Islam und Entwicklungszusammenarbeit: Projekte des Aga Khan Development Networks im Lichte transregionaler Dynamiken

Von Till Mostowlansky

Zusammenfassung
Der Aga Khan IV. ist zugleich religiöser Führer der schiitischen Ismailiten, die in Zentralasien schwerpunktmäßig im tadschikischen Autonomen Gebiet Berg-Badachschan (GBAO) leben, und Vorsitzender des Aga Khan Development Networks, einer in Zentralasien wie vielen anderen Staaten der Erde aktiven Entwicklungsorganisation. Im Rahmen einer Analyse ihrer gegenwärtigen Entwicklungsprojekte in Zentralasien beleuchtet dieser Artikel zum einen den komplexen Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und schiitisch-ismailitischer Globalisierung. Zum anderen zeigt er, dass diese Verbindung vor dem Hintergrund kontinuierlicher, grenzüberschreitender und transregionaler Prozesse ausgehandelt wird, die bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückreichen.

Für die Einwohner der Kleinstadt Chorog (ca. 30.000), die in Tadschikistans Autonomem Gebiet Berg-Badachschan (GBAO) an der afghanischen Grenze liegt, ist 2017 in mehrerlei Hinsicht ein besonderes Jahr. Zunächst feiert Shah Karim al-Hussaini Aga Khan IV., der 49. Imam der schiitischen Ismailiten, die in Chorog, wie generell in Berg-Badachschan, die konfessionelle Mehrheit bilden (ca. 200.000), sein 60-jähriges Jubiläum als Oberhaupt einer Gemeinschaft, deren Mitglieder in Dutzenden Ländern weltweit leben (schätzungsweise 3–5 Mio.). Das »diamantene Jubiläum«, welches die »Inthronisation« des Aga Khan IV. im Jahre 1957 zelebriert, ist den Jubiläen von Monarchen, insbesondere derer des britischen Königshauses nachempfunden, und gibt den Einwohnern von Chorog Anlass zu zahlreichen Festivitäten offizieller und inoffizieller Natur in Privatwohnungen, religiösen Gemeinschaftshäusern und öffentlichen Räumen. Das zweite Großereignis in der Kleinstadt am tadschikisch-afghanischen Grenzfluss Pjandsch, dem historischen Oxus, stellt die geplante Eröffnung des Campus der University of Central Asia (UCA) im September 2017 dar. Nach 17 Jahren von Verhandlungen und Bauverzögerungen soll der zweite von drei Standorten der UCA in Zentralasien offiziell in Betrieb genommen und Studenten aus der Region, aber auch anderen Orten der Welt, zum Studium in den Pamir gelockt werden. Chorog folgt somit dem Campus in Naryn, einer kirgisischen Kleinstadt nahe der Grenze zu China, der 2016 eröffnet wurde. Ein dritter Standort in Tekeli, Kasachstan, befindet sich zurzeit im Bau.

Die Frage, was diese beiden Ereignisse in Chorog gemeinsam haben, ist rasch beantwortet. Der Aga Khan IV., dessen Legitimität als gegenwärtiger Imam der schiitischen Ismailiten auf seiner Abstammung von der islamischen Prophetenfamilie beruht, ist auch der Vorsitzende des Aga Khan Development Networks (AKDN), welches hinter der University of Central Asia und zahlreichen anderen Entwicklungsprojekten in Tadschikistan und dem weiteren Raum Zentralasiens steht. Das AKDN ist laut eigenen Angaben in etwa 30 Ländern weltweit tätig und investiert dabei jährlich rund 925 Mio. US-Dollar. Firmen, die in diesem Rahmen gegründet und unterstützt werden, sollen laut Angaben des AKDN Einnahmen von ca. 4,1 Mrd. US-Dollar erwirtschaften, die wiederum in laufende oder neue Entwicklungsprojekte investiert werden. In Zentralasien, insbesondere in Tadschikistan, gehören die unterschiedlichen Unterorganisationen des AKDN, die sich nicht nur auf Bildung, sondern u. a. auch auf Gesundheit, Infrastruktur, Wirtschaft, Ökologie und humanitäre Interventionen konzentrieren, zu den großen Akteuren im Entwicklungsbereich. Regelmäßige Kooperationen mit anderen internationalen Entwicklungsakteuren sind an der Tagesordnung, beispielsweise mit der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Bereich des Brückenbaus oder mit dem schweizerischen Departement für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) betreffend Familienmedizin. Vor diesem Hintergrund konzentriert sich dieser Artikel im Folgenden auf zwei Punkte: Einerseits wird der Zusammenhang von Entwicklungszusammenarbeit und ismailitischer Globalisierung beleuchtet. Andererseits wird unterstrichen, dass sich dieser Aushandlungsprozess in grenzüberschreitenden und transregionalen Räumen und, im Falle des AKDN, im Rahmen geschichtlicher Kontinuität abspielt.

Zwischen »Säkularität« und religiöser Administration

Die Frage nach dem Verhältnis von Imam, religiöser Gemeinschaft und Entwicklungszusammenarbeit ist umstritten und wird sowohl innerhalb der entsprechenden Institutionen als auch an den Orten, an welchen das AKDN tätig ist, oft kontrovers diskutiert. Beispielsweise im Falle von Tadschikistan ist das Verhältnis zwischen Staat und AKDN geprägt von gegenseitiger Anerkennung, Konkurrenz und Symbiose. Dabei versucht sich das AKDN seit Jahrzehnten als »säkulare«, sprich konfessionell neutrale, Organisation zu verorten. Diese Bestrebung ist einerseits aus einem internationalen Entwicklungsumfeld zu erklären, in dem religiöse Affiliation über lange Zeit hinweg als Stigma gegolten hat. Im Kontext Zentralasiens, insbesondere in Tadschikistan, trägt eine solche neutrale Positionierung aber auch zu einem »quasi-diplomatischem« Status und zu engen Beziehungen mit staatlichen Institutionen bei, in denen ein hohes Maß an Misstrauen gegenüber transnationalen, islamischen Organisationen herrscht. Zudem sehen zahlreiche internationale Entwicklungsorganisationen explizit religiöse Akteure auch weiterhin eher als potentielle lokale Partner zum Erreichen spezifischer Projektziele denn als verlässliche Partnerorganisationen an. So ist es beispielsweise in Zentralasien üblich, in ländlichen Kontexten religiöse Gelehrte in die Kommunikation von Gesundheitsprojekten einzubinden. Größere Berührungsängste bestehen hingegen bei Kooperationsbestrebungen auf Augenhöhe und mit möglichen Partnern, die sich explizit auf religiöse Rhetorik stützen. In diesem Zusammenhang verfolgt das AKDN die Strategie, sich – sowohl gegenüber staatlichen Institutionen als auch in der Interaktion mit internationalen Geberorganisationen – mit einer technokratischen Sprache und durch Betätigungsfelder außerhalb der ismailitischen Kerngebiete Badachschans von religiösen Organisationen abzugrenzen.

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Während diese Strategie in Bezug auf Kooperationen mit anderen internationalen Entwicklungsakteuren und dem tadschikischen Staat aufgeht und dem AKDN über die vergangenen Jahrzehnte hinweg zahlreiche Preise und viel Prestige für seine Projekte eingebracht hat, so sieht dies im Bereich der Binnenwirkung in lokalen Gemeinschaften Zentralasiens anders aus. Für viele Einwohner Berg-Badachschans sind die Rollen des Aga Khan IV. als religiöses Oberhaupt einerseits und als Vorsitzender eines einflussreichen Entwicklungsnetzwerkes andererseits nicht getrennt, sondern Teil eines Ganzen, das aus dem ismailitischen Imamat erwächst. Der Aga Khan und seine Administration habe eine solche Sichtweise durchaus auch über Jahrzehnte hinweg gepflegt. Seit Beginn des gegenwärtigen Imamats in den 1950er Jahren haben sie eine philosophische Lehre geprägt, in der Philanthropie, Entwicklung (»development«), Nachhaltigkeit und Fortschritt in einen logischen Zusammenhang mit ismailitischer Geschichte und Theologie gebracht werden. Unterschiedliche ismailitische Institutionen, die in den offiziell getrennten Bereichen von religiöser und entwicklungsbezogener Administration angesiedelt wurden, sind aus diesem Grund in der Alltagspraxis eng miteinander verknüpft. Dies lässt sich am Beispiel des »diamantenen Jubiläums« demonstrieren, für das der Aga Khan seine Gemeinschaften in aller Welt zur Freiwilligentätigkeit im Entwicklungsbereich aufgerufen hat, aber auch daran, dass Institutionen des AKDN eine Sprache sprechen, die von Außenstehenden vielleicht als »säkular« wahrgenommen wird, im ismailitschen Binnendiskurs aber längst auch zum theologischen Register gehört. Dies ist beispielsweise daran erkennbar, dass sich der Aga Khan in seinen exklusiv an seine Gemeinschaften gerichteten religiösen Edikten (farman) oftmals derselben Entwicklungsrhetorik bedient, die auch bei der Eröffnung von Infrastrukturprojekten, Schulen oder Krankenhäusern zum Ausdruck kommt. Konkret bedeutet dies, dass sich jedes neu gebaute Mikrowasserkraftwerk, jede neu geschaffene Bildungsinstitution und jedes durchgeführte Katastrophenschutztraining in Berg-Badachschan in Form und Inhalt zwar nicht von anderen Entwicklungsprojekten in Tadschikistan, oder weltweit, unterscheidet. In ismailitischen Kontexten stehen solche Projekte aber gleichzeitig für die Materialisierung des Imamats und unterstützen und stärken somit den Zusammenhalt der globalen Gemeinschaft.

Dies lässt sich am Beispiel des Brückenbaus über den Grenzfluss Pjandsch zwischen Tadschikistan und Afghanistan illustrieren, der seit 2002 vom AKDN in Kooperation mit internationalen Geldgebern (unter anderen der KfW) kontinuierlich vorangetrieben wird. Während der direkte ökonomische Wert der Brücken sowie der angrenzenden kleinen Grenzmärkte umstritten ist, treffen sich in diesen Projekten Akteure mit unterschiedlichen Interessen. Der tadschikische Staat unterstreicht gerne seine enge Beziehungen mit Afghanistan, internationalen Geldgebern ist an Afghanistans regionaler Integration und einer abstrakten Idee von ökonomischer Globalisierung gelegen und das AKDN betont alle diese Interessen und fügt den vermeintlich lokalen Aspekt hinzu, der einen Austausch zwischen Einwohnern Badachschans auf beiden Seiten der Grenzen fördern soll. Jedoch sind solche grenzübergreifenden Interaktionen für die Mehrheit der Ismailiten in Badachschan nicht Teil des Alltagslebens. Hingegen prägen die Brücken des AKDN die Landschaft entlang des Pjandsch und erinnern die Einwohner der Region an die Präsenz der globalen ismailitischen Gemeinschaft und an die Tatkraft des Imamats, das wortwörtlich Länder und Regionen verknüpfen kann.

Wider die Grenzen des Kalten Krieges

Wie viele andere Entwicklungsorganisationen im Kontext Zentralasiens haben auch die Institutionen des Aga Khan nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 mit ihrer Tätigkeit in der Region begonnen. Zuvor war eine direkte Kommunikation zwischen Ismailiten in Berg-Badachschan und solchen außerhalb der Sowjetunion in weiten Teilen unterbrochen oder erschwert. Wie mir im Laufe meiner Forschungen in Tadschikistan berichtet wurde, drangen aber auch während der Sowjetzeit immer wieder Nachrichten vom Imam nach Berg-Badachschan durch, auch wenn diese Kommunikation oft nur indirekt und sporadisch erfolgen konnte. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen NGOs und Entwicklungsakteuren in Zentralasien haben das AKDN und seine Vorgängerinstitutionen aber über die gesamte Dauer des Kalten Krieges hinweg jenseits der sowjetischen Grenzen gewirkt und Präsenz markiert. Um die Perspektive dieser Institutionen auf und ihr Selbstverständnis in Zentralasien einordnen zu können, macht es deshalb Sinn, über die Grenzen der engeren Region hinauszublicken. Eine historisch wichtige Verbindung führt hierbei in den südasiatischen Kontext, insbesondere ins nur mehrere Dutzend Kilometer südlich vom tadschikischen Berg-Badachschan gelegene Nordpakistan.

Die heutige pakistanische Region Gilgit-Baltistan, die zwischen Afghanistan, China und dem indischen Kaschmir liegt, trennt nur der schmale Wachan-Korridor vom tadschikischen Berg-Badachschan. Wie in allen Teilen des Grenzgebietes von Afghanistan, China, Pakistan und Tadschikistan sind die Einwohner dieser Mikro-Region mehrheitlich Ismailiten, die sich aber in der Gegenwart nicht nur bezüglich ihrer nationalen Identitäten unterscheiden, sondern auch in zahlreiche unterschiedliche linguistische und ethnische Gemeinschaften aufteilen. Trotz dieser Fragmentierung und der Existenz multipler nationalstaatlicher Grenzen stellt diese grenzübergreifende transregionale Zone einen einzigartigen Bereich dar, in dem sich Ismailiten im Grenzgebiet dieser vier Länder in der Mehrheit sehen. Die meisten anderen ismailitischen Gemeinschaften weltweit leben in Diaspora-Kontexten und es erstaunt deshalb nicht, dass die Ismailiten des Pamir-Karakorum seit langem eine spezielle Stellung in der institutionellen Wahrnehmung eingenommen haben.

Die Aufteilung und Zuordnung dieser Mikro-Region zu verschiedenen geopolitischen Blöcken, zu Zentral- oder Südasien, geht auf den britisch-russischen imperialen Konkurrenzkampf gegen Ende des 19. Jahrhunderts und die Etablierung der Sowjetunion zurück. Bis in die 1930er Jahre waren die politischen Machtverhältnisse in der Region jedoch instabil und zu jener Zeit versuchte auch Sultan Muhammad Shah Aga Khan III., der Großvater und Vorgänger des gegenwärtigen ismailitischen Imams, von seinem Sitz im indischen Bombay aus stärkere Verbindungen zu den Ismailiten im Norden des britisch-indischen Imperiums aufzubauen. Wie bereits seine Vorgänger seit Mitte des 19. Jahrhunderts pflegte der Aga Khan III. enge Beziehungen zur britischen Kolonialmacht und nahm eine Stellung ein, die mit einem Prinzen der indisch-kolonialen Fürstenstaaten, allerdings ohne territorialen Besitz, verglichen werden kann. In ismailitischen Kreisen in Bombay herrschte bereits eine Vorstellung davon, dass ismailitische Gemeinschaften in »peripheren« Gebieten, Teil eines Entwicklungs- und Fortschrittsprozesses (tarraqi) werden müssten, der insbesondere durch den Bau von Schulen und die Vergabe von Stipendien erreicht werden sollte. Obwohl die ismailitischen Gemeinschaften der heutigen Länder Afghanistan, China, Pakistan und Tadschikistan in unterschiedlichen politischen Kontexten angesiedelt waren, konstituierten diese aus jener Perspektive eine relativ kohärente, übergreifende »zentralasiatische Gemeinschaft«, die durch Geographie, vergleichbare Rituale und Traditionen sowie linguistische Verwandtschaft definiert wurde.

Während das »diamantene Jubiläum« des Aga Khan IV. dieses Jahr explizit im Zusammenhang mit internationaler Entwicklungszusammenarbeit steht, gehen die Anfänge einer solchen Herangehensweise auf das Imamat des Aga Khan III. zurück. Bereits das »diamantene Jubiläum« von Muhammad Sultan Shah stand im Zeichen von Wohltätigkeit und sozialen Projekten. So wurde der schwergewichtige Aga Khan III. zur Feier seines Jubiläums 1946 von seinen Anhängern im Rahmen einer feierlichen Zeremonie mit Diamanten aufgewogen, die den Grundstein für die Finanzierung von Projekten in Asien und Afrika legten.

Die institutionelle Entwicklung der Aga Khan Foundation, die 1967 gegründet wurde und in Genf in der Schweiz ihren Hauptsitz hat, ist somit in eine längere Geschichte der Transformation von religiöser Gabe hin zu internationaler Entwicklungsarbeit eingebettet. In Nordpakistan war die Aga Khan Foundation, die später Teil des umfassenden AKDN wurde, eine treibende Kraft hinter neuen Ansätzen in der ländlichen Entwicklung. Das sogenannte Aga Khan Rural Support Programme veränderte die physische und soziale Landschaft von Gilgit-Baltistan ab 1982 massiv. Zur selben Zeit trieb aber auch die Sowjetunion die Entwicklung im tadschikischen Berg-Badachschan durch einen Ausbau der Infrastruktur voran und hob den Lebensstandard im Vergleich zur Situation in den afghanischen und chinesischen Teilen des Grenzgebietes auf eine neue Ebene. Im Rahmen des Krieges in Afghanistan in den 1980er Jahren unterstützten Sowjetinstitutionen zudem Entwicklungsprojekte im Land, insbesondere auch im Wachan-Korridor. Nach einer Periode der Unterstützung britischer Interessen in Zentralasien in den 1920er und 1930er Jahren hatte auch bereits der Aga Khan III. Ismailiten im sowjetischen Einflussgebiet dazu aufgerufen, sich der Zentralmacht gegenüber loyal zu verhalten und vom sowjetischen Entwicklungsmodell, den Bildungsmöglichkeiten und der neuen Mobilität zu profitieren. In diesem Sinne standen die Projekte des AKDN nicht in einer direkten Konkurrenz zu Prozessen in der Sowjetunion. Mit dem Zerfall der Union boten sich dem AKDN hingegen ungeahnte Möglichkeiten der Expansion, hin zu Gemeinschaften, die historisch-religiöse Anknüpfungspunkte sowie eine bestehende Entwicklungsinfrastruktur boten.

Das erste Betätigungsfeld der Aga Khan Foundation in Tadschikistan im Jahr 1992 konzentrierte sich gezwungenermaßen auf humanitäre Hilfe im Kontext des tadschikischen Bürgerkrieges, der das abgelegene Berg-Badachschan von wichtigen Versorgungsrouten abschnitt. Aga Khan Institutionen übernahmen Aufgaben, die bis dahin der sowjetische Staat erfüllt hatte und nutzten oftmals dieselbe Transportinfrastruktur. Wie frühe Berichte der Aga Khan Foundation belegen, galt das primäre Interesse der Implementierung von Entwicklungsprojekten wie sie zuvor in Nordpakistan durchgeführt worden waren. Während lokale Kommandeure in einen blutigen Krieg mit der Zentralregierung involviert waren (1992–1997), widmeten sich die unterschiedlichen Institutionen des Aga Khan einer Ausweitung ihres ökonomischen und spirituellen Einflusses in der Region. Dieser Einfluss des Aga Khan, der auch im Friedensprozess 1997 mit dem Aufruf an die Kommandeure, die Waffen niederzulegen zum Ausdruck kam, dauert bis heute an. Mit dem Abwenden einer humanitären Katastrophe im Rahmen des tadschikischen Bürgerkrieges und der Übernahme quasi-staatlicher Dienstleistungen, bot sich die Möglichkeit, die Erfahrungen des Aga Khan Rural Support Programme in Pakistan in adaptierter Form in den post-sowjetischen Kontext zu transferieren. Das Resultat dieses Transferprozesses war der Aufbau des Mountain Societies Development Support Programme, das bis zum heutigen Tag existiert und in weiten Teilen von Tadschikistan aktiv ist.

Fazit

Die Aga Khan Institutionen sind sowohl im religiösen Feld als auch im Bereich der internationalen Entwicklung Zentralasiens eine Ausnahmeerscheinung. Anders als viele andere NGOs sind sie nicht aufgrund zufälliger Betätigungsmöglichkeiten oder staatlich-geostrategischer Interessen in der Region präsent, sondern aufgrund lange zurückreichender historischer Beziehungen, die über Zentralasien hinausführen. Die globale Herangehensweise dieser Institutionen, sich einerseits durch den Dienst an den Mehrheitsgesellschaften, in denen Ismailiten leben, unverzichtbar zu machen, gleichzeitig aber gezielt die Stärkung der eigenen Gemeinschaft voranzutreiben, kann zweifellos als erfolgreich bezeichnet werden. Allerdings muss auch angemerkt werden, dass historisch lange zurückreichende sowie neu entstehende konfessionelle Unterschiede, gerade im Zuge gegenwärtiger Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten weltweit, so nicht einfach aufgelöst werden. Im Laufe meiner Forschungen in Tadschikistan und Kirgistan seit 2008 haben Nicht-Ismailiten mir gegenüber immer wieder betont, dass sie Aga Khan-Projekte als spezifisch schiitisch und nicht vertrauenswürdig ansehen würden. Während des tadschikischen Bürgerkriegs 1992–97 waren zudem manche Gewalttaten spezifisch gegen Ismailiten als »religiöse Andere« gerichtet. Dieses Konfliktpotential bleibt im gegenwärtigen Tadschikistan – wenn auch zurzeit unter der Oberfläche – weiterhin bestehen.

Bezüglich transregionaler Dynamiken beleuchtet ein Blick auf die Geschichte von ismailitischen Interessen an der Schnittstelle zwischen Zentral- und Südasien, warum viel Geld und Energie in die Überbrückung von Differenzen zwischen den Einwohnern der unterschiedlichen Teile des Grenzgebietes von Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan investiert wird. Der Bau von Brücken und Grenzmärkten folgt nicht nur einer ökonomischen Vision von »Öffnung« und dem freien Fluss von Gütern und Menschen, die schlussendlich doch oftmals von Krieg und politischen Differenzen unterminiert wird. Der Konflikt in Afghanistan, der Sonderfall China mit seinem ausgeprägt nationalstaatlichen Entwicklungsprogramm sowie ein instabiles Pakistan verhindern oftmals übergreifenden Austausch und Mobilität. Solchen Investitionen unterliegt jedoch auch eine Symbolpolitik, die durch eine Vernetzung von ismailitischen Gemeinschaften weltweit im Rahmen ihrer eigenen Ziele – einer alternativen Form von Globalisierung – äußerst anpassungsfähig und durchaus erfolgreich ist.

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