Am Morgen des 24. Februar 2022 marschierte die russische Armee auf breiter Front in die Ukraine ein. Über 1.000 Tage Angriffskrieg haben das Land grundlegend verändert und einen der weltweit wichtigsten Produzenten und Exporteure von Agrarprodukten vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. In der Anfang diesen Jahres erschienen IAMO-Ausgabe der Ukraine-Analysen Nr. 294 haben wir Autoren der Kyiv School of Economics (KSE) dazu eingeladen, eine vorläufige Bilanz über die finanziellen Folgen der kriegsbedingten Schäden und Verluste im Agrarbereich zu ziehen und uns eine Vorstellung von der Dimension des Wiederaufbaus dieses nachhaltig geschädigten Sektors zugeben. Dieser wurde von den beiden Autoren bereits damals auf 29,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Wissenschaftler des Leibniz Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) haben in derselben Ausgabe mit Hilfe von Satellitenbildern das Ausmaß der kriegsbedingt aufgegebenen Anbauflächen auf beiden Seiten der Frontlinie veranschaulicht. Mindestens 14.000 km² der ehemaligen Anbauflächen entlang der Front sind als Folge des Krieges unbewirtschaftet geblieben.
Vielleicht hatten wir trotzdem eine, wenn auch sehr kleine und versteckte, Hoffnung, unsere nächste Gastausgabe unter ein optimistischeres Leitmotiv stellen zu können. Doch stattdessen mehren sich die Kriegstage zu einem neuen, traurigen Rekord. Und so beschäftigt sich diese Ausgabe wieder mit dem Angriffskrieg und nimmt dessen Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt unter die Lupe. Forschende der KSE und des IAMO zeigen uns die regionalen Unterschiede und betonen die Bedeutung eines effizienten statistischen Monitorings – auch in Kriegszeiten.
Aber die Hoffnung wollen wir nicht aufgeben. Und deshalb schauen wir auf eine mögliche Zukunft. »Die ukrainische Landwirtschaft und die EU: Passt das?« fragt Alfons Balmann (IAMO). Nicht wenige Stimmen in Europa und Deutschland sehen mit diesem Vorhaben die familien- oder mehrfamilien-getragene Landwirtschaft in Europa langfristig gefährdet. Wie berechtigt sind diese Argumente? Ist ein Beitritt der Ukraine den europäischen Strukturen zumutbar? In seinem Beitrag ordnet der Agrarökonom einige der häufig geäußerten Sorgen der europäischen Landwirtschaft zur möglichen Aufnahme der Ukraine in die EU ein.
Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und eine hoffentlich friedliche Weihnachtszeit.
Franziska Hauff und Taras Gagalyuk
Gastredakteure, Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO)