Einführung
Die politische Krise, die in Belarus nach den Präsidentschaftswahlen 2020 einsetzte, hat die Existenz- und Arbeitsbedingungen der Zivilgesellschaft ganz offensichtlich verändert. Dabei sind zwei bedeutsame Tendenzen zu beobachten. Die erste sind qualitative und quantitative Veränderungen in der Zusammensetzung der Zivilgesellschaft. Sie ergaben sich in Folge der massenhaften politischen Mobilisierung und dadurch, dass der Begriff »Politik« aus einer bei breiten Bevölkerungsteilen marginalisierten Nische heraustrat. Zudem ist das Entstehen neuer Organisationen und Initiativen zu beobachten, etwa von Graswurzelinitiativen in den Höfen, von Crowdfunding-Organisationen zur Selbsthilfe (z. B. BYSOL), aber auch von spezialisierten Fachinitiativen (z. B. die Vereinigung medizinischer Mitarbeiter »Weiße Kittel«). Die zweite Tendenz besteht darin, dass die etablierten zivilgesellschaftlichen Organisationen in Belarus aufgrund der veränderten Umstände gezwungen waren, ihre Tätigkeit, ihre Form und ihre Arbeitsrichtung zu ändern.
Die Veränderungen in der Zivilgesellschaft waren vor allem auf die Protestaktivitäten in der belarusischen Gesellschaft zurückzuführen. Viele Aktivist:innen beteiligten sich an den Protesten, und die Arbeit der meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen war wegen der veränderten gesellschaftlichen Lage und der Stimmung unter den zivilgesellschaftlichen Akteuren auf Eis gelegt. Später, ab dem Spätfrühling und dem Sommer 2021 geriet die organisierte Zivilgesellschaft ins Visier des undemokratischen politischen Regimes und wurde zum wichtigsten Ziel der Repressionen. Daraufhin verloren viele Organisationen in Belarus ihren legalen Status; viele Aktivist:innen gerieten in Haft oder mussten das Land verlassen.
Dadurch haben bis zum November 2021 viele belarusische Organisationen der Zivilgesellschaft formal ihre Existenz beendet, versuchen aber, sich neu aufzustellen und im Ausland legal weiterzubestehen. Das ist allerdings ein schwieriger Prozess, sowohl in Bezug auf die Organisation der Tätigkeit, als auch hinsichtlich der Arbeit mit den Zielgruppen, die noch im Land verblieben sind.
Gestützt auf eine Studie des Forschungszentrums SYMPA/BIPART, die vom Januar bis Juni 2021 erstellt wurde und den Zustand der organisierten Zivilgesellschaft und der neuen Initiativen analysiert, die in Belarus während der politischen Krise entstanden sind, sollen hier einige allgemeine Feststellungen über wichtige Entwicklungstendenzen der zivilgesellschaftlichen Organisationen getroffen und Schlussfolgerungen gezogen werden.
Die erwähnte Feldstudie hat nicht den Zeitraum der institutionellen Repressionen erfasst, mit denen gegen NGOs in Belarus vorgegangen wurde. In diesem Beitrag werden die Ergebnisse vorgestellt, die unmittelbar die organisierte Zivilgesellschaft betreffen, also die Strukturen und Initiativen, die bereits vor der Krise von 2020 im Land bestanden hatten.
Als Untersuchungsmethode dienten 5 halbstrukturierte Interviews mit Aktivist:innen von Organisationen, die sich auf allgemeine Entwicklungsprobleme zivilgesellschaftlicher Organisation bezogen, eine Online-Befragung bei NGOs (23. April bis 24. Mai 2021 mit 62 Fragebögen) sowie acht Fokusgruppen mit Vertretern von Organisationen aus unterschiedlichen Bereichen (insgesamt 67 Teilnehmer:innen).
Im ersten Abschnitt des Beitrags wird die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Belarus angesichts der politischen Krise untersucht. Im zweiten Abschnitt erfolgt ein kurzer Überblick über die Probleme, Aufgaben und Bedürfnisse der belarusischen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Im Weiteren wird eine Klassifizierung der systematischen Repressionen gegen die organisierte Zivilgesellschaft und ihre Aktivit:innen vorgelegt. Es folgen Schlussfolgerungen über den Zustand zivilgesellschaftlicher Organisationen in Belarus.
Dynamik der Veränderungen in der belarusischen Zivilgesellschaft
Der Situation vor und nach den Wahlen von 2020 waren
bedeutsame Veränderungen im Selbstverständnis der Bürger vorangegangen, wie auch im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Staat. Die bedeutsamsten Veränderungen erfolgten in Bezug auf den sogenannten Gesellschaftsvertrag, als die Bürger wegen der unangemessenen Politik des Staates zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gezwungen waren, sich selbst zu helfen. Gesellschaftliche Organisationen, Bürgerinitiativen und Aktivist:innen hatten ihre Anstrengungen vereint, um den Medizinern und der belarusischen Gesellschaft als Ganzes zu helfen. Die Solidarität, die sich entwickelte, war in vielerlei Hinsicht eine neue Erscheinung, die der atomisierten und inkohärenten Gesellschaft, die viele Jahre unter undemokratischen politischen Bedingungen gelebt hat, früher nicht eigen war. Einen Höhepunkt erreichte diese Solidarität während der Proteste, und auch im Herbst 2020, als sich die Bürger intensiv in neuen Gemeinschaften und Graswurzelinitiativen zusammenschlossen. Die anschließende Phase heftiger Repressionen hatte allerdings Auswirkungen auf diese Praxis der Solidarität. Die neuen Initiativen schwanden wieder, die verbliebenen Aktivitäten wechselten in ein verdecktes, dissidentisches Format.
Parallel zu diesen breiteren gesellschaftlichen Veränderungen erfolgte auch eine Transformation der Grundvoraussetzungen für das Funktionieren zivilgesellschaftlicher Organisationen. Es ist offensichtlich, dass die veränderten politischen und rechtlichen Arbeitsbedingungen für NGOs zu den ernstesten Herausforderungen gehören. Die Bedingungen und Formate der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Belarus veränderten sich in der gleichen Zeit wie die gesamte belarusische Gesellschaft. Allerdings unterschieden sich diese Phasen inhaltlich voneinander. So war durch den Beginn der Pandemie im Jahr 2020 die Intensität der Tätigkeit der zivilgesellschaftlicher Organisationen in Belarus zurückgegangen. Die Organisationen waren wegen der Corona-Beschränkungen nicht mehr im gleichen Maße in der Lage, Veranstaltungen durchzuführen und mit ihren Zielgruppen zu arbeiten. Präsenzveranstaltungen konnten nicht oder nur eingeschränkt stattfinden. Viele Zielgruppen (besonders die sozial vulnerablen) gehörten medizinisch zu den Risikogruppen. Darüber hinaus wurde es praktisch unmöglich, Bildungs- und andere Reisen ins Ausland zu organisieren, die für eine Reihe von Organisationen eine wichtige Komponente ihrer Tätigkeit darstellten. Viele belarusische Organisationen der Zivilgesellschaft gingen mit unterschiedlichem Erfolg zu Online-Veranstaltungen über. Deren Intensität und Produktivität ist aber mit der von Präsenzveranstaltungen nicht vergleichbar.
In der folgenden, intensivsten Phase der politischen Krise (August bis November 2020) waren die meisten gesellschaftlichen Organisationen in Belarus entweder abgeschwächt oder praktisch gar nicht mehr tätig. Wichtig und interessant ist dabei, dass viele Aktivist:innen zwar intensiv an den Protesten beteiligt waren, die Organisationen in der Regel jedoch bei den Protesten institutionell nicht aktiv wurden. Viele Aktivisten wurden verhaftet, unter Druck gesetzt und verfolgt; die zivilgesellschaftlichen Organisationen jedoch existierten weiter und setzten in einigen Fällen sogar ihre Tätigkeit fort.
Bedeutsam ist, dass es in dieser Phase zu einer Zusammenarbeit zwischen »alten« und »neuen« Organisationen und Gemeinschaften kam, als nämlich Vertreter:innen der ersteren mitunter die Gelegenheit hatten, ihre Erfahrungen und Kenntnisse an neu entstehende Akteure weiterzugeben. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass diese Zusammenarbeit nicht besonders breit und nicht organisierter, sondern eher zufälliger Natur war. Zum Beispiel, wenn einige Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen im gleichen Hof wohnten und in lokalen Gemeinschaften aktiv wurden. Seltener war es so, dass bestehende NGOs auf neue Initiativen zugingen und/oder um Hilfe gebeten wurden. Insgesamt aber war diese Zusammenarbeit nicht weit verbreitet und ist auch nicht zur allgemeinen Praxis geworden. Die in Form von Organisationen bestehende und die nun neu aufkommende Zivilgesellschaft blieben eher zwei Teile der Gesellschaft, die sich nur manchmal begegneten.
Nach der aktiven Phase der Proteste, also seit Dezember 2020, versuchten die Organisationen der Zivilgesellschaft, zu ihren eigentlichen Agenden zurückzukehren oder ihre Agenden an neue Aufgaben anzupassen. Dem stand jedoch eine neue Welle der Repressionen entgegen, die immer stärker eine institutionelle Stoßrichtung hatte und auf die Organisationen des dritten Sektors als solche abzielte. In dieser Phase mussten die NGOs ihre Tätigkeit wieder neu justieren und andere Prioritäten zu setzen.
Logisches Resultat dieser Entwicklung war ein systematisches und ernstliches Problem, nämlich die fehlende Möglichkeit, langfristig unter den sich ständig ändernden widrigen Bedingungen zu planen. In Grafik 1 ist zu erkennen, dass die Tätigkeit der zivilgesellschaftlichen Organisationen in praktisch sämtlichen Phasen der politischen Krise weniger intensiv war als normalerweise.
Probleme, Aufgaben und Bedürfnisse zivilgesellschaftlicher Organisationen in Belarus
In der Phase vor den institutionellen Repressionen bestand eine der wichtigsten Herausforderungen darin, dass die Organisationen angesichts der sich ständig ändernden widrigen Bedingungen ihre Tätigkeit nicht mehr langfristig planen konnten. Als Faktoren, die eine Planung erschweren, wurden in der erwähnten Studie von BIPART nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Organisation selbst genannt, sondern auch die allgemeine Lage im Land, die ebenfalls Einfluss auf die Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren hatte.
Bei der Zusammenarbeit mit dem Staat und mit Regierungsinstitutionen der unterschiedlichen Ebenen erfolgte eine wichtige Veränderung. Zum einen verzichteten Aktivisten der Organisationen aus ethischen Gründen bewusst auf eine Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, wenn diese oder deren Mitarbeiter als Akteure wahrgenommen wurden, die die Repressionen unterstützen und die für ein Regime arbeiten, das seine Legitimität verloren und den Interessen der eigenen Bürger zuwiderhandelt. Vertreter staatlicher Stellen wiederum hörten auf, mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenzuarbeiten, weil sie selbst Repressionen befürchteten, und weil das System sich zunehmend abschottete. Bemerkenswert ist dabei, dass Vertreter der Behörden die Lage in einem gewissen Maße als eine »bedauerliche« bezeichnen, die beendet werden müsse; sie erwarten eine Rückkehr zu jener politischen und bürgerschaftlichen Disposition, die im Land bis 2020 Bestand hatte.
Ein weiteres wichtiges Problem, mit dem die organisierte Zivilgesellschaft zu kämpfen hat, ist die Apathie, die psychische Ermüdung, der »Burnout« der Mitarbeiter:innen und Aktivist:innen. In gewissem Masse ist dieses Problem zivilgesellschaftlichen Akteuren stets eigen gewesen. Angesichts der sich zielstrebig verschlechternden politischen Bedingungen und der Repressionen ist es noch stärker spürbar geworden.
Zu den wichtigen Aufgaben, vor denen zivilgesellschaftliche Organisationen stehen, gehört nun, die Sicherheit ihrer Mitglieder zu gewährleisten. Aus der Studie geht hervor, dass Mitglieder vieler Organisationen wegen ihrer politischen oder bürgerschaftlichen Haltung verfolgt wurden, auch schon vor Beginn der institutionellen Repressionen. Es ist kein Zufall, dass viele Organisationen zur Frage nach den vorrangigen Erfordernissen an erster Stelle die »Gewährleistung der Sicherheit der Mitarbeiter:innen und Aktivisten:innen, wie auch der Organisation als Ganzes« nannten.
Darüber hinaus rückte für die Organisationen in Belarus die Suche nach neuen Formaten in den Vordergrund, in denen sie mit ihren Zielgruppen arbeiten können. Das zeugt von einer gewissen Kluft zu jenen, auf die ihre Arbeit ausgerichtet ist. Interessanterweise nannten die Organisationen als wichtige Aufgabe nicht nur die Lösung von Problemen hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit, sondern auch der Zusammenarbeit mit neu entstandenen Initiativen. Man kann annehmen, dass in der organisierten Zivilgesellschaft (oder zumindest bei einigen ihrer Vertreter:innen) der Gedanke präsent ist, dass es sinnvoll wäre, den neuen Initiativen, die aktive Menschen anziehen und einbinden, ihre besten Praktiken zu vermitteln.
Die genannten Vorstellungen zu den aktuellen Herausforderungen des dritten Sektors lassen sich zu folgenden Blöcken bündeln:
Lösung interner Aufgaben, also die Frage, wie die Organisationen und deren Mitarbeiter:innen / Freiwilligen erhalten bleiben könnten, und wie angesichts der neuen, sich radikal ändernden Bedingungen die Arbeitsprozesse einzurichten wären.Anpassung an die sich stetig verschlechternden Bedingungen, Suche nach neuen Ansätzen, Arbeitsformen, Themen und einer neuen Ausrichtung der Tätigkeit. Außerdem sei die Bestimmung des eigenen Ortes und der Rolle in der veränderten Situation wichtig.Konsolidierung innerhalb des dritten Sektors und Förderung der Verbindungen zu neuen Initiativen und zu Unternehmen sowie die Weiterentwicklung von Kooperation und Solidarität.
Unter den grundlegenden Bedürfnissen, die in der fortschreitenden politischen Krise bei den Organisationen entstanden, sind einige von besonderem Gewicht. Am aktuellsten ist die Aufgabe, die digitale und physische Sicherheit zu gewährleisten und in der ungewissen Lage die Kompetenz zur Arbeitsplanung zu bewahren. Ein wichtiger Bedarf besteht für die Organisationen und die Aktivist:innen darin, dass diejenigen, die den dritten Sektor unterstützen, ihre Anforderungen gegenüber den Empfängerorganisation anpassen. Das gilt vor allem für ausländische Förderorganisationen, da diese angesichts des nahezu vollkommenen Fehlens von Finanzierungsmöglichkeiten innerhalb des Landes die einzige Quelle darstellen, die das Funktionieren der NGOs gewährleistet.
Repressionen gegen die organisierte Zivilgesellschaft
Bei einer qualitativen Einordnung der Repressionen, die gegen die organisierte Zivilgesellschaft erfolgten und erfolgen, lassen sich drei wichtige Richtungen erkennen.
Erosion der menschlichen Ressourcen. Verhaftungen, Geldstrafen, Administrativarreste, Gefängnisstrafen wegen angeblicher Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten, sowie die erzwungene Abwanderung von Leitern und/oder Mitgliedern der NGOs (und mitunter ganzer Organisationen) beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit der Zivilgesellschaft innerhalb von Belarus. Diesem Druck sind Organisationen aus den unterschiedlichsten thematischen Bereichen ausgesetzt. Den größten Druck erfahren die Menschenrechtsorganisationen, doch bedeutet bürgerschaftliches Engagement und Aktivismus de facto in jedem Bereich Gefahr.Verlust der technischen und institutionellen Arbeitsmöglichkeiten: Konfiszierung von Geräten und Unterlagen, Kontensperrungen, verweigerte Veranstaltungsorte, Überprüfungen, formale Auflösung juristischer Personen usw.Beträchtliche Reduzierung / Einschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten. Die Registrierung von Fördermitteln bei der Abteilung für humanitäre Tätigkeiten des Verwaltungsamtes des Präsidenten ist praktisch eingestellt bzw. erfolgt nur sporadisch, ohne erkennbare Logik. Selbst weniger umfangreiche Fördermittel für politikferne oder apolitische Organisationen aus dem sozialen Bereich, die mit vulnerablen Bevölkerungsgruppen arbeiten, werden nicht registriert. Paradoxerweise bedeuten jetzt die früher am stärksten legalisierten Arbeitsbereiche (z. B. die Registrierung von Fördermitteln aus dem Ausland oder die Beteiligung an internationalen Projekten) für Organisationen, die vor der politischen Krise im legal tätig waren, die größte Gefahr. Auf gleiche Weise schmälern sich die Finanzierungsmöglichkeiten für NGOs innerhalb des Landes, da unklar ist, wer, wann und aus welchem Grunde als Staatsfeind gebrandmarkt werden könnte. Gelder für gesellschaftliche Belange zu spenden, wird immer riskanter – sowohl für Unternehmen, wie auch für einfache Bürger:innen. Darüber hinaus wurden praktisch alle im Land tätigen Crowdfunding-Plattformen vernichtet.
In einer solchen Situation steht das Überleben der einst bestehenden Strukturen und die Bewahrung des organisatorischen und menschlichen Potenzials des organisierten dritten Sektors auf drastische Weise in Frage.
Schlussfolgerungen
Die Ereignisse des Jahres 2020 haben auf einschneidende Weise die Beziehungen in der belarusischen Gesellschaft neu strukturiert. Das betraf praktisch alle gesellschaftlichen Gruppen, Bereiche und Institutionen. In einer Phase, als in der Welle der Reaktionen auf das Corona-Virus und der politischen Mobilisierung das in den vorherigen Jahren angesammelte Kapital an Solidarität, bürgerschaftlicher Verantwortung und Selbstorganisation aktualisiert wurde, hat die Zivilgesellschaft in Belarus eine neue Qualität erlangt. Auf dieses im Vergleich zu früher breitere »Erwachen« der Zivilgesellschaft erfolgten umgehend massive Repressionen durch das Regime.
Die Arbeitsbedingungen der Zivilgesellschaft verschlechtern sich unentwegt in sämtlichen Bereichen. Die größte Bedeutung hat der Kollaps des Rechts in Belarus, wobei auch die Verschlechterung der Bedingungen für eine wirtschaftliche Betätigung und die Veränderungen in der Medienlandschaft sehr wichtig sind. Das Regime in Belarus zerstört systematisch die institutionellen Grundlagen einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Bereichen wie auch die Infrastruktur jedweder freien Aktivität. Dabei nimmt es weder auf wirtschaftliche oder Image-Verluste des Regimes Rücksicht noch auf die sozialen und humanitären Folgen für das Land. Das verändert das Muster der Zusammenarbeit der organisierten Zivilgesellschaft mit dem Staat, wie auch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren.
Die zivilgesellschaftlichen Organisationen in Belarus arbeiten derzeit unter extrem widrigen Bedingungen. Für viele NGOs rückt jetzt die Sicherheit ihrer Organisation und ihrer Mitglieder sowie die Bewahrung des organisatorischen und menschlichen Potenzials in den Vordergrund. Der dritte Sektor bleibt ein potenzieller Vermittler für soziale und politische Transformationen im Lande. Seine Rolle beschränkt sich jedoch vor allem darauf, lokale Räume freier Aktivität offenzuhalten sowie die menschlichen Ressourcen sowohl innerhalb wie auch außerhalb des Landes zu bewahren.
Die Einbindung von Aktivist:innen der »neuen Welle« in die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen oder eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen etablierten Organisationen und neuen Initiativen könnte angesichts der gegenwärtigen schwierigen Bedingungen die Weiterentwicklung und Festigung der gesamten Zivilgesellschaft befördern. Eine solche Entwicklung wird allerdings durch die heftigen Repressionen stark erschwert.
Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder