Das Asow-Regiment und die russische Invasion

Von Ivan Gomza (Kyiv School of Economics, Kyjiw)

Zusammenfassung
Wegen seiner teilweise rechten Wurzeln wird das Asow-Regiment häufig, vor allem von russischer Propaganda, als brutale Neonazi-Bande dargestellt. Tatsächlich ist Asow jedoch ein sehr komplexes und widersprüchliches Phänomen, das dieser Artikel näher zu beleuchtet versucht. Die meisten rechtsextremen Kämpfer verließen das Regiment bereits 2014 mit dessen Einbindung in die Nationalgarde. Später führten die Aufteilung von Asow in eine soziale bzw. politische Bewegung und eine Militäreinheit sowie das Verbot politischer Agitation in der Armee zu seiner weiteren Entradikalisierung und Entideologisierung. Vor dem Hintergrund der momentanen russischen Invasion gilt das Asow-Regiment als eine der professionellsten Einheiten des ukrainischen Militärs und war lange Zeit die letzte ukrainische Bastion im inzwischen von Russland eroberten Mariupol, was dem Asow-Regiment in der Ukraine einen Heldenstatus einbrachte.

Einleitung

Am 30. April 2022 sendete ein prorussischer Kanal eine Erklärung, in der sämtliche Verteidiger der Stahlfabrik Asowstal im belagerten Mariupol zur Aufgabe gedrängt wurden, wofür ihnen ihr Leben versprochen wurde. Einer von drei ukrainischen Soldaten, die ihr Versteck daraufhin verließen, war ein junger Mann mit einem patriotischen Tattoo. Das Video rühmte die humane Behandlung der Kriegsgefangenen. Später bekam die Mutter des Soldaten vom privaten Telefon des Opfers ein Foto des Tattoos zugeschickt. Der ermordete Soldat hatte dem Asow-Regiment angehört, das Tattoo bezeugte seine Identität.

Diese Tragödie zeigt beispielhaft die komplexe Rolle des Asow-Regiments im russisch-ukrainischen Krieg. Das Regiment ist eine offizielle Einheit des ukrainischen Militärs, seine Kämpfer stehen damit unter dem Schutz internationaler Kriegsgesetze. Asow ist zweifellos eine effektive Einheit: Ihre Verteidigung verhinderte über 80 Tage hinweg die komplette russische Kontrolle über das ansonsten besetzte Mariupol. Für viele Ukrainer sind die Asow-Kämpfer heroische Figuren, die ihr Land noch in der katastrophalsten Situation und gegen alle Widerstände verteidigen. In Mariupol wurde Asow zum Symbol nationalen Widerstands und eisernen Willens. Russland stellt Asow dagegen als rechtsextreme Bande dar, die die Regeln zivilisierter Kriegsführung missachtet und entsprechend behandelt wird. Putin führte Asow sogar als »Beweis« dafür an, dass die Ukraine entnazifiziert werden sollte, ein Zug, den international führende Holocaust-Forschende zurückwiesen (siehe den Offenen Brief dazu in den Ukraine-Analysen 263).

Asow scheint wie eine »magische« Zutat: Nichts ist sicher und alles möglich, setzt man sie ein. Für neutrale Beobachter ist es eine Herausforderung, inmitten der widersprüchlichen Darstellungen von russischer Propaganda, Asow-Selbstdarstellungsclips, Expertenmeinungen, Bedenken von Aktivisten, offiziellen Kriegskanälen und inoffiziellen Nachrichten in den sozialen Medien das Phänomen Asow zu verstehen. Dafür ist es notwendig, auf bestehende Wahrnehmungen einzugehen und Asow im Kontext des langjährigen russisch-ukrainischen Konflikts zu betrachten.

Die Ursprünge von Asow

Ein typischer Account in den sozialen Medien bringt Asow in Verbindung mit Fackelzügen, Bootcamps für Jugendliche und rechtsextremer Gewalt. Das ist eine irreführende Darstellung, denn sie fokussiert eine bestimmte Phase der Entwicklung Asows – von 2016 bis 2019 –, die nur wenig damit zu tun hat, was Asow 2014 war oder 2022 macht. Ein besseres Verständnis für das Phänomen schafft daher ein Blick auf die gesamte Geschichte Asows.

Asow entstand im Zuge der Post-Euromaidan-Tumulte. Nach der Flucht von Präsident Janukowytsch aus der Ukraine befand sich der ukrainische Staatsapparat in einem halb paralysierten Zustand. Das wusste Russland zu nutzen, um gegen die neue proeuropäische Regierung vorzugehen: erst annektierte es die Krim, dann unterstützte es die pro-russische Dynamik in der Ostukraine. Ukrainische Entscheidungsträger versuchten mit allen Mitteln, diese einzudämmen. Im März 2014 beauftragte die Regierung etwa 50 Personen, die gegen die pro-russischen »Separatisten« in Charkiw kämpfen wollten. Ursprünglich wurden diese Freiwilligen als »kleine schwarze Männer« bekannt, eine Anspielung auf die russischen »kleinen grünen Männer«, die die Krim eingenommen haben. Nach der Sicherung Charkiws wurden die »kleinen schwarzen Männer« nach Mariupol geschickt, wo die »Separatisten« im April 2014 begonnen hatten, Behörden und militärische Anlagen zu besetzen, um das Szenario von Luhansk und Donezk zu wiederholen. Im Mai 2014 konnten die ukrainische Armee und Freiwilligenbataillone die Separatisten besiegen. Bei der Operation koalierten die »kleinen schwarzen Männer« mit anderen Freiwilligen und Mitgliedern der ukrainischen Polizei und bildeten so das Asow-Bataillon, das in Mariupol seine ständige Basis errichtete.

In dieser frühen Phase entstanden zwei langlebige Falschannahmen über Asow: Zum einen konstatieren Beobachter die Abspaltung eines ukrainischen Freikorps, einer extralegalen militärischen Einheit. Zum anderen fokussieren Experten die Rolle der ultrarechten Ideologie in den Ursprüngen von Asow.

Tatsächlich agierten diejenigen, die später der Kampfkern des Asow-Bataillons wurden, von März bis Mai 2014 als Miliz. Danach wurden sie zügig ans Innenministerium angebunden, erst als Polizeibataillon, ab Herbst 2014 als Spezialeinheit der ukrainischen Nationalgarde. Formal ist die Behauptung, die Asow-Bewegung sei jemals eine Miliz gewesen, also falsch, denn der Name Asow wurde erst zur Bezeichnung der Einheit Nummer 3057 der Nationalgarde eingeführt.

Deswegen führt die Liste der Asow-Gefallenen für 2014 auch viel mehr Polizisten verschiedener Dienstgrade als Freiwillige ohne Dienstgrad (wie es typisch für eine Miliz wäre). Asow entstand also als offizielle Militäreinheit, mit Abzeichen, Nummer und entsprechendem Status seiner Kämpfer. Der Einheit Nummer 3057 der Nationalgarde gehörten im April 2022 etwa 1.500 Soldaten an.

Die Ideologien und Sichtweisen der Asow-Mitglieder sind differenzierter als meist angenommen. Im Frühjahr 2014 gab es keinerlei Anforderungen für Freiwillige, die gewillt waren, die prorussischen Separatisten zu bekämpfen: Wer über Waffenkenntnis verfügte und zur Anwendung physischer Gewalt bereit war, war willkommen. Das führte dazu, dass sich Menschen mit komplett unterschiedlichen Hintergründen Asow anschlossen: Polizeioffiziere, Euromaidan-Aktivisten, Armee-Veteranen, ausländische Freiwillige oder einfach Hitzköpfe. Was für viele überraschend ist, ist dass die meisten Asow-Mitglieder aus der Ostukraine stammen und Russisch sprechen. Unter anderem gilt dies für die letzten beiden Asow-Kommandeure, Maksym Schorin, geboren in Rubischne in der Region Luhansk, und Denys Prokopenko, dessen Wurzeln in Karelien liegen. Herkunft und bevorzugte Sprache widerlegen also russische Behauptungen über »ukrainischsprechende Bandera-Faschisten aus Lwiw«, die versuchen würden, russischsprachige Menschen in Donezk zu töten. Stattdessen ist Asow vielmehr eine regionale ostukrainische Opposition gegen den Einmarsch der Truppen der Russischen Föderation.

Die größte Gemeinsamkeit der Asow-Mitglieder war ursprünglich, dass viele von ihnen aus der Fußballszene kamen und Ultras bzw. Hooligans waren. Die Mitglieder dieser Szenen sind bekannt für ihre physischen Fähigkeiten, starke persönliche Bindungen und Lokalpatriotismus, weshalb sie ein natürliches Reservoir für antiseparatistischen Aktivismus darstellen. Rückblickend war es ziemlich naheliegend, dass der Kern der Charkiwer »kleinen schwarzen Männer« aus Mitgliedern der »Secta 82« bestand, einer Ultra-Gruppe von Metalist Charkiw, dem prominentesten Fußballverein der Stadt. Hinzu kamen Kämpfer, die starke persönliche Verbindungen zu Dynamo-Kyjiw-Ultras hatten, wie unter anderem der derzeitige Asow-Chef Denys Prokopenko.

Fußball-Ultras und Hooligans vertreten in vielen europäischen Staaten eine vage rechtsgerichtete Ideologie. In der Ukraine wandten sich einige von ihnen naheliegenderweise denselben sozialen Milieus zu wie die extreme Rechte. Aufgrund dieser Verbindungen schlossen sich 2014 einige Rechte dem Kampf gegen Russland und ihren Stellvertretern im Donbas an. Einige der bekanntesten öffentlichen Asow-Figuren waren Rechtsextreme, etwa Andrij Bilezkyj, Ihor Mychajlenko und Sergej Korotkich. Bilezkyj war ein führendes Mitglied der Charkiwer Zelle der ultranationalistischen »Tryzub«-Organisation gewesen und hatte die offen neonazistische Organisation »Patriot der Ukraine« gegründet, bevor er das Asow-Bataillon mitgründete. Auch Mychajlenko war Mitglied von »Patriot der Ukraine« und außerdem wegen einer Schießerei inhaftiert gewesen. Korotkich hatte die »Nationalsozialistische Gesellschaft« in Russland aufgebaut und war eine prominente Figur des russischen Neonazimilieus gewesen (unter anderem verband ihn eine Freundschaft mit dem führenden russischen Neonazi Maxim Martsinkevich), bevor er in die Ukraine auswanderte und sich Asow anschloss.

Asow wurde also 2014 – inmitten der postrevolutionären Unruhen und während des russischen Überfalls auf die Ukraine – zu einer Anlaufstelle, bei der durch diese Aggression provozierte Patrioten und ideologisch abgedriftete Rechte aufeinandertrafen. Erwähnenswert ist hierbei, dass sich die rechtsextremen Aktivisten (anders als die Ultras) um eine Stärkung ihrer Position bemühten, indem sie eine symbolische Dominanz etablierten und andere zu ihrer Gesinnung bekehrten. Eine lautstarke Minderheit übertönte so den schweigenden Kern von Asow. Beobachter schlugen wegen Asows offen neonazistischer Symbolik und kryptischer kultureller Bezüge zu rechtsextremen Werten (unter anderem die Schwarze Sonne und die Wolfsangel als Insignien) schnell Alarm.

Asow als Militäreinheit und soziale Bewegung

Die Kluft zwischen dem Lager der Ultras und dem der rechtsextremen Aktivisten wie auch die internen Dynamiken, die Asow zur sozialen Bewegung und zur Militäreinheit machten, werden von vielen Experten ignoriert. Diese Spaltungen entstanden bereits relativ früh in der Geschichte Asows. Als das Asow-Bataillon im November 2014 Teil der Nationalgarde geworden war, wurde Andrij Bilezkyj als parteiloser Abgeordneter ins Parlament gewählt. Da er nicht gleichzeitig Bataillonschef sein und sich auf seine politischen Aktivitäten konzentrieren konnte, überließ er sein Amt bei Asow Mychajlenko. Im Sommer 2016 trat dann auch dieser ab, um einer sozialen Bewegung vorzustehen, dem »Nationalen Korps«, das als Anker der offiziell im Oktober 2016 gegründeten politischen Partei »Nationales Korps« fungierte. Als graue Eminenz nahm auch Korotkich eine führende Rolle in der Bewegung »Nationales Korps« ein.

Es ist bezeichnend, dass die politische Fraktion – also politisch engagierte Menschen mit ausgeprägten ideologischen Überzeugungen, die schon lange vor 2014 Verbindungen zur Politik aufgebaut hatten – Asow als politisches Projekt innerhalb des Asow-Bataillons aufbaute. Politische Unternehmertypen wie Bilezkyj bemühten sich, Asows Erkennbarkeit zu kapitalisieren und über die Marke Asow breitere gesellschaftliche Kreise und politische Macht zu erreichen – was allerdings misslang.

Obwohl das »Nationale Korps« sehr darauf achtete, als im Rahmen des demokratischen Systems agierende patriotische Organisation aufzutreten, war es in umstrittene Aktivitäten verwickelt: Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei, zu Angriffen auf die LGBT-Community und die Minderheit der Roma in den Jahren 2017 und 2018, zu militärischen Trainings mit Jugendlichen und Fackelzügen. Außerdem versuchte das Nationalkorps, transnationale Verbindungen zu traditionalistischen und rechtsextremen Bewegungen in Europa und Nordamerika aufzubauen, was bei Beobachtern die Sorge hervorrief, das »Nationale Korps« könnte zur Kaderschmiede transnationaler Rechts-Terroristen werden. So erließ der US-Kongress 2015 das Gesetz HR 2685, das die Unterstützung des Asow-Bataillons durch Waffen, Training und andere Mittel oder Maßnahmen begrenzte. Das Verbot wurde 2016 zwar wieder aufgehoben, das Schicksal des »Nationalen Korps« war jedoch besiegelt: Je länger es auf die Marke Asow setzte, desto mehr Schaden würde es dem Asow-Bataillon zufügen.

Zwischen dem politischen Projekt und der Militäreinheit zu unterscheiden, war tatsächlich eine Herausforderung, denn charismatische Offiziere (etwa Schorin oder Sobolewskyj) wechselten häufig nach ihrer Dienstzeit vom Bataillon in politische Positionen. Und auch ehemalige Kämpfer aus nicht führenden Positionen schlossen sich der Partei an. Letztlich wurde zwischen Partei und Militäreinheit aber eine institutionelle Mauer errichtet. Dazu trugen drei Entwicklungen bei.

Erstens erwies sich das »Nationale Korps« als politischer Flop. Bei den Parlamentswahlen von 2019 wagte es nicht, als unabhängige Partei teilzunehmen, sondern legte seine Ressourcen stattdessen mit anderen nationalistischen Parteien zusammen. Unter dem Dach der Swoboda-Partei versuchte es dann sein Glück, erlitt jedoch eine herbe Wahlniederlage: null Sitze im Parlament. Bei den Lokalwahlen 2020 traten Bilezkyj und seine Gefolgschaft als eigene Partei an, erneut mit schwachen Ergebnissen: Von 43.122 Sitzen in den Gemeinderäten gingen nur 18 ans »Nationale Korps«. In Mariupol, der Heimat des Asow-Bataillons, errang es keinen einzigen Sitz. Die Wahlniederlagen des »Nationalen Korps« sagen nicht nur viel über den Zustand der Rechtsextremen in der Ukraine aus, sie haben auch die zentrifugalen Tendenzen in der Asow-Bewegung verstärkt. Unpolitische Ultras, die bisher den politisch versierten Rechten gefolgt waren und ihnen so die Kontrolle über die Marke Asow und ihre Strategie gesichert hatten, stellten nun Biletzkyjs Meinungen in Frage. Nach erbitterten Kämpfen, auch in Form gewalttätiger Auseinandersetzungen, verließen sie das Nationalkorps, um unter dem Namen »Ehre« ihre eigene politische Bewegung zu starten.

Zweitens wurde das Asow-Bataillon durch ein ukrainisches Gesetz zunehmend von der Parteipolitik isoliert. Es wurde 2015 verabschiedet, trat 2016 in Kraft und verbot politische Agitation innerhalb der Armee. Zudem hatte sich eine Logik der Professionalisierung immer weiter durchgesetzt. Von 2014 bis 2022 hatte das Asow-Bataillon vier Kommandeure: Bilezkyj (2014), Mychajlenko (2014–2016), Schorin (2016–2017) und Prokopenko (seit 2017). Anders als die ersten Kommandeure, die ihre prominente Position als Sprungbrett für politische Karrieren nutzten, konzentrierte sich Prokopenko ausschließlich auf militärische Angelegenheiten wie Trainings, Waffenbesorgung und die Einsatzleitung vor Ort. Seine Amtszeit dauert schon jetzt länger als die aller anderen Kommandeure zusammen und seine unpolitische Haltung machte eine Normalisierung der Beziehungen zu US-Beratern möglich.

Asow im Zentrum der russischen Invasion

Die russische Invasion im Februar 2022 machte den militärischen Asow-Arm wesentlich bedeutender als den im Untergang begriffenen politischen Arm, das »Nationale Korps«. Als Teil der ukrainischen Nationalgarde untersteht Asow dem Östlichen Einsatzkommando und wurde 2015 zum Regiment vergrößert. Mit seinen 1.500 registrierten Kämpfern stellt es nur einen Bruchteil der 260.000 Soldaten starken Ukrainischen Armee dar. Aufgrund eines strengen Auswahlprozesses, Trainings mit Nato-Ausbildern und einem hohen Grad an taktischem Wissen erwies es sich allerdings als sehr schlagkräftig. Von 2014 bis 2022 war es an der Grenzsicherung, an Anti-Terror-Aktionen und Kämpfen mit pro-russischen »Separatisten« beteiligt. Mit seinem Hauptquartier in Mariupol geriet Asow 2022 ins Zentrum des russischen Angriffs und verteidigte die belagerte Stadt bis Mitte Mai. Im Asovstal-Werk harrten bis zuletzt bis zu 2.000 Kämpfer, darunter das Asow-Regiment sowie Einheiten der ukrainischen Marine, des Grenzschutzes, der Polizei, sowie etwa 300 Zivilisten aus, bis sie sich aufgrund der aussichtslosen Lage schließlich ergeben mussten.

Schätzungen zufolge gelang es der Asow-Einheit während der Belagerung, bis zu 1.900 russische Soldaten zu töten, bis zu 3.500 zu verletzen und 68 Panzer, 111 Schützenpanzer, 25 Transportwagen, ein Patrouillenboot und ein SU-25-Kampfflugzeug auszuschalten. Außerdem waren zahlreiche Bataillone des Asow-Regiments an anderen Kriegsschauplätzen an wichtigen Erfolgen beteiligt. Beispielsweise zerstörte das Asow-Bataillon für Spezialoperationen ein Regiment der 90. Panzerdivision der russischen Armee im Kampf um Browary, wodurch nicht zuletzt der russische Vormarsch auf die ukrainische Hauptstadt Kyjiw gestoppt werden konnte. Asows Kommandeur Prokopenko erhielt für die militärischen Erfolge seines Regiments im März 2022 den höchsten ukrainischen Ehrentitel »Held der Ukraine« verliehen.

Neben militärischen Aufgaben leistete das Asow Regiment auch humanitäre Hilfe und organisierte zum Beispiel eine Evakuierung von Zivilisten aus Charkiw. Asows wichtigste humanitäre Leistung galt allerdings der Bevölkerung Mariupols, für die es Nahrungsmittel verteilte und Unterkünfte zur Verfügung stellte. Außerdem errichtete Asow improvisierte Krankenhäuser in der belagerten Stadt.

Schluss

Die komplexe Entstehung und Entwicklung des Asow-Regiments zeigt, dass die russischen Vorwürfe, Asow sei ein Regiment von Neonazis, irreführend sind. Damit wird seitens Russland versucht, den Überfall auf die Ukraine, die Bombardierung friedlicher Städte, die Folter von Zivilisten und sogar die Hinrichtung von Soldaten unter Verletzung der Genfer Konvention zu rechtfertigen. Einen Schein von Glaubwürdigkeit bezieht die russische Rhetorik aus zwei Quellen: zum einen aus Asows komplizierter Geschichte, in der es zu Beginn durchaus Rechte gab, und zum anderen aus der Unkenntnis der breiten Öffentlichkeit über die weitere Entwicklung Asows bis heute, vor allem die Trennung zwischen der politischen Asow-Bewegung (ursprünglich vertreten durch die Partei »Nationales Korps«) und dem militärischen Asow-Regiment. Erstere ist eine nahezu irrelevante politische Kraft, letzteres eine zu weiten Teilen entpolitisierte, reguläre und professionelle Einheit der ukrainischen Armee. Das lässt Aussagen wie »Rechtsextreme Brigade tötet russische Generäle« oder »Extremisten verteidigen Mariupol« als zu kurz gegriffen erscheinen und macht sie unglaubwürdig.

Übersetzung aus dem Englischen: Sophie Hellgardt

Lesetipps / Bibliographie

Omer Bartov (2022): Why Does Russia’s Leadership Keep Saying that Ukrainians Are Nazis?, in : The Wall Street Journal, 12.05.2022, https://www.wsj.com/articles/why-does-russias-leadership-keep-saying-that-ukrainians-are-nazis-11652361854.

Sébastien Bourdon (2020): At Ukraine's Asgardsrei, A French Connection, https://www.bellingcat.com/ news/2020/05/01/at-ukraines-asgardsrei-a-french-connection/.

Michael Colborne (2022): From the Fires of War: Ukraine’s Asow Movement and the Global Far Right, Stutt­gart: Ibidem.

Ivan Gomza (2022): Too Much Ado About Ukrainian Nationalists: the Asow Movement and the War in Ukraine, Krytyka, April 2022, https://krytyka.com/en/articles/too-much-ado-about-ukrainian-nationalists-the-Asow-movement-and-the-war-in-ukraine.

Ukrainian Jewish Encounter. 2022. Ukraine’s ‘Asow Battalion’ Explained, https://ukrainianjewishencounter.org/ en/news/ukraines-Asow-battalion-explained/.

Andreas Umland (2019): Irregular Militias and Radical Nationalism in Post-Euromaidan Ukraine: The Prehistory and Emergence of the “Asow” Battalion in 2014. Terrorism and Political Violence. 2019. 31(1): 105–131, DOI: 10.1080/09546553.2018.1555974.

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