In der Linken der Wodka, in der Rechten der Koran. Zum Phänomen des Volksislam im postsowjetischen Zentralasien

Von Bahodir Sidikov

Zusammenfassung
Wie der Begriff Zentralasien ist die zusammenfassende Bezeichnung zentralasiatischer Islam ein Hilfskonstrukt. Der Islam ist auch in Zentralasien kein Monolith, sondern er äußert sich in so vielfältigen Erscheinungsformen, dass man mit einiger Berechtigung von einem kasachischen, kirgisischen, usbekischen, turkmenischen und tadschikischen Islam oder auch vom Islam der ehemaligen Nomaden und dem der urbanen Bevölkerung sprechen kann. Damit würde man auch den großen Unterschieden zwischen (sub)ethnischen und lokalen Ausprägungen des Islam in der Region Rechnung tragen. Doch lassen sich auch Gemeinsamkeiten ausmachen. Hierzu zählt die Fähigkeit der zentralasiatischen Ausprägungen des Islam zur Einbeziehung von Verhaltensweisen, die mit klassischen Lehren nicht vereinbar sind. Auch lässt sich, wie in anderen Teilen der islamischen Welt, ein ausgeprägter Radikalismus beobachten, der jedoch eine andere Genese hat. Zudem ist die Struktur des religiösen Fatalismus (Glaube an die absolute Vorherbestimmung des Schicksals durch Gott) eine andere. Nicht zuletzt ist ein »Sonderweg« in den Gleichheitsidealen und einer einmaligen Ritualgläubigkeit zu sehen, die mancherorts den »wahren« Glauben zu ersetzen scheint.

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Analyse

Harte Zeiten für Arbeitsmigranten. Auswirkungen der globalen Rezession auf die Arbeitsmigration aus Zentralasien und die Rücküberweisungen

Von Brigitte Heuer
Im Herbst 2008 wurden düstere Prognosen hinsichtlich der Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Arbeitsmigration im GUS-Raum gestellt: Der Ausfall der für ihre Herkunftsländer lebenswichtigen Rücküberweisungen zusammen mit dem massenhaften Rückstrom »zorniger junger Männer« nach Zentralasien enthalte großen sozialen Sprengstoff. Der folgende Beitrag zeigt, dass die Vorhersagen sich nicht in diesem Ausmaß bestätigt haben. Dennoch gehören die ArbeitsmigrantInnen und ihre Familien in den Herkunftsländern zu den Hauptleidtragenden des wirtschaftlichen Einbruchs.
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Analyse

Ethnonationalismus in Kirgistan. Die Ereignisse im Juni 2010

Von Judith Beyer
In Kirgistan ist seit der Unabhängigkeit unter wechselnden Regierungen ein Staat errichtet worden, der sich an der Sprache, an imaginierten Ursprüngen, an der neu geschriebenen Geschichte und an als »typisch kirgisisch« verstandenen Werten und Traditionen orientiert. Andere ethnische Gruppen werden geduldet, aber nicht aktiv in den Prozess der Nationswerdung einbezogen. Der Konflikt zwischen ethnischen Kirgisen und ethnischen Usbeken im Juni 2010 geht daher nach Ansicht der Autorin nicht auf weit in der Vergangenheit liegende historische Unterschiede zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen oder die Problematik der Grenzziehung in der Sowjetzeit zurück. Das Problem liegt vielmehr darin, dass in den letzten zwanzig Jahren kirgisische Ethnizität zum Hauptmarker kirgisischer Staatlichkeit gemacht wurde.
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