Einführung
Russlands Krieg gegen die Ukraine bietet eine einmalige Gelegenheit, das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in einem Land zu analysieren, das sich im Krieg befindet. Russland hat seine Vollinvasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 gestartet. Der anhaltende Widerstand der Ukraine ist überraschend vor dem Hintergrund, dass Russland ein viel größeres Land als die Ukraine ist (142,3 Millionen Einwohner gegenüber 43,7 Millionen in der Ukraine, beide Angaben sind von 2021, also von vor dem Krieg). Das russische BIP betrug 2022 über 4 Billionen US-Dollar (2021 waren es 4,112 Bio. USD), während das ukrainische BIP nur bei über 500 Milliarden Dollar lag (535,8 Mia. USD im Jahr 2021). Da 2021 in beiden Ländern vier Prozent des BIP für das Militär ausgegeben wurden, liegt Russland also sowohl bei den Dollar-Ausgaben für das Militär als auch dem militärischen Personal weit vor der Ukraine. Darüber hinaus hatte die Ukraine 1994 im Gegenzug für eine Garantie ihrer territorialen Integrität und Sicherheit durch Russland, die USA und das Vereinigte Königreich ihre Atomwaffen abgegeben. Russland hingegen behielt seine Atomwaffen und übernahm von der Ukraine sogar ballistische Raketen, mit denen das Nachbarland nun bombardiert wurde.
Diese Umstände hatten viele Militärexperten zu der Prognose veranlasst, die Ukraine werde in drei Tagen an Russland fallen. Über zwei Jahre später ist die Ukraine jedoch immer noch ein unabhängiger Staat. Darüber hinaus eroberte die Ukraine die Hälfte der anfänglich russisch besetzten Gebiete wieder zurück. Sie kämpfte weiter – trotz erheblichen Mangels an Waffen und Munition, einer beträchtlichen Verzögerung bei der Bereitstellung militärischer Hilfe und signifikanten, vom Westen auferlegte Einschränkungen, was die Ukraine mit westlichen Waffen angreifen darf, und was nicht. Wie ist es da möglich, dass eine viel schwächere Ukraine auf dem Schlachtfeld diese Erfolge erzielen konnte?
Diese Analyse argumentiert, dass im Krieg das wirksame Zusammenwirken von Legislative und Exekutive zu den wichtigen Faktoren gehört, die die Erfolge der ukrainischen Widerstandsfähigkeit erklären. Es gab zwar weitere gewichtige Faktoren, etwa die internationale Unterstützung (unter anderem durch moderne westliche Waffen), die ukrainische Zivilgesellschaft etc., doch konzentriert sich diese Analyse auf die Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive in der Ukraine während der Vollinvasion und den Veränderungen in diesem Verhältnis, durch die die Ukraine in die Lage versetzt wurde, den Herausforderungen mit beträchtlichem Erfolg zu begegnen. Auch wenn es Bereiche mit Verbesserungsbedarf gibt, beschäftigt sich dieser Beitrag vor allem mit dem, was funktioniert hat, und warum es funktionierte.
Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive: Präsidentielle, parlamentarische und hybride Regierungssysteme
Ein gutes Funktionieren der Beziehung zwischen Legislative und Exekutive ist zu Friedens- wie zu Kriegszeiten für jede Demokratie wichtig, dabei sind unterschiedliche Regierungssysteme anzutreffen. So funktionieren die Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive in präsidentiellen und hybriden Regierungssystemen (mit einer dualen Exekutive) anders als in einem parlamentarischen System. Die Ukraine hat sich für ein hybrides Regierungssystem mit einer dualen Struktur der Exekutive entschieden, sodass es sowohl einen Präsidenten und einen Ministerpräsidenten mit erheblichen Vollmachten im Bereich der Exekutive gibt. Der ukrainische Präsident nominiert den Ministerpräsidenten, der vom Parlament bestätigt werden muss. Der Ministerpräsident und sein Kabinett werden auf Vorschlag des Präsidenten bzw. des Ministerpräsidenten durch das Parlament ernannt (Artikel 114 der ukrainischen Verfassung). Die Gewaltenteilung ist eines der wichtigsten Merkmale dieses Systems.
Die Legislative und die Exekutive, verfügt gegenüber der anderen Gewalt über unabhängige Vollmachten und Zuständigkeiten. Es besteht ein System der Checks and Balances, um zu verhindern, dass eine der Gewalten zu mächtig wird. So stellen die Kontrollbefugnisse der Legislative über die Exekutive das Funktionieren der Demokratie sicher, indem die Vollmachten der Exekutive beschränkt werden. Darüber hinaus gewährleistet der Präsident die Unabhängigkeit des Staates, die nationale Sicherheit und die Rechtsnachfolge des Staates, wobei er als Oberkommandierender der Streitkräfte fungiert (Artikel 106 der ukrainischen Verfassung).
Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Kriegszeiten
Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive ist schon in gewöhnlichen Zeiten kompliziert. Ein Krieg bedeutet hier zusätzliche erhebliche Herausforderungen. Eine Nation, die von einem äußeren Feind angegriffen wird, schart sich für gewöhnlich um ihren Präsidenten, der dann mit erweiterten Machtbefugnissen ausgestattet wird, um schnell handeln und auf die Herausforderungen des Krieges reagieren zu können.
Darüber hinaus herrscht in dem angegriffenen Land für gewöhnlich Kriegsrecht. Das Kriegsrecht bringt zum Teil eine vorübergehende Ersetzung der Zivilverwaltung durch eine militärische mit sich. Militärische Befehlshaber:innen haben gewöhnlicherweise uneingeschränkte Befehlsgewalt, um Gesetze zu erlassen und durchzusetzen, was die Vollmachten der Zivilbehörden beträchtlich einschränkt. Die zentrale Herausforderung unter diesen Umständen für jedes Land ist es, ein demokratisches, rechtsstaatliches System aufrechtzuerhalten.
Die gesetzgebenden Organe sind Teil der Zivilregierung, haben aber die Macht, Gesetze zu erlassen, die potenziell die Vollmachten des Militärs beschränken. Das ist die größte Herausforderung für das Funktionieren der Demokratie und das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Kriegszeiten. So könnte sich die Aufsicht der Legislative über die Exekutive, die für eine Demokratie stets unabdingbar ist, schwieriger gestalten, wenn der Präsident an der Spitze der Landesverteidigung gegen einen äußeren Feind steht. Im Krieg fallen viele Angelegenheiten in den Bereich der nationalen Sicherheit. Befinden sich diese in der Zuständigkeit der Militärbehörden, so haben die Zivilbehörden keinen Zugang zu den betreffenden Akten.
Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive während des Krieges in der Ukraine
Präsident Selenskyj übernahm aktiv und verfassungsgemäß die Rolle des Oberbefehlshabers der Ukraine. Er leitet die ukrainischen Streitkräfte und beaufsichtigt die Lage der Armee hinsichtlich der Ausrüstung, der Waffen und anderer Ressourcen. Die Ministerien, auch das Verteidigungsministerium, erstatten dem Präsidenten Bericht. Gleichzeitig übernahm auch die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, während des Krieges eine wichtige Rolle (siehe: Khmelko, 2022). Eine der Rollen bestand darin, Gesetze zu verabschieden, die gewährleisten, dass der Staat zu Kriegszeiten und unter Kriegsrecht als rechtsstaatliches System funktioniert.
Die Rolle der Werchowna Rada im Krieg ist in vielen Publikationen eingehender erörtert worden (siehe: Khmelko, 2022; Venger et al., 2023). Dort wird diskutiert, wie das Parlament weiterhin seine verfassungsmäßigen Vollmachten wahrnahm, selbst unter den Bedingungen der russischen Vollinvasion. Das war für den erfolgreichen Umgang mit der zunehmenden politischen Polarisierung und der Wahrung des demokratischen rechtsstaatlichen Systems in der Ukraine von entscheidender Bedeutung.
Einschlägige Publikationen behandeln die Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Arbeit des Parlaments und zeigen auf, dass die Werchowna Rada in den ersten beiden Jahren der Invasion im Großen und Ganzen erfolgreich Probleme anging, die sich aus der militärischen Vollinvasion und der russischen Propaganda ergaben. Im dritten Jahr allerdings war die Rada weniger effektiv. Sie hatte Schwierigkeiten, dringend notwendige Gesetze zu verabschieden. Gleichzeitig wurden einige Gesetzesentwürfe scharf kritisiert. Beispielsweise lief die Verabschiedung des Mobilmachungsgesetzes alles andere als glatt. Die zunehmende Macht der Präsidialkanzlei bei der Gestaltung der Politik (»exekutive Zentralisierung«) und die Probleme Selenskyjs, in der Rada Mehrheiten zu schmieden, könnten zusammen mit der gesunkenen Motivation der ukrainischen Gesetzgeber:innen dafür verantwortlich sein, dass die Legislative in ihrer Effektivität nachließ.
Insgesamt ist keine der Gewalten allein in der Lage, die ukrainischen Kriegsanstrengungen erfolgreich zu gestalten. Die »Treffer und Fehlschüsse« der ukrainischen Kriegspolitik können nicht nur einer einzelnen Person oder nur einer der Gewalten zugeschrieben werden. Es brauchte zwei Gewalten, die zusammenarbeiten, um die Ukraine während des Krieges als Demokratie zu bewahren.
Die Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive in der Ukraine sind in der Vergangenheit häufig konfliktreich gewesen. Es gab seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 mehrere Wechsel zwischen einem präsidentiell-parlamentarischen und einem parlamentarisch-präsidentiellen System (siehe Bonnal and Khmelko, 2023; Khmelko et al., 2020; Khmelko and Bruslyk, 2019). Das präsidentiell-parlamentarische System gibt dem Präsidenten mehr Macht, im parlamentarisch-präsidentiellen System hat das Parlament mehr Kompetenzen. So haben zum Beispiel die Verfassungsreformen von 1996 und 2010 die Vollmachten des Präsidenten ausgebaut. Die Reformen von 2004 und 2014 hingegen haben die Befugnisse der Werchowna Rada gestärkt.
Die russische Vollinvasion brachte zusätzliche Herausforderungen für das ukrainische Regierungssystem mit sich. Eine Vielzahl von Interessen mussten ausgeglichen werden, etwa bei der Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit, der Sicherstellung der Effektivität der Verwaltungsstrukturen des Staates und die Beibehaltung der wichtigsten Prozedere der ukrainischen Verfassungsordnung. Effektive Regierungsführung und die demokratische, auf Ausgleich ausgelegte Interessensvertretung können schon zu Friedenszeiten oft in Konflikt geraten. Der Krieg hebt diese Schwierigkeiten auf eine ganz neue Ebene: Debatten, die für demokratisches Regieren unerlässlich sind, erfordern Zeit, die einem der Feind aber nicht zugesteht. Eine der wichtigsten legislativen Handlungen der Rada war es, den Präsidialerlass zu bestätigen, mit dem das Kriegsrecht eingeführt wurde (gemäß Artikel 85 Abs. 10 der ukrainischen Verfassung). Präsident Selenskyj unterzeichnete am 24. Februar 2024, als die Vollinvasion begann, den Erlass über den Kriegszustand. Am selben Tag versammelte sich die Werchowna Rada zu einer historischen Sitzung. Die Parlamentarier:innen kamen persönlich im Parlamentsgebäude zusammen, das sich in Reichweite der russischen Raketen befand. Die Sitzung dauerte nur neun Minuten; es war die kürzeste Parlamentssitzung aller Zeiten. In diesen neun Minuten billigte das Parlament die Erlasse des Präsidenten, die den Kriegszustand erklärten und eine landesweite Einberufung in Gang setzten.
Das Fehlen eines speziellen rechtlichen Rahmens für die Gesetzgebung im Kriegszustand bedeutete eine große Herausforderung für das System. Neue rechtliche Rahmenbedingungen zu entwickeln, erfordert Zeit. Krieg verlangt jedoch schnelle Entscheidungen und einen »beschleunigten« Gesetzgebungsprozess, insbesondere bei Fragen der nationalen Sicherheit und Verteidigung. Das Parlament musste dem Präsidenten und der Exekutive die notwendigen, verfassungstechnisch korrekten, Instrumente an die Hand geben, um den Krieg zu führen. Die Werchowna Rada nutzte die bestehenden Mechanismen, die in Gesetzen, Vorschriften und der Geschäftsordnung der Rada niedergelegt sind, um weitere Bestimmungen auszuarbeiten, die eine Beschleunigung der Gesetzgebung ermöglichen würde, etwa ad hoc-Beschlüsse und verkürzte Verfahren für Gesetzeslesungen. Dieser Prozess wurde von ukrainischen Regierungsvertretern, den Medien und der Bevölkerung diskutiert, wobei auf Praktiken einer Abweichung von den etablierten Gesetzgebungsverfahren zu Friedenszeiten verwiesen wurde, wonach es in den ersten sechs Monaten der Vollinvasion zu Verfahrensverstößen gekommen sein könnte. Die Werchowna Rada unternahm in den ersten sechs Monaten einen Balanceakt, bei dem sie an speziellen Gesetzgebungsverfahren im Kriegszustand arbeitete. Dabei wurde versucht, den Imperativ der Zweckmäßigkeit mit Maßnahmen zur Verhütung von Machtmissbrauch und der Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit in Einklang zu bringen.
Nach den ersten sechs Kriegsmonaten begann die Werchowna Rada, ihre legislativen Kontrollvollmachten wirkungsvoller wahrzunehmen, da sie in der Lage war, Gesetze zu verabschieden, die Bestimmungen des Kriegszustands und deren Umsetzung im Land klarstellten. Dies erforderte ein reibungsloses Funktionieren der Plenarsitzungen, der Arbeit in den Ausschüssen und zeitweilige Kommissionen angesichts der permanenten Bedrohung durch Raketenangriffe. Die Orte der Sitzungen wurden aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht. In der ganzen Ukraine heulten die Sirenen und warnten die Gesetzgeber:innen vor eintreffenden Drohnen und Raketen. Die Bewegungsfreiheit von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern war merklich eingeschränkt.
Die Terminierung der Plenarsitzungen, die Ausschussarbeit und die Treffen mit Regierungsvertreter:innen sind ein weiteres Problem. Die Werchowna Rada diskutierte, ob Zoom oder andere Wege der Online-Kommunikation für Abstimmungen oder Debatten genutzt werden sollten. Die Debatten über das Format der parlamentarischen Arbeit hatten bereits während der Corona-Pandemie eingesetzt. Es wurde der Gesetzentwurf Nr. 3250 eingereicht, der Online-Formate regeln sollte. Die Werchowna Rada konnte keinen Konsens erreichen, weil die Gesetzgeber:innen viele Zweifel hatten, etwa hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit, des Abstimmungsverfahrens (wie die Stimmen zu authentifizieren sind) und wegen Sicherheitsbedenken. Darüber hinaus beschäftigte die Parlamentarier:innen die Frage, dass sie bequem von zuhause arbeiten können, während andere sich persönlich am Arbeitsplatz einfinden sollten. Also war es auch eine Frage der moralischen Pflicht. Hier ist zu erwähnen, dass ein Teil der Ausschussarbeit in beschränktem Maße in das Online-Format verlegt wurde.
Weitere Fragen zum Verhältnis von Legislative und Exekutive jenseits des militärischen Bereichs
Die obenstehenden Abschnitte des Beitrags konzentrierten sich auf militärische Fragen in den Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive. Dieses Verhältnis musste allerdings auch andere Bereiche berücksichtigen, die über den militärischen hinausgehen. Dabei sind einige Mängel zu Tage getreten. So funktionierte die Werchowna Rada zwar 2022 und einen Teil des Jahres 2023 gut und war produktiv, aktuell verabschiedet die Rada jedoch nur sehr wenig grundlegende Gesetze. Hierfür könnte es möglicherweise folgende Gründe geben: beträchtliche Spaltungen innerhalb des Parlaments, eine Gewichtsverschiebung in den Beziehungen weg von der Legislative hin zur Exekutive, unsichere Perspektiven der Unterstützung aus dem Ausland und eine schlichte Mischung aus viel unsauberer Politik und Korruption. Die Korruption im ukrainischen Staatswesen ist gut erforscht (siehe z. B.: Khmelko and Bonnal, 2020). Ein Krieg eröffnet allerdings für korrupte Praktiken neue Möglichkeiten. Angesichts des Tempos der kriegsbedingten Veränderungen sollte die Forschung diesem Problem erhöhte Aufmerksamkeit widmen.
Darüber hinaus wird der Krieg nicht nur im militärischen Bereich ausgetragen. Russland hat einen unerbittlichen Propagandakrieg gegen die Ukraine entfesselt. Sowohl die Legislative wie auch die Exekutive waren von zentraler Bedeutung, um der russischen Propaganda entgegenzuwirken, die versuchte, die ausländische Hilfe für die Ukraine zu beeinträchtigen. Beispielsweise verwiesen die ukrainischen Geheimdienste auf die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (Moskauer Patriarchat), welche die Russ:innen in ihrem Krieg gegen die Ukraine unterstütze. Die russische Propaganda stellte dies als ukrainischen Angriff auf die Religionsfreiheit dar. Dies wurde über soziale Medien verbreitet, um Christ:innen im Westen zu beeinflussen, damit diese von ihren Abgeordneten eine Verringerung der Hilfen an die Ukraine fordern.
Zuletzt muss angemerkt werden, welche Rolle die Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive bei der Formierung der ukrainischen Identität spielen. Die Ukraine befand sich jahrhundertelang unter russischer Herrschaft, und doch ist sie ein Land, das sich von Russland kulturell und politisch stark unterscheidet. Die russische Vollinvasion hat die Debatte über die nationale Identität der Ukraine in den Vordergrund gerückt. Themen aus den Bereichen Sprache, Kultur und nationale Identität waren somit auch Gegenstand der exekutiv-legislativen Beziehungen.
Schlussfolgerungen
Diese Analyse konzentrierte sich auf die Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive in der Ukraine, vor allem nach Beginn der russischen Vollinvasion am 24. Februar 2024. Beide Gewalten mussten einen Balanceakt ausführen, um Entscheidungen schnell zu treffen und dabei prozedural korrekt vorzugehen, damit die Grundsätze einer verfassten Demokratie aufrechterhalten und gleichzeitig den Erfordernissen der Kriegsführung entsprochen werden konnte.
Das System der Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive musste modifiziert werden, um dieses Gleichgewicht beizubehalten. Die Werchowna Rada musste Gesetze verabschieden, die den Präsidenten und die Exekutive befähigen, Krieg zu führen. Der Präsident erließ ebenfalls einige Dekrete. Die Veränderungen im Verhältnis von Legislative und Exekutive führten dazu, dass der Präsident mehr Vollmachten erhielt. Die Rada hat es vermocht, ihre institutionelle Unabhängigkeit und beträchtliche Vollmachten zu bewahren. Sie wurde aber bei der Gesetzgebung im dritten Kriegsjahr weniger effektiv. Zukünftige Forschung sollte sich weiter mit der Rolle befassen, die das Verhältnis von Legislative und Exekutive für die Ausbalancierung der folgenden konkurrierenden Aufgaben spielt: die Bewältigung der militärischen Erfordernisse der Ukraine angesichts der weiter bestehenden Abhängigkeit von ausländischer Hilfe, die Bekämpfung der Korruption und der russischen Propaganda und die Formierung der ukrainischen nationalen Identität.
Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder