Gesundheitssystem und Gesundheitsversorgung in Usbekistan
Usbekistan muss sich komplexen Herausforderungen an die Gesundheitsversorgung seiner Bevölkerung stellen. Die Landfläche ist zwar nur etwa ein Drittel größer als die Deutschlands, jedoch stellt schon allein die Geographie Usbekistans die Gesundheitsversorgung vor besondere Probleme. Von den dünn besiedelten weitläufigen Flächen im Westen über das dichtbesiedelte Fergana-Tal bis zu den usbekischen Exklaven in Kirgistan gilt es, eine flächendeckende Grund-, Notfall- und Schwerpunktversorgung sicherzustellen.
Die Bevölkerung Usbekistans ist vergleichsweise jung. Das Durchschnittsalter beträgt 27,8 Jahre und die Lebenserwartung 71,4 Jahre. Versorgt werden die 33,5 Millionen Usbek:innen von 2,3 Ärzten pro 1.000 Einwohnern, was unter dem Durchschnitt von 2,6 Ärzten für Zentralasien und von 4,5 Ärzten für Deutschland liegt. Auch die Anzahl der Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohnern liegt in Usbekistan mit 4,2 unter dem zentralasiatischen Durchschnitt von 5,1 Betten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind ein Großteil der Krankenhäuser nicht adäquat ausgestattet und entsprechen nur bedingt den westlichen Hygienestandards. Hierbei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen der ländlichen und städtischen Gesundheitsversorgung.
Die staatliche Gesundheitsversorgung findet im Wesentlichen auf drei hierarchisch angeordneten Ebenen statt: die nationale (republikanische) Ebene, die viloyat (regionale) Ebene und die tuman (bezirkliche) Ebene. Die Gesamtsteuerung der Versorgung und die strategische Planung wird vom Gesundheitsministerium in Taschkent wahrgenommen, das somit der Hauptakteur im usbekischen Gesundheitswesen ist. Gleichwohl der Gesundheitsversorgung ein hoher Stellenwert eingeräumt wird, werden hierfür lediglich 5,6 % des Bruttoinlandsproduktes ausgegeben. Dies entspricht dem Gesamtdurchschnitt der zentralasiatischen Länder, wobei der Wert in Deutschland bei 13,1 % liegt. Weiterhin erwähnenswert ist der Anteil von 60 % Privatzahler:innen an den Gesamtausgaben, der damit fast fünfmal so hoch ist wie in Deutschland (13 %). Die gesamten Pro-Kopf-Ausgaben für die Gesundheitsversorgung liegen in Usbekistan bei umgerechnet 459 US-Dollar im Vergleich zum zentralasiatischen Durchschnitt von 606 US-Dollar. Der staatliche Anteil liegt hier bei lediglich 40 %, während der restliche Teil der Gesamtkosten von den Selbstzahler:innen aufgewendet wird. Grund- und Notfallversorgung werden dem Großteil der Bevölkerung staatlich garantiert, während dies in einigen abgelegeneren Landesteilen nicht immer der Fall ist. Spezialisierte, darüber hinausgehende staatliche Versorgungsleistungen sind jedoch nur bestimmten, als solchen definierten vulnerablen Gruppen, wie Renter:innen und chronisch kranken Menschen, vorbehalten.
Wesentliche Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung Usbekistans
Die Gesundheitsversorgung Usbekistans sieht sich mit einigen Problemen konfrontiert, die vor allem durch die teilweise sehr hohe Umweltverschmutzung verursacht werden. Beispielsweise führt verunreinigtes Wasser im Bezirk Muinak am Aralsee zu einer sechsfach höheren Infektionsrate mit Hepatitis A. Luftverschmutzung führt in der gesamten autonomen Republik Karakalpakistan zu einer deutlich erhöhten Rate von Anämie bei Kindern und schwangeren Frauen. Insgesamt ist die Säuglingssterblichkeit in Usbekistan seit den 2000er Jahren von 51,8 deutlich auf 17,6 Todesfälle pro 1000 Geburten gefallen (In Deutschland liegt dieser Wert bei 3,3 Todesfällen). Zu den häufigsten Krankheiten gehören jene, die mit verunreinigtem Trinkwasser in Verbindung stehen: Typhus, Hepatitis, Dysenterie, Cholera und verschiedene Krebsarten.
Krankheiten des Herz-Kreislauf-, Atmungs- und Verdauungssystems sowie Infektions- und Parasitenkrankheiten sind die Haupttodesursache. Mit 84 % sind nichtübertragbare Erkrankungen häufigste Todesursache, wobei die Herz-Kreislauf-Erkrankungen die größte Rolle spielen. Während die Inzidenz von Tuberkulose in den letzten Jahren zurückgegangen ist, ist der Anteil von Infektionen mit multiresistenter (also medikamentenresistenter) Tuberkulose (MDR-TB) gestiegen. Da die Behandlung schwierig und kostenintensiv ist wird die MDR-TB in verschiedenen nationalen Projekten direkt adressiert und ihrer Prävention und möglichst frühen Diagnose Priorität eingeräumt.
Nationale Projekte und internationale Initiativen
Die usbekische Gesundheitsversorgung und -politik ist im Begriff sich auf diese Herausforderungen einzustellen. Die Etablierung eines modernen Gesundheitssytems und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung sind Ziel des »Konzeptes für die Entwicklung des Gesundheitssystems der Republik Usbekistan 2019–2021«. Seit der Verabschiedung 2018 wurden hierzu mehr als 160 Rechtsakte erlassen, die Umsetzung einer allgemeinen Gesundheitsreform wird bis 2025 angestrebt. Bei der Ausarbeitung des Konzeptes wurden Empfehlungen von WHO-Expert:innen berücksichtigt, wobei praktisch alle Bereiche abgedeckt werden: Optimierung der Gesetzgebung und des Systems zur Finanzierung des Gesundheitswesens, Verbesserung der Qualität und Zugänglichkeit der medizinischen Versorgung, schrittweise Einführung einer obligatorischen Krankenversicherung, Schaffung eines wirksamen Systems für die Ausbildung, Umschulung und Fortbildung des medizinischen Personals sowie die Einführung von Telemedizin. Mit dem Erlass des Präsidenten »Über Maßnahmen zur weiteren Entwicklung des privaten Gesundheitssektors« wird auch dem privatmedizinischen Sektor eine größere Rolle in der Gesundheitsversorgung eingeräumt. Zuletzt verzeichnete dieser Sektor einen Anstieg (zumeist kleinerer) medizinischer Einrichtungen auf über 5.800.
Neben den staatlichen Programmen gibt es eine Reihe internationaler Initiativen im Gesundheitswesen, die hier nur kurz angerissen werden. Bereits seit 1992 engagiert sich von deutscher Seite vor allem die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung durch die Anwendung moderner medizinischer Technologien. Hiermit verbunden ist die Aus- und Fortbildung des medizinischen und technischen Personals. Im Rahmen der Covid-Pandemie hat die GIZ zusammen mit dem Robert Koch-Institut und der Charité Berlin ein Telemedizin-Projekt im Bereich der Intensivmedizin umgesetzt. Ebenfalls bereits seit 1993 ist die WHO in Usbekistan aktiv und berät die Regierung bei der Verbesserung der Gesundheitsversorgung, wobei entsprechende Empfehlungen in dem Konzept für die Entwicklung des Gesundheitssystems berücksichtigt wurden. Auch die Weltbank ist mit einer Reihe von Projekten präsent, die u. a. auf einen verbesserten Zugang zur Primärversorgung und den Ausbau des Rettungsdienstsystems abzielen.
Die nationalen und internationalen Projekte und Initiativen können den derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen nur begrenzt begegnen, da grundlegende Voraussetzungen hinsichtlich personeller und technischer Ressourcen noch nicht erfüllt sind. Angesichts der komplexen Herausforderungen, die sich der usbekischen Gesundheitsversorgung stellen, sollten daher auch disruptive und frugale Ansätze und Innovationen in Erwägung gezogen und als mögliche Ergänzung oder gar Alternative diskutiert werden.
Frugale Innovationen im globalen Gesundheitswesen
Der Begriff »frugale Innovation« bezieht sich auf Lösungen u. a. gesellschaftlicher, organisatorischer oder technologischer Probleme, die sowohl Produkte und Dienstleistungen als auch Geschäftsmodelle und Technologien umfassen können und hervorragende Qualität bei erschwinglichen Gesamtbetriebskosten ermöglichen. Der Begriff wurde vor ca. 13 Jahren von der britischen Zeitschrift The Economist geprägt, als sie 2009 im Rahmen einer Reportage mehrere unkonventionelle und kostengünstige Lösungen im Gesundheitssektor Indiens identifizierte. Beispielhaft sei hier die Entwicklung eines neuartigen und sicheren herzchirurgischen Verfahrens genannt, »das kaum Schmerzen verursacht und keine Vollnarkose oder Blutverdünner erfordert; die Patienten sind viel schneller wieder auf den Beinen als sonst«. Diese »disruptiven« Lösungen kommen mit deutlich weniger Ressourcen aus und sind doch hocheffektiv. The Economist schlussfolgerte, »die überladenen Gesundheitssysteme der reichen Welt können einiges von Indiens Unternehmern lernen«.
Dass diese Entdeckung im Gesundheitsbereich gemacht wurde, ist womöglich kein Zufall, da Medizinprodukte häufig von in Industrienationen angesiedelten Unternehmen allein für die dortigen Märkte entwickelt werden. Entwickeltere Volkswirtschaften verfügen in der Regel über effiziente Innovationssysteme und eine relativ »komfortable« Ressourcenausstattung. Patient:innen und Krankenhäuser haben einen deutlich geringeren Kostendruck in versicherungsfinanzierten Gesundheitssystemen als in Schwellen- und Entwicklungsländern, wo eine große Anzahl von Patient:innen Selbstzahler sind.
Medizinische Geräte und andere Produkte aus Industrieländern sind daher häufig nicht in der Lage, die entsprechenden Probleme in Schwellen- und Entwicklungsländern zu lösen, da ihre Beschaffung nicht nur unverhältnismäßig teuer ist, sondern häufig auch die benötigte Infrastruktur fehlt, die zu ihrer Verwendung vorausgesetzt wird. Aus diesem Grunde nennen einige Autor:innen westliche Produkte und Technologien »voraussetzungsvolle Lösungen«, da ein überproportional hoher Prozentsatz der importierten Medizinprodukte in ressourcenarmen Gebieten nicht funktionsfähig ist. Zunehmend erscheint es auch so, dass die traditionellen profitorientierten Ansätze für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln für einige Krankheiten, wie beispielsweise Tuberkulose, nicht besonders geeignet sind, da die meisten betroffenen Patient:innen nicht die vorausgesetzte Kaufkraft aufweisen.
Während der Ursprung des Konzepts frugaler Innovation in den Schwellenländern liegt, wird es heute zunehmend als ein vielversprechendes Paradigma mit starker globaler Relevanz angesehen. Der Schwerpunkt liegt auf der Erzielung einer hohen Qualität bei erschwinglichen Kosten und minimalem Ressourceneinsatz. Die modulare Architektur der Lösungen ermöglicht eine Produktdifferenzierung, um die Anpassung an individuelle Kundenbedürfnisse zu optimieren und gleichzeitig den Aufwand von materiellen und finanziellen Ressourcen in der gesamten Wertschöpfungskette zu minimieren.
Unter Einhaltung der geltenden regulatorischen Normen im Zielmarkt können frugale Innovationen die vorherrschenden Industriestandards ablösen, da ihre disruptiven Lösungen das »Überfrachten« von Funktionalitäten vermeiden und die Gesamtkosten für Anschaffung, Nutzung und Entsorgung (»total costs of ownership«, TCO) dadurch erheblich senken. Studien zeigen, dass die TCO für Unternehmen und/oder Nutzer:innen zwischen 30 % und 95 % gesenkt werden können, wenn sich die jeweiligen Lösungen auf die benötigten Kernfunktionen konzentrieren und ein für den spezifischen Nutzungskontext optimiertes Leistungsniveau aufweisen.
Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die digitale Transformation eine Schlüsselrolle für den Erfolg frugaler Innovationen spielt, da digitale Technologien nahezu ohne variable Kosten funktionieren, Zugänge zu offenen Innovationsökosystemen ermöglichen sowie Plattformen für Produktentwicklung und -nutzung eröffnen. Die Kosten für die Produktentwicklung können durch agiles Projektmanagement und den Einsatz digitaler Werkzeuge und Technologien erheblich gesenkt werden. Gerade der Gesundheitsbereich ist ein prädestiniertes Feld zur Anwendung frugaler Innovationen, was anhand von einigen Beispielen im nächsten Abschnitt gezeigt wird.
Die Potentiale frugaler Innovationen für die Gesundheitsversorgung
Im Folgenden sollen Beispiele frugaler Innovationen vorgestellt werden, welche die bereits skizzierten Herausforderungen im usbekischen Gesundheitswesen, wie die Gewährleistung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen oder die Eindämmung von Infektionskrankheiten, adressieren.
Ein hervorragendes Beispiel für frugale Innovationen im Gesundheitsbereich bietet MACi, ein mobiles und benutzerfreundliches Elektrokardiogramm (EKG)-Gerät, das von Ingenieuren von General Electric (GE) in Indien entwickelt wurde. MACi wurde vor Ort unter Verwendung von handelsüblichen Komponenten entwickelt und kann mit einer Batterie betrieben werden, um Stromausfällen oder lückenhafter Stromversorgung in ländlichen Gebieten zu trotzen. MACi hat nur wenige Tasten, so dass es von Personen ohne aufwändige technische Ausbildung bedient werden kann. Es nimmt wenig Platz ein und ist so robust konstruiert, dass es auch in nicht-klimatisierten und staubigen Umgebungen eingesetzt werden kann. Die Kosten für ein MACi-Gerät betrugen zum Zeitpunkt der Markteinführung etwa 500 USD, während ein voll ausgestattetes Einsteigerprodukt in den USA das zwanzigfache (~10.000 USD) kostet. Ein wichtiges Merkmal von MACi ist, dass es mit demselben Algorithmus arbeitet wie seine nicht-frugalen Standardversionen in den USA und somit dasselbe Qualitätsniveau bei einer fokussierteren Funktionalität gewährleistet. Dieses Beispiel zeigt, dass ein frugales Produkt den Lebensstandard in einer Gesellschaft erheblich verbessern und die soziale Inklusion fördern kann. Die Nachfrage nach MACi blieb nicht auf Indien und andere Schwellenländer mit ähnlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen beschränkt. Diese disruptive Innovation eröffnete in den entwickelteren Volkswirtschaften, wo MACi beispielsweise von Notärzten mittlerweile als nützliches Gerät für Einsätze betrachtet und mitgeführt wird, ein völlig neues Marktsegment.
Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Medizintechnik betrifft Röntgengeräte, die gesondert für China und Indien entwickelt werden. Sie wurden für wichtige Standardverfahren wie die Untersuchung von Knochenbrüchen oder Tuberkulosepatient:innen konzipiert und verfügen über eine entsprechend fokussierte Funktionalität. Durch die Verwendung von alternativen geeigneten Materialen werden die Kosten gesenkt. Die Geräte sind auch viel robuster und für hohe Luftfeuchtigkeit und gelegentliche Stromausfälle ausgelegt. Mit einem Preis von unter 20.000 Euro sind sie deutlich günstiger als Röntgengeräte in Deutschland, die über 50.000 Euro kosten.
Aber auch der Einsatz von modernen digitalen Technologien zur Erzielung von qualitativ hochwertigen und zugleich kosteneffektiven Leistungen im Gesundheitsbereich ist inzwischen bestens belegt. iBeastExam ist eine frugale Lösung, die in einem Startup-Unternehmen an der University of Pennsylvania (USA) für die Früherkennung von Brustkrebs entwickelt wurde. Die Innovation nutzt allgemein verfügbare digitale Technologie und liefert eine hochpräzise aber kostengünstige Leistung. Inzwischen wird sie in Partnerschaft mit Siemens Healthineers in den USA vertrieben. In ähnlicher Weise ermöglichen Virtuelle Realität (VR) und Simulationstechnologien eine bessere und wirksamere Behandlung, insbesondere bei seltenen Krankheiten. Ärzte und Lernende können ihre Fähigkeiten auf kostengünstige Weise auf dem neuesten Stand halten.
Die Möglichkeiten frugaler Lösungen bei der Tuberkulose-Bekämpfung
Wie eingangs beschrieben stellen bestimmte Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder HIV das Gesundheitssystem in Usbekistan vor große Herausforderungen. Neben programmatischen Schwächen ist es vor allem der Mangel an diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, der die gesundheitliche Situation in Usbekistan vor allem hinsichtlich der Eindämmung der MDR-TB erschwert. Mehrere Studien zeigen, dass frugale Lösungen auch gewinnbringend zur Früherkennung und Behandlung von Tuberkulose eingesetzt werden können.
Die dezentralisierten Point-of-Care-Tests (POC-Tests), die in Gemeinden, zu Hause oder in Zentren der primären Gesundheitsversorgung durchgeführt werden können, können Verzögerungen bei der Diagnose und Behandlung von Tuberkulose sowie die Ansteckungsgefahr für andere verringern. Eine patientennahe Untersuchung ermöglicht im Gegensatz zu den herkömmlichen laborgestützten Tests eine schnelle Diagnose und weitere situative Behandlungsentscheidungen (z. B. Überweisung oder Folgetests). Lange Durchlaufzeiten und Verzögerungen bei den laborgestützten Tests führen dazu, dass Patienten aus den Test- und Behandlungspfaden herausfallen, was sich für sie nachteilig auf die Entwicklung fortgeschrittener Krankheitsstadien und Arzneimittelresistenzen auswirken kann.
Frugale Geräte für solche POC-Tests erfüllen die von der WHO definierten »ASSURED«-Kriterien (Affordable, Sensitive, Specific, User-friendly, Rapid and robust, Equipment free, and Delivered: erschwinglich, empfindlich, spezifisch, benutzerfreundlich, schnell und robust, geräteunabhängig und verfügbar). Sie senken die Nutzungskosten und -barrieren, da sie einfach bedienbar, günstig und schnell sind. Beispielhaft für ein solches Gerät steht der Xpert MTB/RIF, der auf der GeneXpert-Plattform basiert und von der Firma Cepheid (Sunnyvale, CA, USA) entwickelt wurde.
Untersuchungen in Indien und Südafrika zeigen, dass in ausgewählten öffentlichen Kliniken mit dem Xpert MTB/RIF ein molekularer Test eingesetzt wird, der eine Tuberkulose-Diagnose in 90 Minuten verspricht. Für die Tests, die vor Ort durchgeführt werden, liegen die Ergebnisse noch beim selben Patiententermin vor. Laut einer Studie kann der MTB/RIF-Test in ressourcenarmen Gebieten wirksam eingesetzt werden, um den Zugang der Patient:innen zu einer frühzeitigen und genauen Diagnose zu erleichtern und so die mit Diagnoseverzögerungen, Ausfällen und Fehlbehandlungen verbundene Morbidität zu verringern.
Beispielsweise ermöglichst KUDUwave, ein leichtes und tragbares Audiometer, das von eMoyo Technologies in Südafrika entwickelt worden ist, eine hochwertige Patientenversorgung. Die Betriebskosten sind mit 0,57 US-Dollar je nach Modell vier- bis zehnfach niedriger als die Standardprodukte. KUDUwave kann 30–40 Patient:innen pro Tag testen und ermöglicht den telemedizinischen Einsatz in ländlichen Gebieten. Das Produkt wurde von der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel zugelassen und wird in den USA hergestellt. KUDUwave wurde u. a. im Rahmen eines Regierungsprogrammes für die Behandlung von MDR-TB eingesetzt, da es ebenfalls die Diagnose von Schwerhörigkeit und Ototoxizität, Nebenwirkungen einiger Therapien gegen MDR-TB, ermöglicht.
Es konnten auch Studien identifiziert werden, die den gewinnbringenden Einsatz von »Clinical Decision Support Systems« (CDSS) in frugalen Nutzungskontexten, wie z. B. Indien, Südafrika oder Tansania – etwa bei der Diagnose und Behandlung von MDR-TB sowie in Geburtskliniken – belegen. CDSS sind Gesundheitsinformationstechnologien, die Ärzt:innen und medizinischem Personal nach bestimmten Diagnosen entsprechende Entscheidungen für die weitere Behandlung des Patienten vorschlagen.
Ausblick
Diese Analyse verfolgt den Zweck, die Möglichkeiten und Potentiale frugaler Innovationen für die Gesundheitsversorgung in Usbekistan aufzuzeigen. Durch eine systematische Analyse frugaler Lösungen in bestimmten Bereichen und dem Abgleich mit den Anforderungen an die Gesundheitsversorgung und -vorsorge können qualitativ hochwertige und kostengünstige Ansätze sowohl im Sinne der »best practices« als auch zur Generierung neuer Innovationsimpulse identifiziert und adaptiert werden.
Bewusst wurde in den Ausführungen zunächst kein Schwerpunkt auf digitale Innovationen gelegt, gleichwohl digitale Technologien oftmals die Grundlage moderner frugaler Lösungen darstellen. Frugale digitale Lösungen zeigen sich beispielsweise bei digitalen Therapien oder telemedizinischen Ansätzen, die auch für Usbekistan relevant sind, einem Land, in dem die Internetverfügbarkeit bei 60 % liegt. Jüngst hat der chinesische IT-Konzern Alibaba KI-Algorithmen zur Analyse von CT-Scans für COVID-19 entwickelt. Die Algorithmen können CT-Scans analysieren und Corona-Infektionen mit hoher Präzision und Geschwindigkeit rund um die Uhr und ohne ermüdungsbedingte Fehlanalysen diagnostizieren. Diese frugale Innovation ist höchst effizient – jedoch ohne die Grundausstattung des Krankenhauses mit einem (frugalen) CT nicht nutzbar.
Die Autoren haben für diesen Beitrag keine Drittmittelfinanzierung erhalten. Interessenkonflikte liegen nicht vor.