Pressestimmen zum EU-Ukraine-Gipfel

Kommersant Ukraina, Kiew, 20.12.2011
Alles Gute in Maßen, Sergej Sidorenko

Wie erwartet ist in dem Dokument [Assoziierungsabkommen] die europäische Perspektive des Landes nicht erwähnt. Die Pressekonferenz der Präsidenten machte die unterschiedlichen Positionen Kiews und Brüssels im Energiebereich deutlich. Des Weiteren unterstrich die Europäische Union ihre Sorge um die politische Situation in der Ukraine. Und dennoch kann man den Gipfel als Erfolg bezeichnen – die ukrainischen Diplomaten haben das maximal Mögliche in der derzeitigen Situation erreicht.

Quelle: http://kommersant.ua/doc/1842201

Focus.ua, Kiew, 30.12.2011
Wir gehen nach Osten. Die ukrainische Führung hat sich von Europa ab- und Russland zugewandt, Dmitrij Orlow

Nachdem das Berufungsgericht am 23.12.2012 die Verurteilung im Fall Julija Tymoschenko bestätigt hat, kann man auch die Perspektive einer assoziierten Mitgliedschaft der Ukraine in der EU in den kommenden drei Jahren der Präsidentschaft Janukowytschs vergessen. Mit anderen Worten, der Kreml hat nun einen Konkurrenten weniger im Kampf um das ewig zweifelnde Kiew. […] Nach der Paraphierung müssen die Parlamente aller EU-Mitgliedsländer das Dokument [Assoziierungsabkommen] ratifizieren, darunter auch Deutschland und Frankreich, die seit langem Gegner der Mitgliedschaft der Ukraine in der EU sind.

Quelle: http://focus.ua/politics/213414/

Gaseta.ua, 20.12.2011
In der Ukraine gibt es erst nach einem Machtwechsel eine Chance auf Annäherung an die EU – Experte, Olesja Dubowyk

»Das ist der Zusammenbruch, nicht speziell der ukrainischen Gesellschaft, sondern der ukrainischen Führung. Denn in der Gesellschaft wird die Idee der europäischen Integration nach wie vor unterstützt. Sie ist eine der wenigen Ideen, die die Ukrainer im Osten, in der Zentralukraine und im Westen überhaupt miteinander vereinen kann. Und es ist auch eine Idee, die von vielen unterschiedlichen sozialen und demographischen Gruppen unterstützt wird«, sagte Serhij Taran [Direktor des Internationalen Demokratieinstituts].

Quelle: http://gazeta.ua/ru/articles/politics/_u-ukrainy-poyavitsya-shans-priblizitsya-k-es-tolko-posle-smeny-vlasti-ekspert/415205

Gaseta.ru, Moskau, 19.12.2011
Die Ukraine beginnt sich zu drehen, Jekaterina Sawina

Ein Informant von »Gaseta.ru«, der in Kreisen der Administration Janukowytschs verkehrt, betont, dass die ukrainische Führung noch nicht weiß, wie sie mit dieser Situation [der Nicht-Unterzeichnung] umgehen soll. »Die Prozesse, die bereits gegen Tymoschenko angestrengt werden, können letztlich nicht zurückgenommen werden«, sagte er. Ein solcher Schritt der EU war eigentlich vorhersehbar, aber niemand hat ernsthaft ein Ultimatum in Betracht gezogen.

Quelle: http://www.gazeta.ru/politics/2011/12/19_a_3934858.shtml

Süddeutsche Zeitung, 19.12.2011
Ein Handschlag, aber keine Unterschrift, Thomas Urban

Der ukrainische Präsident Janukowitsch steckt in einem Dilemma: Medien, Bevölkerung und Industrielle fordern eine Annäherung an Europa. Die EU ist jedoch wegen der harten Strafe für die frühere Regierungschefin Timoschenko verstimmt und legt das ausgehandelte Assoziierungsabkommen vorerst auf Eis. […]

Nicht nur die Kiewer Medien, die traditionell mit Janukowitsch unfreundlich umgehen, haben in den letzten Wochen seinen Konfrontationskurs kritisiert. Auch die von ostukrainischen Industriemagnaten beherrschten Fernsehkanäle sprachen sich für eine Annäherung der Ukraine an die EU aus. In mehreren Reportagen kamen Direktoren und Ingenieure der Eisenhütten und Chemiebetriebe des Donbass zu Wort, die darlegten, wie sehr die einheimische Industrie auf Technologieimport aus den EU-Staaten angewiesen sei. Das russischsprachige Industriegebiet Donbass gilt traditionell als Hochburg Janukowitschs.

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/beziehung-zwischen-eu-und-ukraine-ein-handschlag-aber-keine-unterschrift-1.1239414

Deutschlandfunk, Brüssel, 19.12.2011
Paukenschlag aus Brüssel, Doris Simon

Heute hat der ukrainische Präsident für seinen zweigleisigen Kurs die verdiente Quittung bekommen. Die EU-Vertreter verweigerten beim Gipfel in Kiew die Paraphierung des ausgehandelten EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens unter Verweis auf den eklatanten Mangel an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Land. Das ist ein Schlag, und nicht nur für den Präsidenten: Für viele ist das Abkommen, das auch eine Freihandelszone vorsieht, ein Meilenstein auf dem Weg der Ukraine in Richtung EU.

Doch es war höchste Zeit für einen Paukenschlag aus Brüssel, für ein nicht misszuverstehendes Signal an Präsident Janukowitsch, dass die Ukraine ohne innere Freiheit und unabhängige Justiz keinen Schritt näher an die EU heranrücken wird. Denn bisher stießen alle Warnungen in Kiew auf taube Ohren: Immer wieder hatten Unterhändler, aber auch Regierungschefs wie zuletzt beim Treffen mit den Ostpartnern in Warschau deutlich gemacht, dass Wirtschaftsreformen alleine nicht ausreichen, hatten immer wieder Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte eingefordert.

Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kommentar/1632459/

Wallstreet Journal, New York City, 20.12.2011
Die EU drängt die Ukrainer ihre Ex-Ministerpräsidentin zu entlassen, James Marson

Die Erklärungen der EU unterstrichen das Dilemma, das bei dem Versuch auftritt, Janukowytsch zur Mäßigung des angeblichen Drucks auf die Opposition und die Medien zu drängen, ohne ihn gleichzeitig zu weit in die Arme des russischen Nachbarn zu treiben.

Moskau versucht die Ukraine für engere wirtschaftliche und politische Beziehungen zu gewinnen – mit einem Rabatt auf die Gaspreise. Die Verhandlungen zu einem neuen Gasvertrag, die seit mehr als 18 Monaten laufen, sind in den letzten Wochen ins Stocken geraten. […]

Er [Janukowytsch] sagte, der Abschluss der Verhandlungen mit der EU bestätige die Entscheidung der Ukraine, engere Beziehungen zu Europa einzugehen.

Quelle: http://online.wsj.com/article/SB10001424052970204791104577108532597227876.html?KEYWORDS=ukraine

Zusammengestellt von Judith Janiszewski

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Analyse

Zur außenpolitischen Orientierung des neuen ukrainischen Präsidenten und der Partei der Regionen

Von Wilfried Jilge
Unmittelbar nach seiner Wahl zum Präsidenten reiste Viktor Janukowitsch zur EU-Kommission nach Brüssel, wo er seinen ersten Antrittsbesuch im Ausland absolvierte. Der früher häufig als prorussisch eingestufte Janukowitsch, für den 2004 die Präsidentenwahlen gefälscht wurden, gab sich in der Pressekonferenz mit José Manuel Barroso ausgesprochen proeuropäisch: Für die Ukraine werde, so Janukowitsch, die europäische Integration ebenso wie die Realisierung systematischer sozioökonomischer Reformen Priorität haben. Experten haben bereits im Wahlkampf darauf hingewiesen, dass der neue Präsident einen auf die Integration der Ukraine in die Strukturen der EU zielenden Kurs – wenn auch vorsichtiger als sein Vorgänger – fortsetzen könnte. Hatte die westliche Berichterstattung Janukowitsch früher meist als moskauhörigen Kandidaten eingestuft (was in dieser Eindeutigkeit schon 2004 nicht ganz richtig war), werden er und seine Rivalin Julia Timoschenko heute immer häufiger als gleichermaßen »prorussisch« wie »proeuropäisch« eingeschätzt. Dies ist keineswegs ausgeschlossen: Bei der Bewältigung der die Ukraine heftig treffenden Finanzkrise ist die Ukraine nicht nur auf Hilfe aus Moskau, sondern auch aus der EU dringend angewiesen. (…)
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Analyse

Rückkehr zum Multivektoralismus? – Eine Bilanz der Außenpolitik Janukowytschs

Von Inna Melnykovska
Die Debatten über die Außenpolitik des Präsidenten Janukowytsch sind stark mit den Debatten über die Innenpolitik verknüpft und normativ geprägt. Beobachter erwarten eine Korrelation zwischen der Annäherung an Russland und einem Anwachsen der autoritären Tendenzen in der ukrainischen Innenpolitik; für Erfolge in der Kooperation mit der EU wird hingegen Demokratie vorausgesetzt. Die Bilanz der einjährigen Amtszeit Janukowytschs zeigt, dass es in den beiden wichtigsten Bereichen der Außenpolitik – Zusammenarbeit mit der EU und mit Russland – Kooperationserfolge, aber auch Konflikte zu verzeichnen gibt. Auf den ersten Blick ähnelt die Außenpolitik Janukowytschs der multivektoralen Außenpolitik des ehemaligen Präsidenten Leonid Kutschma. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass sie im Gegensatz zur Politik Kutschmas nicht primär darauf ausgerichtet ist, die Einflüsse der beiden genannten externen Akteure gegeneinander auszuspielen. (…)
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