Der Einfluss Chinas in seinen zentralasiatischen Nachbarstaaten wächst zurzeit rasch. Ein Beispiel dafür sind die chinesischen Investitionen in Grund und Boden Tadschikistans. 2011 berichteten internationale Medien, dass 1.500 chinesische Farmer in Tadschikistan auf 2.000 ha Land mit der landwirtschaftlichen Produktion beginnen würden; 2012 meldeten andere internationale Quellen, dass China eine Fläche von 6.000 ha pachten würde. Offizielle Statistiken und/oder exakte Zahlen liegen dazu nicht vor (deshalb wird hier überwiegend auf Medienberichte Bezug genommen). Die von Chinesen genutzte Landfläche in Tadschikistan ist seit 2012 zweifellos gewachsen, sie liegt aber ganz klar unter den in den Medien genannten Zahlen. Chinas globale Investitionen in Ackerland haben viel Beachtung in internationalen Medien und bei NGOs gefunden – auch weil die Pressemeldungen von 2011 umgehend in eine Internet-Datenbank zum »Landraub« eingestellt und in der Folge als Teil der weltweiten Investitionswelle Chinas in Grund und Boden eingeordnet wurden, die seit 2008 für dieses Land dokumentiert worden ist.
Anfangs hatte man angenommen, dass das Streben nach Ernährungs- und Energiesicherheit hinter Chinas weltweiter Suche nach Landflächen steckt, doch eine tiefer gehende und gründlichere Analyse zeigt, dass es noch andere Motive gibt, z. B. den Export von Technologien und überschüssigen ländlichen Arbeitskräften sowie die Suche nach Marktpotentialen im Ausland. In Bezug auf Zentralasien lässt sich vermuten, dass die Stabilität in den Grenzregionen und langfristige geopolitische und internationale Kooperationen für das chinesische Engagement ebenfalls eine Rolle spielen.
Die chinesischen Investitionen in tadschikische Ackerflächen erscheinen bemerkenswert. Nur 6 % des tadschikischen Territoriums eignen sich aufgrund der Hochgebirgslage überhaupt für Ackerbau, viele Menschen auf dem Land sind immer wieder von Nahrungsmittelknappheit bedroht. Das legt den Schluss nahe, dass hinter den chinesischen Landinvestitionen nicht in erster Linie die Notwendigkeit steht, die Konsumenten in China zu ernähren. Man muss also die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Entwicklung sowohl in Tadschikistan als auch in China genauer untersuchen, um diese chinesischen Investitionen in landwirtschaftliche Nutzflächen zu verstehen.
Ein Landwirtschaftsgürtel entlang der Seidenstraße
Seit Herbst 2013 hat die wachsende Präsenz Chinas in Zentralasien mit dem Start der One Belt-One Road- Initiative (OBOR) der chinesischen Regierung mehr an Dynamik gewonnen und verständlicherweise auch Diskussionen im Sinne von »wer steckt dahinter« ausgelöst. Die Initiativen, die sich um OBOR gruppieren, betreffen nicht nur Investitionen in Ressourcen, sie haben mit dem Wettbewerb auf den Binnenmärkten, regionaler Stabilität, Staatsfinanzen und Arbeitsmarktproblemen zu tun. All diese Themen finden sich auch in den Regierungskampagnen »Great Development of the West« (xibu da kaifa) und »Opening-up« (zou chuqu) wieder. Man kann die OBOR-Initiative also eher als Fortsetzung früherer Politiken verstehen und nicht als völlig neues staatliches Entwicklungsprojekt.
Jenseits großartiger Narrative wie der OBOR-Initiative sind die Entwicklungen im Kontext der ländlichen Entwicklung Chinas von großer Bedeutung, um zu verstehen, warum Chinas Politik in Bezug auf Grund und Boden nun zur Globalisierung tendiert. Aktuelle Entwicklungen der chinesischen Agrartransformation zeigen Merkmale früherer Wirtschaftsreformen, als die Umgestaltung hin zu einer stärker marktorientierten Wirtschaft mit mehr Wettbewerb zentral gelenkte Unternehmen zur Umstrukturierung zwang. Im ländlichen Raum hat die Einführung marktbasierter Mechanismen für den Zugang zu Land und Betriebsmitteln gravierende Auswirkungen auf die soziale Differenzierung der Bevölkerung. Im Ergebnis wandelt sich die frühere sozialistische Agrarstruktur drastisch, die Produktion erfolgt durch ganz unterschiedliche Akteure: Großunternehmen der Agrarindustrie, Kooperativen und kleinere (Familien-)Betriebe. Wenn Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit auf das Ausland ausdehnen, können sie damit ihr Marktpotential erweitern. Sie haben aber auch die Möglichkeit, dem heimischen Wettbewerb auszuweichen. Doch die Entwicklungsdynamik in der chinesischen Landwirtschaft allein liefert keine hinreichenden Erklärungen für die Besonderheiten der wachsenden Präsenz Chinas in der Region; der Kontext in den Ländern, in denen China investiert, muss ebenfalls berücksichtigt werden.
Die postsowjetische Landwirtschaft in Tadschikistan
Da Tadschikistan über nahezu keine Industrie verfügt, kommt der Landwirtschaft ganz besondere Bedeutung zu. Der Agrarsektor steuert etwa 20 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes bei. Es gibt jedoch erhebliche Hemmnisse für die Entwicklung der Landwirtschaft. Mit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit des Landes 1991 verschwanden die staatlichen Subventionen und die Organisationsstrukturen kollabierten. Obwohl der tadschikische Staat nach der Unabhängigkeit begann, die frühere sowjetische Agrarlandschaft durch Land- und Farmreformen zu restrukturieren, dauerte es lange, bis die Reorganisation der früheren Kolchosen und Sowchosen tatsächlich realisiert wurde. Nach einer langen Periode von Reformen mit eher kosmetischem Charakter begannen grundlegendere Veränderungen erst Mitte der 2000er Jahre.
Mehr als 70 % der tadschikischen Bevölkerung leben auf dem Land, Landwirtschaft stellt die Hauptbeschäftigungsmöglichkeit für mehr als 50 % der Einwohner dar. Insbesondere die landwirtschaftliche Produktion auf kleinen und Nebenerwerbsanbauflächen spielt weiterhin eine zentrale Rolle für die Versorgung der Märkte (2014 betrug ihr Anteil an der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugung 63,4 %), denn die ländliche Bevölkerung betreibt auf ihren kleinen Haushaltsparzellen vorrangig Gartenbau, also Gemüse- und Obstproduktion, während die so genannten Dehqon-Farmen [tadsch. dehqon = Bauer, Anm. d. Übers.] sich meistens auf den Anbau von Weizen und Baumwolle in größerem Maßstab konzentrieren.
Die Landwirtschaft reicht als einzige Einkommensquelle für die meisten Landbewohner jedoch nicht aus. Die schleppende Entwicklung der tadschikischen Agrarwirtschaft hat eine Reihe von Gründen. Als Ergebnis des gering entwickelten Privatsektors für landwirtschaftliche Maschinen etc. waren die Bauern oft mit einem Nachfragemonopol für diese notwendigen Betriebsmittel konfrontiert. Außerdem wurde die ländliche Bevölkerung häufig einfach »routinemäßig« zu Bauern – nämlich als frühere Mitglieder von Kolchosen oder Sowchosen. Als Erblast der sowjetischen Landwirtschaft fehlte es vielen an Unternehmergeist und landwirtschaftlichem Wissen darüber, wie man verschiedene Feldfrüchte in größerem Maßstab anbaut, denn sie waren nur an die Monokulturen auf den großflächigen Feldern der Planwirtschaft gewöhnt. Schließlich gibt es noch einen sehr starken politökonomischen Einflussfaktor. Es ist in Tadschikistan zwar möglich, Bescheinigungen über Landnutzung und damit Erbschaftsrechte zu erhalten, doch die Gesetze sind nicht eindeutig. Die staatlichen Eliten haben zudem ein Interesse an Einkünften aus der Landwirtschaft, insbesondere aus dem Baumwollanbau bzw. -export. Daher wird weiterhin Druck ausgeübt, Baumwolle zu kultivieren und die Umstrukturierung der Farmen in den wichtigen Agrarregionen des Landes, in denen die Eliten die Kontrolle über die Farmen zu behalten bestrebt war, ist nur schleppend vorangekommen.
Wohltäter für die tadschikische Wirtschaft?
Angesichts der Tatsache, dass der ländliche Sektor verarmt und der Staat knapp an Kapital war, propagierte die tadschikische Regierung im Jahr 2011, dass chinesische Investitionen in Ackerland nützlich für die Landwirtschaft Tadschikistans seien. Die chinesischen Landgeschäfte passen zu den allgemeinen Entwicklungstrends bezüglich der Rolle Chinas in den zentralasiatischen Staaten. Die Volksrepublik ist bei staatlichen Krediten, Anleihen und Investitionen zu einem der wichtigsten strategischen Partner für Tadschikistan geworden. Sie wird als großzügiger Kreditgeber wahrgenommen, der keine Bedingungen stellt und daher eine willkommene Alternative zu eher »traditionellen« Geldgebern darstellt.
Zwar hat die Bedeutung chinesischen Kapitals für die Wirtschaft aller zentralasiatischen Staaten zugenommen, doch chinesische Investitionen in Ackerland sind nur in Tadschikistan Realität geworden. Angekündigte Gesetzesvorhaben zur Erleichterung des Zugangs ausländischer Investoren in die Landwirtschaft Kirgistans (2004) und Kasachstans (2003, 2009/2010 und erneut im April 2016), in denen Investitionen in die Agrarwirtschaft ebenfalls profitabel sein könnten, wurden aufgrund von Protesten der Bevölkerung bisher nicht verwirklicht. In Tadschikistan, wo solche chinesischen Landgeschäfte ebenfalls äußerst unpopulär waren, sind sie dennoch umgesetzt worden. Die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft im Gastgeberland und die Wahrnehmung Chinas durch die jeweilige einheimische Gesellschaft können einen sehr massiven Einfluss darauf haben, ob geplante Investitionen tatsächlich zustande kommen. Negative Einstellungen wurden in Tadschikistan meist nicht öffentlich geäußert. Das Fehlen solcher Meinungsäußerungen ist der Tatsache geschuldet, dass das Regime zunehmend autoritär regiert, und zwar in einer Situation, in der die Zivilgesellschaft sowieso schon ihrer meisten Rechte beraubt wurde. Hier spielt auch die Erinnerung an den Bürgerkrieg eine Rolle, denn viele Bürger fürchten ein Wiederaufleben der gewalttätigen Konflikte. Doch verglichen mit dem anfänglichen, einheitlich negativen Diskurs hat sich die Wahrnehmung Chinas in der tadschikischen Bevölkerung je nach sozialer Schicht inzwischen differenziert. Im Laufe der letzten Jahre sind auch deshalb nuanciertere Vorstellungen entstanden, weil Tadschiken nun mehr mit chinesischen Firmen zu tun haben. Zum Beispiel hat das Studium der chinesischen Sprache unter jungen Leuten ebenfalls an Attraktivität gewonnen.
Chinesische Agrarunternehmen
Das 2011 entstandene Narrativ vom chinesischen »Landraub« in Tadschikistan bezog sich auf eine chinesische Firma namens Jing Yin Yin Hai, die damals in verschiedenen Bezirken des Gebiets Chatlon, dem wichtigsten Anbaugebiet Tadschikistans, mit der Bearbeitung von Ackerland begann. Tadschikische Medien stellten das Vorhaben als Segen für die Landwirtschaft des Landes dar: durch diese Investition werde die Bodenqualität und die landwirtschaftliche Erzeugung verbessert und die Agrartechnologie modernisiert. Es seien Demonstrationsflächen geplant und tadschikische Farmer würden vom Wissenstransfer profitieren.
Hinter dieser vermeintlichen Einzelinvestition verbergen sich komplexe Fragen. Die Kapitalanlage wurde durch einen früheren Mitarbeiter des chinesischen Landwirtschaftsministeriums angeregt, dem das Gewinnpotential der tadschikischen Landwirtschaft aufgefallen war und der Firmen dafür interessiert hatte. Bei Jing Yin Yin Hai handelt es sich um ein Joint Venture, das aus zwei Firmen besteht: Huang Fan und Jing Yin Yin Hai Saatgut, beide in der chinesischen Provinz Henan beheimatet. Das Joint Venture gehört zu den Hauptakteuren der modernen chinesischen Landwirtschaft. Es ist beispielhaft für sogenannte »Drachenkopf«-Unternehmen, die von der chinesischen Regierung als Vehikel betrachtet werden, um die Kapitalisierung der heimischen Agrarwirtschaft voran zu treiben. Interessanterweise übernimmt Jing Yin Yin Hai auch in Tadschikistan eine solche Rolle. Seine Geschäftspolitik ist langfristig orientiert und zielt darauf ab, seine Verkäufe in die gesamte Region Zentralasien auszuweiten. Der Pachtvertrag für das tadschikische Ackerland hat eine Laufzeit von 49 Jahren. Doch obwohl die Geschäftstätigkeit der Firma expandiert, ist sie doch bedeutend geringer, als anfänglich in internationalen Medien behauptet (im Jahre 2015 hatte man nur in etwas mehr als 400 ha investiert). Gleichzeitig entsprechen die Betriebsaktivitäten auch nicht den ursprünglichen Verlautbarungen tadschikischer Regierungsbeamter, denn bisher haben keine Beratungen für tadschikische Farmer stattgefunden.
Huang Fan und Jing Yin Yin Hai Saatgut unterscheiden sich in ihrer Geschäftstätigkeit, was Anbaukulturen und Methoden betrifft, und auch hinsichtlich ihrer Entstehung. Der landwirtschaftliche Produktionsbetrieb Huang Fan, der 1951 gegründet wurde, ist auf Weizen- und Baumwollerzeugung konzentriert und hat seine tadschikische Basis im Bezirk Jowon (Gebiet Chatlon), expandiert aber auch in umliegende Bezirke. Das Unternehmen hat aktiv nach Möglichkeiten, im Ausland tätig zu werden, gesucht, denn es stand in China vor wachsenden Kosten für Produktion und Landpacht, und die zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft führte zur Freisetzung von Arbeitskräften. Schließlich investierte man in Ackerland nicht nur in Tadschikistan, sondern auch in der Ukraine. Der Betrieb verfügt über eine eigene Baumwollentkörnungsanlage und hat mit lokalen tadschikischen Farmern Anbauverträge abgeschlossen. Der Fokus des Unternehmens auf Baumwolle scheint zu den Interessen der lokalen Eliten zu passen, die diese Ausrichtung möglicherweise als Sicherheitsgarantie dafür ansehen, dass die Produktion fortgeführt bzw. verbessert wird.
Die Geschäftstätigkeit von Huang Fan wird durch die Ausrichtung von Jing Yin Yin Hai Saatgut auf Gemüsesamen und Gemüseanbau ergänzt, letzterer wird vor allem in Gewächshäusern betrieben. Diese Firma wurde 2007 in China gegründet und im Jahre 2011 von der Provinzregierung Henan zu einem privilegierten Führungsunternehmen gemacht. In Tadschikistan ist dieser Betrieb ebenfalls im Bezirk Jowon tätig und betreibt eine Fabrik im Bezirk Wachdat in der Nähe von Duschanbe. Die Betriebsabläufe werden von chinesischen Angestellten koordiniert, während die manuelle Arbeit von Tadschiken erledigt wird. Lohnarbeit für das chinesische Unternehmen ist für sie attraktiv, denn die Löhne sind höher als bei lokalen tadschikischen Farmern. Der Fokus liegt auf Gemüseanbau, Saatgutgewinnung und Agrartechnologie; alle Bereiche sind sehr perspektivreich, denn die tadschikischen Farmer sind hier nicht wettbewerbsfähig. Es gibt also einen großen, entwicklungsfähigen Markt für die chinesische Firma. Tatsächlich steigert die Tätigkeit des Unternehmens das Angebot und die Vielfalt an Gemüse auf dem tadschikischen Markt. Die verbreitete Annahme, dass »Landraub« die lokale Bevölkerung vom Zugang zu Lebensmitteln abschneidet, muss also in Frage gestellt werden. Durch die Einführung neuer Sorten von Saatgut und neuer Technologien ist die Firma bemüht, die Kontrolle über einzelne landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten zu erlangen.
Kleinbäuerliche Betriebe
Neben den großen chinesischen Investitionen, die meist die Berichterstattung in den internationalen Medien dominieren, gibt es tatsächlich viele kleinere chinesische Unternehmen, die oft »unter dem Radar« der Presse bleiben. Von einzelnen Chinesen privat in Tadschikistan gegründete Farmen sind typisch für diese Art von Unternehmertum; sie befinden sich hauptsächlich in urbanen oder stadtnahen Gebieten (in der Nähe der offiziellen Arbeitsplätze und Wohnorte chinesischer Migranten). Diese kleineren chinesischen Farmbetriebe unterscheiden sich von den zuvor beschriebenen großen in der Art ihres Zugangs zu Ackerland und durch eine stärkere Spezialisierung. Man kann dabei zwei Gruppen unterscheiden. Die erste umfasst chinesische Einzelpersonen, die auf nur kleinen Flächen Gemüse für den Eigenverbrauch oder um ihr Einkommen aufzubessern ziehen. Die Migranten pachten für eine oder mehrere Saisons Land von lokalen Bauern. Viele Chinesen, die jetzt in den urbanen Sektoren der Wirtschaft arbeiten, waren daran gewöhnt, zuvor im Dorf ihre Gartenparzellen zu bestellen. Ein zweiter Typus chinesischer Kleinfarmen hat etablierteren und kommerzielleren Charakter. Diese Farmen sind darauf ausgerichtet, die Ernährungspräferenzen der jetzt in Tadschikistan ansässigen Chinesen zu bedienen. Diese Nische stellt ein neues Segment im tadschikischen Markt dar, das sich erst in den letzten Jahren entwickelt hat. Es ist schwierig, die genaue Zahl chinesischer Migranten in Tadschikistan zu nennen, weil es keine verlässlichen Zahlen gibt. In den Medien wurden 30.000 bis zu 80.000 genannt, was die inoffizielle und befristete Migration mit einschließen würde. Ganz ungeachtet der genauen Zahlen gilt: Die kleinen chinesischen Bauernwirtschaften haben großes Potential, umso mehr, als sie auch chinesische Restaurants und chinesische Unternehmen, die eigene Kantinen betreiben, beliefern.
Fazit
Fast die gesamte gegenwärtige Präsenz Chinas in Zentralasien wird aus einer Makroperspektive analysiert und unter der OBOR-Initiative subsumiert. Doch was vor Ort passiert, bleibt oft unerforscht, und der Fokus auf die großen Narrative und die Rhetorik des »Landraubs« verdeckt die tatsächliche Komplexität und Heterogenität der chinesischen Agrarinvestitionen in Tadschikistan.
Es scheint logisch, dass unterschiedliche chinesische Akteure aus dem chinesisch-tadschikischen Abkommen über Kooperation in der Landwirtschaft Nutzen ziehen, erst recht unter den gegenwärtigen Bedingungen, in denen Chinas regionale Expansion erheblich an Dynamik gewinnt. Doch übergeordnete, staatliche Motivationen, wie z. B. geopolitische Ziele, scheinen bei den hier analysierten Unternehmen keine Rolle zu spielen.
Jenseits des undifferenzierten und sehr breiten Begriffs des »Business«, der kleine wie auch sehr große Investitionen umfassen kann, zeigt eine tiefer gehende Analyse, dass geschäftliche Interessen chinesischer Unternehmen einem bestimmten Muster folgen. Die Chinesen finden einen Zugang zum Markt, während vielen tadschikischen Bauern die Ressourcen oder das politische Kapital dafür fehlen. Paradoxerweise könnte also der Erfolg der chinesischen Agrarbetriebe darin begründet sein, dass im Zuge der postsozialistischen Transformation in Tadschikistan keine leistungsfähige Landwirtschaft geschaffen wurde. Die vorhandenen Rahmenbedingungen in Tadschikistan haben also ganz klar einen Einfluss auf die Ausrichtung der chinesischen Unternehmen.
Der wirtschaftspolitische Kontext in China spielt ebenfalls eine Rolle, der Wettbewerb auf dem einheimischen Markt und die niedrigen Renten in Tadschikistan sind Motoren für Migrationsprozesse chinesischer Unternehmer. Die Expansion von Jing Yin Yin Hai scheint typisch für den Entwicklungsweg von »Drachenkopf«-Unternehmen, in denen der Staat eine wichtige Rolle spielt. Für das beteiligte Unternehmen bietet die Geschäftstätigkeit im Ausland eine lukrative Gelegenheit zur Expansion. Die kleinen chinesischen Farmen werden dagegen in einer neuen Marktnische aktiv, die ihrerseits als Nebeneffekt der wachsenden chinesischen Präsenz im Lande entstanden ist.
Abschließend muss man feststellen, dass die Zunahme chinesischer Aktivitäten in Zentralasien nicht nur Teil koordinierter, staatlich gelenkter Anstrengungen ist. Wenn man die chinesischen Investitionen in Land verstehen will, muss man sich genauer mit den kontextspezifischen Eigenarten diesseits und jenseits der Grenzen befassen. Nur durch ein solches Vorgehen kann man die komplexen Motivkonstellationen der chinesischen Akteure entschlüsseln und damit die abstrakten Konzepte hinterfragen.
Aus dem Englischen von Brigitte Heuer
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