Zum Akquisitionsverhalten ukrainischer Agrarholdings: Strategien, Auswirkungen und Perspektiven

Von Igor Ostapchuk, Taras Gagalyuk (beide Leibniz­Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien – IAMO, Halle (Saale))

Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten hat die ukrainische Landwirtschaft ein schnelles Wachstum sogenannter »Agrar­holdings« erlebt. Das sind sehr große, im landwirtschaftlichen Bereich tätige Konzerne, die vor allem durch die Übernahme anderer landwirtschaftlicher Betriebe zu ihrer beträchtlichen Größe angewachsen sind. Bis­lang gab es noch keine detaillierte Analyse zu den Beweggründen und Implikationen eines durch Übernah­men forcierten Wachstums. Der vorliegende Beitrag möchte diese Lücke schließen, indem er aufzeigt, nach welchen Kriterien Agrarholdings ihre betrieblichen Übernahmeziele auswählen und wie sie diese anschlie­ßend in ihre Konzernstrukturen integrieren. Außerdem werden die Auswirkungen dieser Prozesse auf die betriebliche Entwicklung, den gesamten Agrarsektor und im weiteren Sinne auch auf die Wohlfahrt in den ländlichen Räumen der Ukraine betrachtet.

Einleitung

Moderne Landwirtschaft in den osteuropäischen Transformationsländern ist durch eine besondere Form von Agrarunternehmen gekennzeichnet, die für Westeuropa untypisch ist – sogenannte »Agrarholdings«. Dabei handelt es sich um horizontal und / oder vertikal integrierte Unternehmen, die meist aus einer Muttergesellschaft und Dutzenden, teilweise sogar Hunderten, angeschlossenen landwirtschaftlichen Betrieben bestehen. Sie bewirtschaften Zehn- oder auch Hunderttausende Hektar Ackerland. Der Fall der ukrainischen Agrarholdings ist angesichts ihrer raschen Entwicklung und ihres wachsenden Beitrags zur nationalen Wirtschaft besonders bemerkenswert. Laut dem Verband »Ukrainian Agribusiness Club« (UCAB) erwirtschaften diese Großkonzerne etwa ein Fünftel der landesweiten Pflanzen- und ein Drittel der nationalen Tierproduktion und beliefern den Weltmarkt mit ihrer Ware.

Im Prozess der Flächenkonsolidierung, der in der Ukraine größtenteils von 2001 bis 2013 stattfand, vergrößerten die Agrarholdings ihre Flächen um das 3,5-fache und bewirtschafteten in der Folge rund sechs Millionen Hektar bzw. 18 Prozent der gesamten Agrarfläche des Landes. Eine dermaßen rasante Expansion war hauptsächlich durch den Ankauf bereits existierender landwirtschaftlicher Betriebe möglich, insbesondere während der Hauptakquisitionswelle 2009–2012, und nicht durch eine schrittweise Zusammenlegung von Grundstücken kleinbäuerlicher Landeigentümer.

Fehlende Informationen erlaubten es bislang nicht, die Beweggründe der Agrarholdings für den Erwerb von landwirtschaftlichen Betrieben und die damit erzielten Ergebnisse eingehend zu untersuchen. Außerdem ließ sich mit den bislang vorhandenen Forschungsergebnissen nicht erklären, warum einige Agrarholdings seit mehr als fünfzehn Jahren erfolgreich wirtschaften, während andere Verluste machen oder sogar in Konkurs gehen.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Wachstumsprozess ukrainischer Agrarholdings, indem er die aktuellen Ergebnisse der Autoren zu diesem Thema zusammenstellt. Zum einen stellen wir unsere Erkenntnisse zur allgemeinen Auswahl von Akquisitionszielen vor. Nachfolgend werden die Motive der Agrarholdings für die Unternehmensaufkäufe aufgezeigt und auch, wie sich deren Auswahlmuster im Laufe der Zeit verändern. Zudem betrachten wir die Integrationsprozesse, die nach dem Kauf in den übernommenen Betrieben stattfinden. Und wir beschäftigen uns natürlich auch mit den Ergebnissen der Integrationsprozesse, die wir anhand der Kostenstrukturen sowie der Produktivitäts- und Profitabilitätsentwicklung der erworbenen Betriebe beurteilen.

Wachstum von Agrarholdings

Da Unternehmen in der Ukraine kein Agrarland in großem Umfang besitzen dürfen, basiert die landwirtschaftliche Bodennutzung auf Pachtverträgen. Kommerzielle landwirtschaftliche Betriebe können auf zwei Arten expandieren: Entweder durch den Abschluss individueller Pachtverträge mit einzelnen Landeigentümern oder durch den Kauf landwirtschaftlicher Betriebe mit bereits konsolidierten Flächen und etablierten Pachtverträgen. Die erste Option ist mit hohen Transaktionskosten verbunden, da verschiedene verstreut gelegene kleine Flurstücke zusammengelegt und zahlreiche Landpachtverträge abgeschlossen werden müssen. Denn ein typischer ukrainischer Landeigentümer verfügt in der Regel »nur« über durchschnittlich vier Hektar.

Die zweite Option, also das Wachstum durch Ankauf landwirtschaftlicher Betriebe, ermöglicht eine schnelle Zusammenlegung großer Agrarflächen. Beim Kauf des Betriebes werden die bestehenden Pachtrechte in der Regel gleich mitübernommen. Aber auch damit sind Transaktionskosten verbunden, da die zahlreichen Pachtverträge durch die neuen Betriebseigentümer gemanagt werden müssen. Zusätzlich verursachen solche Akquisitionen weitere Kosten, da die Strukturen und Abläufe des übernommenen Betriebs an die des neuen Eigentümerkonzerns angeglichen werden müssen. Allerdings gibt es Gründe, die diesen Aufwand rechtfertigen: Durch die Übernahmen entstehen Größenvorteile. Diese ermöglichen es bei einer guten Absatzmarktlage, durch Produktivitäts- und Profitabilitätssteigerungen die Kosten der Übernahme zu senken. Möglicherweise haben die ukrainischen Agrarholdings deshalb in ihrer stärksten Wachstumsphase jährlich 80 bis 160 landwirtschaftliche Betriebe gekauft – das sind ungefähr 14 bis 24 Prozent aller im Besitz von Agrarholdings befindlichen landwirtschaftlichen Betriebe. Gleichzeitig wuchsen die Agrarholdings auch durch den Abschluss direkter Pachtverträge mit einzelnen Landeigentümern. Allerdings in deutlich geringerem Umfang, da diese Methode verglichen mit den Übernahmekäufen ganzer Betriebe als weniger effizient angesehen wurde.

Doch wie erfolgreich waren diese Akquisitionen für die übernommenen Betriebe und ihre Muttergesellschaften tatsächlich? Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Resultate von Übernahmen von zwei wichtigen Faktoren abhängen: Der richtigen Auswahl des Übernahmeziels (ATS-Acquisition Target Selection) und der Integration nach der Übernahme (PAI-Post-acquisition Integration). Die ATS-Analyse ermittelt, nach welchen Strategien das Übernahmeobjekt ausgewählt wird: Entscheiden sich die Käufer für die Übernahme sehr leistungsfähiger Unternehmen, um von den Synergien zu profitieren? Oder wählen sie eher leistungsschwache Akquisitionsziele, um deren Wettbewerbsfähigkeit mithilfe der eigenen organisatorischen Fähigkeiten langfristig zu steigern? Die PAI-Analyse geht einen Schritt weiter und betrachtet, wie und in welchem Umfang der Käufer das erworbene Objekt nach der Übernahme verändert. Unsere PAI-Analyse konzentriert sich auf die Ressourcenintegration der erworbenen Betriebe. Hier werden Prozesse der Ressourceninvestition und des Ressourcenoutsourcings sowie der Ressourcenverteilung und -umschichtung vom Käuferkonzern zum Übernahmeobjekt (oder umgekehrt) betrachtet. Schließlich bewerten wir, wie sich die Akquisition beispielsweise auf die Produktivität, Profitabilität und die Größe der übernommenen Betriebe auswirkt. Dabei berücksichtigen wir auch den Übernahmezeitpunkt und wie dieser die Prozesse und Ergebnisse der PAI beeinflusst. Das heißt konkret: Wir schauen, wie sich die Effekte der Übernahmen, die während der großen Akquisitionswelle (2009 bis 2012) stattfanden, von den Übernahmeeffekten außerhalb dieser Welle unterscheiden.

Methoden and Daten

Es werden multiple binomiale logistische Regressionen zur ATS-Analyse und die statistische Technik des sogenannten »Direct Nearest Neighbour Matching« zur PAI-Analyse eingesetzt. Wir verwenden betriebliche Finanz- und Produktionslängsschnittdaten für den Zeitraum 2005 bis 2016 vom Staatlichen Statistikdienst der Ukraine sowie den SPARK Interfax-, YouControl- und UCAB-Datenbanken. In diesen Daten variiert der Anteil der mit Agrarholdings verbundenen Betriebe zwischen zwei Prozent (2005) und acht Prozent (2016). Ausführliche Informationen zum Forschungsansatz, zur angewandten Methodik und zu den Ergebnissen können bei Ostapchuk et al. (2021a, 2021b) nachgelesen werden. Die vollständigen Literaturangaben finden sich in den Lesetipps am Ende des Beitrages.

Was kennzeichnet attraktive Übernahmeziele?

Wir haben eine Reihe von Betriebsmerkmalen ermittelt, welche die Wahrscheinlichkeit, von einer Agrarholding aufgekauft zu werden, steigerten. Außerdem haben wir untersucht, wie sich das ATS-Verhalten von Agrarholdings im Laufe der Zeit und mit Blick auf die große Akquisitionswelle (2009–2012) verändert hat. Die Ergebnisse zeigen, dass Agrarholdings Betriebe mit einer bestimmten Größe, Produktionsstruktur, Kapitalstärke und finanzieller Performance auswählen.

In puncto Betriebsgröße und Produktionsstruktur bevorzugten die Agrarholdings während der großen Akquisitionswelle wachsende mittelgroße Betriebe mit gemischter pflanzlich-tierischer Produktionsstruktur. Später verlagerte sich ihr Interesse auf größere Betriebe mit einer stärkeren Spezialisierung im Pflanzenbau. Außerdem nahm die Bedeutung einer wachsenden Betriebsgröße (gemessen am Betriebseinkommen) mit der Zeit ab.

Mit Blick auf die Kapitalstärke legen unsere Ergebnisse nahe, dass die Agrarholdings während des gesamten Untersuchungszeitraums bevorzugt finanzschwache Betriebe aufkauften. Vor allem ein wachsender Verschuldungsgrad erhöhte die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme. Darüber hinaus erwarben Agrarholdings während der Akquisitionswelle eher Betriebe mit sehr geringen Liquiditätsreserven, während sie nach der Welle eher Betriebe mit einer schlechten Infrastruktur (gemessen an der Höhe der Fixkosten) bevorzugten.

Was die finanzielle Performance angeht, so tendieren Agrarholdings im Allgemeinen dazu, Betriebe mit schlechter Performance zu übernehmen. Insbesondere Betriebe mit hohen Betriebskoeffizienten, d. h. einem höheren Verlustrisiko und mangelnden Ressourcen zur Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen, sind ein wahrscheinliches Ziel einer Übernahme. Außerdem erwarben Agrarholdings eher Betriebe mit niedrigen Nettogewinnspannen. Aber dieser Effekt war nur während der Akquisitionswelle statistisch signifikant.

Die Ergebnisse zeigen auch, dass bei der Auswahl des Übernahmeziels Produktivitätsaspekte, anders als die finanzielle Performance, statistisch keine Rolle spielen. Die einzige Variable, die für den gesamten Analysezeitraum statistisch signifikant bleibt, ist der Pachtpreis für landwirtschaftlichen Boden. Dies verweist auf das besondere Interesse der Agrarholdings, im Rahmen ihrer Akquisitionen landwirtschaftliche Nutzfläche mit hohem Produktivitätspotential zu übernehmen.

Integrationsprozesse nach der Übernahme

Um herauszufinden, wie die übernommenen Betriebe in den Käuferkonzern integriert werden, verwenden wir die »Direct Nearest Neighbor« Methode. Sie erlaubt einen dynamischen Vergleich der Entwicklungen zwischen übernommenen und nicht übernommenen Betrieben. So können Veränderungen aufgezeigt werden, die speziell in den übernommenen Betrieben stattgefunden haben.

Die Ergebnisse zeigen, dass Agrarholdings die Spezialisierung der aufgekauften Betriebe verändern. Es werden mehr Feldfrüchte angebaut, während die Tierproduktion sinkt oder auf dem Vorkaufsniveau bleibt. Somit wird durch die Agrarholdings ein größerer Teil der verfügbaren (aber zuvor ungenutzten) Flächen für den Pflanzenbau genutzt.

Der Kapitalzufluss aus den Agrarholdings ermöglicht den erworbenen Betrieben die kontinuierliche Erhöhung variabler Betriebsmittel (z. B. Saatgut, Düngemittel, Treibstoff usw.) in der Pflanzenproduktion. Diese Entwicklung ist jedoch nur bei Betrieben zu beobachten, die vor der Akquisitionswelle (2009–2012) erworben wurden.

Veränderungen im Anlagevermögen und bei der Anzahl der Beschäftigten sind vom Kaufzeitpunkt abhängig. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Agrarholdings diese beiden Ressourcen in den übernommenen Betrieben in den ersten Jahren direkt nach der Übernahme erhöht haben – dies gilt allerdings nur für Betriebe, die vor 2009 übernommenen wurden. Im Gegensatz dazu wurde bei den Betrieben, die während der Akquisitionswelle übernommen wurden, eine Reduktion des Anlagevermögens und der Beschäftigten beobachtet. Betriebe, die nach der Welle in das Eigentum der Agrarholdings gelangten, zeigten dagegen keine signifikanten Veränderungen in der Entwicklung dieser Ressourcen.

Anders als bei den Vermögenswerten und den Arbeitskräften wird die landwirtschaftliche Nutzfläche der übernommenen Betriebe in der Regel vergrößert. Betriebe, die vor und nach der Übernahmewelle durch Agrarholdings aufgekauft wurden, vergrößerten ihre Anbauflächen direkt im ersten Jahr nach der Übernahme. Betriebe, die dagegen während der Akquisitionswelle erworben wurden, erweiterten ihre Anbauflächen erst drei Jahre nach der Übernahme.

Nach der Übernahme werden deutlich mehr Fremddienstleistungen eingesetzt, vor allem im Pflanzenbau. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Agrarholdings dazu neigen, einige Produktionsabläufe auszulagern, beispielsweise das Einbringen der Ernte oder die Lagerhaltung. Auch werden kostspielige Investitionen bevorzugt durch betriebsfremde Dienstleistungen ersetzt, etwa indem Maschinen und Ausrüstung geleast statt gekauft werden. Bemerkenswert ist, dass ein Großteil dieser Leistungen durch andere Unternehmen in derselben Agrarholding erbracht werden kann. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass die Fixkosten bei den aufgekauften Betrieben vor allem im Pflanzenbau erst erheblich gestiegen und dann später wieder gesunken sind. Damit wird deutlich, dass insbesondere in der frühen Phase der Integration die Anpassung von Infrastrukturen und Managementsystemen Kosten verursacht.

Weiterhin zeigt sich, dass sich die Durchschnittsgehälter der Beschäftigten in übernommenen und nicht übernommenen landwirtschaftlichen Betrieben nicht signifikant unterscheiden. Allerdings wird zeitnah in ein gutes Verhältnis zu den Verpächtern investiert, denn übernommene Betriebe zahlen tendenziell höhere Pachtpreise als nicht übernommene Betriebe. Gleich im ersten Jahr nach der Übernahme steigen die Pachtzahlungen an die Grundeigentümer. Dabei lassen sich folgende zeitliche Muster ausmachen: Bei Betrieben, die vor 2009 erworben wurden, stiegen die Pachtpreise im Schnitt zwischen 16 und 24 Prozent. Während der Akquisitionswelle stiegen sie dann nur noch zwischen 11 und 19 Prozent. Außerdem haben wir beobachtet, dass auch nicht übernommene landwirtschaftliche Betriebe ihre Pachtpreise im Laufe der Zeit tendenziell erhöhen, um auf dem umkämpften Bodenmarkt weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.

Als Zwischenfazit lässt sich folgendes festhalten: Unsere Untersuchung scheint darauf zu verweisen, dass landwirtschaftliche Betriebe nach dem Erwerb durch Agrarholdings mit Blick auf die Produktivität, den Gewinn und das organische Wachstum im Allgemeinen positive Entwicklungen aufzeigen. Diese Effekte sind bei der Pflanzenproduktion stärker ausgeprägt als bei der Tierproduktion. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die Produktivität und die Gewinne der Muttergesellschaften, d. h. der übernehmenden Agrarholdings, aufgrund des Erwerbs von hauptsächlich angeschlagenen Betrieben, sinken können. Diese Kennziffern erholen sich in der Regel jedoch bereits zwei bis drei Jahre nach der Übernahme.

Akquisitionen – ein zweischneidiges Schwert

Das Management der Agrarholdings hat im Laufe der Zeit gelernt, die aufgekauften Betriebe effizienter in ihre Strukturen zu integrieren. Es ist jedoch offensichtlich, dass sie nach wie vor einen beträchtlichen Teil ihrer Ressourcen für diese Integrationsprozesse einsetzen müssen, denn häufig wurden finanzschwache und schlecht wirtschaftende Betriebe übernommen. Warum eine so große Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe (mehr oder weniger zur gleichen Zeit) in so schlechtem Zustand war, wurde in mehreren wissenschaftlichen Studien thematisiert und in erster Linie mit einem schwachen institutionellen Umfeld und Marktunvollkommenheiten in der Ukraine begründet. Unsere Untersuchung wiederum zeigt, dass Agrarholdings bei diesen Entwicklungen eine Doppelrolle spielen.

Einerseits bringen Agrarholdings Fremdkapital, neue Technologien und moderne Managementmethoden in den meist ineffizient arbeitenden Agrarsektor ein. Auf diese Weise tragen sie zum Erreichen politischer Zielvorgaben wie etwa der Ernährungssicherheit, der ländlichen Entwicklung durch Kommerzialisierung oder der Steigerung der Exportorientierung der landwirtschaftlichen Produktion bei. Aus einem ökonomischen Blickwinkel rechtfertigen Überlegungen zu den aus den Übernahmen entstehenden Größenvorteilen das akquisitorische Wachstum der Agrarholdings. Im Ergebnis bewirken die Übernahmen nicht nur bei den betroffenen Betrieben, sondern auch im gesamten Sektor eine positive Produktivitätsentwicklung. Gleichzeitig profitieren ländliche Grundeigentümer von höheren Pachtzahlungen – denn diese fallen bei Betrieben, die von einer Agrarholding übernommen wurden, deutlich höher aus.

Andererseits sind diese Fortschritte oft mit einem gewissen Preis verbunden. Sehr oft wird die Leistungssteigerung der aufgekauften Betriebe durch eine Ressourcenumverteilung erreicht, die zulasten der effizienteren Betriebe im Konzern geht. Dadurch wird die Entwicklung dieser effizienteren Betriebe (und auch ihrer Muttergesellschaften) mindestens um einige Jahre zurückgeworfen. Außerdem hat der Akquisitionswettbewerb unter den Agrarholdings durchaus auch negative Wohlfahrtseffekte. So mussten Betriebe, die während der Akquisitionswelle erworben wurden, in großem Umfang Entlassungen und den Verkauf ihres Anlagevermögens erleben. Auch wurde den Landeigentümern hier dann auch weniger Pacht als üblich gezahlt.

Der Grund dafür ist, dass Agrarholdings in einer Übernahmewelle innerhalb kurzer Zeit sehr viele Betriebe erwerben und so hohe Beträge für die Akquisition selbst aufwenden. In der Konsequenz stehen dann weniger Mittel für die Modernisierung der erworbenen Betriebe zur Verfügung. Die Akquisitionsausgaben müssen in irgendeiner Weise kompensiert werden und aufgrund ihrer kurzfristigen Natur muss dies sehr schnell geschehen. Sehr häufig kommt es dann zur Entlassung von Arbeitskräften, dem Verkauf von Betrieben mit langen Amortisationszeiten (z. B. Rinderzucht) und manchmal auch zu dem Einsatz von Marktmacht (z. B. um die Bodenpreise zu drücken). Gelingt es einer Agrarholding nicht, sich effizient durch einen Übernahmeprozess zu navigieren, kann dies zu noch schlimmeren Folgen führen: Die ukrainische Landwirtschaft hat im letzten Jahrzehnt bereits eine Reihe von Insolvenzen bekannter und sehr großer Agrarholdings erlebt.

Ausblick

Wie weithin bekannt ist, dürfen seit dem ersten Juli 2021 Privatpersonen in der Ukraine landwirtschaftliche Flächen im Umfang von maximal 100 Hektar kaufen und verkaufen. Juristische Personen, einschließlich Agrarholdings, erhalten erst ab dem ersten Januar 2024 das Recht, bis zu 10.000 Hektar zu erwerben. In diesem Zusammenhang sollte der Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass ausländische natürliche und juristische Personen in der Ukraine grundsätzlich keine landwirtschaftlichen Flächen erwerben dürfen, weder aktuell noch in Zukunft. Infolge dieser Veränderungen werden die Agrarholdings ihre Wachstumsstrategien wohl anpassen und es gibt einige Entwicklungsszenarien, die derzeit als recht realistisch gelten. Diese gehen allesamt davon aus, dass das Geschäftsmodell der Agrarholdings weiterhin auf der Nutzung von Land in großem Maßstab beruhen wird. Wir skizzieren nachfolgend ein paar denkbare Entwicklungen.

Zunächst einmal werden voraussichtlich in nächster Zeit die Zahl der Übernahmen und die allgemeine landwirtschaftliche Produktivität kurzfristig sinken, weil die Agrarholdings (und auch die Nicht-Agrarholdings) ihre Mittel zur Sicherung ihrer derzeit bewirtschafteten Flächen ansparen werden, anstatt diese in weiteren technologischen Fortschritt zu investieren. In einer Übergangsphase, die etwa von 2021 bis 2024 andauern könnte, wird ein Teil dieser Mittel dann in den Neuabschluss bestehender Pachtverträge zu einem für die Bodeneigentümer vorteilhaften Preis fließen. Der andere Teil wird für den Bodenerwerb innerhalb der zulässigen Grenzen genutzt werden. So könnten beispielsweise die Eigentümer von Agrarholdings und ihre Verwandten als Privatpersonen Land kaufen, wobei die momentan geltende Kaufobergrenze von 100 Hektar pro Person verglichen mit der Größe der Agrarholdings sehr niedrig ist – diese bewirtschaften heute jeweils zwischen 10.000 und über 500.000 Hektar. Dennoch haben einige Agrarholdings bereits damit begonnen, größere Flächen über den Landbesitz von Angestellten oder anderer mit ihnen verbundener Personen anzusammeln. Zumindest kurzfristig könnte sich die Wachstumsstrategie der Agrarholdings also von einem Wachstum durch Betriebsübernahmen wandeln zu einem Wachstum durch Integration von Einzelpersonen, die Bodeneigentümer sind.

Ab 2024 ist dann davon auszugehen, dass die Agrarholdings wieder ihr Flächenwachstum vorantreiben werden, das vermutlich zum Teil wieder durch Betriebsübernahmen realisiert werden wird. Der Hauptgrund für diese Entwicklung wäre eine Verringerung der Transaktionskosten für Agrarholdings aufgrund: a) der Möglichkeit, dass die Agrarholdings nun teilweise Eigentümer des bislang gepachteten Landes sind; b) der Möglichkeit, dass nun weniger Landbesitzer größere Flächen besitzen werden; oder c) der Möglichkeit, dass nun auch landwirtschaftliche Betriebe mit konsolidiertem Bodeneigentum gekauft werden können. Dabei besteht vor allem für jene unabhängigen Landwirtschaftsbetriebe eine hohe Übernahmewahrscheinlichkeit, die nicht zuletzt aufgrund ihrer eigenen Flurbereinigungsaktivitäten finanziell ins Straucheln geraten sind. Die Eigentümer solcher Betriebe werden sich vermutlich bemühen, die Verluste durch den Verkauf eigener Betriebsmittel und die Verpachtung eigener Flächen auszugleichen. Angesichts des nach wie vor schlechten Zugangs zu Finanzmitteln, insbesondere für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe in der Ukraine, wäre dann mit einer weiteren Welle von Übernahmen solcher Betriebe zu rechnen. Dabei wären wieder die oben beschriebenen positiven wie negativen Effekte zu erwarten.

Lesetipps / Bibliographie

  • Graubner, M., Ostapchuk, I., Gagalyuk, T (2021) Agroholdings and land rental markets: A spatial competition perspective. European Review of Agricultural Economics 48 (1): 158–206.
  • Ostapchuk, I., Gagalyuk, T., Curtiss, J. (2021a) Post-acquisition integration and growth of farms: the case of Ukrainian agroholdings. International Food and Agribusiness Management Review 24 (4): 615–636.
  • Ostapchuk, I., Gagalyuk, T., Epshtein, D., Dibirov, A. (2021b) What drives the acquisition behavior of agroholdings? Performance analysis of agricultural acquisition targets in Northwest Russia and Ukraine. International Food and Agribusiness Management Review 24 (4): 593–613.
  • Ukrainian Agribusiness Club (UCAB) (2019) LFM (Large Farm Management) book. Kyiv, Ukraine. http://ucab.ua/en/lfm_book (in Ukrainisch).

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