Neue politische Zersplitterung auf der »Insel der Krimtataren«. Radikalisierung des politischen Programms?

Von Yuliya Borshchevska

Zusammenfassung
Wenn es um die Krimtataren geht, stehen meist deren Beziehungen zum ukrainischen Staat im Mittelpunkt. Oft wird auch nach der Wiederherstellung ihrer aufgrund der Deportation entzogenen Rechte gefragt. Die gesamte krimtatarische Bevölkerung war unter dem Vorwurf der Kollaboration mit den Deutschen 1944 vor allem nach Usbekistan deportiert worden und erst 1989 in die Heimat zurückgekehrt. Die Krimtataren selbst formulieren ihre Ziele heute klar: Durchsetzung einer breiten Palette von Rechten, wozu auch die Etablierung einer national-territorialen Autonomie der Krimtataren auf der Halbinsel Krim gehört. Diese Forderung steht ganz oben auf der Agenda. Vielfach wird in diesem Zusammenhang die Frage diskutiert, in welchem Maße der ukrainische Staat diesen Forderungen nachkommt. Als Dialogpartner des ukrainischen Staates wird dabei häufig nur das repräsentative Organ der Krimtataren gesehen – die Mejlis (Exekutivorgan des Parlaments). Die Tatsache, dass mittlerweile neue Akteure aus der ethnischen Gruppe der Krimtataren auf die politische Bühne getreten sind, die die Führungsrolle der Mejlis nicht befürworten und selbst einen anderen Umgang mit dem Staat pflegen, wird gemeinhin außer Acht gelassen. Auch der Umstand, dass die Mejlis ihre Monopolstellung verloren hat und in den letzten Jahren nicht mehr die Unterstützung der Mehrheit der Krimtataren genießt, wird nicht diskutiert. Angesichts dieser Situation könnte die Analyse der jüngsten politischen Zersplitterung der Krimtataren dabei helfen, die Anliegen, die von der Mejlis sowie verschiedenen politisch profilierten Gruppen außerhalb des Parlaments verfolgt werden, zu verstehen und eine Antwort auf die Frage zu finden: Was sind die tatsächlichen Ziele der Krimtataren?

PDF-Datei in neuem Fenster anzeigen

Zum Weiterlesen

Analyse

Die Krimtataren in der Ukraine-Krise

Von Uwe Halbach
Die Annexion der Krim durch Russland wirft Fragen aktueller und geschichtlicher Relevanz auf, die nicht zuletzt die tatarische Volksgruppe betreffen. Auch wenn die Krimtataren dort nur etwa 12 Prozent der lokalen Bevölkerung stellen, verdienen ihre gegenwärtige Situation, ihre historische Erfahrung und der aus ihr abgeleitete Vorbehalt gegen russische Oberherrschaft Aufmerksamkeit. Moskau schwankte unmittelbar nach der Annexion zwischen Initiativen zur Rehabilitation der Krimtataren, die zu den »bestraften Völkern« der ehemaligen Sowjetunion gehören, und repressiven Maßnahmen wie Einreiseverboten für ihre politischen Führer. In der Folgezeit wuchs der Druck auf die seit 1991 bestehenden krimtatarischen Repräsentationsorgane Medschlis (Rat) und Kurultai (Nationalversammlung). Die tatarische Minderheit wird von der neuen Regierung in Simferopol nun zunehmend bezichtigt, Konflikte zu schüren, und mit Hausdurchsuchungen und anderen Kontrollmaßnahmen unter Druck gesetzt. (…)
Zum Artikel
Analyse

Die Rumänen und Ungarn der Ukraine – stille Minderheiten?

Von Oleg Friesen
Der Zusammenstoß ukrainischer Sicherheitskräfte mit Kämpfern des Rechten Sektors im Juli dieses Jahres führte zu einem diplomatischen Skandal zwischen der Ukraine und Ungarn. Die Regierung Orban sieht sich als Advokat der ungarischen Minderheit in der Ukraine und beklagt regelmäßig deren Lage. Davon profitiert auch die russische Propaganda. Doch wie steht es um ethnische Minderheiten in der Ukraine tatsächlich?
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS