Einleitung

Liebe Leserinnen und Leser,

anlässlich der besonderen Lage weltweit möchten wir uns als Redaktion direkt an Sie wenden und diese Ausgabe mit einigen einleitenden Worten beginnen. Die Covid-19-Pandemie beherrscht in diesen Tagen die gesamte Welt und in einem besonderen Maße auch Zentralasien. Die ohnehin bereits marginale Rolle Zentralasiens in der europäischen Berichterstattung ist derzeit weiterhin beobachtbar. Die Arbeit an unserer Chronik versucht dem etwas entgegenzusetzen und wir möchten Ihnen gerne hierzu noch einige Informationen mit auf den Weg geben.

Hinsichtlich unserer Arbeit kann grundsätzlich festgehalten werden, dass wir es mit einer ungleichverteilten Menge an Informationen zu tun haben. Der lokale Grad der Pressefreiheit und die Pluralität der Medienlandschaft in den jeweiligen Republiken bestimmen die Menge und die Art der Meldungen, welche uns täglich erreichen. Gleichzeitig kann angesichts der aktuell uns vorliegenden Daten von einem lokal versetzten »Peak« der jeweiligen Infektionswelle gesprochen werden. Während beispielsweise Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan leicht versetzt der europäischen Corona-Infektionswelle folgten, sieht die Lage in Tadschikistan und Turkmenistan wesentlich anders aus: Turkmenistan meldet bis heute (Stand: 31.5.2020) keine Infektionen und gehört gemeinsam mit Nordkorea zum einzigen Festlandstaat der Welt, welcher offiziell coronafrei bleibt. Auch Tadschikistan gehörte noch bis zum 30.4.2020 zu den wenigen Staaten ohne offiziell bestätigte Coronafälle und entwickelte sich unmittelbar nach Bestätigung der ersten Fälle zu einem Epizentrum der Covid-19-Pandemie in Zentralasien. Nach gerade einmal einem Monat wurden bereits über 3.500 Covid-19-Fälle in Tadschikistan registriert, mehr als doppelt so viel wie aktuell in Kirgistan (1.748 Fälle, Stand: 31.5.2020), wo die ersten Krankheitsfälle bereits Mitte März registriert wurden.

In der vergangenen Ausgabe begannen wir gemeinsam mit den anderen Länder-Analysen eine separate Covid-19-Chronik zu führen. Jedoch führen die einleitend erwähnten Umstände dazu, dass wir dies nicht einheitlich für alle Staaten weiter umsetzen können: Aus Kasachstan und Kirgistan erreichen uns eine große Bandbreite an Meldungen, und beide Staaten scheinen – nach derzeitigem Stand – die erste Infektionswelle überwunden zu haben. In beiden Staaten wurden die Notstandsverordnungen mittlerweile aufgehoben, und eine Reihe von epidemiologischen Maßnahmen werden gelockert oder zurückgenommen. Die ohnehin raren Meldungen aus Turkmenistan und das offizielle Nichtvorhandensein des Coronavirus machen die Führung einer eigenen Covid-19-Chronik in diesem Fall obsolet.

Die entschlossensten bzw. weitreichendsten Maßnahmen sind in Kasachstan und Usbekistan beobachtbar gewesen. Ein großer staatlicher Maßnahmenkatalog führte zu einer recht großen Menge an Covid-19-spezifischen Meldungen für Usbekistan, weshalb auch hier die Trennung der Chronik nicht sinnvoll erscheint. Da Tadschikistan seit Ende April mit heftigen Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen hat, gibt es auch von dort wenige coronaunabhängige Meldungen, weshalb hierfür ebenfalls auf eine Trennung verzichtet wird.

In der Retrospektive scheint es erwähnenswert, auf welchem Wege die Covid-19-Pandemie Zentralasien erreichte (zumindest bei Berücksichtigung der offiziell bestätigten Fälle): So mag es doch überraschen, dass die chinesische Grenze von Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan nicht der Weg des Virus war – trotz One Belt One Road und zunehmender regionaler Verflechtungen mit China. Schließlich kam das Virus über den Eurasischen Raum mit zentralasiatischen Touristen aus Europa, Pilgerfahrtrückkehrern aus Saudi-Arabien und auch über Arbeitsmigranten via Russland. Im Falle Tadschikistans sprechen einige Indizien dafür, dass der Erreger über das Ferghana-Tal seinen Weg in das tadschikische Gebiet Sughd und in die anderen Landesteile fand. Wahrscheinlich drang das Virus auch hier über verschiedene »Einfallstore« ein.

Last but not least freuen wir uns, Ihnen in dieser Ausgabe eine kleine Interviewreihe mit unterschiedlichen Personen aus diversen Orten Zentralasiens zur Pandemielage in Zentralasien vorstellen zu können.

Ihre Redaktion der Zentralasien-Analysen

Zum Weiterlesen

Analyse

Der Blick vom Pamirgebirge in Tadschikistan auf eine globale Pandemie

Von Suzy Blondin
Die Covid-19-Pandemie betrifft die ganze Welt, die getroffenen Maßnahmen und die Art und Weise, wie Individuen sie wahrnehmen, sind jedoch sehr kontextspezifisch. Der auf meiner Feldforschung basierende Artikel versucht einige anthropologische Einblicke zu geben, wie eine globale Pandemie in einigen abgeschiedenen Berggemeinden des Pamirs in Tadschikistan wahrgenommen und erfahren wird. Der Artikel bezieht sich auf die Einwohner des Autonomen Gebietes Berg-Badachschan, das einen Großteil des Pamirgebirges umfasst. Die offizielle tadschikische Bezeichnung für das Gebiet lautet Viloyati Mukhtori Kuhistoni Badakhshon (VMKB), jedoch ist weiterhin auch die russische Bezeichnung Gorno-Badachschanskaja Awtonomnaja Oblast (GBAO) geläufig. Die VMKB liegt im östlichen Tadschikistan, schließt die höchsten Gipfel des Landes ein und grenzt an Afghanistan, China und Kirgistan. (…)
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