Kann der neue Chef des Präsidentenbüros die Spannungen mit Russland abbauen?

Von Beate Apelt (Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Kiew)

Die Ablösung von Andrij Bohdan als Leiter des Präsidentenbüros nach nur neun Monaten hat das politische Kiew nicht völlig überrascht. Bereits seit Dezember war der enge Mitarbeiter von Präsident Selenskyj kaum noch in der Öffentlichkeit sichtbar, begleitete ihn nicht zu wichtigen Terminen. Sein Nachfolger Andrij Jermak, bisher außenpolitischer Berater Selenskyjs, hat damit einen länger andauernden Kampf um das Ohr des Präsidenten für sich entschieden.

Bohdan, der in den ersten Monaten seiner Amtszeit wie ein Schatten Selenskyjs wirkte, wurde vor allem von westlichen Partnern der Ukraine von Beginn an kritisch gesehen. Er war nicht nur ein Anwalt des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, der auch mit Selenskyj selbst enge Geschäftsbeziehungen im Medienbereich pflegte, und galt weiterhin als dessen Mann. Er hätte aufgrund seiner Tätigkeit in Staatssekretärsrang unter dem vormaligen Präsidenten Janukowytsch eigentlich gar keinen hohen politischen Posten annehmen dürfen. Die Kolomojskyj-Verbindung wie die Beugung des Lustrationsgesetzes warfen Fragen auf, wie ernst es Selenskyj mit der Rechtsstaatlichkeit und der Eindämmung oligarchischen Einflusses sei.

Es sind aber mitnichten diese Hypotheken, die zur Entlassung Bohdans geführt haben. Bohdan hat sich mit seiner Kenntnis staatlicher Verwaltungsabläufe und seiner Effizienz durchaus Meriten im Amt erworben, auch der Einfluss Kolomojskyjs zeigte sich geringer als befürchtet. Zum Verhängnis wurde ihm offenbar sein streitbarer Charakter und die zahlreichen Konflikte, die er in seinem Umfeld provozierte, nicht zuletzt der mit seinem Nachfolger Jermak.

Mit Selenskyj seit Jahren über dessen Filmproduktionsfirma verbunden, hat Jermak dem Präsidenten seit dessen Amtsantritt als außenpolitischer Berater gedient und seinen Einfluss auf ihn kontinuierlich gesteigert. Er pflegte die informellen Gesprächskanäle in die USA, und die erfolgreichen Gefangenenaustausche mit Russland und den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk wie auch die Aushandlung des neuen Gastransitvertrags zum Jahresende 2019, gingen wesentlich auf sein Konto. Seine guten persönlichen Kontakte nach Moskau sind es auch, die manche Beobachter einen größeren Plan hinter seiner Ernennung vermuten lassen. Mit ihm, so geht die Befürchtung, und seinem neuen Counterpart in Moskau, Dmitrij Kosak, solle möglicherweise eine Friedenslösung für den Donbas ausgehandelt werden, die den russischen Interessen dient. Aussagen Jermaks, man strebe Lokalwahlen in den besetzten Gebieten im kommenden Oktober an – ein völlig unrealistisches Szenario, wenn man auf dem vollständigen Rückzug von Waffen und Kämpfern und einer ukrainischen oder internationalen Kontrolle des Territoriums besteht – nähren dieses Narrativ.

Für den Wechsel an der Spitze des Präsidentenbüros braucht es keine Theorie über die lange Hand aus Moskau. Die scharfe Rivalität zwischen den beiden Selenskyj-Vertrauten und Bohdans konflikthafte Beziehungen zu großen Teilen seines politischen Umfelds sind plausible Gründe für Selenskyjs Entscheidung. Genau in der außenpolitischen Dimension könnte aber die folgenreichste Bedeutung seines Schrittes liegen. Jermak hat das Zeug und die Beziehungen, die von Selenskyj angestrebte Entspannung mit Russland zu befördern. Jeder Schritt zu einem echten Waffenstillstand und humanitären Erleichterungen wäre wünschenswert. Der dahin gehende Optimismus der ukrainischen Führung und die zuletzt wieder steigenden Aggressionen von Seiten der prorussischen Separatisten passen jedoch nicht so recht zusammen. Die Befürchtung, dass es mit Jermak einen Ausgleich mit Russland auf Kosten der Ukraine geben könnte, ist daher nicht völlig aus der Luft gegriffen.

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