Die Gründe für den EEU-Beitritt
Die Eurasische Wirtschaftsunion (EEU) ist die jüngste Regionalorganisation im postsowjetischen Raum. Sie wurde 2014 von Russland, Kasachstan und Belarus gegründet und nahm ihre Tätigkeit im Januar 2015 auf. Offizielles Ziel ist die Vertiefung der wirtschaftlichen Integration durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, die Koordinierung und Harmonisierung der Wirtschaftspolitik, die Einführung eines gemeinsamen Außenzolls und die Verwirklichung des freien Verkehrs von Waren, Arbeit, Kapital und Dienstleistungen. Die EEU hat einen integrierten Markt von 183 Mio. Menschen und ein gemeinsames BIP von ca. 1,5 Bio. US-Dollar. Ihr Kern ist die Zollunion mit einheitlichen Außenzöllen. Trotz aller offiziellen Beteuerungen ist die EEU aber auch ein geopolitisches Projekt, das dem russischen Interesse dient, die postsowjetischen Staaten unter einem gemeinsamen institutionellen Rahmen zu vereinen, neue Abhängigkeiten zu schaffen und sie dem Einfluss externer Akteure zu entziehen. Darüber hinaus stärkt es Russlands Präsenz auf der politischen Weltbühne.
Neu ist die institutionelle Struktur der Organisation. Zum ersten Mal gibt es nun ein zumindest teilweise supranational agierendes Organ. Die Eurasische Wirtschaftskommission (EEC) verfügt über weitreichende Kompetenzen und kann selbstständig Maßnahmen initiieren, Strategien und Gesetze verabschieden und internationale Verträge, wie z. B. Freihandelsabkommen (zuletzt mit Vietnam), im Namen der EEU abschließen. Die zehn Minister des Kollegiums der Kommission (zwei aus jedem Mitgliedstaat) treffen Entscheidungen, die für alle Mitgliedstaaten bindend sind, mit qualifizierter Mehrheit oder im Konsens. In den Vorgängerinstitutionen wurde Russlands dominante Position durch eine Mehrheit der Stimmen gesichert, in der neuen Kommission hat jedes Mitglied zwei Stimmen. Das neue System begünstigt die kleineren Mitgliedstaaten, die Russland nun gemeinsam überstimmen und russische Initiativen blocken können. Experten zufolge wurde von dieser Möglichkeit auch schon Gebrauch gemacht. Auch die Reform der Kommission ist auf die Initiative von Kasachstan und Belarus zurückzuführen, die die Stimmenparität gegen Russlands Interesse durchgesetzt haben. Außerdem wurde eine Personalquote in der mittleren Führungsebene der Kommission eingeführt, die ebenfalls zugunsten der kleineren Staaten ausfällt.
Kirgistan kündigte bereits 2011 an, der Zollunion beitreten zu wollen, unterzeichnete den EEU-Beitrittsvertrag jedoch erst im Dezember 2014. Im August 2015 wurde es schließlich nach Armenien der fünfte und bisher letzte Mitgliedstaat. Zwischen 2011 und 2015 verhandelten der damalige Präsident Almasbek Atambajew und seine Berater 52 Monate lang bestmögliche Beitrittsbedingungen und Entschädigungen für die erwarteten wirtschaftlichen Verluste aufgrund der Asymmetrien zwischen den Mitgliedstaaten.
Einige Experten sind der Meinung, dass Russland die zentralasiatische Republik in die EEU gedrängt hat. Tatsächlich hatte das Land keine große Wahl, da es wirtschaftlich stark von Russland und Kasachstan abhängig ist. Atambajew bezeichnete den Beitritt selbst einmal als »das kleinere Übel«. 2016 betrug Kirgistans Warenaustausch mit Russland 17,8 % und mit Kasachstan 14,8 % des Gesamthandels. Außerdem trieben die große Zahl der Arbeitsmigranten in Russland und die Aussicht auf ihre Legalisierung den Beitritt voran. 2015 arbeiteten nach Angaben des staatlichen Migrationsdienstes 700.000 kirgisische Staatsbürger im Ausland, die meisten in Russland. Andere Schätzungen gehen von 600.000 bis zu 1 Mio. Arbeitsmigranten aus (ca. ein Drittel aller Erwerbspersonen). In den letzten sechs Jahren trugen die Rücküberweisungen jährlich rund 30 % zum BIP bei und machten das Land zu einem der Top 5 Empfängerländer von Rücküberweisungen weltweit.
Ein weiterer, wenn auch weniger häufig genannter Grund für den Beitritt zur EEU ist der wachsende chinesische Einfluss in Zentralasien. China hat Russland als wichtigsten Handelspartner Kirgistans bereits vor einigen Jahren abgelöst. 2016 machte der Handel mit China rund 29 % des gesamten Handels aus. Die Export-Import Bank von China ist der größte Gläubiger. Darüber hinaus hat das Reich der Mitte im Rahmen seiner Belt and Road Initiative in diverse Bauvorhaben, insbesondere im Bereich Energie und Transport, investiert. Viele Kirgisen fürchten zu viel chinesischen Einfluss oder gar eine Übernahme der schwach bevölkerten Teile des Landes. Aus Sicht der Regierung bietet die Mitgliedschaft in der EEU durch die engere Anbindung an Russland eine größere Sicherheit und Abschottung von China.
Darüber hinaus pflegt Kirgistan seit seiner Unabhängigkeit enge Beziehungen mit Moskau und ist einer der engsten Verbündeten des Kreml. Russland ist nicht nur der wichtigste Sicherheitsgarant, sondern auch eines der aktivsten Geberländer, das zahlreiche Entwicklungsprojekte finanziert, günstige Kredite gewährt und regelmäßig Schulden abschreibt. Ein Großteil der Kirgisen befürwortete den Beitritt deshalb. In keinem anderen Mitgliedstaat sind die Zustimmungswerte zur Wirtschaftsunion so hoch. Dem Eurasischen Integrationsbarometer von 2015 zufolge standen 86 % aller Kirgisen der EEU positiv gegenüber, verglichen mit 80 % in Kasachstan und 78 % in Russland. Auch zwei Jahre später lagen die Zustimmungswerte immer noch bei 83 %.
Schließlich hat Russland durchaus auch überzeugende Anreize für den Beitritt geschaffen. Kein anderer Mitgliedstaat hat so viele Zugeständnisse und Entschädigungen erhalten wie Kirgistan. So wurde der Regierung eine Übergangsfrist von zwei Jahren zur Umsetzung der technischen Vorschriften und Standards der EEU eingeräumt. Darüber hinaus stellte der Kreml 200 Mio. US-Dollar für notwendige Infrastrukturprojekte bereit, z. B. für die Einrichtung von Laboren und Kontrollstellen, und versprach die Finanzierung von zwei dringend benötigten Wasserkraftwerken, die jedoch bis heute nicht gebaut wurden. Russland hat sich aus verschiedenen Gründen und sehr zum Missfallen der kirgisischen Regierung aus der Finanzierung zurückgezogen. Derzeit ist das Thema aber wieder auf dem Verhandlungstisch. Weiterhin wurde der Russisch-Kirgisische Entwicklungsfonds mit 500 Mio. Dollar Eigenkapital geschaffen, der kleine und mittlere Unternehmen mit günstigen Krediten unterstützt und eine Ergänzung zur Eurasischen Entwicklungsbank darstellt. Derzeit werden durch den Fonds rund 722 Projekte mit einem Gesamtkreditvolumen von ca. 226 Mio. US-Dollar gefördert. Im Gegensatz zu Armenien wurde Kirgistan also nicht in die EEU gedrängt, sondern viel mehr eingekauft.
Probleme und Herausforderungen
Trotz aller Zugeständnisse und Ausnahmen ist Kirgistans Mitgliedschaft in der EEU bisher keine Erfolgsgeschichte. Sowohl der Handel mit den anderen Mitgliedstaaten als auch mit dem Rest der Welt war 2015 und 2016 rückläufig. Nach Angaben des Nationalen Statistischen Komitees ist der Außenhandel 2015 um 23,7 % gegenüber 2014 zurückgegangen. Auch 2016 war der Warenaustausch rückläufig, wenn auch nicht mehr ganz so stark. 2017 wurde ein Zuwachs von 12,5 % auf 6,27 Mrd. US-Dollar verzeichnet, aber das Level von 2014 (7,62 Mrd. US-Dollar) konnte noch nicht wieder erreicht werden. Ein Grund hierfür ist die mangelnde Konkurrenzfähigkeit sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit von Rücküberweisungen und ausländischer Finanzhilfe, die Kirgistan zum schwächsten Mitgliedstaat der EEU machen.
Ein weiterer Grund für die Verschlechterung der Handelsbilanz sind die neuen Import- und Exportbestimmungen und Außenzölle. Letztere basieren weitestgehend auf den russischen Zolltarifen, die deutlich über den kirgisischen lagen. Diese Tarifsteigerung führte zu einem Einbruch der Importe aus China von 5,22 Mrd. US-Dollar im Jahr 2014 auf 1,46 Mrd. US-Dollar 2016 (56 % respektive 38 % der Gesamtimporte). Vor dem Beitritt zur EEU war Kirgistan aufgrund der niedrigen Außenzölle und der einfachen Einfuhrbestimmungen lange Zeit das wichtigste Transitland der Region für chinesische Produkte, die Händler in die anderen postsowjetischen Länder weiter exportieren. Dieses Re-Export Model ist allerdings nicht sehr nachhaltig und führte zur Vernachlässigung der eigenen Produktion und zu einem ausgeprägten Handelsdefizit.
Darüber hinaus hat die Regierung große Schwierigkeiten, die Regeln und Standards der EEU umzusetzen. Seit ihrer Gründung hat die Eurasische Wirtschaftskommission 44 technische Vorschriften verabschiedet, um den Binnen- und Außenhandel zu harmonisieren und gleiche Standards zu schaffen. Kirgistan wurde eine zweijährige Übergangsfrist für eine Reihe von Produkten eingeräumt, die allerdings im August 2017 auslief. Nach wie vor ist das Land aber nicht in der Lage, alle EEU-Regeln zu gewährleisten bzw. einzuhalten. Besonders problematisch ist die Implementierung der Vorschriften in den Bereichen Lebensmittelsicherheit sowie Tier- und Pflanzengesundheit. Bisher kann die Regierung weder die Abwesenheit gefährlicher Erreger und Keime und die effektive Bekämpfung ansteckender Tierkrankheiten noch die Einhaltung der Standards der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) in Schlachtbetrieben gewährleisten. Darüber hinaus fehlt ein System zur Tieridentifikation und Rückverfolgbarkeit der Herkunft von Fleischprodukten.
Trotz der Finanzhilfe aus Russland fehlen bisher Labore und Kontrollstellen zur Zertifizierung einheimischer Produkte für den Export sowie geschultes Personal, das sich mit den komplizierten EEU-Bestimmungen auskennt und Produzenten und Exporteure beraten könnte. Insbesondere kleinere Betriebe sind mit den neuen Regeln und Standards überfordert und können vom Binnenmarkt der Union bisher nicht profitieren. Weitere Handelshindernisse sind der Mangel an Lagerhäusern und Logistikzentren sowie die instabile Angebotslage. Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe sind nicht in der Lage, große Warenmengen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern und sind damit nicht konkurrenzfähig im EEU-weiten Vergleich.
Schließlich hat die Regierung die Möglichkeit, Entscheidungen in der EEC in Moskau in ihrem Sinne zu beeinflussen, bisher kaum genutzt. Das liegt nicht nur daran, dass Kirgistan seine Personalquoten in der mittleren Führungsebene der Kommission nicht ausfüllen kann und deshalb schwächer als die anderen Mitglieder vertreten ist, sondern auch an dem Mangel an Experten in Bischkek. Während in Russland, Kasachstan und Belarus ganze Ministerien oder zumindest große Ressorts für die EEU zuständig sind, hat die Abteilung für Eurasische Integration im kirgisischen Wirtschaftsministerium weniger als zehn Mitarbeiter. Das kleine Team hat keine Kapazitäten, zu allen Initiativen und Gesetzestexten, die täglich von der Kommission aus Moskau kommen, Stellung zu nehmen und effizientes Lobbying zu betreiben.
Wirtschaftskrise und der Streit mit Kasachstan
Aber nicht nur interne Faktoren wie die schlechte Vorbereitung auf die Mitgliedschaft und die mangelnde Konkurrenzfähigkeit haben dazu beigetragen, dass Kirgistan bisher kaum von der EEU profitieren konnte. Auch die Wirtschaftskrise in Russland infolge der EU-Sanktionen und dem Einbruch der Ölpreise hat der zentralasiatischen Republik zu schaffen gemacht. Zum einen nahm der Handel mit Russland und Kasachstan ab und hat sich bis heute nicht vollständig erholt. Zum anderen wertete die kasachstanische Nationalbank als Reaktion auf den schwachen Rubel 2014 den Tenge um 19 % ab und beschloss im August 2015 einen flexiblen Wechselkurs einzuführen, der zu einem weiteren Wertverlust des Tenge von mehr als 30 % führte. Statt vom erwarteten Kostenvorteil zu profitieren, mussten kirgisische Produzenten nun mit den durch die Währungsabwertung günstiger gewordenen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Russland und Kasachstan konkurrieren.
Darüber hinaus hat auch der Konflikt mit Kasachstan, der 2017 über Monate zu Problemen an der gemeinsamen Grenze führte, die Wirtschaft geschädigt. Schon seit Jahren beschwert sich der große Nachbar über mangelnde Qualitäts- und Sicherheitsstandards kirgisischer Produkte und hat die Veterinär- und Pflanzenschutzkontrollen an der gemeinsamen Grenze auch nach Kirgistans EEU-Beitritt nie ganz abgeschafft. Kirgisische Experten vermuten allerdings, dass diese Maßnahmen vor allem den kasachstanischen Markt vor den billigeren kirgisischen Erzeugnissen und chinesischen Waren schützen sollen. Kirgisische Politiker beklagten sich regelmäßig lautstark über das Vorgehen Kasachstans und auch auf höchster Ebene kam es zu Auseinandersetzungen. Der Konflikt eskalierte schließlich im Oktober 2017 im Vorfeld der kirgisischen Präsidentschaftswahlen, als der kasachstanische Präsident Nasarbajew den wichtigsten Herausforderer des vom amtierenden Präsidenten Atambajew unterstützen Kandidaten in Almaty empfing und Atambajew daraufhin mit scharfer Rhetorik und unbegründeten Anschuldigungen reagierte. In der Folge verschärfte Kasachstan die Grenzkontrollen und schloss die gemeinsame Grenze zeitweise vollständig, was zu kilometerlangen Staus und Lieferunterbrechungen auf der kirgisischen Seite der Grenze führte. Anfang November 2017 schließlich kündigte Atambajew ein Abkommen mit der Regierung Kasachstans über finanzielle Unterstützung in Höhe von 100 Mio. US-Dollar zur Modernisierung der kirgisischen Zoll- und Grenzinfrastruktur auf. Der Konflikt scheint mittlerweile gelöst zu sein, nachdem der neue Präsident Soroonbai Dscheenbekow sich im November 2017 mit Nasarbajew auf einen Fahrplan zur Konfliktlösung im Rahmen der EEU geeinigt hat. Um die Handelsbeschränkungen an der Grenze ist es nun zwar wieder ruhig geworden, aber die Verhaftung des kirgisischen Parlamentsabgeordneten Damirbek Asylbek uulu in Kasachstan wegen Schmuggels von chinesischen Waren Ende Februar dieses Jahres sorgt aktuell für neues Konfliktpotential.
Zukunftsperspektiven
Bisher ist Kirgistans EEU-Mitgliedschaft keine Erfolgsstory. Zwar haben die ausländischen Direktinvestitionen zugenommen und die Situation der Arbeitsmigranten hat sich deutlich verbessert, der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung ist aber nicht eingetreten. Im Gegenteil, die Außenhandelszahlen sind sogar zurückgegangen. Die Verluste der letzten drei Jahre sind jedoch nicht nur auf die EEU-Mitgliedschaft an sich, sondern vor allem auf den verfrühten Beitritt und die schlechte Vorbereitung zurückzuführen. Darüber hinaus haben sich der wirtschaftliche Abschwung, der die ganze Region erfasst hat, und der Konflikt mit Kasachstan negativ auf die Wirtschaft ausgewirkt. Kirgistan befindet sich nach wie vor in einer Phase der Umstellung. Nicht nur die Anpassung an die Anforderungen der EEU, sondern auch die angestrebte Reform und Modernisierung des Wirtschaftssystems werden noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Die negativen Auswirkungen der EEU-Mitgliedschaft überwiegen zwar bisher, aber ein paar positive Entwicklungen lassen sich feststellen, insbesondere in den Bereichen ausländische Direktinvestitionen und Situation der Arbeitsmigranten in Russland. So ist der Anteil ausländischer Direktinvestitionen am BIP von 4,2 % im Jahr 2014 auf 18 % im Jahr 2015 angestiegen. 2016 waren es zwar nur 7 %, dafür ist der Anteil der Investitionen aus den anderen EEU-Mitgliedstaaten von 75,6 % im Vorjahr auf 84,7 % gewachsen. Außerdem können kirgisische Staatsangehörige nun legal und mit deutlich weniger administrativem Aufwand in Russland arbeiten. Im Gegensatz zu Migranten aus Nichtmitgliedstaaten müssen sie sich lediglich registrieren, benötigen aber keine Arbeitserlaubnis und müssen auch keine Russischprüfung ablegen. Ihre Diplome und Zeugnisse werden nun in allen Mitgliedstaaten der Union anerkannt. Zuvor waren viele Migranten wegen des mit der Registrierung verbundenen bürokratischen und finanziellen Aufwands illegal in Russland beschäftigt und befanden sich somit in der ständigen Gefahr entdeckt und ausgewiesen zu werden. 2016 sind die Rücküberweisungen dementsprechend auch im Vergleich zum Vorjahr um 22 % auf 1,6 Mrd. US-Dollar gestiegen, während Tadschikistan und Usbekistan einen Rückgang verzeichneten. 2017 erreichten die Zahlungen sogar 2,21 Mrd. US-Dollar, mehr als jemals zuvor.
Die Zukunft der Mitgliedschaft in der EEU wird davon abhängen, ob heimische Unternehmen langfristig vom EEU-Binnenmarkt profitieren können und ob die Wirtschaft erfolgreich modernisiert und diversifiziert werden kann. Die Abhängigkeit von Rücküberweisungen, Entwicklungshilfe und dem Re-Export von chinesischen Billigprodukten bilden keine gute Basis für ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell. Die Regierung sollte sich in den nächsten Jahren auf die Förderung der heimischen Produktion, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, z. B. im Bereich Digitalisierung, und auf die Schaffung von Arbeitsplätzen konzentrieren, um die Abwanderung junger und qualifizierter Arbeitskräfte langfristig zu verhindern. Um das volle Potenzial des gemeinsamen Marktes auszuschöpfen, müssen die Zahl der Laboratorien für die Zertifizierung von Exportprodukten erhöht und die technischen Vorschriften und Standards umgesetzt werden. Die konsequente Umsetzung der EEU-Anforderungen können dem Land auch helfen, seine Exporte in EU-Mitgliedstaaten zu steigern.
Außerdem muss die Regierung in die Ausbildung von Experten für eurasische Integration investieren und diese Spezialisten in den zuständigen Ministerien einsetzen. Insbesondere die Abteilung für eurasische Integration im Wirtschaftsministerium muss vergrößert werden, da die wenigen Mitarbeiter nicht in der Lage sind, die Flut von Dokumenten, Vorschriften und anderen Rechtstexten der EEC zu bewältigen. Mit mehr Personal auf nationaler Ebene und bei der Kommission in Moskau könnte Kirgistan den Entscheidungsprozess auf supranationaler Ebene wesentlich effizienter beeinflussen. Gleichzeitig bedarf es dringend mehr Wissenschaftler, die die Auswirkungen der Mitgliedschaft in der EEU auf die Wirtschaft analysieren und der Regierung fundierte Handlungsempfehlungen geben. Trotz der Chancen, die die Eurasische Wirtschaftsunion bietet, sollte das Land seine Beziehungen zu China und der EU nicht vernachlässigen, da es sowohl auf Investitionen als auch auf Wissenstransfer, Ausbildungskonzepte und Technologien angewiesen ist. Russland hat aufgrund seiner eigenen wirtschaftlichen Probleme und dem derzeitigen Stillstand der Modernisierung in diesem Kontext wenig anzubieten.