Über 1.000 Tage Angriffskrieg. Wohin geht es für die ukrainische Landwirtschaft?

Von Franziska Hauff, Taras Gagalyuk (beide Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Halle (Saale))

Am Morgen des 24. Februar 2022 marschierte die russische Armee auf breiter Front in die Ukraine ein. Über 1.000 Tage Angriffskrieg haben das Land grundlegend verändert und einen der weltweit wichtigsten Produzenten und Exporteure von Agrarprodukten vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. In der Anfang diesen Jahres erschienen IAMO-Ausgabe der Ukraine-Analysen Nr. 294 haben wir Autoren der Kyiv School of Economics (KSE) dazu eingeladen, eine vorläufige Bilanz über die finanziellen Folgen der kriegsbedingten Schäden und Verluste im Agrarbereich zu ziehen und uns eine Vorstellung von der Dimension des Wiederaufbaus dieses nachhaltig geschädigten Sektors zugeben. Dieser wurde von den beiden Autoren bereits damals auf 29,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Wissenschaftler des Leibniz Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) haben in derselben Ausgabe mit Hilfe von Satellitenbildern das Ausmaß der kriegsbedingt aufgegebenen Anbauflächen auf beiden Seiten der Frontlinie veranschaulicht. Mindestens 14.000 km² der ehemaligen Anbauflächen entlang der Front sind als Folge des Krieges unbewirtschaftet geblieben.

Vielleicht hatten wir trotzdem eine, wenn auch sehr kleine und versteckte, Hoffnung, unsere nächste Gastausgabe unter ein optimistischeres Leitmotiv stellen zu können. Doch stattdessen mehren sich die Kriegstage zu einem neuen, traurigen Rekord. Und so beschäftigt sich diese Ausgabe wieder mit dem Angriffskrieg und nimmt dessen Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt unter die Lupe. Forschende der KSE und des IAMO zeigen uns die regionalen Unterschiede und betonen die Bedeutung eines effizienten statistischen Monitorings – auch in Kriegszeiten.

Aber die Hoffnung wollen wir nicht aufgeben. Und deshalb schauen wir auf eine mögliche Zukunft. »Die ukrainische Landwirtschaft und die EU: Passt das?« fragt Alfons Balmann (IAMO). Nicht wenige Stimmen in Europa und Deutschland sehen mit diesem Vorhaben die familien- oder mehrfamilien-getragene Landwirtschaft in Europa langfristig gefährdet. Wie berechtigt sind diese Argumente? Ist ein Beitritt der Ukraine den europäischen Strukturen zumutbar? In seinem Beitrag ordnet der Agrarökonom einige der häufig geäußerten Sorgen der europäischen Landwirtschaft zur möglichen Aufnahme der Ukraine in die EU ein.

Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und eine hoffentlich friedliche Weihnachtszeit.

Franziska Hauff und Taras Gagalyuk

Gastredakteure, Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO)

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Analyse

Die ukrainische Landwirtschaft und die EU: Passt das?

Von Alfons Balmann
Der angestrebte EU-Beitritt der Ukraine, einem bedeutenden Produzenten und Exporteur von Agrarprodukten, stößt insbesondere bei Agrarverbänden in der EU, darunter auch in Deutschland, auf Kritik. Die angeführte Hauptsorge betrifft die Konkurrenz durch ukrainische Agrarexporte, die eine Gefahr für das Modell der familiengeführten Landwirtschaft darstellen könnten. Zudem wird argumentiert, dass eine von Investoren und Konzernen dominierte Landwirtschaft negative Auswirkungen auf ländliche Regionen hätte. Dieser Beitrag beleuchtet die Hintergründe dieser Befürchtungen, indem er die Dynamik und die treibenden Faktoren der ukrainischen Agrarexporte untersucht. Darüber hinaus wird die besondere Struktur der ukrainischen Landwirtschaft analysiert, die durch Hauswirtschaften, Großbetriebe und Konzerne geprägt ist. (…)
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Analyse

Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf den landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt der Ukraine

Von Valentyn Litvinov, Taras Gagalyuk, Inna Levkovych
Während des andauernden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erlebt der landwirtschaftliche Sektor der Ukraine einen starken kriegsbedingten Arbeitskräftemangel. Da das Staatliche Statistikamt der Ukraine keine Arbeitsmarktstatistiken veröffentlicht, haben wir Informationen aus verschiedenen Quellen zusammengeführt, um zu verstehen, welche Auswirkungen der kriegsbedingte Schock auf den Arbeitsmarkt hat und ob er sich unterschiedlich auf Regionen auswirkt, je nachdem ob diese heftig unter dem Krieg gelitten haben oder weit von den Kampfzonen entfernt liegen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe unterschiedlich stark von den Schockwirkungen betroffen sind. Ehemals besetzte Regionen oder Regionen in Frontnähe leiden deutlich stärker als solche, die weiter entfernt von den Kampfzonen liegen.
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