies wurde vor allem beim Thema Sanktionen deutlich. Da die Abgeordneten die Frage, ob die Russlandsanktionen fortgesetzt werden, nicht dem Präsidenten überlassen wollten, verabschiedeten sie ein Gesetz, das die Kompetenzen des Gesetzgebers bei künftigen Entscheidungen in diesem Bereich stärkt. Für Trump wäre es politisch schwierig gewesen, in diesem Fall ein Veto einzulegen. Ein solches Veto hätte auch keine Wirkung gehabt, da das Gesetz mit der überwältigenden Mehrheit der Stimmen in beiden Kammern angenommen wurde. Zu der Solidarität auf inhaltlicher Ebene kommt also noch der Schutz der Gewaltenteilung hinzu.

Viertens hat Trump zu Anfang seiner Präsidentschaft ein Team ausgewählt, das mit der Zeit eine kohärente Linie in Bezug auf Russland und die Ukraine entwickelt hat, die eher der Haltung des Kongresses entspricht als der, die von Trump in seinem Wahlkampf vertreten wurde. Zu Beginn bestand dieses Team aus dem Außenminister Rex Tillerson, dem Verteidigungsminister James Mattis und dem Sicherheitsberater Herbert McMaster. Später kam Kurt Volker in seiner Eigenschaft als Ukrainebeauftragter hinzu, der von Tillerson ernannt wurde. Nach dem ersten Jahr der Trump-Präsidentschaft hatte sich bei den Mitgliedern dieses Teams eine klare Position herausgebildet, die die russische Annexion der Krim und die Destabilisierung des Donbas klar verurteilte und Sanktionen diesbezüglich ausdrücklich unterstützte. Sie sah eine Änderung der russischen Haltung zur Ukraine und entsprechende Handlungen als notwendige Voraussetzung für eine grundsätzliche Besserung des US-amerikanischen Verhältnisses zu Russland an und war bereit, der Ukraine substantielle Unterstützung, auch militärischer Art, zukommen zu lassen.

Aus all diesen Gründen hat sich die Politik der USA vis-à-vis Russland und der Ukraine seit Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump wesentlich anders entwickelt als von den allermeisten Beobachterinnen und Beobachtern erwartet. Unten wird der Frage nachgegangen, wie stabil diese Politik ist. Aber um diese Einschätzung vorzunehmen, ist es hilfreich, sich zwei Bereiche des Verhältnisses zwischen der Ukraine und den USA näher anzuschauen.

Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Energie

Die Ukraine-USA-Beziehungen sind aus nachvollziehbaren Gründen auf einige Bereiche begrenzt. Die geografische Distanz zwischen den beiden Ländern macht bestimmte Arten der Zusammenarbeit schwierig, die für die EU bzw. für einige ihrer Mitgliedstaaten möglich und sinnvoll sind. Außerdem haben die USA insbesondere unter der Präsidentschaft von Barack Obama ihr Interesse an und ihr Engagement in der Region heruntergefahren. Nach dem Euromaidan ab dem Herbst 2013 und vor allem nach der russischen Aggression gegen die Ukraine ab Februar 2014 wurde die Zurückhaltung der USA allerdings wesentlich schwieriger zu begründen. In der neuen geopolitischen Lage wurde die Kooperation zwischen den beiden Ländern wesentlich intensiver, und die Unterstützung für die Ukraine (auch durch Sanktionen gegen Russland) hat erheblich zugenommen. Interessant sind vor allem der Sicherheitsbereich – wegen der heiklen geopolitischen Situation, in der sich die Ukraine befindet – und der Energiebereich, der sich dynamisch entwickelt und in dem sich Chancen für die USA eröffnen.

Im Sicherheitsbereich steht die Frage militärischer Unterstützung für die Ukraine an erster Stelle. Am 24. August 2017, dem ukrainischen Unabhängigkeitstag, weilte der Verteidigungsminister James Mattis in Kiew und erklärte Folgendes: »Have no doubt, the United States stands with Ukraine. We support you in the face of threats to sovereignty and territorial integrity, to international law, and to the international order writ large […] We do not, and we will not, accept Russia's seizure of Crimea and despite Russia's denials, we know they are seeking to redraw international borders by force, undermining the sovereign and free nations of Europe.« Diese Versicherung sei durch militärisches Gerät im Wert von etwa 750 Millionen US-Dollar in den letzten Jahren untermauert worden, fügte Mattis hinzu. Bei vielen Programmen handelt es sich um eine Fortsetzung bereits bestehender Unterstützung, sowohl im Rahmen der NATO als auch im nationalen Kontext. Aber die Lieferung letaler Waffen, die unter Obama verweigert wurde, ist unter Trump erfolgt. Im April 2018 kamen die ersten Panzerabwehrraketensysteme des Typs Javelin in der Ukraine an. Im Mai hat die Nationalgarde 500 Panzerabwehr-Granatwerfer aus den USA erhalten. Hinzu kommt, dass die USA die Sanktionen gegen Russland in den letzten Jahren deutlich verschärft haben, vor allem mit dem oben erwähnten Sanktionsgesetz von 2017, das auch Iran und Nordkorea betraf. Auch im Bereich Cybersicherheit wird die Zusammenarbeit ausgebaut. Ein amerikanisch-ukrainischer Dialog auf diesem Gebiet hat im September 2017 begonnen, und ein Gesetzesentwurf über Kooperation in diesem Bereich wurde im Februar 2018 von der unteren Kammer des Kongresses verabschiedet. Das Gesetz steht momentan im Senat zur Debatte. Bemerkenswert ist, dass es in beiden Kammern auf Initiative von jeweils einem Demokraten und einem Republikaner eingebracht wurde.

Die russische Aggression gegen die Ukraine seit 2014 hat in der Ukraine zu einem neuen Ansatz geführt, was die Energiepolitik betrifft. Vor allem wird auf Direktimporte von Erdgas aus Russland fast völlig verzichtet, auch wenn russisches Gas durch »reverse flow« aus einigen EU-Mitgliedsstaaten die Ukraine weiterhin erreicht. Diese Entwicklung hat zu Überlegungen in den USA geführt, ob die Ukraine ein Zukunftsmarkt für Flüssiggas (LNG) werden könnte. Bereits im März 2014 wurde diese Idee in einer Sitzung des Energieausschusses des Senats zum Thema »Importing Energy, Exporting Jobs. Can It Be Reversed?« geäußert. Trump hat die Idee von LNG-Lieferungen nach Mittel- und Osteuropa in seiner Rede auf dem Gipfel der Drei-Meere-Initiative in Warschau im Juli 2017 bekräftigt. Dagegen spricht allerdings sowohl das Fehlen eines LNG-Terminals in der Ukraine als auch die Tatsache, dass laut existierenden Verträgen große Mengen von LNG aus den USA in den kommenden Jahren an asiatische Länder geliefert werden müssen. Dennoch kam es im Dezember 2017 zur ersten Lieferung von LNG in die Ukraine über das polnischen Flüssiggasterminal in Świnoujście. Das Geschäft wurde von der ERU Corporation abgewickelt, einer US-amerikanischen Firma, die durch eine Agentur der US-Regierung mit einer Versicherung gegen politische Risiken ausgestattet wurde.

Im Kohlesektor findet eine ähnliche Entwicklung statt. Der Kontrollverlust der Ukraine über Teile des Donbas bedeutet, dass der Zugang zu Anthrazitkohle, die für bestimmte Kraftwerke in der Ukraine notwendig ist, fast vollständig verloren ging. Im August 2017 hat das Unternehmen XCoal Energy & Resources die erste Lieferung von Anthrazitkohle auf den Weg in die Ukraine gebracht, nachdem zwischen Poroschenko und der Trump-Administration eine Einigung über diese Geschäfte erzielt wurde. Der Kongress hat sich zudem negativ über den Bau der Pipeline Nord Stream 2 geäußert und die Möglichkeit von Sanktionen gegen europäische Firmen, die an der Pipeline beteiligt sind, ins Gesetz eingebaut. Dies kann unter anderem als Unterstützung für die Ukraine gesehen werden, der durch den Pipelinebau wesentliche Transitgebühren für den Transport von russischem Erdgas verloren gehen würden. Die entsprechenden Sanktionen können allerdings nur von der Trump-Administration umgesetzt werden, die bislang davon abgesehen hat, mit dem Argument, dass das Gesetz an sich eine abschreckende Wirkung erzielt habe.

Die Nachhaltigkeit des derzeitigen Verhältnisses

In Anbetracht der oben erläuterten Faktoren und Entwicklungen kann man sich fragen, inwiefern das derzeitige Modell der ukrainisch-amerikanischen Beziehungen nachhaltig ist. In Bezug auf die vier eingangs genannten Faktoren, die das jetzige Modell erklären, könnte sich einiges ändern. Erstens wird das Thema russische Einmischung in die US-Wahlen nicht immer hoch oben auf der politischen Agenda stehen. Spätestens nach Abschluss der Mueller-Untersuchung wird das Thema wohl langsam aber sicher an Bedeutung verlieren. Dies könnte die Einigkeit der Demokraten und Republikaner bezüglich der Russlandpolitik etwas abschwächen. Ob die Solidarität des Kongresses gegenüber dem Präsidenten erhalten bleibt, wird von Trumps künftigem Verhalten abhängen. Da es nicht zu erwarten ist, dass seine Linie kohärenter wird oder dass er dem Kongress generell entgegenkommt, könnte dieser Faktor relativ stabil bleiben. Wenn man davon ausgeht, dass sowohl Republikaner als auch Demokraten weiterhin an einer Verteidigung der Kompetenzen des Kongresses interessiert sind, wird der Ausgang der sogenannten Midterm-Wahlen im November auf die Lage wenig Auswirkung haben.

Derjenige Faktor für die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine, der sich bereits am meisten verändert hat, ist die Zusammensetzung des Trump-Teams. Von den ursprünglichen drei Personen (Tillerson, Mattis, McMaster) ist lediglich noch eine vorhanden: der Verteidigungsminister James Mattis. Tillerson wurde im März 2018 durch Mike Pompeo ersetzt, und McMaster musste zur gleichen Zeit seine Position an John Bolton abgeben. Kurt Volker hat seine Position unter Pompeo behalten, aber es bleibt abzuwarten, ob seine Stellung im Außenministerium durch die Änderung an der Spitze schwächer wird. Eine grundlegend andere Linie als die bisherige ist von diesem erneuerten Team nicht zu erwarten, da sowohl Pompeo als auch Bolton eine harte Position gegenüber Russland vertreten. Wenn eine Änderung zu erwarten ist, dann eher in Richtung einer harscheren Russlandpolitik, zumindest nach früheren Aussagen von Bolton und Pompeo zu urteilen. Dennoch zeigen die Fluktuationen im Team die Volatilität, mit der in Bezug auf solche Stellenbesetzungen zu rechnen ist.

Was das Potential für die Zusammenarbeit in den geschilderten Bereichen betrifft, ist deren Beibehaltung bzw. Ausbau wahrscheinlich. Eine Beibehaltung der Kooperation im Sicherheitsbereich erscheint für beide Seiten sinnvoll und wünschenswert. Trotz der Fortschritte im Militärsektor braucht die Ukraine weiterhin Unterstützung, um der russischen Aggression effektiv zu begegnen. Und diese Unterstützung ist für die USA sowohl ein politisches Signal an Russland als auch ein wirtschaftlicher Vorteil, da man damit die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Ukraine von US-amerikanischen Rüstungssystemen immer abhängiger wird. Der Energiebereich kann sicherlich ausgebaut werden. Auch wenn es erhebliche Hindernisse gibt, was den Export von LNG an die Ukraine angeht, wird der Trend weg von russischem Gas vermutlich länger anhalten und dem US-amerikanischen Gasmarkt mittel- bis langfristig einige Chancen bieten. Der Kohle- sowie der Atomsektor können sogar kurzfristig ökonomische Möglichkeiten für US-amerikanische Firmen liefern. Allerdings werden fehlende Reformen in der Ukraine die Entwicklungen im Energiebereich wahrscheinlich verlangsamen. Insbesondere im Gassektor hat das ursprüngliche Reformtempo bereits erheblich nachgelassen.

Bislang hat die ukrainische Führung dem Verhältnis zu den USA eine hohe Bedeutung zugeschrieben und sich entsprechend verhalten. Sowohl die Symbolik der Beziehung als auch die praktischen Ergebnisse genießen einen hohen Stellenwert bei ukrainischen Politikerinnen und Politikern. Dies wird sich in absehbarer Zukunft vermutlich nicht ändern. Allerdings könnte sich nächstes Jahr eine neue politische Situation ergeben, da sowohl Präsidentschafts- als auch Parlamentswahlen anstehen. Für die Parlamentswahlen, die für den Herbst vorgesehen sind, wird das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen, die im März durchgeführt werden, eine große Rolle spielen. Auch wenn die Kandidaten, denen momentan die besten Chancen zugeschrieben werden (dem jetzigen Präsidenten Poroschenko bzw. der Vorsitzenden der Vaterlandspartei Julia Timoschenko), im Prinzip für unterschiedliche Ansätze vis-à-vis Russland stehen könnten, ist es wenig wahrscheinlich, dass ein explizites Zugehen auf Russland in der heutigen politischen Lage möglich sein wird. Von daher bleibt eine starke Orientierung an den USA (und der EU) die wahrscheinlichste außenpolitische Option. In dieser Situation hängt die Entwicklung der Beziehungen mehr von der Haltung der USA als von der der Ukraine ab.

Insgesamt gesehen deuten die oben analysierten Faktoren und Kooperationsbereiche eher auf einen nachhaltigen Ansatz der US-amerikanischen Politik gegenüber der Ukraine. Auch wenn Donald Trump sprunghaft bleibt und in der Grundtendenz zu einer Einigung mit Russland neigt, über die Köpfe der ukrainischen Partner hinweg, sprechen sowohl politische als auch einige wirtschaftliche Faktoren dagegen, dass es dazu kommen wird. Der größte Unsicherheitsfaktor bleibt das Team, das für die politischen Beziehungen zu Russland und der Ukraine zuständig ist, da sich dieses bereits in den ersten anderthalb Jahren der Trump-Präsidentschaft erheblich verändert hat. Weitere derartige Veränderungen hängen von Trump ab und könnten die bisher eher einheitliche Linie des Teams in Frage stellen. Auch Russlands Verhalten könnte einen Einfluss auf den Kurs des Teams ausüben. Allerdings ist eine wesentliche Änderung von Russlands Politik unter dem Putin-Regime unwahrscheinlich. Von daher wird die Überraschung, die sich in Trumps Amtszeit in Bezug auf Russland und die Ukraine eingestellt hat, vermutlich noch fortwähren. Dennoch deuten Trumps angebliche Äußerungen bei den G7-Gesprächen in Kanada – die Krim sei russisch, weil ihre Einwohner Russisch sprächen – auf eine mögliche Bedrohung der bisherigen US-amerikanischen Position hin. Insbesondere im Hinblick darauf, dass sich Putin und Trump am 16. Juli auf einem Gipfeltreffen in Helsinki begegnen werden, bleibt eine gewisse Unsicherheit bestehen.

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