Das Ende der Grenzkrise im Ferganatal? Zur Bedeutung des kirgisisch-tadschikischen Grenzabkommens von 2025

Von Asel Murzakulova (Bischkek)

Zusammenfassung
Am 13. März 2025 haben der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow und sein tadschikischer Amtskollege Emomali Rahmon in Bischkek ein historisches Abkommen über die vollständige Delimitation ihrer gemeinsamen Staatsgrenze unterzeichnet. Das Abkommen markiert die formale Lösung des seit dem Ende der Sowjetunion andauernden Grenzstreits der beiden Staaten. Noch im Jahr 2022 war der Grenzstreit im Ferganatal in eine bis dahin beispiellose militärische Auseinandersetzung zwischen Kirgistan und Tadschikistan eskaliert, begünstigt durch den russischen Überfall auf die Ukraine, der die völkerrechtliche Norm der territorialen Integrität und Unverletzlichkeit von Grenzen im postsowjetischen Raum weiter geschwächt hat. Der Beitrag zeichnet die Geschichte des Konflikts und den Verhandlungsprozess zwischen Kirgistan und Tadschikistan seit 2022 nach. Dabei wird analysiert, welche Interessen, Hürden und Zugeständnisse die Verhandlungen geprägt haben und wie der erfolgreiche Abschluss des Abkommens durch jüngere regionale Umstände begünstigt wurde.

Einleitung: Die Grenzfrage im Ferganatal nach dem Zerfall der Sowjetunion

Am 12. März 2025 wurde der tadschikische Präsident Emomali Rahmon von seinem kirgisischen Amtskollegen Sadyr Dschaparow in Bischkek zu einem historischen Staatsbesuch empfangen. Am folgenden Tag haben die beiden Staatsoberhäupter feierlich das im Februar fertig verhandelte Abkommen über die vollständige Delimitation der kirgisisch-tadschikischen Grenze unterzeichnet. In zwei ergänzenden Abkommen wurden zudem frühere Streitigkeiten über die Nutzung von grenzüberschreitender Wasserinfrastruktur und Transportrouten beigelegt. Der Vorsitzende des kirgisischen Parlaments Dschogorku Kenesch hat die historische Tragweite der Abkommen folgendermaßen zusammengefasst: »Wie wir wissen sind Grenzen und Territorien die konfliktreichsten Fragen in der Geschichte der Menschheit. Beispielsweise haben europäische Länder äußerst lange und blutige Konflikte ausgefochten; nachdem England und Frankreich einst 116 Jahre lang Krieg geführt haben, sind sie heute engste Partner. Kirgistan ist ein friedliches Land. Ich gratuliere Ihnen zu diesem historischen Tag der Ratifizierung des Grenzabkommens mit Tadschikistan, zu einem Tag, wie es ihn nur einmal in hundert Jahren gibt.«

Der offizielle Prozess zur Verhandlung der Grenzen begann 2001, zehn Jahre, nachdem Kirgistan und Tadschikistan 1991 unabhängig geworden sind. Unmittelbar nach der Unabhängigkeit waren die regionalen Beziehungen in Zentralasien noch von einer politischen Rhetorik der Freundschaft und gemeinsamen Interessen geprägt. Der Geograph Nick Megoran hat in seiner 2017 veröffentlichten »Biografie« der usbekisch-kirgisischen Grenze herausgearbeitet, wie sich die Dynamik der Aushandlung von regionalen Grenzfragen während der 1990er Jahre vor dem Hintergrund des tadschikischen Bürgerkriegs und dem Aufkommen von transnationalen islamistischen Gruppen gewandelt hat. Der Batken-Konflikt von 1999 markierte den endgültigen Wendepunkt, als Kämpfer der Islamischen Bewegung Usbekistans von ihren Bergverstecken in Tadschikistan nach Südkirgistan eingedrungen waren, um von dort auf usbekisches Territorium zu gelangen. Seither unterlagen die Grenzen im Ferganatal einer fortschreitenden Versicherheitlichung und Militarisierung. Die Folgen dieser Politik waren ein erschwerter Zugang zu überlebensnotwendiger Wasserinfrastruktur für die Lokalbevölkerung und wiederkehrende Transitblockaden auf dem Landweg. Die dadurch ausgelösten Konflikte führten regelmäßig zu Gewalt zwischen und innerhalb von Gemeinden entlang der Grenze. Vor diesem Hintergrund war die Verhandlung der Grenzfrage zwischen Kirgistan und Tadschikistan über Jahrzehnte hinweg oft von rein politisch-taktischen Manövern geprägt gewesen, die kaum vertrauensbildende Maßnahmen zuließen; Statt einen tragfähigen Interessenausgleich anzustreben, haben sich beide Seiten mit einer inkonsistenten Politik der kleinen Schritte begnügt, darunter vorläufige Abkommen bei anschließender Missachtung dieser Abkommen, die willkürliche Anwendung von Druckmitteln und Zwangsmaßnahmen für kurzfristige Vorteile und die wiederholte Aufkündigung von Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft. Ein fundamentales Umdenken kam erst mit der beispiellosen Eskalation von 2022, als sich beide Seiten der Gefahr einer großflächigen Destabilisierung Zentralasiens gewahr zu werden schienen. Kirgistan und Tadschikistan haben anschließend drei Jahre gebraucht, um den etablierten Kreislauf aus Misstrauen und endlosen gegenseitigen Beschuldigungen zu durchbrechen und einen nachhaltigen Kompromiss für die Lösung der heikelsten Fragen bezüglich ihrer gemeinsamen Grenze zu finden.

Kernpunkte und Entwicklungsverlauf der Verhandlungen

Ein zentraler Streitpunkt seit der Unabhängigkeit betraf die rechtliche Grundlage zur Festlegung des Grenzverlaufs. Kirgistan bestand darauf, Karten und innersowjetische Abkommen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, sowie die Erklärung von Alma-Ata, also die Gründungsurkunde der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten von 1991, als rechtliche Grundlage zu nehmen. Tadschikistan insistierte hingegen auf die Verwendung von Dokumenten und Karten aus den 1920er und 1930er Jahren, also der Gründungszeit der tadschikischen und kirgisischen Sowjetrepubliken. Zudem musste der Verhandlungsprozess irgendwie auch jene Tatsachen vor Ort berücksichtigen, die nicht in offiziellen Dokumenten abgebildet sind. Dazu gehörten etwa informelle Praktiken zur Nutzung von grenzüberschreitender Infrastruktur durch lokale Gemeinden sowie die faktische Besiedlung umstrittener Gebiete.

Vor diesem Hintergrund zeichnete sich schnell die Tendenz ab, dass man sich einfacher auf unbewohnte denn bewohnte Grenzabschnitte würde einigen können. So machten die Verhandlungen mit Hinblick auf die unbewohnten Grenzabschnitte im Pamir-Alai deutliche Fortschritte. Für diesen Abschnitt konnten sich Bischkek und Duschanbe bis 2011 auf 519,9 Kilometer ihrer 1.006,84 Kilometer langen Grenze einigen. Für die restlichen 486,94 Kilometer, die durch das dicht besiedelte Ferganatal verliefen, verwies die Tendenz auf das genaue Gegenteil. Hier kam der Fortschritt der Verhandlungen fast zum Erliegen und zwischen 2011 und 2021 wurden praktisch keine weiteren Ergebnisse gezeitigt. Während die Verhandlungen stagnierten wurde in umstrittenen Gebieten jedoch weiter neues Agrarland erschlossen; die Bevölkerung von Dörfern schwoll an oder nahm ab, je nachdem, wo der unklare Rechtsstatus der Grenze gerade am meisten wirtschaftliche Vorteile für die Lokalbevölkerung versprach. Die sich wandelnden und nicht immer leicht nachvollziehbaren Nutzungs- und Siedlungsdynamiken vor Ort haben die Verhandlungen weiter verkompliziert. Angesichts der diversen Bevölkerungszusammensetzung und dem unklaren Rechtsstatus von landwirtschaftlichen Flächen aufgrund unterschiedlicher Besitzurkunden wurde schon damals über den Austausch von Land und gezielte Umsiedlungen zur Lösung des Konfliktes nachgedacht. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch keine der beiden Seiten zu solchen Schritten bereit.

Wasser

Einer der größten Streitpunkte zwischen Bischkek und Duschanbe war die Wasserinfrastruktur entlang des Isfara-Flusses. Der Fluss entspringt hoch oben in der Turkestan-Kette als Ak-Suu, fließt dann durch das kirgi­sische Gebiet Batken, die große tadschikische Exklave Woruch und mündet schließlich im Grenzgebiet zwischen Tad­schikistan und Usbekistan. Der Fluss ist somit zentral für die Bewässerungsfeldwirtschaft aller drei Staaten im Ferganatal. Seit 1972 wird ein Teil des Wassers in den Törtgül-Stausee umgeleitet, der eine kontinuierliche Wasserversorgung sowie die Erschließung von neuem Agrarland ermöglicht hat. Der Stausee und seine Wasserverteilung werden seitdem von der kirgisischen Seite verwaltet. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion betrachteten Tadschikistan und Usbekistan die kirgisische Kontrolle über diese zentrale Wasserader zunehmend als Bedrohung für ihre eigene Wassersicherheit. Auch sahen sich die zentralasiatischen Länder nach ihrer Unabhängigkeit nicht mehr dazu verpflichtet, die zu Sowjetzeiten vereinbarten Quoten für die Wasserverteilung einzuhalten. Der territoriale Grenzstreit wurde durch den folgenden Streit um die Nutzung von Wasser weiter verkompliziert. Die schnelle Politisierung der Wasserfrage hat zwischen der kirgisischen und tadschikischen Bevölkerung zu wiederkehrenden Konflikten geführt, u. a. um die Nutzung der zentralen Golownoy-Wasserentnahmestelle am Isfara-Fluss.

In dem Grenzabkommen von März 2025 einigten sich Kirgistan und Tadschikistan schließlich darauf, die Wasserentnahmestelle fortan gemeinsam zu betreiben, wobei beide Seiten jeweils eine Schleuse vollständig und die dritte Schleuse gemeinsam zur Hälfte kontrollieren. Mit dieser Lösung begeben sich beide Staaten bewusst in ein Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit in Bezug auf ihre Wassersicherheit, wobei die Wassersicherheit der einen Seite zur Voraussetzung für die der anderen wird. Zwar ist wenig über die genauen Kriterien für diesen Punkt der Einigung bekannt, doch liegt es nahe, dass gemeinsame Überlegungen zum Klimawandel eine Rolle gespielt haben; Zentralasien ist während der Sommermonate zunehmend von ausgedehnten Dürreperioden betroffen. Daher ist es für die kirgisische Seite absolut notwendig, dass jedes Jahr ausreichend Wasser im Törtgül-Stausee gesammelt wird, um die Wassersicherheit im Gebiet Batken zu gewährleisten. Das Gleiche gilt für die tadschikische Region Isfara, die ebenso darauf angewiesen ist, im Sommer ausreichend Wasser aus dem Stausee beziehen zu können. In diesem Zusammenhang ist ein ebenfalls im März 2025 unterzeichnetes Nebenabkommen bemerkenswert, das Ingenieuren beider Länder erlaubt, jederzeit auf dem Territorium des jeweils anderen Landes notwendige Reparatur- und Wartungsarbeiten an der Wasserinfrastruktur vorzunehmen.

Straßen

Eine der umstrittensten Fragen zwischen Kirgistan und Tadschikistan seit 1991 war die wechselseitige Abhängigkeit im Transportbereich. Die wichtigsten Straßen, die noch zu Sowjetzeiten gebaut wurden, führen mehrmals über das Territorium des jeweils anderen Staates. Mit der Zeit haben die Regierungen auf »ihren« Straßenabschnitten Grenzposten eingerichtet. Für die Lokalbevölkerung trugen diese Posten zu einem wachsenden Gefühl der Unsicherheit bei, da sie etliche Kontrollen passieren mussten, nur um nach Isfara oder Batken zur Arbeit oder zum Markt zu kommen. Gleichzeitig verkomplizierte die wechselseitige Abhängigkeit im Transportbereich genau jene Normvorstellung von »territorialer Integrität«, die es aus Sicht von Bischkek und Duschanbe zu stärken galt und auf die sich beide Seiten in den Verhandlungen immer wieder beriefen.

2014 kam es zu Spannungen zwischen den Ländern, als Kirgistan mit dem Bau von neuen Straßen zur Umgehung der tadschikischen Exklave Woruch begann, um die Mobilität für kirgisische Staatsbürger zu vereinfachen. Aus tadschikischer Sicht wollte Kirgistan durch den Bau neuer Straßen die wechselseitige Transportabhängigkeit reduzieren und damit die regionale Machtbalance verändern. Daraufhin hat Duschanbe ein bis dahin geltendes Moratorium für den Bau von neuer Infrastruktur in umstrittenen Gebieten aufgekündigt. Zudem warf Duschanbe der kirgisischen Regierung vor, Straßen teilweise auf tadschikischem Territorium zu bauen. In den Jahren danach wurde der Bau von Ausweichstraßen mehrfach aufgenommen, gestoppt und erneut begonnen – ein Muster, das immer wieder Spannungen erzeugte und die Verhandlungen erschwerte.

Die militärischen Eskalationen von 2021 und 2022 als Wendepunkt

Im März 2021 hat der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit von Kirgistan (und Verhandlungsleiter für die Gespräche mit Tadschikistan), Kamtschybek Taschijew, der tadschikischen Regierung öffentlich den Vorschlag unterbreitet, entweder eine neue Straße in die tadschikische Exklave Woruch unter Umgehung des kirgisischen Dorfes Ak-Sai zu bauen, oder Woruch gegen gleichwertige Landstücke in den kirgisischen Bezirken Batken und Lejlek einzutauschen. Für die tadschikische Seite war das Angebot eine Provokation. Anfang April 2021 hat Rahmon Woruch dann demonstrativ einen Besuch abgestattet und dabei erklärt, dass ein Tausch von Gebieten nicht erörtert worden sei und kein Gegenstand von Verhandlungen sein könne. Drei Wochen später, zwischen dem 28. und 30. April 2021, eskalierten die Spannungen nach einem Streit an der Golownoy-Wasserentnahmestelle in eine militärische Auseinandersetzung zwischen den Grenztruppen beider Länder. Erst nach drei Tagen schafften es die Parteien, das Blutvergießen zu beenden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Mehr als ein Waffenstillstand und die Einigung, in den umstrittenen Gebieten am Status quo festzuhalten, war aufgrund der fehlenden Kompromissbereitschaft jedoch nicht möglich. Offiziellen Berichten zufolge gab es auf kirgisischer Seite 36 Todesopfer und 183 Verletzte, während Tadschikistan 19 Tote und 87 Verletzte angab. Kirgistan schloss als Reaktion auf die Ereignisse einseitig die Grenze mit Tadschikistan, die erst nach dem Abkommen vom März 2025 wiedereröffnet wurde.

Noch im Juni 2021 haben Rahmon und Dschaparow bei einem persönlichen Treffen in Duschanbe versucht, eine Lösung zu finden. Das siebenstündige Gespräch blieb jedoch weitgehend ergebnislos. Die ausbleibende Entspannung sollte sich schließlich als fatal erweisen und etwas mehr als ein Jahr später zur bis dahin größten militärischen Auseinandersetzung der beiden Staaten führen. Zwischen dem 14. und 19. September 2022 eskalierte eine Auseinandersetzung an der Grenze in ein beispielloses Ausmaß der Gewalt. Kirgistan und Tadschikistan befanden sich in diesen Tagen am Rande eines bewaffneten Konflikts. Zum ersten Mal haben zwei zentralasiatische Staaten schwere Waffen wie Panzer, Mehrfachraketenwerfer und Kampfdrohnen gegeneinander eingesetzt. Der Beschuss von grenznahen Dörfern mit Artillerie führte zu umfassenden Zerstörungen. Obwohl Rahmon und Dschaparow zu dem Zeitpunkt gemeinsam am Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Samarkand teilnahmen und daher umgehend einen Waffenstillstand vereinbaren konnten, hielt die Gewalt entlang der Grenze an. Der in Samarkand vereinbarte Waffenstillstand wurde erst am fünften Tag eingehalten. Durch die Zusammenstöße wurden insgesamt 145 Menschen getötet, darunter Soldaten, Zivilisten und Kinder. Auf kirgisischer Seite wurden über 140.000 Menschen vertrieben, vor allem Frauen, Kinder und Ältere.

Die Ereignisse von 2022 haben beiden Seiten schließlich die Augen dafür geöffnet, welche Gefahr vom ungelösten Status quo der Grenzfrage ausgeht, möglicherweise die gesamte Region in den Abgrund zu ziehen. An ernsthaften Verhandlungen für eine nachhaltige Lösung führte nun kein Weg mehr vorbei. Hierfür war es jedoch notwendig, verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Es stellte sich zum Glück schnell heraus, dass beide Seiten bereit waren, die dafür notwendigen Zugeständnisse zu machen und bei den Verhandlungen eine flexiblere Haltung als zuvor zu zeigen. Am 2. Oktober 2023 haben Taschijew und sein tadschikischer Amtskollege Saimumin Jatimow in Batken das »Protokoll Nr. 44« unterzeichnet, dessen Text zwar nicht veröffentlicht wurde, das für den Verhandlungsprozess jedoch ein klarer Durchbruch war. So hat ein Kommentar von Jatimow nahegelegt, dass sich in dem Protokoll auf die Landkarten geeinigt wurde, auf deren dokumentarischer Grundlage die Verhandlungen geführt werden sollen. Damit war einer der hartnäckigsten Streitpunkte, der konstruktiven Verhandlungen bis dahin im Wege stand, aus der Welt geschaffen.

Fazit

In den drei Jahren seit den gewaltsamen Auseinandersetzungen von 2022 haben Dschaparow und Rahmon deutlichen politischen Willen gezeigt, die Grenzstreitigkeiten auf diplomatischem Wege beizulegen. Dank der intensiven und kontinuierlichen Arbeit der Verhandlungsteams sowie der bilateralen diplomatischen Bemühungen konnte 2025 das Abkommen über die vollständige Delimitation der gemeinsamen Grenze erzielt werden. Besonders hervorzuheben ist die Transparenz, mit welcher der Ratifizierungsprozess im kirgisischen Dschogorku Kenesch gestaltet wurde. Die Debatte wurde öffentlich und live übertragen, inklusive zugänglicher Kartenmaterialien, anhand derer die Bevölkerung die geplanten Gebietsaustausche nachvollziehen konnte. Auch die Möglichkeit, über die YouTube-Kommentarfunktion Rückmeldung zu geben, zeigt ein neues Maß an Beteiligung und Offenheit.

Im Kern des Abkommens steht der Tausch von umstrittenen Gebieten entlang der Grenze, wodurch die wechselseitige infrastrukturelle Abhängigkeit aus sowjetischer Zeit reduziert werden soll. Dabei wurde nicht auf Maximalforderungen bestanden, sondern ein interessenbasierter Ansatz verfolgt, der die gemeinsame Suche nach pragmatischen Lösungen in den Vordergrund gestellt hat. So wurden, unter anderem, Bestimmungen über den Bau neuer, neutraler Straßen aufgenommen, um grenznahe Mobilität ohne unnötigen Grenzübertritt zu ermöglichen – ein deutlicher Zugewinn an Alltagssicherheit für die Bevölkerung vor Ort. Insgesamt stellt das Abkommen einen bedeutenden Meilenstein in den kirgisisch-tadschikischen Beziehungen dar. Es unterstreicht, dass nachhaltige Lösungen nur im Rahmen von diplomatischen Bemühungen möglich sind – durch pragmatischen Dialog, politische Beharrlichkeit und die Bereitschaft zum Kompromiss. Trotz der politischen Spannungen zwischen Kirgistan und Tadschikistan seit 2021 zeigt das Beispiel des Abkommens von 2025, dass friedliche Konfliktbearbeitung unter den richtigen Bedingungen möglich ist.

Aus dem Englischen von Hartmut Schröder

Lesetipps / Bibliographie

  • Megoran, Nick. 2017. Nationalism in Central Asia: A Biography of the Uzbekistan-Kyrgyzstan Boundary. University of Pittsburgh Press.
  • Reeves, Madeleine. 2014. Border Work: Spatial Lives of the State in Rural Central Asia. Ithaca: Cornell University Press.

Zum Weiterlesen

Analyse

Verhandelter Raum. Territoriale Ordnungspraktiken in Zentralasien und die historischen Ursprünge des kirgisisch-tadschikischen Grenzabkommens von 2025

Von Stephan Rindlisbacher
Das im März 2025 unterzeichnete Abkommen zwischen Kirgistan und Tadschikistan über die vollständige Delimitation ihrer gemeinsamen Grenze markiert das jüngste Kapitel in einer langen Geschichte territorialer Grenzrevisionen im Ferganatal. Zwischen 1924 und 1936 wurde das Tal im Zuge der sowjetischen Nationalitätenpolitik durch ein komplexes territoriales Arrangement zwischen drei Unionsrepubliken aufgeteilt. Die Aufteilung der Region in nationale Republiken war das Ergebnis von Aushandlungen zwischen lokalen Parteieliten über die territoriale Ordnung im sowjetischen Zentralasien. Die Delimitation von Grenzen folgte dabei dem Prinzip, Republikgrenzen möglichst eng an bestehende Landnutzungsgrenzen lokaler Gemeinden anzulehnen. Über die gesamte Sowjetzeit wurden Grenzverläufe im Ferganatal immer wieder an sich wandelnde Muster der Land- und Ressourcennutzung lokaler Gemeinden angepasst. (…)
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Dokumentation

Stimmen internationaler Expert:innen zum tadschikisch-kirgisischen Grenzkonflikt im April 2021

Am 28. April brach im bevölkerungsreichen Ferghanatal der bislang schwerste Grenzkonflikt zwischen Kirgistan und Tadschikistan aus. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge kam es zu den Auseinandersetzungen, nachdem tadschikische Beamt:innen eine Überwachungskamera an der Wasserverteilstation »Golownoy« installierten. Diese wird von kirgisischen und tadschikischen Zivilist:innen gemeinsam genutzt und liegt in der Nähe des kirgisischen Dorf Kok-Tasch (Gebiet Batken) sowie des tadschikischen Dorfes Chodschai A'lo (Gebiet Sughd). Kirgisische Anwohner:innen versuchten, den Mast, an dem die Videokamera befestigt war, abzusägen. (…)
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