Die folgenden Interviews sollen eine Vorstellung davon vermitteln, welche unterschiedlichen Auswirkungen die Pandemie auf den Alltag von einzelnen Personen in den zentralasiatischen Staaten haben kann. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf eine möglichst objektive oder umfassende Darstellung der jeweiligen Lage vor Ort, sondern möchten die subjektiven Aspekte individueller Lebensrealitäten und Wahrnehmungen der aktuellen Lage unter Berücksichtigung persönlicher und lokaler Kontexte in den Fokus stellen. Jede hier geteilte Perspektive trägt zu einem umfassenderen Verständnis der aktuellen regionalen Situation, die durch die Chronik allein nicht adäquat genug erfasst werden kann, bei. Die Redaktion der Zentralasien-Analysen bedankt sich herzlich bei allen interviewten Personen für ihren Beitrag.
Die Redaktion der Zentralasien-Analysen
Person in Almaty, Kasachstan (25.5.2020)
Von welchen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben Sie gehört?
Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt, als die ersten Fälle bekannt wurden, wurden alle öffentlichen Orte geschlossen. Das war sehr entschlossen und gut. So konnte eine Ausbreitung vermieden werden. Zudem wurde das gesamte Verfahren ziemlich gut kommuniziert. Über das Fernsehen und soziale Medien wie Telegram wurden Informationen sowohl auf Russisch als auch Kasachisch zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wurden sehr früh Infektionsketten nachverfolgt und Verdachtsfälle unter Quarantäne gestellt. Das Militär war gemeinsam mit der Polizei präsent und hat insbesondere am Anfang der Maßnahmen ziemlich streng kontrolliert, warum man sich draußen aufhält. Zwischen den Häuserblockabschnitten gab es zusätzliche Checkpoints. Die strenge Quarantäne ist jedoch zum Glück inzwischen vorbei.
Wie ist aktuell die Versorgungslage bei Ihnen?
Es gab nie einen Mangel um ehrlich zu sein. Ganz von Beginn an, wo eine gewisse Panik herrschte, gab es vielleicht mal ein oder zwei Lebensmittel nicht im Supermarkt. Nachdem die Regierung uns versichert hat, dass sie genügend Vorräte für sechs Monate angelegt hat, beruhigte sich die Situation etwas. Kasachstan konnte so sogar anderen Staaten in der Region helfen. Wir waren wirklich überrascht. Ich bin hier Student, und wir waren gewissermaßen besorgt, dass wir nun höhere Kosten haben werden. Aber dem war nicht so. Wir haben genauso viel wie davor ausgegeben.
Wie betrifft die Epidemie Ihre Arbeitstätigkeit und Ihre Einkommenssituation?
Die Menschen mit denen ich hier an meiner Universität zu tun habe, kommen überwiegend aus privilegierten Verhältnissen. Das heißt, die haben sowieso genug zum Leben und sind nicht direkt von der Krise betroffen. Ich denke es sind hauptsächlich die kleinen Geschäfte, die unter den Umständen leiden werden. Was mich zudem positiv überrascht hat waren einmalige Soforthilfen in Höhe von 100 US-Dollar an bedürftige Personengruppen.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus treffen Sie persönlich bei sich zuhause, mit Ihrer Familie oder mit Ihren Freunden und Nachbarn?
Als die Lage sehr ernst war, war ich sehr vorsichtig und habe niemanden außerhalb des Campus getroffen. Aber heute nähern wir uns alle mehr dem Normalzustand an und ich treffe wieder wie früher meine Freunde.
Was denken Sie, welche Folgen wird die Epidemie für Kasachstan haben?
Die Krise hat den Behörden insgesamt einige Mängel vorgeführt. Beispielsweise sollte der Unterricht für Schulkinder online stattfinden. Dafür reicht aber nicht überall im Land die Internetgeschwindigkeit. Insgesamt denke ich, wurde die Zivilgesellschaft dort gestärkt, wo der Staat nicht stark genug war. Das gilt für ganz Zentralasien meiner Meinung nach – die Menschen erfahren, dass sie lokal viel erreichen können. Dort wo es Freiwillige und gute lokale Herrscher gibt kann viel bewirkt werden.
Person in Andischan, Usbekistan (30.05.2020)
Wie ist die Lage bei Ihnen in Andischan?
Die Situation war hier nie sehr streng. Zumindest waren schon immer Leute draußen, auch als es noch verboten war. Den Menschen war zu Hause langweilig und sie haben Wege gesucht rauszukommen. Am Bazar waren einige Veränderungen bemerkbar, sie kamen jedoch zeitlich ein wenig versetzt zu den zentralen Regierungsentscheidungen. Es gab dann eine Maskenpflicht sowie Desinfektionsschleusen. Die Durchsetzung des Ganzen kam mehr mit der Zeit. Manchmal gab es viel Symbolpolitik: In einer Nachbarschaft hier, wo es einen Coronafall gab, stand über mehrere Stunden eine Person in weißem Schutzanzug gut sichtbar am Straßenrand und hat gewissermaßen für Angst und Schrecken gesorgt. Dann gab es auch einige lustlose Maßnahmen, wie das Anspritzen von Autos mit verdünnter Chlorbleiche.
Die Polizei hat die Leute, die sich nicht an die Auflagen gehalten haben, zum Teil mit Polizeiautos verfolgt: Diese hatten Sirenen oder automatische Ansagen auf Band eingeschaltet. Als die Quarantäne sehr ernst war gab es zusätzlich auch Betonblockaden auf den Straßen. Das Rauskommen aus der Stadt war nie sehr schwer – eher noch das wieder reinkommen. Das Problem ist auch, dass wenn man bestimmte Hauptstraßen gemieden hat, ziemlich gut wieder reinfahren konnte. Ein Freund von mir wollte unbedingt nach Hause zu seiner Familie und hat es zur strengsten Quarantänezeit mit seinem Auto ohne Genehmigung irgendwie geschafft. Aber das variiert von Ort zu Ort sehr stark: In Namangan beispielsweise war mein Eindruck, dass es deutlich strenger zugeht als hier.
Wie ist die aktuelle Versorgungslage bei Ihnen vor Ort?
Nicht besonders als vorher. Die Preise sind nicht wirklich gestiegen – Kartoffeln und Knoblauch waren zeitweise schwer zu erhalten. Die Preise auf dem Bazar wurden dann jedoch festgelegt und das hat Preiswucher vermieden. Klopapier gab es hier immer und sogar Desinfektionsmittel war schnell wieder verfügbar. Am schlimmsten waren die Preissteigerungen bei den Taxifahrern. Die haben dann etwas leiser ihre Dienste beworben und zudem kräftig die Preise angezogen.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus treffen Sie persönlich bei sich zuhause, mit ihrer Familie oder mit ihren Freunden und Nachbarn?
Ich bin als Ausländer gewissermaßen außenstehend, aber ich habe schon das Gefühl, dass die Menschen hier gut mit der Situation umgegangen sind. Ich bin selbst viel drinnen geblieben. Manchmal habe ich erlebt, dass Mütter ihren Kindern verboten haben rauszugehen. Der Umstand, dass Familien viel Zeit miteinander verbringen wird von vielen positiv hervorgehoben. Viele haben auch ihre Häuser repariert während der Quarantänemaßnahmen. Und bei allem anfänglichen Unbehagen hat Usbekistan das schon gut hinbekommen und vieles wurde transparent gestaltet. Manchmal gab es in den Nachrichten bisschen Ablenkung: Da wurden Verkehrstote hervorgehoben beispielsweise oder aber Menschen gezeigt, die die Quarantäne gut überstanden haben und »Happy Gruppenfotos« machten.
Was denken Sie, welche Folgen wird die Epidemie für Usbekistan haben?
Es herrscht hier eine gewisse Aufbruchsstimmung derzeit. Die Menschen sind ungebrochen optimistisch. Usbekistan hat schließlich auch einen starken Hang zur Autarkie unter Karimov erlebt. Das sollte dann unter Mirsijojew zwar in die Mottenkiste, aber jetzt erscheint es doch – ganz unerwartet – als recht nützlich. Ein Freund von mit arbeitet bei General Motors Uzbekistan und seine Hauptaufgabe ist es, Teile der Produktion zu lokalisieren, um weniger importabhängig zu sein.
Person (24) in Belowodsk, Gebiet Tschui, Kirgistan (30.04.2020)
Von welchen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben Sie gehört?
In Bischkek, Osch und Dschalalabad wurden Ausgangssperren eingeführt [die Ausgangssperren endeten am 10.5.2020, Anm. der Redaktion], im Rest des Landes gelten Ausgangsbeschränkungen. Bei uns ist die Polizei mit Lautsprecherwagen durch das Dorf gefahren und hat und die Ausgangsbeschränkungen angekündigt.
Wie ist die aktuelle Versorgungslage bei Ihnen vor Ort?
Bei uns auf dem Markt gibt es keine Einschränkung beim Angebot und alle Lebensmittel sind weiterhin erhältlich. Allerdings sind die Preise für Lebensmittel wie Mehl, Zucker und Kaffee stark angestiegen, da viele Leute angefangen haben auf Vorrat zu kaufen. Milchprodukte haben wir zum Glück auch genug, da sich in Belowodsk eine Molkerei und die größte Butterfabrik des Landes befinden.
Wie betrifft die Epidemie Ihre Arbeitstätigkeit und Ihre Einkommenssituation?
Ich arbeite für eine internationale Stiftung in Bischkek. Aktuell bin ich hier bei meinen Eltern in Belowodsk und arbeite im Home Office. Leider ist das Internet sehr schlecht und es kommt oft zu Verbindungsausfällen, was mir die Arbeit natürlich manchmal sehr erschwert. Mein Einkommen wird weiterhin normal ausgezahlt.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus treffen Sie persönlich bei sich zuhause, mit Ihrer Familie oder mit Ihren Freunden und Nachbarn?
Wenn ich draußen bin trage ich eine Maske und halte Abstand zu anderen. Ansonsten habe ich mitbekommen, dass die Einwohner von Tschong-Aryk, einem kleinen Dorf in der Nähe von Belowodsk, eigene Kontrollposten errichtet haben, und keine Fremden mehr ins Dorf lassen. Auch geht nur noch eine Person für alle in diesem Dorf auf dem Markt in Belowodsk einkaufen.
Was denken Sie, welche Folgen wird die Epidemie für Kirgistan haben?
Ich denke, dass man vor allem den Rückgang der Wirtschaft noch langfristig in Kirgistan spüren wird.
Person (28) in Bischkek, Kirgistan (25.5.2020)
Von welchen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben Sie gehört?
Seit Ende März durften Einwohner nur zum Einkaufen und aus medizinischen Gründen ihr Haus verlassen und es galt eine nächtliche Ausgangssperre. In der ersten Maihälfte wurde die Ausgangssperre beendet und u. a. konnten Taxidienste ihre Arbeit wiederaufnehmen. Seit heute funktioniert der öffentliche Nahverkehr in Bischkek wieder, und unter bestimmten Auflagen können Restaurants, Bars und kleine Geschäfte wiedereröffnen. Jedoch sind Schulen und Kindergärten weiterhin geschlossen und größere Veranstaltungen verboten. Auch der Transport innerhalb des Landes ist noch eingeschränkt.
Wie ist die aktuelle Versorgungslage bei Ihnen vor Ort?
Am Anfang der Epidemie waren Mehl und Nudeln knapper als sonst, aber ich habe nie komplett leere Regale gesehen. Die Preise etwa für Milch und Nudeln, aber auch Desinfektionsmittel, sind trotz staatlicher Regulierungen etwas angestiegen.
Wie betrifft die Epidemie Ihre Arbeitstätigkeit und Ihre Einkommenssituation?
Ich selbst forsche hier in Bischkek zu Musik, doch konnte wegen der Maßnahmen bisher nur Online forschen. Inwieweit das Einkommen von Musikern von den Maßnahmen betroffen ist hängt vom jeweiligen Einkommensprofil ab, beispielsweise wie stark jemand auf die Einnahmen durch Konzertauftritte angewiesen ist. Im Bereich der bildenden Künste hat sich während der Quarantäne eine Art Solidaritätsfacebookgruppe gebildet, in der Künstler ihre Bilder oder Fotos verkaufen können.
Was denken Sie, welche Folgen wird die Epidemie für Kirgistan haben?
Ich denke die soziale Lage wird noch eine ganze Weile angespannt bleiben. Möglicherweise wirkt sich die Situation auf die bevorstehenden Parlamentswahlen im Herbst und den damit zusammenhängenden Wahlkampf aus. Da sich die Regierungspartei aktuell aufspaltet könnte es durchaus passieren, dass sich der Präsident nach den Wahlen im Herbst ohne Parlamentsmehrheit wiederfindet. Wirtschaftlich gesehen werden vor allem der Rückgang der Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten sowie der Einbruch des Tourismussektors, für den trotz der Quarantänelockerungen diesen Sommer wohl nichts laufen wird, weitreichende Folgen für das Land haben.
Person in Buchara, Usbekistan (30.5.2020)
Von welchen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben Sie gehört?
Am 15. März wurden in Usbekistan Qurantänemaßnahmen angekündigt. U. a. wurden alle Schüler und Studenten nach hause geschickt, und alle Universitäten im Land unterrichten mittlerweile über Internet. Jedoch ist das Internet in Usbekistan nicht sehr schnell, auch wenn es im Vergleich zu früheren Jahren bereits besser geworden ist. Arbeitsmigranten, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind, wurden in einem Spezialkrankenhaus in Taschkent untergebracht. Hier in Buchara braucht man zum vor die Tür gehen eine Erlaubnis. Im Zentrum von Buchara gibt es viel Polizei. Ich denke, dass die Ausgangsbeschränkungen hier härter durchgesetzt werden als in den Dörfern, da es dort nicht viele Polizisten gibt.
Wie ist die aktuelle Versorgungslage bei Ihnen vor Ort?
Die Preise für Produkte, die aus dem Ausland importiert werden, sind angestiegen und mit dem Auftreten des Coronavirus ist auch der Dollarkurs gegenüber dem Sum angestiegen. Aus diesen Gründen kostet ein Kilogramm Buchweizen, das bisher 4.000 bis 5.000 Sum gekostet hat, jetzt 8.000 Sum.
Wie betrifft die Epidemie Ihre Arbeitstätigkeit und Ihre Einkommenssituation?
Für viele Menschen fallen die Remissen gänzlich weg. Wenn man staatliche Jobs hat, dann ist es auch kein Problem. Die Gehälter werden weiterhin normal ausgezahlt. Private Betriebe haben aber teilweise ziemlich große Schwierigkeiten.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus treffen Sie persönlich?
Ich habe alle Reisepläne in Usbekistan gestrichen und habe versucht möglichst zu Hause zu bleiben. Das haben viele Freunde von mir ähnlich gehandhabt. Angst haben ist jedoch unangebracht. Das gesamte Volk, die Nation muss mit der Situation klarkommen und davor habe ich Angst. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Am 24. Mai bin ich zur Familie von meiner Frau gefahren. Da gab es keine Fälle mehr in Buchara. Und wir waren auch konsequent mehrere Monate nicht mehr dort gewesen. Kurze Zeit später haben wir gehört, dass es einen neuen Infektionsfall genau in der Mahalla [Anm. d. Red.: Stadtviertel] von der Familie meiner Frau gab. Und ich bereue es bis heute, dass wir dorthin gefahren sind. Man ist nirgendwo mehr sicher und es kann immer und überall passieren. Wir versuchen unser Bestes zu geben, um die Ansteckungen künftig gering zu halten. Eine weitere Beobachtung von mir ist, dass wenn Du heute ohne Maske aus dem Haus gehst kann es sein, dass die Polizei Dich nicht sieht. Dafür sind nun alle Menschen hier Polizisten geworden: »Hast Du keinen Verstand, dass Du ohne Maske rausgehst?« ist eine Frage, die sie dir dann entgegnen.
Was denken Sie, welche Folgen wird die Epidemie für Usbekistan haben?
Ein langfristiges wirtschaftliches Problem wird sein, dass die usbekischen Arbeitsmigranten weniger Geld aus dem Ausland an ihre Familien senden können. Auch der Tourismuszweig wird langfristig unter der Situation leiden, genauso wie zum Beispiel Taxidienste, die auch vom Tourismus abhängen. Inwiefern das soziale und wirtschaftliche Leben wieder zur Normalität zurückkehren wird, hängt denke ich davon ab, wann ein Impfstoff gegen Corona gefunden wird.
Person (44) in Duschanbe, Tadschikistan (25.5.2020)
Von welchen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben Sie gehört?
Seit knapp einem Monat sind Schulen und Universitäten im Land geschlossen, ebenso Märkte und Geschäfte. Nur Lebensmittelgeschäfte haben noch geöffnet. Auch wurden alle öffentlichen Feierlichkeiten zum Fastenbrechen [am 23./24. Mai; Anm. der Redaktion] abgesagt, und die Leute mussten zuhause feiern. Ich verfolge die Situation intensiv im TV.
Wie ist die aktuelle Versorgungslage bei Ihnen vor Ort?
Es sind weiterhin alle Lebensmittel verfügbar, die Lebensmittelpreise sind mittlerweile jedoch etwas höher als sonst. Das hängt auch damit zusammen, dass Tadschikistan von Mehlimporten aus u. a. Kasachstan abhängig ist, und Kasachstan im März den Export von Mehl verboten hat. Im TV haben staatliche Stellen ansonsten verlautbaren lassen, dass die Leute, soweit möglich, selber Nahrungsmittel anbauen oder Vieh halten sollen. Ich selbst habe ein Gartengrundstück in einem Dorf nicht weit von Duschanbe, wo ich etwas Gemüse und Obst anbaue.
Wie betrifft die Epidemie Ihre Arbeitstätigkeit und Ihre Einkommenssituation?
Ich habe vor einem Jahr eine private Sprachschule hier in Duschanbe gegründet, die jetzt aber natürlich ebenso geschlossen ist. Früher habe ich als Dozent an einer staatlichen Universität gearbeitet. Während das Einkommen meiner ehemaligen Kollegen weiter ausgezahlt wird, muss ich nun von meinen Ersparnissen leben. Leider gibt es bis jetzt keine staatlichen Kompensationen für meine Einkommensausfälle, allerdings profitiere ich von Steuererbefreiungen, die Unternehmern wie mir in dieser Situation gewährt werden.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus treffen Sie persönlich bei sich zuhause, mit Ihrer Familie oder mit Ihren Freunden und Nachbarn?
Ich gehe nur noch wenn nötig nach draußen, zum Beispiel zum Einkaufen. Ansonsten bin ich nur noch selten in Duschanbe und verbringe die meiste Zeit auf meinem Gartengrundstück im Dorf.
Was denken Sie, welche Folgen wird die Epidemie für Tadschikistan haben?
Ich denke die Folgen werden vor allem wirtschaftlicher Art sein. Im TV wurde gesagt, dass erste Lockerungen der Maßnahmen wahrscheinlich erst im August möglich sind. Ich hoffe es wird früher möglich sein.
Person in Khorog, Autonomes Gebiet Berg-Badachschan, Tadschikistan (23.5.2020)
Von welchen staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben Sie gehört?
Wir haben trotz allem immer noch keine offizielle Quarantäne. Die Menschen im Staatsdienst gehen weiterhin zur Arbeit. Es hat sich hauptsächlich eine Sache geändert: Die Krankenhäuser sind bedrohlich voll. Alle liegen dort mit Lungenentzündungen. Ich habe Freunde die Ärzte sind und sie meinen, dass sie in 40 Jahren so etwas noch nie erlebt haben. Wir haben hier keine richtigen Tests, sie können eine CT von den Lungen machen. Mehr Diagnostik ist hier nicht drin. Dadurch sind offiziell in GBAO lediglich drei Menschen krank. Ich glaube es gibt einige Entscheider in der Regierung, die schlichtweg zu stolz darauf waren, dass sie in Tadschikistan – dem »wundervollen Entwicklungsland« ohne Corona – leben. Auch wenn es zeitweise so aussah, als wären wir glimpflich davongekommen, hätten sie meiner Meinung nach mehr tun müssen. Jetzt müssen wir alle auf die Impfung hoffen. Wir schauen Fernsehen hier und haben keine falschen Vorstellungen von diesem Virus. Wir müssen realistisch bleiben – ohne Impfung wird es nicht vorbeigehen.
Wie ist die aktuelle Versorgungslage bei Ihnen vor Ort?
Wir waren alle sehr besorgt. Aber zu unserer großen Überraschung sind die Preise nicht so sehr gestiegen, wie befürchtet. Vielleicht 10–15% teurer als früher, aber alles ist weiterhin verfügbar. Die Aga-Khan Fundation hilft hier auch sehr und ab Montag werden Lebensmittel verteilt für besonders bedürftige Personen.
Wie betrifft die Epidemie Ihre Arbeitstätigkeit und Ihre Einkommenssituation?
Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Die Remissen sind bei vielen Familien weggebrochen. Ich habe Arbeit hier, das ist mein Glück. Und damit kann ich genug Essen – das ist erstmal gut. Im Sommer ist das Leben auch nicht so schwer. Ich kann mit wenig Geld überleben. Früchte, Gemüse, aber auch Strom sind billig. Aber es wird auch Winter werden dieses Jahr. Aber niemand weiß so recht wie es weitergehen soll. Einige haben Ersparnisse, andere hoffen auf den Aga Khan.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus treffen Sie persönlich bei sich zuhause, mit Ihrer Familie oder mit Ihren Freunden und Nachbarn?
Ich gehe täglich ins Krankenhaus und kaufe Medikamente für meine Verwandten dort. Aber ich habe schon Angst und spreche weniger mit Menschen. Kein Händeschütteln für zwei Monate und kein Küssen erstmal! Aber jetzt im Ernst: Ein Verwandter von mir ist in Duschanbe an Corona gestorben. Der war so jung – Anfang 40. Und ich habe seitdem Angst, weil ich dachte, dass nur sehr alte Menschen an Covid-19 sterben. Deshalb gehe ich nur noch raus, wenn ich unbedingt muss. Social Distancing funktioniert im Pamir überhaupt nicht. Wir haben hier Freiwillige in den Läden, die die Menschen dazu zwingen. Pamiris glauben immer, dass sie über allen Regeln stehen und das ist deren größtes Problem in einer derartig ernsten Situation. Nun haben wir es geschafft mit Duschanbe und Khujand gemeinsam zum Epizentrum der Pandemie in Tadschikistan zu werden.
Was denken Sie, welche Folgen wird die Epidemie für Tadschikistan haben?
Insgesamt werden wir alle 10 Jahre zurückfallen. Kein normaler Mensch wird sich mehr nach Tadschikistan trauen. Vielleicht haben wir am Ende des Jahres ein oder zwei Abenteurer, die hier aufkreuzen werden. An sich befürchte ich jedoch, dass unser Land noch lange als Corona-Epizentrum weltweit gelistet sein wird und seinen Ruf verlieren wird. Naja, und die Hochzeiten werden jetzt erstmal kleiner ausfallen müssen. Insgesamt werden die Menschen sich darauf besinnen ihr Geld sinnvoller auszugeben und mehr zu sparen.