Zur außenpolitischen Orientierung des neuen ukrainischen Präsidenten und der Partei der Regionen

Von Wilfried Jilge

Zusammenfassung
Unmittelbar nach seiner Wahl zum Präsidenten reiste Viktor Janukowitsch zur EU-Kommission nach Brüssel, wo er seinen ersten Antrittsbesuch im Ausland absolvierte. Der früher häufig als prorussisch eingestufte Janukowitsch, für den 2004 die Präsidentenwahlen gefälscht wurden, gab sich in der Pressekonferenz mit José Manuel Barroso ausgesprochen proeuropäisch: Für die Ukraine werde, so Janukowitsch, die europäische Integration ebenso wie die Realisierung systematischer sozioökonomischer Reformen Priorität haben. Experten haben bereits im Wahlkampf darauf hingewiesen, dass der neue Präsident einen auf die Integration der Ukraine in die Strukturen der EU zielenden Kurs – wenn auch vorsichtiger als sein Vorgänger – fortsetzen könnte. Hatte die westliche Berichterstattung Janukowitsch früher meist als moskauhörigen Kandidaten eingestuft (was in dieser Eindeutigkeit schon 2004 nicht ganz richtig war), werden er und seine Rivalin Julia Timoschenko heute immer häufiger als gleichermaßen »prorussisch« wie »proeuropäisch« eingeschätzt. Dies ist keineswegs ausgeschlossen: Bei der Bewältigung der die Ukraine heftig treffenden Finanzkrise ist die Ukraine nicht nur auf Hilfe aus Moskau, sondern auch aus der EU dringend angewiesen. Darüber hinaus gilt der von Janukowitsch vorgeschlagene neue Außenminister Kostjantin Hrischtschenko als erfahrener und kompromissbereiter Diplomat, der bereits unter Präsident Juschtschenko ukrainischer Botschafter in Moskau war und nicht für eine einseitige Kehrtwende in der Außenpolitik zu stehen scheint. Mit Blick auf den vergangenen Wahlkampf, die ambivalenten Aussagen des Präsidenten zur Außenpolitik, die ersten politischen Schritte der neuen »blauen« Führung im Rahmen der Koalitionsbildung sowie der komplizierten Machtkonstellation innerhalb der vor allem im russophonen Süden und Osten basierten Partei der Regionen sind jedoch Zweifel am seit einiger Zeit nach außen gepflegten europäischen Image des neuen Prä- sidenten und seiner Partei der Regionen (PR) angebracht.

PDF-Datei in neuem Fenster anzeigen

Zum Weiterlesen

Analyse

Ukrainische Außenpolitik unter Selenskyj: Von Wirtschaft zu Sicherheit

Von Susan Stewart
Die ukrainische Außenpolitik hat derzeit eher einen ad hoc- als einen strategischen Charakter. Dennoch lässt sich eine gewisse Evolution feststellen, die von einem fast alleinigen Schwerpunkt auf dem Krieg im Donbas über eine Akzentuierung von Wirtschaftsaspekten hin zu einer klaren Betonung von Sicherheitsfragen geht. Geprägt wird die Außenpolitik v. a. durch den amtierenden Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dessen Team im Präsidentenbüro. (…)
Zum Artikel
Analyse

Krieg und Frieden im Donbas: Lehren aus dem russischen Truppenaufmarsch

Von Jakob Hauter
Der jüngste russische Truppenaufmarsch entlang der ukrainischen Grenze hat Ängste vor einer neuen Eskalation der Gewalt in der Ostukraine geweckt. An der Gesamtsituation in der Region haben jedoch weder der Aufmarsch dieser Truppen Anfang April noch ihr teilweiser Abzug Ende des Monats grundlegend etwas geändert. Die Gewalt entlang der Demarkationslinie brodelt weiter, wenn auch in geringem Maße. Das Risiko einer neuen russischen Offensive ist gering, darf aber keineswegs ausgeschlossen werden. Um die Wahrscheinlichkeit neuer Invasionsszenarien niedrig zu halten und gleichzeitig den festgefahrenen Friedensprozess wieder in Gang zu bringen, ist eine Erhöhung des wirtschaftlichen Drucks auf Russland zu überlegen.
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS