Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges

Von Irina Pinchuk (Nationale Taras-Schewtschenko-Universität, Kyjiw), Anastasia Pinchuk (Eichhof-Stiftung, Lauterbach)

Zusammenfassung
Das ukrainische Gesundheitswesen im Bereich der psychischen Gesundheit ist geprägt vom sowjetischen Erbe. Es ist nach Erlangung der Unabhängigkeit 1991 kaum reformiert worden und war nicht darauf vorbereitet, die Folgen eines großangelegten Krieges aufzufangen. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat immense Folgen für die psychische Gesundheit: Laut der UNO haben 15,6 Millionen Familien in der Ukraine eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit erlitten. Jede:r vierte Ukrainer:in ist in Gefahr, durch den Krieg verursachte psychische Störungen zu erleiden. Dienste zur psychischen Gesundheit sind stärker gefragt als je zuvor. Gleichzeitig ist das Gesundheitssystem selbst militärischen Angriffen ausgesetzt und steht unter großem Druck.

Das psychische Gesundheitssystem der Ukraine

In der Ukraine gibt es viele Ministerien und Behörden, die das Land aus sowjetischer Zeit übernommen hat. So haben viele von ihnen eigene Dienste für die psychische Gesundheitsversorgung: das Gesundheitsministerium, das Ministerium für Sozialpolitik, das Ministerium für Bildung und Wissenschaft, das Innenministerium, das Justizministerium und das Infrastrukturministerium. Dem Gesundheitsministerium unterstehen 61 spezielle psychiatrische Kliniken und 22 ambulante Stationen mit insgesamt 20.026 Psychiatriebetten und rund 1.000 Betten für den Drogenentzug. Darüber hinaus gibt es in somatischen Krankenhäusern 23 psychiatrische Abteilungen zur stationären Behandlung sowie 704 psychiatrische Ambulanzen. Dem Ministerium für Sozialpolitik sind 282 Institutionen unterstellt, in denen 43.300 Patient:innen behandelt werden, darunter 1.500 Kinder.

Mit Stand vom 01. Januar 2023 waren 170.687 Menschen in psychiatrischer Behandlung (entspricht 392 pro 100.000 Menschen oder 0,4 %). Die Prävalenz betrug 1.770.875 (4.067 Fälle psychischer Erkrankungen pro 100.000 Menschen), das heißt, etwa 4 % der Bevölkerung litt an psychischen Erkrankungen.

Die Ukraine weißt im internationalen Vergleich zwar eine sehr hohe Last durch Störungen der psychischen Gesundheit auf, gleichzeitig galt das Gesundheitswesen für psychische Erkrankungen lange als unzureichend. Zwar wurde im Jahr 2000 das Gesetz »Über das psychische Gesundheitswesen« verabschiedet, aber das nationale Gesundheitswesen in diesem Bereich blieb stark »sowjetisch« geprägt, was die Organisationsstruktur anbelangt. Hinzu kamen Probleme und Mängel wie: Stigmatisierung, Diskriminierung und soziale Ausgrenzung von Menschen mit psychischen Störungen, Konzentration auf stationäre Behandlung, Finanzierung nach Bettentagen, katastrophale Finanzierung ambulanter Behandlungen, unzureichende Finanzierung des Gesamtsystems, unpassender und ineffizienter Einsatz der verfügbaren Ressourcen, Trennung der Dienste für psychiatrische Behandlung und Drogenentzug, Mangel an Fachkräften zur Behandlung von Kindern mit psychischen Störungen.

Erst nach 2005 besserte sich allmählich die Lage, nachdem die Ukraine die Mental Health Declaration for Europe der WHO unterzeichnet hatte. Im gleichen Jahr wurde ein Länderbüro der WHO in Kyjiw eröffnet, das die Programme zur psychischen Gesundheit koordinieren sollte. 2006 wurde erstmals ein Konzeptentwurf für einen »Mental Health Action Plan« von einem Expert:innenteam unter WHO-Aufsicht erarbeitet. Die wichtigsten Ideen dieses Entwurfs bestanden in einer Schwerpunktverlagerung hin zu ambulanter Behandlung, einer Integration in die Primärversorgung, der Einführung evidenzbasierter Standards, dem Schutz der Rechte von Patient:innen und medizinischem Personal sowie einer Zusammenarbeit mit Patient:innen- und Angehörigen-Organisationen.

Allerdings wurde das Mental Health Action Plan-Konzept (im Weiteren: Konzept) jahrelang nicht verabschiedet, obwohl es auf vielen Konferenzen, Runden Tischen und Sitzungen erörtert wurde, und die Notwendigkeit einer Verabschiedung auf staatlicher Ebene auf der Hand lag. 2013 wurde das Konzept noch einmal überarbeitet, allerdings erneut nicht verabschiedet, dieses Mal wegen der Revolution der Würde, der Annexion der Krim und der Antiterror-Operation in der Ostukraine. Aufgrund der militärischen Kampfhandlungen und ihrer Folgen für die Psyche rückten Fragen der psychischen Gesundheit jetzt allerdings stärker in den Mittelpunkt des Interesses von Gesellschaft und Regierung. Es ergab sich eine Gelegenheit zur Reformierung des Versorgungswesens im Bereich psychische Gesundheit, das immer noch stark unterfinanziert war: Während die Ukraine zu diesem Zeitpunkt 6,25 US-Dollar pro Kopf für psychische Gesundheit ausgab, waren es in einkommensstärkeren Ländern im Schnitt fast zehnmal so viel.

Das Konzept wurde am 27. Dezember 2017 vom Ministerkabinett gebilligt und schließlich wurde der Mental Health Action Plan (MHAP) vier Jahre später, am 10. Oktober 2021, vom Ministerkabinett verabschiedet. Für Anfang 2022 war geplant, auf Grundlage des MHAP Reformen zu beginnen und umzusetzen, doch die großangelegte russische Invasion stoppte alle Pläne abermals.

Nennenswert ist darüber hinaus die Schaffung neuer mobiler Teams für psychische Gesundheit auf kommunaler Ebene, die als Erfolg gelten. Sie begannen als humanitäres Projekt der WHO im Jahr 2015, und 2022, nach einer erfolgreichen Projektphase, erhielten 65 mobile Teams eine staatliche Finanzierung. Sie erwiesen sich besonders zu Beginn der groß angelegten russischen Invasion als hilfreich, als die stationäre Versorgung für eine gewisse Zeit desorganisiert war und die mobilen Teams die Menschen in Not erreichen konnten.

Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die psychische Gesundheit

Das ukrainische Volk hat im vergangenen Jahrhundert eine Reihe kollektiver traumatischer Erlebnisse durchgemacht: die Oktoberrevolution, den Holodomor, die Repressionen unter Stalin, den Zweiten Weltkrieg und die atomare Katastrophe 1986 in Tschernobyl. Es hat sich an kritische Situationen gewöhnt. Nach der Erlangung der Unabhängigkeit haben die Annexion der Krim und der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine zu einer humanitären Krise mit einer großen Zahl von Binnenflüchtlingen und menschlichen Opfern geführt, was erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hatte. Von 2014 bis zur großangelegten russischen Invasion 2022 sind über 14.000 Menschen umgekommen und Millionen geflohen.

Nach Beginn der großangelegten Invasion am 24. Februar 2022 ist das gesamte Land unmittelbar von Raketen- und Drohnenangriffen betroffen sowie von einer ständigen Gefahr davon. Das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte der UNO hat 9.614 getötete Zivilist:innen und 17.535 Verletzte registriert, räumt aber zugleich ein, dass die tatsächlichen Zahlen viel höher sein dürften. Einer repräsentativen Umfrage vom Juni 2023 zufolge haben 78 % der Ukrainer:innen Freund:innen oder enge Verwandte, die im Zuge der russischen Invasion umkamen oder verletzt wurden.

Bei einem Blick auf die gegenwärtige Situation beobachten wir eine anhaltende, kollektive Traumatisierung einer ganzen Gesellschaft; traumatisierende Informationen, die intensiv über (soziale) Medien verbreitet werden; Millionen von Flüchtenden innerhalb wie außerhalb des Landes sowie auseinandergerissene Familien. Einer Studie zufolge, die kürzlich von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) erstellt wurde, sind in der Ukraine geschätzt 32 Millionen Menschen direkt oder indirekt vom Krieg betroffen. 15,6 Millionen Familien berichten über eine Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit.

Besonders gefährdete Gruppen

Kinder zählen zu der Bevölkerungsgruppe, die besonders verwundbar ist. Der Generalstaatsanwaltschaft und der Nationalen Polizei der Ukraine zufolge sind mit Stand vom 6. Oktober diesen Jahres 505 ukrainische Kinder ums Leben gekommen. 1.129 wurden verwundet, 1.206 sind verschwunden und 19.546 wurden verschleppt. 13 Kinder wurden Opfer sexualisierter Gewalt. Aufgrund der aktuellen Kriegshandlungen und der vorübergehenden Besetzung von Teilen des ukrainischen Territoriums ist es unmöglich, die genaue Anzahl verletzter Kinder festzustellen.

Daten zeigen, dass in der seit 2014 umkämpften Region Donezk bereits vor Beginn der großangelegten Invasion 60,2 % der Jugendlichen bewaffnete Angriffe miterlebt haben; 13,9 % wurden Opfer von Gewalt und 27,9 % mussten ihr Zuhause verlassen. Sie hatten ein beträchtlich erhöhtes Risiko, eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu erleiden sowie schwere Angstzustände und mittelschwere bis schwere Depressionen.

Mehr als acht Millionen Ukrainer:innen befinden sich als Flüchtende in Europa. Die größte Gruppe bilden Frauen zwischen 18 und 59 Jahren mit Kindern zwischen 5 und 17 Jahren. Über 5,3 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes geflüchtet. Die meisten, die das Land verlassen haben, sind von ihren Familienangehörigen getrennt.

Es gibt inzwischen viele wissenschaftliche Arbeiten zur psychischen Gesundheit ausgewanderter Ukrainer:innen. Geflüchtete Frauen in Deutschland berichteten von beträchtlich vermehrten psychischen Störungen, Depressionssymptomen und Angstzuständen. 26,4 % der Binnengeflüchteten berichteten von Wut, 28,9 % von schweren Angstzuständen, 57 % von Depressionen und 17,1 % von Schlafstörungen. 40,5 % der Flüchtenden auf dem Transitweg in Polen berichteten von Wut, 53 % von Angstzuständen, 57 % von Depressionen und 15,2 % von Schlafstörungen.

Die ersten Forschungen zur psychischen Gesundheit von Militärangehörigen in der Ukraine ergaben, dass Angstzustände (44,4 %) und Depressionen (43,3 %) besonders häufig sind, aber auch Schlaflosigkeit (12,4 %) ist ein typische Folge von Menschen, die unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligt waren. Dabei gab es bei den Einheiten der Territorialverteidigung, die aus nicht professionellen Soldat:innen bestehen, häufiger Symptome als bei der regulären Armee.

Angriffe auf die psychische Gesundheitsversorgung

Seit Beginn der großangelegten Invasion hat es über 1.100 Angriffe auf das Gesundheitswesen gegeben, bei denen 481 Krankenhäuser oder Kliniken zerstört wurden. Dabei wurden mehr als 150 Mitarbeiter:innen des medizinischen Personals getötet und über 110 verletzt.

Zehn der 61 psychiatrischen Kliniken unter Obhut des Gesundheitsministeriums wurden beschädigt, sechs davon vollständig zerstört. Die Ukrainische Psychiatrische Gesellschaft hat zwei Umfragen unter Psychiatrien durchgeführt. Über einen Online-Fragebogen wurden die Leitungen von 32 stationären Einrichtungen in allen Teilen der Ukraine befragt, was 52,5 % der stationären psychiatrischen Kliniken im Land sind. Erhoben wurden Daten zu Krankenhausaufnahmen, zum Personal, zur empfangenen humanitären Hilfe und den Bedarfen der einzelnen Einrichtungen. Die Patientenaufnahmen sind von Januar 2022 bis April 2022, also nach Kriegsbeginn, um 23,5 % zurückgegangen. Die Einrichtungen berichteten von personellen Problemen, wobei 9,1 % aller Mitarbeiter:innen flüchteten und 0,5 % verwundet wurden. Die Struktur des Gesundheitssystems im Bereich psychischer Gesundheit ist schwer beschädigt worden. Es herrscht einerseits Personalmangel und gleichzeitig erfolgt eine beträchtliche Zahl der Krankenhausaufnahmen aufgrund von akuter Kriegstraumata.

Zu den Folgen der ersten sechs Kriegsmonate für die psychiatrische Versorgung zählten die Schließung von Einrichtungen aufgrund von Kampfhandlungen, Zerstörungen oder der Besetzung von Gebieten; Zerstörung und Schließung von pharmazeutischen Fabriken; mangelnde Medikamentenvorräte in den Apotheken; Unterbrechung der Lieferketten; Folgen der Medikamentenknappheit hinsichtlich des Schwarzmarktes für Medikamente und steigender Preise; eingeschränkter Zugang zu medizinischen Materialien und Medikamentenknappheit durch Überlastung der Dienste in den westlichen Regionen der Ukraine; Personalmangel und erhöhte Arbeitsbelastung des verbliebenen Personals; notwendige Evakuierungen von Personal und Patient:innen. Ende 2022 rückten andere Themen in den Vordergrund wie Gewalterfahrungen, körperliche Verletzungen und Krankheiten (kriegsbedingte sexualisierte Gewalt; Verlassen des Landes und Trennung von engen Angehörigen; Verlust von engen Angehörigen; Verlust von Haus und Einkommen; Unterbrechung von Bildung und Ausbildung. Aktuelle Probleme und Herausforderungen sind Landminen (30 % des ukrainischen Territoriums sind vermint); Befreiung der besetzten Gebiete; Rückkehr von Kriegsgefangenen; die beträchtlichen Schäden für die Wirtschaft; weitreichende Zerstörungen und Schäden an Wohngebäuden und anderer Infrastruktur, einschließlich medizinischer Einrichtungen; Unterbrechungen der Lieferketten für Güter des Grundbedarfs, unter anderem Lebensmittel, Wasser und Medikamente.

Strategien zur Aufrechterhaltung der Dienste für psychische Gesundheit

Durch eine ganze Reihe von Maßnahmen ist es den psychischen Gesundheitseinrichtungen gelungen, ihre Aufgaben so gut es unter den Kriegsbedingungen möglich war zu erfüllen. Es wurden vereinfachte Einlieferungen und Vorgehensweisen eingeführt, um mit der Situation fertig zu werden. So wird aktuell beispielsweise keine Überweisung der Hausärzt:innen benötigt. Patient:innen werden selbst ohne Papiere behandelt und es wurden Verschreibungen für eine Fernbehandlung erlaubt. Dieser Wandel wurde von strukturellen und organisatorischen Veränderungen begleitet. So wurde die Einrichtung zusätzlicher Betten vorbereitet, Abteilungen wurden umgewidmet und es wurden z. B. eigene Küchen und Wäschereien geöffnet, um die Abhängigkeit von Dritten zu reduzieren. Auch im Bereich des Personals gab es Veränderungen, z. B. bei den Arbeitszeiten, Rotation durch verschiedene Abteilungen, Bereitstellung von Unterkünften für das Personal in den medizinischen Einrichtungen (falls es Probleme gibt mit Transport, Ausgangssperren, Sicherheit), Bereitstellung von Lebensmitteln für das Personal, eine Kombination von Online- und Offline-Arbeit, finanzielle Hilfen für Mitarbeiter:innen, die verwundet wurden oder Verluste erlitten haben. Medizinische Einrichtungen wurden bei Bedarf in andere Gebäude oder benachbarte Institutionen verlegt, Grundstücke und Gebäude wurden wiederhergerichtet sowie Patient:innen und Personal evakuiert. Darüber hinaus wurden vielfältige Vorsorgemaßnahmen getroffen: z. B. durch die Einrichtung von Luftschutzräumen, in denen Patient:innen, deren Angehörige und Personal untergebracht werden können; durch die Bereitstellung von Energie und Generatoren für den Fall von Stromausfällen; durch das Anlegen von Vorräten an Medikamenten, wichtigen Materialien und Benzin sowie durch die Einrichtung von humanitären Anlaufstellen. Eine große Bedeutung gewann auch die Zusammenarbeit mit Freiwilligen, internationalen Stiftungen, karitativen Organisationen und Unternehmen vor Ort. Diese versorgten die Einrichtungen mit benötigten Materialien und Medikamenten. Sie unterstützten zudem Patient:innen mit Kleidung, Hygieneprodukten, Transport oder bei der Wohnungssuche.

Darüber hinaus ist auch der Staat bemüht, die psychische Gesundheitsversorgung angesichts der kriegsbedingten Herausforderungen zu verbessern. So riefen das Büro der First Lady Olena Selenska, das Gesundheitsministerium und andere Partner im Juni 2022 das Allukrainische Programm für psychische Gesundheit ins Leben. Das übergeordnete Ziel des Programms ist es, die Leiden zu mildern sowie die psychische Gesundheit und den psychosozialen Zustand der betroffenen Bevölkerung zu verbessern. Als Teil dieses Programms wurde ein Koordinationszentrum für psychische Gesundheit beim Ministerkabinett der Ukraine eingerichtet. Und das Ministerkabinett der Ukraine verabschiedete eine Road Map zur psychischen Gesundheit und der psychosozialen Versorgung während des Krieges – und für danach. Denn mit dem Ende des Krieges beginnt für viele traumatisierte Menschen erst ein langwieriger Aufarbeitungsprozess, bei dem der psychischen Gesundheitsversorgung eine wichtige Rolle zukommt.

Ausblick

Angaben der WHO zufolge ist jede:r vierte Ukrainer:in dem Risiko ausgesetzt, durch den Krieg an psychischen Störungen zu leiden. Die Ukraine erwartet eine erhöhte Prävalenz von PTBS und Depressionen, Drogenmissbrauch, entsprechende körperliche Probleme (Infektionen, Allergien, Herzkranzgefäß-Probleme, psychosomatische Beschwerden) und ein erhöhtes Risiko von Problemen für die psychische Gesundheit bei Kindern von Müttern mit PTBS. Daten eines Projektes zur Entwicklung eines nachhaltigen öffentlichen Gesundheitssystems zufolge ist zu erwarten, dass die Arbeitsbelastung auf sämtlichen Ebenen des Systems für die psychische Gesundheit zunehmen wird: Durch den Krieg werden ein bis zwei Millionen zusätzlicher Fälle von schweren oder mittelschweren psychiatrisch relevanten Störungen erwartet, die eine intensive Behandlung erfordern. Hinzu kommen zwei bis drei Millionen leichte psychiatrische Fälle, die eine weniger intensive psychologische Betreuung brauchen. 18 Millionen weitere Menschen bilden die Risikogruppe und werden Selbsthilfe, Hotlines und Hilfe durch die Gemeinschaft benötigen.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

Lesetipps / Bibliographie

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