Der »Brückenschlag« über das Kaspische Meer
Auf den Handschlag hat man in der EU lange gewartet. Am 21. Januar 2021 trafen sich die Präsidenten von Turkmenistan und Aserbaidschan und unterzeichneten ein Absichtsabkommen für die gemeinsame Exploration, Entwicklung aus Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen aus dem »Dostlug«-Feld im Kaspischen Meer. Die Bedeutung des Abkommens ist gewaltig, denn damit wachsen die Aussichten, dass eine Pipeline die Gasressourcen in Zentralasien mit den im Kaukasus schon vorhandenen Leitungen verbinden wird, die bis nach Süd-Italien reichen. Die Pipeline durch das Kaspische Meer müsste nur etwa 300 km lang sein, und sie würde dann Zentralasien direkt mit der EU verbinden. Somit könnten begehrte Petrodollars nach Zentralasien kommen, die dort dringend gebraucht werden. Der EU würde die neue Leitung eine weitere Diversifizierung ihrer Lieferquellen über den südlichen Energie-Korridor ermöglichen.
Als Brüssel im Juni 2007 die Zentralasien-Strategie verabschiedet hatte, die u. a. eine vertiefte Zusammenarbeit der Staaten in Zentralasien zum Ziel erklärte, hoffte man auf baldige Gaslieferungen aus der ressourcenreichen Region. Doch die Hürden der Zusammenarbeit waren höher als vermutet. Eine Zusammenarbeit in der Region Zentralasien kam erst auf den Weg, als der Ukraine-Russland-Konflikt die Schwäche einzelner Staaten gegenüber Russland offenbarte und so die Staaten in Zentralasien zu einer Kooperation anregte. Nach dem Tod des usbekischen Herrschers Islom Karimow trat Präsidenten Schawkat Mirsijojew 2016 die Nachfolge an. Sein erstes Ziel war die Zusammenarbeit mit den Nachbarn. Die Kooperation nahm Fahrt auf, als die Staaten sie mit der Konferenz von Samarkand am 10./11. November 2017 in die Tat umsetzten und ihr einen vertraglichen Rahmen gaben. Die Kooperation der fünf Staaten Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan gewinnt seitdem an Umfang und Intensität und integriert bei ihren Vorhaben auch Afghanistan.
Insbesondere ist das Vertrauen der Staaten zueinander deutlich gewachsen.
Eine neue Gaspipeline durch das Kaspische Meer würde neue Perspektiven eröffnen und eine Verwirklichung der Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung sowie Ausbau und Vertiefung der Kontakte näher rücken lassen. Ein weiterer Hoffnungsträger ist die neue Seidenstraße, die mitten durch diese Region läuft. Sie lässt Europa und China näher zusammenrücken. Das bedeutet aber noch nicht, dass die auf der Route liegenden Länder von dem zunehmenden Handel zwischen den beiden Regionen profitieren. Während die Kaufleute auf der alten Seidenstraße entlang der gesamten Strecke Handel betrieben, stehen heute die Wirtschaftszentren am Anfang und Ende der Route im Fokus. Schnell soll es zwischen beiden Räumen gehen: Nur 12 Tage brauchen die Züge von Urumchi in China bis zum Duisburger Hafen.
Handelsrouten
Handelskontakte und Exporte sind für die Binnenstaaten in Zentralasien schwierig, weil sie keinen Zugang zu den Weltmeeren haben. Zwar liefert Turkmenistan über eine mehr als 5000 km lange Leitung Gas nach China. Aber das Interesse an weiteren Exporten ist groß, auch in Kasachstan und Usbekistan. Sie sind wichtig, damit sich die Region nachhaltig stabil und unabhängig entwickeln kann.
Turkmenistans großes Interesse an Gasexporten sorgte für neue Diskussionen über ein weiteres, schon fast vergessenes Projekt: die TAPI-Pipeline. Sie könnte Gas von Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan nach Indien bringen. Scheinbar unüberwindbar verfeindete Länder soll sie durchqueren und beliefern: Afghanistan, Pakistan und Indien. Taliban-Gruppen sprachen in Turkmenistan vor und garantierten, dass sie die Leitung bewachen würden. Wie viel Vertrauen man in diese Ankündigung haben kann, bleibt fraglich, zumal die Taliban untereinander nicht immer einig sind. Es könnte aber durchaus sein, dass dieser Vorstoß eine positive Auswirkung der neuen Politik ist, die Afghanistan in die regionalen Maßnahmen für und mit Zentralasien einbezieht. Der Handel über die Grenze von Usbekistan und Afghanistan hat sich positiv entwickelt und es wird an einer besseren Stromversorgung für den Norden Afghanistans gearbeitet.
Das TAPI-Projekt wäre für Turkmenistan ein wirksamer Schritt zur Diversifizierung seiner Energieexporte. Auch für Indien, das einen steigenden Energiebedarf verzeichnet, wäre die TAPI eine weitere Energiequelle und ein weiterer Schritt für die Sicherheit seiner Energieversorgung. Allerdings hat sich mit dem Abzug der NATO aus Afghanistan die Sicherheitslage verschlechtert, so dass es fraglich erscheint, ob die Leitung tatsächlich zur Sicherheit der Versorgung beitragen könnte. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob die Pläne angesichts er steigenden Zahl von Anschlägen der Taliban in Afghanistan Bestand haben.
Die Leitung durch das Kaspische Meer wäre eine dritte Exportroute, die auch Usbekistan und Kasachstan neue Export-Chancen einräumen würde – ein lange gehegter Plan, der schon in den 1990er Jahren die Präsidenten beider Länder beschäftigte. Jetzt, rund 25 Jahre später, könnte er Realität werden.
Kooperation – für alle zentralasiatischen Staaten ein Gewinn
Der Zusammenbruch der Sowjetunion ließ die ehemals befreundeten Sowjetrepubliken zu Rivalen werden.
Wer hat die meisten Ressourcen, welcher Staatschef hat die größte Macht? Mit der neu gewonnenen Unabhängigkeit startete jedes Land in Zentralasien eine eigene Entwicklung. So unterschiedlich wie die Ausgangslagen, so unterschiedlich waren die Herausforderungen der ersten Jahre. Keiner der Staaten war so ausgestattet, dass er unabhängig von seinen Nachbarn eine solide Wirtschaft aufbauen konnte. Hinzu kam der Mangel an Know How, wie ein unabhängiger Staat zu errichten sei.
Turkmenistan hat gewaltige Ressourcen an Gas, Kasachstan hat gewaltige Landmengen sowie Öl und Gas, Usbekistan hat Gas und Öl-Ressourcen, und es beheimatet die Hälfte der Bevölkerung Zentralasiens. Schwieriger war es für Kirgistan und Tadschikistan, die von alledem wenig hatten, dafür aber das Wasser, das den drei anderen fehlt.
Jedes der fünf Länder musste sehen, wie es die plötzlich auftretenden Mängel in der Versorgung und in der inneren Struktur beseitigte, um einen unabhängigen Staatsaufbau zu ermöglichen. Ressourcen fehlten in jedem Land – menschliche, materielle und technische. Doch selbst wenn es die Möglichkeit gab, durch Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten die Mängel zu beseitigen, dann schien es ein Gebot der Zeit, eigene Wege zu gehen.
Die in der Sowjetzeit so angelegte Abhängigkeit der Staaten voneinander hatte gezeigt, wie schwierig es war, den Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung gerecht zu werden und die Lebensverhältnisse zu verbessern. So war es zu Beginn der Unabhängigkeit.
Die desolate Lage der Staaten und ihre schwierige Ausgangslage war einigen der Staatslenker, die aus der Zentrale in Moskau in ihre Heimatländer zurückgekehrt waren, schnell klar. Als sich im Kaukasus neue Dynamiken zeigten, waren sie zur Stelle. Auch dort hatten die drei unabhängig gewordenen Staaten Armenien, Aserbaidschan und Georgien erhebliche Mühe, eine Lebensgrundlage für die Menschen sicherzustellen.
Doch ihr Glück waren das Öl und Gas in der Kaspischen Region, das westliche Energiekonzerne interessierte. Kurz nach der Unabhängigkeit kamen sie nach Baku, Aserbaidschan, und prüften die Lage. Zwar waren die Onshore-Gas- und Öl-Ressourcen weitgehend erschöpft, weshalb die Sowjetunion ihr Interesse an der Region verloren und sich den Ressourcen in Sibirien zugewendet hatte. Aber unter dem Kaspischen Meer gab es große Vorräte, die US- und britische Konzerne mit ihrer Ölbohrtechnik erschließen konnten. Die Sowjetunion kannte die Technik damals noch nicht.
Bereits im November 1999 zeichneten Energiekonzerne mit Heyder Aliyev und weiteren Staatschefs der Region Verträge zum Bau von Pipelines vom Kaspischen Meer nach Europa. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt zählen die Präsidenten von Kasachstan und Usbekistan zu den Vertragspartnern. Exporte von Öl und Gas würden Petrodollars in die Region bringen. Kasachstan und Usbekistan, beide mit Energieressourcen ausgestattet, sahen die Chance, an der Entwicklung teilzuhaben. Während der OSZE-Konferenz in Istanbul 1999 unterzeichneten sie Pläne, die eine Verbindung von Zentralasien mit der Kaukasus-Region und ihrer neu entstehenden Infrastruktur vorsah.
Doch die Pläne kamen nicht zum Zug. Über 28 Jahre blieb der Status des Kaspischen Meeres offen und ungeklärt – nämlich ob es ein Binnenmeer oder ein See ist. Russland und sein Bündnispartner Iran sorgten dafür, dass zwar viel getagt, aber nichts beschlossen wurde. Erst im August 2018 unterzeichneten die Anrainer gemeinsam eine Erklärung, in der sie den Status des Gewässers als »Interkontinentalgewässer« definierten und so die Voraussetzung für weitere Pipelines nach Westen schufen.
Die Staaten in Zentralasien hatten gemeinsam Druck ausgeübt, damit eine Einigung zustande kam. Sie hatten erkannt, dass sie gemeinsam stark waren. Auslöser für diese Erkenntnis war der Krieg Russlands in der Ostukraine und die Annexion der Krim. Sie hatten den fünf Staaten in Zentralasien gezeigt, dass sie als ehemalige Bruderstaaten ein eben solches Schicksal haben könnten wie die große Ukraine. Ein Umdenken setzte ein: Die gemeinsame Furcht vor dem ehemaligen, großen Bruderstaat war stärker als der Drang zu Unabhängigkeit.
Erstmals gemeinsam präsentierten sich die fünf Staaten Zentralasiens und Afghanistan auf der »UN Conference on Security and Sustainable Development« in Samarkand im November 2017. Es war die Bühne, auf der sich auch das neue Usbekistan der internationalen Arena vorstellte. Vertreter:innen der Nachbarn und vieler weiterer Staaten waren geladen und konnten erleben, wie alle fünf zentralasiatischen Staaten eine regionale Zusammenarbeit beschlossen. Die Europäische Union stand beratend zur Seite.
Die Zentralasien-Strategie – späte Erfolge
Was die EU in sechs Jahren, von 2008 bis 2014, mit der ersten Zentralasien-Strategie erwirken wollte, nahm 2017 konkrete Form an, nämlich eine vertiefte Zusammenarbeit der Länder in Zentralasien. Deutschland war damals, im Juni 2007, die treibende Kraft in der EU gewesen. Die Abstimmung der EU für die Strategie fiel damals einstimmig aus – am letzten Tag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 30. Juni 2007. Ziel war es gewesen, bilaterale Gespräche, aber auch Gespräche der zentralasiatischen Staaten untereinander anzuregen. Ein regionaler Zusammenschluss der Region mit über 70 Millionen Einwohnern ist eine wirtschaftlich interessante Größe für Investitionen. Diese werden benötigt, um die Wirtschaft aufzubauen. Die ungesättigten Märkte in Zentralasien bieten zahlreiche Möglichkeiten. Aber zunächst musste die Politik den Weg ebnen und die Rahmenbedingungen schaffen, zu denen Investoren bereit wären, sich in den neuen Markt zu begeben.
Doch es war zu früh. Die Staaten in Zentralasien brauchten noch Zeit. Die Furcht vor einer erneuten Abhängigkeit voneinander war größer als der Wunsch nach mehr Sicherheit und Stabilität miteinander. Bilaterale, politische Gespräche fanden statt, auf vielen Ebenen. Nur langsam ließen sie die Erkenntnis reifen, dass ein zunächst loser Zusammenschluss der Länder für alle von Vorteil wäre. Der Durchbruch zu einer neuen Politik kam mit den Ereignissen in der Ostukraine und auf der Krim.
Der gemeinsame Rahmen
Die neue Verbindung zwischen den Staaten in Zentralasien schafft einen Rahmen für weitere, gemeinsame Schritte, die für Sicherheit und Stabilität in der Region sorgen – zwischen den beiden großen Nachbarn Russland und China. Regelmäßige Treffen von Vertreter:innen der zentralasiatischen Staaten stehen jetzt auf der Tagesordnung und zielen auf eine gemeinsame Linie in politischen und wirtschaftlichen Fragen ab. Das wiederum stärkt die Dialoge mit Deutschland und mit der Europäischen Union. Usbekistan wird dabei immer mehr zum Zentrum und Motor der Region.
Gemeinsamkeiten in der Region gibt es viele: Die Sowjetunion sorgte in 70 Jahren für eine gemeinsame Sprache. Russisch war in allen fünf Staaten eine Amtssprache, neben den nationalen Sprachen. Einen gemeinsamen Rahmen gibt auch die Religion, ganz überwiegend der sunnitische Islam. Auch die alte Geschichte, die dieser Region über Jahrhunderte eine überwiegend gemeinsame Entwicklung bescherte, hat die Staaten bis heute eng miteinander verbunden, obwohl die Lebenswelten sehr unterschiedlich waren – und dafür sogar internationale Kontakte aufbauten in Zeiten, in denen in Europa das sogenannte dunkle Mittelalter herrschte.
Die Unterschiede der Staaten sind offenkundig. Aktuell sind die Verbindungswege, die »Connectivity«, wieder eines der wichtigsten Themen. Pläne für die Zukunft der Region setzen auf neue Handelsrouten und Energieleitungen, welche Zentralasien durchqueren und die Staaten untereinander verbinden. China unterstützt die Vorhaben mit großen Krediten und treibt damit sein Projekt der neuen Seidenstraße voran. Die neuen Straßen und Eisenbahnen schaffen neue Verkehrswege, auf denen sich der Handel entwickeln kann, sowohl in der Region als auch über die Region hinaus.
Die neuen Routen sind nicht immer überall willkommen, weil sie den Interessen Chinas und nicht denen der Region insgesamt folgen.
So begrüßt Kasachstan die Kredite aus China, die dem Land helfen, seine weit auseinander liegenden Regionen und die unterschiedlichen Wirtschaftsräume zu verbinden. Zu den Projekten zählen u. a. die kasachisch-chinesische Freihandelszone Khorgos, der Bau der neuen Eisenbahnverbindung von Urumchi durch Kasachstan nach Westen, sowie der Bau einer Eisenbahn- und Fährverbindung von Aktau, Kasachstan, nach Baku, Aserbaidschan. Gleichzeitig verliert Kirgistan mit der neuen Bahnverbindung Geschäfte. Die neue Linie verlagert Geschäfte weg von der Route durch Kirgistan, durch Tokmok, Bischkek und Osch, die bisher von den Handelsgeschäften zwischen China und Usbekistan, Kasachstan und Russland lebt. Allein der Dordoi-Basar, der sogenannte »Chinesenmarkt«, hat geschätzte 30.000 Verkaufsstände und jährlich angenommene Umsätze von bis zu 3 Milliarden US-Dollar und damit erhebliches wirtschaftliches Gewicht in dem allgemein struktur- und wirtschaftlich schwach entwickelten Staat. Die trans-kasachstanische Bahnlinie wird die Geschäfte deutlich vermindern.
Mithilfe chinesischer Gelder plant Kirgistan sein Eisenbahnnetz zwischen der chinesischen und usbekischen Grenze auszubauen. Bei diesem Projekt geht es jedoch darum, Handelspunkte außerhalb Kirgistans miteinander zu vernetzen. Kirgistans eigene Wirtschaftszentren und Handelsgeschäfte würden hiervon allerdings weniger profitieren. Das wäre erst dann gegeben, wenn die Wirtschaft in Tadschikistan oder Afghanistan auflebt, oder die durch beide Länder führende Handelsroute zu den Häfen in Pakistan neue Perspektiven für einen Welthandel mit Zentralasien eröffnet.
Unterschiedliche Schwerpunkte, die zur Konkurrenz führen, können die Kooperationen stärken, wenn sie im Sinne von einer geteilten Aufgabe gesehen werden. So kann das ausgebaute Finanzwesen in Kasachstan und das Astana International Finance Center (AIFC) als Anlaufstelle für Investitionen in der gesamten Region fungieren.
Usbekistan setzt mit umfangreichen Reformen und Investitionen im Bildungswesen neue Schwerpunkte. Dabei schafft es neue Angebote zu Studien und Weiterbildung, die für Interessierte der ganzen Region offenstehen.
Durch die Kooperation der Staaten ist ein Wirtschaftsraum mit rund 70 Millionen Menschen entstanden, in dem eine überwiegend junge Bevölkerung von unter 30 Jahren lebt – eine interessante Größe für neue Projekte der Wirtschaft. Investitionen braucht die ganze Region, damit sich die Lage auf den Arbeitsmärkten entspannt. Noch arbeiten bis zu einem Drittel oder mehr der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in einem anderen Land, meist in Russland, der Türkei oder auch in der EU. Die Migranten schicken zwar lebensnotwendiges Geld zu ihren Familien nach Hause, aber mit ihrer Abwesenheit von der eigenen Familie entstehen zusätzliche soziale Probleme im eigenen Land. Die Folgen der verfehlten Wirtschaftspolitik haben umfangreiche Auswirkungen.
Neue Programme der EU zielen darauf ab, für die Jugend (16 – 29 Jahre) mehr Bildungsangebote und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Hoffnungen der EU sind, dass damit nicht nur ihr Einkommen, aber auch ihr Interesse an Partizipation im eigenen Staat steigt und so auch den Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft stärkt.
Die ungleichen Partner in Zentralasien werden einander um so effektiver stärken, je besser sie den passenden Rahmen für ihre Zusammenarbeit finden. Zwar gilt die EU als Vorbild für eine erfolgreiche Kooperation, doch es scheint sinnvoll, Anpassungen an die Region und die sich noch entwickelnde Zusammenarbeit vorzunehmen. Die EU hat eine Erfolgsgeschichte, doch mittlerweile gibt es auch deutlich sichtbare Schwächen. Wie können trotz großer Unterschiede gemeinsame Lösungen gefunden werden? Zentralasien kann von den Erfahrungen der EU profitieren und für die Region einen Rahmen der Zusammenarbeit schaffen, der ihren Zielen entspricht.
Durch die Zusammenarbeit gibt es bereits einige Erfolge – auch wenn sich nicht alle Staaten mit gleicher Intensität daran beteiligen: Regelmäßige Treffen der Akteure auf mehreren Ebenen, einen vertraglich gesicherten Status des Kaspischen Meeres, die erfolgreiche Bilanz im Wassermanagement, eine sich stetig entwickelnde Kooperation im Ausbau der Energieerzeugung und Energieleitung – und deutlich steigende Besucherzahlen und Handelsgeschäfte – über die nationalen Grenzen hinweg. Alle fünf Staaten arbeiten am Abbau der Bürokratie und am Aufbau von sozialen Programmen, Verbesserungen im Gesundheitswesen und zukunftsorientierten Schulen. Gemeinsam werden sie den Tourismus fördern. Sie haben schon ein Etappenziel erreicht, indem sie das »Silkroad Visum« als gemeinsames Reisedokument für Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan planen. Auch der Kampf gegen Korruption, Drogenhandel, extremistischen Terror und Menschenhandel läuft über die Landesgrenzen hinweg und kann nur gemeinsam erfolgreich geführt werden. Der Austausch von Informationen, Erfahrungen und erfolgreichen Konzepten wird von den nationalen Organisationen dankbar angenommen.
Die Staaten in Zentralasien sind ungleiche Partner. Sie stehen noch am Anfang der Kooperation. Jedes Land entwickelt seine Schwerpunkte, die es in den gemeinsamen Rahmen einbringt. Jedes der autoritären Regime muss zugunsten der eigenen Ziele ein Stück Souveränität abgeben. Es wird viel diplomatisches Geschick und Geduld nötig sein, um Spannungen auszugleichen und zu einem gemeinsamen Handeln in der Region und gegenüber den großen Nachbarn zu kommen.
Aber den Akteuren in Zentralasien ist klar, dass sie durch gemeinsames Handeln ihre Zukunft besser und mit eigenen Zielen gestalten können. Heute lässt vor allem die Politik Usbekistans und Kasachstans erwarten, dass zwischenstaatliche Probleme gelöst werden und Zentralasien als Region stärker zusammenwächst. Für die gemeinsame Arbeit in der Region wurde im vergangenen Herbst in Taschkent ein neues »Internationales Institut für Zentralasien« eröffnet.
Es wird eine wichtige Aufgabe sein, die Anforderungen in der Region entsprechend den Potenzialen der Länder zu verteilen und dafür einen passenden Rahmen zu finden, der die Region und ihre großen Potenziale erschließt. Ob es dabei auch zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Afghanistan kommen wird, ist nach dem jüngsten Wiedererstarken der Taliban eine noch offene Frage. In Taschkent besteht der klare Wille, ein gutes Einvernehmen zu erreichen.
Durch die gerade verkündete Zusammenarbeit zwischen den Regionen Zentralasien und Südasien stehen weitere Handelsverbindungen in Aussicht. Handelsrouten zu den Häfen in Pakistan, und von dort über die Weltmeere würden die Staaten in Zentralasien aus der geografischen Isolation führen und sie an den Welthandel anschließen.