Der aktuelle Zustand des ukrainischen Getreidesektors
Die Entwicklung der ukrainischen Landwirtschaft seit der Jahrtausendwende kann durchaus als eine Erfolgsgeschichte gelesen werden. In den Jahren um die Jahrtausendwende wurden in der Ukraine knapp 30 Millionen Tonnen Getreide pro Jahr geerntet. Heute ist die Produktionsmenge mehr als doppelt so hoch und das Land ist zu einem weltweit führenden Getreideexporteur aufgestiegen. 2014 und 2015 war die Ukraine die drittgrößte Exportnation von Mais, 2012 lag das Land auf Platz sieben bei der Ausfuhr von Weizen. Laut den Statistiken der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gingen durchschnittlich 10 Prozent der Gesamtweizenexporte von 2014 bis 2016 in die Europäische Union (EU). Der landwirtschaftliche Sektor, in dem ungefähr 17 Prozent aller Beschäftigten tätig sind, trägt zu etwa 10 Prozent zum gesamten Bruttoinlandsprodukt bei. Von den aktuell 100 reichsten Menschen in der Ukraine kommen 22 aus dem Agrarbereich. Zudem hat das Land erhebliche, bislang nicht ausgeschöpfte Potenziale zur Steigerung der Agrarproduktion: Die derzeitigen Produktionsmengen pro Flächeneinheit (d. h. Erträge) liegen im langjährigen Durchschnitt erheblich unterhalb der Ertragsniveaus, die in den meisten Ländern der EU erzielt werden. Dabei bedecken tiefgründige und fruchtbare Schwarzböden etwas mehr als die Hälfte der Gesamtfläche der Ukraine. Wenn die Anbaubedingungen verbessert werden, vor allem durch höhere Düngergaben und bessere Getreidesorten, sind Ertragssteigerungen bis zu 100 Prozent möglich.
Neben den Ertragspotenzialen versprechen die etwa 2,6 Millionen Hektar Brachland, dass die Agrarproduktion auch durch Flächenerweiterung gesteigert werden könnte. Allerdings sind viele der ehemaligen Ackerflächen marginal im Sinne von Bodenfruchtbarkeit oder Marktanbindung. Außerdem haben unsere vorherigen Arbeiten auch aufgezeigt, dass Brachflächen erhebliche Mengen an klimarelevantem Kohlenstoff speichern, die bei erneuter ackerbaulicher Nutzung wieder freigesetzt werden würden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Getreidesektor in der Ukraine boomt und das Land enorme Potenziale zur Steigerung der Produktion hat. Allerdings befinden sich die klimatischen Anbaubedingungen in der Ukraine in einem starken Wandel, was die Getreideproduktion beeinträchtigt.
Der Klimawandel in der Ukraine
Seit Beginn der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts steigt die Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre an. Die Intensität des Klimawandels nahm in den letzten Jahrzehnten stark zu, verlief aber regional sehr unterschiedlich. Grundsätzlich stiegen die Temperaturen in den kontinentalen, küstenentfernten Regionen am stärksten, was die räumlich und zeitlich hoch aufgelösten Klimadaten in Grafik 1 auf S. 7 deutlich zeigen. So sind in der Ukraine die jährlichen Durchschnittstemperaturen von 1961 bis 2017 um 1,1 °C gestiegen, während der weltweite Anstieg in diesem Zeitraum im Durchschnitt 0,8 °C betrug. Seit 1991 sind die Temperaturen im Frühjahr und Frühsommer – einer für das Getreidewachstum und damit den Ertrag sehr wichtigen Periode – in der Ukraine stark gestiegen. Zudem zeigen die räumlich modellierten Klimadaten, dass große Teile der Ukraine, insbesondere die wichtigen Anbaugebiete südlich von Kiew, leicht negative Niederschlagtrends seit 1980 aufweisen (Grafik 2 auf S. 7).
Auswirkungen des Klimawandels auf die Getreideproduktion
Die Erwärmung kann dazu führen, dass die Wachstumsperioden von Anbaukulturen wie etwa Mais oder Weizen verlängert werden und die Temperaturen in Bereiche steigen, die günstiger für das Getreidewachstum sind. In diesem Fall führt der Klimawandel wahrscheinlich zu steigenden Erträgen, insbesondere wenn hinreichend Wasser für das Getreidewachstum zur Verfügung steht. Beispielsweise profitieren Ackerbauern in Nordeuropa sowie im nördlichen Teil Russlands in dieser Hinsicht vom Klimawandel. Hinzu kommt, dass die Erträge fast aller Anbaukulturen weltweit steigen durch die wachsende Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre. Auch der Ackerbau in der Ukraine scheint auf den ersten Blick vom Klimawandel begünstigt, sind doch die Erträge aller wichtigen Kulturen seit der Jahrtausendwende stark angestiegen (Grafik 3b auf S. 9). Allerdings sind diese Trends nicht mit sich verbessernden Wetterbedingungen infolge des Klimawandels zu erklären: Der starke Anstieg setzte nach einem Einbruch der Erträge Ende der 1990er Jahre ein, der auf die massiven strukturellen Probleme des Agrarsektors nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zurückzuführen ist. Viele Betriebe waren im internationalen Vergleich nicht konkurrenzfähig. Staatliche Subventionen wurden nahezu eingestellt, die nötigen inländischen und ausländischen Investitionen zur Modernisierung blieben in dieser Zeit weitestgehend aus und elementare Betriebsmittel wie Mineraldünger waren für viele Landwirte kaum erschwinglich.
In den 2000er Jahren hat sich die Situation für die Landwirtschaft stetig verbessert. Die Erträge stiegen, aber bei Gerste und Weizen nur ungefähr bis auf die Ertragsniveaus, die bereits Ende der 1980er Jahre in der damaligen ukrainischen Sowjetrepublik erzielt wurden. In einer Studie wurde nachgewiesen, dass die Ertragssteigerungen in den meisten Ländern der ehemaligen Sowjetunion nicht auf die sich verändernden klimatischen Bedingungen, sondern auf die Strukturverbesserungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zurückzuführen sind.
Zudem schwankten die Erträge und brachen etwa in den Jahren 2007, 2010 und 2012 massiv ein (Grafik 3b auf S. 9). Die starken Schwankungen der Weizenerträge in der Ukraine waren größtenteils durch die jährlichen Veränderungen der Extremtemperaturen zu erklären. Anbaukulturen werden in ihrer Wachstumsentwicklung gestört, wenn die Tagestemperaturen über bestimmte Grenzwerte steigen, wobei nicht nur die verschiedenen Anbaukulturen, sondern auch die verschiedenen Sorten einer Kultur voneinander abweichende Temperaturgrenzwerte haben. Zudem haben die Kulturen unterschiedliche Temperaturgrenzwerte in unterschiedlichen Wachstumsperioden. Grundsätzlich gilt, dass die Erträge mit einer steigenden Anzahl von Tagen, an denen Temperaturgrenzwerte überschritten werden, sinken. Auch können wenige extrem heiße Nächte starke Ertragseinbrüche nach sich ziehen. Hohe Temperaturen führen zudem zu steigenden Verdunstungsmengen, sodass den Anbaukulturen auch bei konstanten Niederschlagsmengen weniger Wasser zur Verfügung steht. Den engen Zusammenhang zwischen Extremtemperaturen und Erträgen in der Ukraine bestätigt unsere Datenauswertung (Grafik 4 auf S. 10): Insbesondere im Süden und im Osten brachen die Weizenerträge in den Jahren ein, in denen die Anzahl der sehr heißen Tage hoch war. Grafik 4 zeigt zudem, dass die Anzahl der Tage mit Maximaltemperaturen über 31 °C und 33 °C seit 1985 stark angestiegen ist. Aufgrund der kontinentalen Lage waren die Temperaturschwankungen schon immer erheblich, aber der Klimawandel führt offensichtlich dazu, dass die Häufigkeit von sehr heißen Tagen, und damit die Wahrscheinlichkeit von Ertragseinbrüchen, steigt.
Der zukünftige Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Getreideproduktion
Für Landwirte, aber auch für Investoren und politische Entscheidungsträger, sind verlässliche Informationen über das zukünftige Klima sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf Erträge von zentraler Bedeutung. In Abhängigkeit der Menge zukünftiger Treibhausgasemissionen erwarten Klimawissenschaftler für die gesamte Ukraine Steigerungen der durchschnittlichen Jahrestemperaturen um 1,65 °C bis 3 °C bis zum Jahr 2070. Alle Modelle sagen zudem voraus, dass die Erwärmung im Winter stärker sein wird als im Frühjahr, Sommer und Herbst. Die größten Temperaturanstiege werden für die Steppenzone in der südlichen und südöstlichen Ukraine prognostiziert, wo auch der Anstieg der Sommertemperaturen mit bis zu 4 °C extrem hoch sein könnte. In der Steppenzone werden zudem leicht sinkende Jahresniederschlagswerte prognostiziert, während die Jahresniederschläge in den meisten anderen Regionen, insbesondere im Westen der Ukraine, wahrscheinlich ansteigen. Den Westen ausgenommen, werden die für die Weizenproduktion wichtigen Frühjahrs- und Sommerniederschläge überall in der Ukraine wahrscheinlich abnehmen. Aufgrund höherer Temperaturen steigen überall in der Ukraine die Verdunstungswerte, was in vielen Regionen dazu führen wird, dass trotz steigender Niederschlagswerte weniger Wasser für die Kulturpflanzen zur Verfügung stehen wird.
Wie werden sich die Weizenerträge in der Ukraine in Abhängigkeit der zukünftigen Klimabedingungen entwickeln? Um räumlich präzise Aussagen auf diese Frage für die gesamte Ukraine treffen zu können, haben wir durchschnittliche Weizenertragsdaten des Zeitraums von 2005 bis 2012 von etwa 13.000 kommerziellen Agrarbetrieben untersucht. Diese Daten wurden mit hochauflösenden Wetterdaten des gleichen Zeitraums in einen statistischen Zusammenhang gebracht. Anhand dieses Modells wurden zwei Klimaszenarien erstellt, mithilfe derer die zukünftigen Weizenerträge in verschiedenen Regionen der Ukraine prognostiziert wurden.
Das erste Szenario legt einen Anstieg der globalen Mitteltemperatur zugrunde, der etwas über dem in Paris vereinbarten Ziel einer Erwärmung von nicht mehr als zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zustand liegt. Das zweite Szenario geht von deutlich höheren Treibhausgasemissionen und einer globalen Erwärmung von mehr als vier Grad aus. Dies entspricht in etwa dem derzeitigen Pfad der globalen Treibhausgasemissionen. Beide Szenarien gehen davon aus, dass die technischen Anbaubedingungen wie Düngemitteleinsatz, Auswahl der Weizensorte und Anbauperiode unverändert bleiben.
Für das erste Szenario mit niedrigeren Emissionen sinken die zukünftigen Weizenerträge nur leicht im Vergleich zu den derzeitigen Durchschnittserträgen. In diesem Szenario würde daher bei unveränderter Anbaufläche die Gesamtweizenproduktion in der Ukraine bis 2070 um 6,5 Prozent zurückgehen. Interessant ist der geografische Kontrast: Im Norden werden die Erträge wahrscheinlich steigen, während sie im Süden sinken. Dieser Nord-Süd Kontrast verstärkt sich im zweiten Szenario mit hohen Emissionen deutlich. In der südlichen Steppenzone sinken die durchschnittlichen Weizenerträge von derzeitig 3,0 auf 2,5 Tonnen pro Hektar. Trotz steigender Erträge in einigen Regionen im Westen und Norden sinkt in diesem Szenario die Gesamtweizenproduktion der Ukraine um 11 Prozent. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die vom Klimawandel weniger benachteiligten Gebiete im Norden und Westen auch über weniger geeignetes Ackerland verfügen, was vor allem auf die großflächigen Feuchtgebiete und schwierige Klimabedingungen im Winter und Frühjahr zurückzuführen ist. So werden Frostschäden im Winter und Frühjahr, die vor allem durch eine zeitweise fehlende schützende Schneedecke ausgelöst werden, voraussichtlich durch den Klimawandel weniger häufig auftreten.
Unsere Berechnungen geben zukünftige Durchschnittswerte an, ohne ackerbauliche Anpassungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Zudem wurden Extremwetterereignisse, wie starker Frost oder große Hitze, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft häufiger auftreten werden, nicht einbezogen. Allerdings wurde in einer kürzlich erschienen, viel beachteten Studie von Tigchelaar et al. berechnet, dass die Häufigkeit dieser wetterverursachten Ertragsschwankungen mit dem Klimawandel weiter ansteigt. Demnach wird in der Ukraine bei einer Erwärmung um 4 °C die Wahrscheinlichkeit auf 85 Prozent steigen, dass die Erträge von Mais um mehr als 20 Prozent gegenüber den heutigen Durchschnittswerten zurückgehen. In anderen Worten müsste bei unvermindert hohen Treibhausgasemissionen in nicht allzu ferner Zukunft in mehr als acht von zehn Jahren mit starken Ertragseinbrüchen von Mais gerechnet werden. Der Weizen wurde in dieser Studie nicht berücksichtig und hat andere klimatische Ansprüche als der Mais, aber auch für Weizen ist mit häufigeren Ertragseinbrüchen zu rechnen, wenn sich die Erwärmung so stark entwickeln wird. Extrembedingungen werden dann zur Normalität in der Ukraine.
Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel
Vor diesem Hintergrund sehen wir einen erheblichen Bedarf zur Anpassung an den Klimawandel für die ukrainische Landwirtschaft. Anpassungsmechanismen können grundsätzlich auf verschiedenen Ebenen entwickelt und eingesetzt werden. Am wichtigsten hierbei sind sicherlich die ukrainischen Landwirte, die ihre Anbaumethoden individuell und in eigener betriebswirtschaftlicher Verantwortung an den Klimawandel anpassen können. Dazu gehören Maßnahmen wie eine konservierende Bodenbearbeitung (z. B. Direktsaat), Bewässerung der Felder, zeitlich verschobene Anbauperioden, veränderter Betriebsmitteleinsatz (z. B. Mineraldünger) und der Wechsel zu alternativen, besser an den Klimawandel angepassten Kulturen und Sorten. Eine konservierende Bodenbearbeitung findet laut der FAO auf etwas mehr als 4 Prozent der gesamten Getreideanbaufläche statt. Nur 2 bis 3 Prozent der genutzten Ackerfläche wird heute bewässert, obgleich das Bewässerungspotenzial von der FAO auf mehr als 15 Prozent beziffert wird. Zwar sind die Anbauflächen von Soja, Mais und Sonnenblumen seit der Jahrtausendwende stark gestiegen, während die Anbauflächen des Weizens leicht und der Gerste stark sanken (Grafik 3). Es ist aber bislang unklar, ob und in welchem Maße diese Veränderungen in den Anbauflächen im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen.
Eine komplexere Anpassungsstrategie ist der Wechsel von der konventionellen zur biologischen Landwirtschaft. Durch den Verzicht auf Mineraldünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, komplexere Fruchtfolgen, den Anbau von Zwischenfrüchten und Hülsenfrüchten und die Verwendung von Wirtschaftsdünger ist es wahrscheinlich, dass die ökologische Landwirtschaft verbesserte Bodenstrukturen und höhere Humusgehalte erwirkt. Dadurch kann Wasser effektiver im Boden gespeichert und in Dürrephasen für Pflanzen verfügbar gemacht werden. Darüber hinaus kann die biologische Landwirtschaft helfen, das grassierende Problem der Bodendegradation zu bekämpfen. Neben diesen Vorteilen könnten ukrainische Bio-Produkte zunehmend in ukrainischen Großstädten und im Ausland abgesetzt werden. Die einheimischen Absätze, vor allem an junge und kaufkräftige Familien, wachsen bereits. Auch in der EU steigt die Nachfrage nach biologisch erzeugten Produkten und wird zunehmend durch preiswerte Importe aus Osteuropa bedient. Allerdings bearbeiten bis heute nur etwa 300 Betriebe weniger als 1 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche biologisch. Erst am 10. Juli 2018 hat das ukrainische Parlament ein Gesetz über den biologischen Landbau verabschiedet und das Zertifizierungssystem muss weiter verbessert werden. Zudem sollten bestehende Förderprojekte in die Entwicklung des Ökolandbaus in der Ukraine, wie die des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (BMEL), der Schweizer Regierung und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl), weiter gestärkt werden.
Auf einer anderen, den Landwirten übergeordneten Ebene, sollten die Feldfrüchte an den Klimawandel angepasst werden. Informationen über die historischen und zukünftigen Klima- sowie Ertragstrends, wie in diesem Betrag kurz zusammengefasst, sind wichtig für Pflanzenzüchtungsprogramme. Pflanzenzüchter benötigen hinreichend belastbare Informationen über die Klimaentwicklungen in den unterschiedlichen Wachstumsperioden. Eine der größten Herausforderungen für Züchter sind die stark steigenden Frühjahrstemperaturen in der Ukraine. Die Erwärmung im Frühjahr beschleunigt das Pflanzenwachstum und bewirkt, dass das Ährenschieben früher im Jahr eingeleitet beziehungsweise abgeschlossen wird. Die steigende Verdunstung infolge der Erwärmung kann bei konstanten Niederschlägen zu höherem Wasserstress führen. Durch diese Prozesse können erhebliche Ertragseinbußen entstehen. Allerdings verspricht die Forschung an hitze- und trockenresistenten Getreidesorten Potenziale zur effektiven Anpassung an den Klimawandel, insbesondere im Süden und Südosten der Ukraine. Heute dominiert der Winterweizen in der Ukraine. Es ist jedoch möglich, dass Sommerkulturen durch die klimatischen Veränderungen, vor allem die Erwärmung im Winter, begünstigt werden. Das muss allerdings genau erforscht werden.
Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
Der Boom des ukrainischen Getreidesektors ist durch den Klimawandel gefährdet. Zwar steigen die Erträge bis heute an, aber häufigere Extremwetterereignisse führen bereits zu stärkeren Ertragsschwankungen. Besonders besorgniserregend sind allerdings die Klimaprognosen, die darauf hindeuten, dass die Getreideerträge in den südlichen Hauptanbaugebieten deutlich sinken werden, wenn umfangreiche und effektive Anpassungen an den Klimawandel ausbleiben. Zwar haben die ukrainischen Landwirte vielfältige Möglichkeiten, ihre Produktionsweisen auf die sich verändernden Klimabedingungen einzustellen, allerdings muss dazu massiv in die Ausbildung und die Beratung der Landwirte investiert werden. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wird die landwirtschaftliche Berufsausbildung seitens der ukrainischen Regierung unzureichend gefördert. Wichtige Fortschritte im Bereich der Ausbildung der Landwirte haben Projekte wie das Agrardemonstrations- und Ausbildungszentrum (ADFZ) und das BMEL-Projekt "Förderung der Agrarausbildung in der Ukraine" erwirkt und sind aus unserer Sicht, mit starker Konzentration auf die Klimaveränderungen, auszubauen.
Auf politischer Ebene müssen zudem umfassende Maßnahmen zur Förderung von nachhaltigen, an den Klimawandel angepassten Produktionsweisen entwickelt werden. Bislang fehlen vielen Großbetrieben bei derzeitig relativ hohen Erträgen die Anreize zur Anpassung, den Kleinbauern das Wissen und die finanziellen Möglichkeiten. Den Landwirten stehen keine erschwinglichen, innovativen Versicherungsprodukte zur Verfügung, die sie bei Ertragseinbrüchen absichern. Aufgrund des steigenden Risikos von Extremwetterereignissen besteht großer Handlungsbedarf im Bereich Risikomanagement. Zudem kann die staatliche Förderung der biologischen Landwirtschaft mit Blick auf das hohe Anpassungspotenzial an den Klimawandel und die günstigen Marktaussichten ausgebaut werden. Sicherlich sind seitens der EU die Marktzugangsbedingungen von Bio-Produkten nach wie vor zu verbessern. Zudem muss das Thema Landreform weiter diskutiert werden, denn das Fehlen eines Marktes für Ackerland bewirkt wahrscheinlich, dass notwendige Investitionen in die Modernisierung der Landwirtschaft ausbleiben. Allerdings würden höhere Bodenpreise eventuell dazu führen, dass Landwirte weniger Geld in an den Klimawandel angepasste Landtechnik investieren können.
Der Staat, aber auch die finanzstarken Großbetriebe, müssen in Forschung und Entwicklung im Bereich der Pflanzenzüchtung investieren. Viele Betriebe verwenden veraltetes, nicht an die veränderten Klimabedingungen angepasstes, Saatgut. Im Bereich der Pflanzenzucht sehen wir großes Potenzial, die Getreideproduktion auf die neuen Klimabedingungen einzustellen. Hitze- bzw. trockenresistente Getreidesorten können Ertragsschwankungen ausgleichen, wobei Ertragseinbußen in klimatisch günstigen Jahren eingeplant werden müssen. Hier muss also genau und räumlich differenziert untersucht werden, welche Strategie die langfristig höchsten Erträge ergibt. Die Regierung sollte zudem in die veraltete Bewässerungsinfrastruktur investieren. Dabei sollten Analysen durchgeführt werden, welche regionalen Wasserpotenziale vorhanden und nachhaltig genutzt werden können. Auch in diesem Bereich muss die Ukraine durch international finanzierte Entwicklungs- und Aufbauprojekte gefördert werden. Wie sich die ukrainische Landwirtschaft auf den Klimawandel einstellt, ist von großer internationaler Bedeutung.