Europas Handlungsspielraum

Von Kirsten Westphal

Zusammenfassung
Der russisch-ukrainische Gasstreit führte zu einem knapp zweiwöchigen Lieferstopp der Erdgaslieferungen von Russland durch die Ukraine nach Europa. Länder Südosteuropas waren fast komplett von Lieferausfällen betroffen. Die Folgen des vordergründig kommerziellen Streits sind ungeheuerlich und präzedenzlos. Beide Länder haben zumindest gegen den Geist aller Abkommen, die sie mit der EU abgeschlossen haben, verstoßen. Im Laufe des Konflikts sah sich die EU gezwungen, sich zunehmend zu engagieren, und wenn nicht Partei zu ergreifen, so doch eine klare Position zu beziehen. Dieser Artikel lotet aus, wie weit der europäische Handlungsspielraum reicht und welche Mittel Europa nun nach Beendigung des akutellen Streits zur Lösung der grundlegenden Konflikte und ihrer Ursachen zur Verfügung stehen. Der russisch-ukrainische Gasstreit ist letzten Endes struktureller Natur. Die EU muss die Probleme auf der wichtigsten Gastransitroute auf verschiedenen Ebenen adressieren: bilateral mit Russland und der Ukraine, in der EU und international im Rahmen multilateraler Kooperation. Es gibt nicht die eine Patentlösung, sondern die EU wird auf ein Bündel von Maßnahmen und Instrumenten der Energie, Außen- und Wirtschaftspolitik zurückgreifen müssen. Die Notwendigkeit einer Verregelung der Energiepolitik ist akuter denn je. Alle sonstigen Maßnahmen werden nur mittel- oder langfristig erfolgreich sein.

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Analyse

Zur außenpolitischen Orientierung des neuen ukrainischen Präsidenten und der Partei der Regionen

Von Wilfried Jilge
Unmittelbar nach seiner Wahl zum Präsidenten reiste Viktor Janukowitsch zur EU-Kommission nach Brüssel, wo er seinen ersten Antrittsbesuch im Ausland absolvierte. Der früher häufig als prorussisch eingestufte Janukowitsch, für den 2004 die Präsidentenwahlen gefälscht wurden, gab sich in der Pressekonferenz mit José Manuel Barroso ausgesprochen proeuropäisch: Für die Ukraine werde, so Janukowitsch, die europäische Integration ebenso wie die Realisierung systematischer sozioökonomischer Reformen Priorität haben. Experten haben bereits im Wahlkampf darauf hingewiesen, dass der neue Präsident einen auf die Integration der Ukraine in die Strukturen der EU zielenden Kurs – wenn auch vorsichtiger als sein Vorgänger – fortsetzen könnte. Hatte die westliche Berichterstattung Janukowitsch früher meist als moskauhörigen Kandidaten eingestuft (was in dieser Eindeutigkeit schon 2004 nicht ganz richtig war), werden er und seine Rivalin Julia Timoschenko heute immer häufiger als gleichermaßen »prorussisch« wie »proeuropäisch« eingeschätzt. Dies ist keineswegs ausgeschlossen: Bei der Bewältigung der die Ukraine heftig treffenden Finanzkrise ist die Ukraine nicht nur auf Hilfe aus Moskau, sondern auch aus der EU dringend angewiesen. (…)
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Analyse

Die Zukunft des russischen Marinestützpunktes Sewastopol

Von Dmitry Gorenburg
Die vor Kurzem erfolgte Wahl Viktor Janukowitschs zum Präsidenten der Ukraine hat den zukünftigen Status des russischen Marinestützpunktes in Sewastopol wieder ins Zentrum der russisch-ukrainischen bilateralen Beziehungen gerückt. Während der Präsidentschaft Viktor Juschtschenkos war klar, dass sich die ukrainische Regierung entschieden gegen jede mögliche Verlängerung des Nutzungsvertrages wenden würde. Auch wenn viele russische Experten glauben, dass die Wahl Janukowitschs eine Erneuerung des Pachtvertrages wahrscheinlicher macht, ist die Lage vermutlich komplizierter, denn es gibt darüber hinaus verfassungsmäßige, politische und wirtschaftliche Probleme, die allesamt einer Verlängerung im Wege stehen.
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