Einführung
Belarus bietet eine gute Grundlage für eine stringente Fallstudie, wie internationale Organisationen angesichts der komplexen Aufgabe einer Förderung guter Regierungsführung in einem autoritären Kontext vorgehen. Der Zeitraum von 2014 bis 2025 bietet analytisch einen besonders reichhaltigen Rahmen, da es sowohl eine Phase einer relativen Öffnung wie auch die einer anschließenden dramatischen politischen Abschottung gab. Internationale Einschätzungen kommen konsequent zu dem Schluss, dass in Belarus ein konsolidiertes autoritäres Regime herrscht, das von institutioneller Schwäche und eingeschränkter Verantwortlichkeit geprägt ist. Das Land verzeichnete bis 2020 allerdings auch merkliche Verbesserungen bei verschiedenen Indizes zur Regierungsführung.
Diese Verbesserungen erfolgten auch aufgrund des Engagements internationaler Akteure, von Finanzinstitutionen (wie der Weltbank und verwandter Strukturen) – die mittels einer technokratischen Förderung guter Regierungsführung operierten und gewöhnlich Kredite erteilten – bis hin zu verschiedenen staatlichen und Nichtregierungsorganisationen, die Fördermittel einsetzen und eine Konditionalität anstreben, um breiter gefasste Prinzipien der Regierungsführung zu stärken. Diese Zuwendungsgeber verfolgen verschiedene Ansätze, um gute Regierungsführung zu fördern, angefangen von einer Zusammenarbeit ausschließlich mit der Regierung bis hin zu einer Distanzierung von ihr und einer Arbeit allein mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, und zwar selbst dann, wenn das betreffende Projekt auf eine Änderung staatlicher Gesetze und Vorschriften abzielt.
Methodologie der Studie
Dieser Artikel basiert auf einer Studie, die von einer Gruppe belarusischer Forscher:innen 2024 und 2025 an der Universität Vilnius im Rahmen des von der EU geförderten Forschungsprojekts »Investigating Good Governance in the Context of Authoritarian Consolidation: The Case of Belarus (InGAC)« durchgeführt wurde. Sie geht der Frage nach, wie internationale Organisationen verschiedene Strategien einsetzten, um mit ihren Projekten gute Regierungsführung in Belarus zu fördern. Und es wird analysiert, wie sich diese Ansätze in Reaktion auf die politische Krise von 2020 und in deren Nachgang entwickelten.
Die Methodologie der Studie verfolgte einen methodisch gemischten Ansatz, der eine Analyse von Dokumenten, die Erstellung von Datenbanken, ein qualitative coding und Daten aus den Interviews umfasst. Am Beginn der Studie stand eine umfassende Sichtung der Literatur, offizieller Dokumente und offen zugänglicher Informationen. Es folgte eine vielfältige Erörterung des Themas mit Expert:innen. Die Forscher:innen stellten eine Datenbank internationaler Organisationen zusammen, die in Belarus gute Regierungsführung fördern. Das Gleiche erfolgte für internationale Indizes, die den Zustand der Regierungsführung in Belarus einordnen. Am wichtigsten war eine umfassende Datenbank über Projekte zur Förderung guter Regierungsführung in Belarus aus den Jahren 2014 bis 2025. Die Projekte wurden nach folgenden Kriterien für diese Datenbank ausgewählt: ausländische Finanzierungsquellen (ausländische Regierungen oder internationale Organisationen), Beteiligung staatlicher belarusischer Akteure als Partner bei der Umsetzung, thematische Konzentrierung auf Komponenten guter Regierungsführung und Projekte, die von 2014 bis 2025 initiiert wurden, und zwar unter Ausschluss rein technischer Infrastrukturprojekte.
Darüber hinaus umfasste die Methodologie eine qualitative Kodierung und eine statistische Analyse der Projektedatenbank, was durch 35 halbstrukturierte Tiefeninterviews ergänzt wurde, die von Juni bis September 2025 online mit ehemaligen belarusischen Staatsangestellten und zivilgesellschaftlichen Aktivist:innen stattfanden, die sich zuvor in Belarus zu diesem Thema engagiert hatten. Die Interviews wurden auch mit Expert:innen und ehemaligen Mitarbeiter:innen von internationalen Organisationen geführt, die im betreffenden Zeitraum in Belarus tätig waren.
Ansätze für eine Förderung guter Regierungsführung
Die Fachliteratur zur Förderung guter Regierungsführung arbeitet zwei grundlegend unterschiedliche theoretische Ansätze zur Evaluierung und Förderung guter Regierungsführung heraus.
- Der erste Ansatz fasst gute Regierungsführung als einen universellen Kanon administrativer Prinzipien auf, die auf Effizienz, Kapazitäten und Stabilität abzielen, unabhängig von der Art des Regimes; dies wird von Forscher:innen wie z. B. Francis Fukuyama vertreten, der die Bedeutung von technischer Kompetenz und administrativer Leistung betont. Aus dieser Perspektive könne die Qualität der Regierungsführung unabhängig von demokratischen Prozessen durch messbare Ergebnisse, etwa die tatsächliche Effizienz der bereitgestellten Dienste oder die Kapazitäten der Bürokratie erfasst werden.
- Der zweite Ansatz betrachtet gute Regierungsführung als ein normativ demokratisches Konstrukt, bei dem Verantwortlichkeit, Transparenz und Partizipation als entscheidende Maßstäbe dienen. Forscher:innen wie Merilee Grindle argumentieren, dass eine Regierungsführung ohne diese demokratischen Elemente nicht als wahrhaft »gut« betrachtet werden kann, selbst wenn sie technisch effizient erscheint.
In der Literatur werden auch beträchtliche kontextuelle Beschränkungen und Widersprüche bei der Förderung guter Regierungsführung behandelt, besonders, wenn sie in autoritären Kontexten erfolgt. Die Forschungsarbeiten von Susan J. Linz zeigen auf, dass eine internationale Unterstützung nicht unbedingt gute Regierungsführung garantiert, selbst wenn eine verbesserte Regierungsführung Vorbedingung für den Erhalt von Hilfsleistungen ist. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Institutionen schwach sind. Matthew Andrews betont, dass eine »gute Regierung in verschiedenen Ländern verschiedene Dinge« bedeuten könne. Er arbeitet heraus, dass die Art eines autoritären Regimes und die Erfassungsindikatoren bei der Abschätzung der Ergebnisse der Regierungsführung von grundlegender Bedeutung sind. Darüber hinaus verweisen Arbeiten von Camilo Nieto-Matiz und Luis Schenoni darauf, dass eine Gewährung ausländischer Hilfe bei autoritären Regimen nur dann im Sinne einer Demokratisierung von Nutzen ist, wenn auch starke demokratische Druckmittel bestehen. Andernfalls würden autokratische Regime lediglich von Einnahmen aus dem Ausland profitieren und dabei die Strukturen ihrer autoritären Kontrolle weiterbetreiben. Das hat Wissenschaftler:innen wie Giselle Bosse zu der Argumentation geführt, dass die Nutznießer:innen sorgsamer ausgewählt und die Verwendung der Hilfsgelder enger überwacht werden muss.
Internationale Akteure verfolgen jeweils bestimmte Strategien, in denen sich diese theoretischen Differenzierungen widerspiegeln. Wir können das als Gegenüberstellung von strukturell-technokratischer Förderung und transformativer Förderung guter Regierungsführung fassen.
Internationale Akteure, die sich an der Förderung guter Regierungsführung in Belarus beteiligen
Typus 1
Akteure, die indirekte strukturell-technokratische Förderung guter Regierungsführung in Belarus betrieben, sind gewöhnlich große internationale Finanzinstitutionen, die eine politisch neutrale und relativ umfangreiche Hilfe (über Kredite) leisteten; diese betraf Initiativen hinsichtlich der Regierungsführung und erfolgte konditional sowie mit Anforderungen in Bezug auf Strukturreformen oder maßgeschneiderte Änderungen bei der Regierungsführung. Diese Institutionen sind:
- Die Weltbank-Gruppe (inkl. Internationaler Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) und Internationaler Finanz-Corporation – IFC);
- Der Internationale Währungsfonds (IWF);
- Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD);
- Eurasische Finanzinstitutionen (Eurasische Entwicklungsbank, Eurasischer Fonds für Stabilisierung und Entwicklung)
Typus 2
Akteure, die eine normativ basierte transformative Förderung betrieben, hatten das Ziel, bei der Regierungsführung substanziellere Änderungen zu erreichen. Dabei wurde der Fokus auf verschiedene Aspekte guter Regierungsführung gelegt, unter anderem auf Prinzipien wie Transparenz, Verantwortlichkeit oder Partizipation. Die Akteure sind hier internationale zwischenstaatliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, z. B.:
- Die Weltbank-Gruppe inkl. IBRD (Infrastrukturprojekte);
- Das Entwicklungsprogramm der VN (UNDP) + Internationale Organisation für Migration (IOM);
- Regionale Organisationen und Institutionen (EU, Europarat, OECD, OSZE)
- Bilaterale Zuwendungsgeber und Entwicklungshilfeorganisationen (US-Regierung/USAID, Schwedische Behörde für Internationale und Entwicklungszusammenarbeit (SIDA), Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – GIZ).
Für den zweiten Typus der transformativen Förderung wurde eine Datenbank mit 89 Projekten für gute Regierungsführung angelegt, die von 2014 bis 2025 in Belarus angegangen wurden. Aus der Analyse der Daten geht hervor, dass die Höchstzahl gestarteter Projekte in das Jahr 2019 fällt; seit 2020 gibt es einen beträchtlichen Rückgang von ein bis drei Projekte pro Jahr.
Die internationalen Akteure, die den Weg direkter normativ basierter Förderung wählten, haben im untersuchten Zeitraum 753,24 Millionen Euro in Förderprojekte für gute Regierungsführung investiert, ebenfalls mit einem abrupten Rückgang nach 2020.
Hier ist zu erwähnen, dass von diesen 753,24 Millionen Euro 616,9 Millionen (81,9 %) über Projekte der Weltbank bereitgestellt wurden. Viele dieser Projekte hatten eine beträchtliche Infrastruktur-Komponente. So belief sich das Projekt »Transit Corridor Improvement«, das von 2015 bis 2022 umgesetzt wurde, auf 221,9 Millionen Euro und umfasste auch die Modernisierung von Teilen der Fernstraße M 6 zwischen Hrodna und Minsk. Mit dem Projekt sollte allerdings auch die Abwicklung der Grenzkontrolle verbessert werden. Ein weiteres Beispiel ist ein Projekt zur Modernisierung des Gesundheitswesens in Belarus, das von 2017 bis 2023 betrieben wurde und ein Fördervolumen von 111,6 Millionen Euro hatte. Eine der Komponenten war die Modernisierung der Geburtshilfe und Neugeborenen-Pflege am Republiks-Forschungs- und Praxiszentrum »Mutter und Kind« in Minsk. Das Projekt sah auch die Einrichtung eines landesweiten integrierten medizinischen Informationssystems und die Entwicklung eines zentralen klinischen Entscheidungshilfesystems vor, mit dem die effektive und richtige Nutzung medizinischer Informationen gewährleistet werden soll.
Lässt man die Projekte der Weltbank unberücksichtigt, deren Finanzierung sich auf Dutzende und in einigen Fällen auf Hunderte Millionen Euro belief, ergibt sich ein etwas gleichmäßigeres Bild. So wurden 2014 neue Projekte mit einem Volumen von 25 Millionen Euro gestartet, 2015 waren es 4,8 Millionen, 2016 waren es 10,1 Millionen, 2017 waren es 10,9 Millionen, 2018 waren es 33,6 Millionen und 2019 waren es 30,1 Millionen Euro. Der anschließende Rückgang nach 2020 bleibt bezeichnend.
Nach Anzahl der aufgelegten Projekte waren von 2014 bis 2025 die wichtigsten Geberinstitutionen die EU bzw. die Europäische Kommission, das UNDP, die Weltbank (über die IBRD) und SIDA.
Ansätze für die Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren in Belarus
Die oben erwähnten Akteure bei der Förderung guter Regierungsführung (mit strukturell-technokratischer Förderung wie auch mit transformativem Förderungsansatz) verfolgten verschiedene Strategien der Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren und NGO-Partner:innen in Belarus. Diese Strategien können nicht in eine starre Klassifizierung gebracht werden, sondern bilden ein Kontinuum von Ansätzen, das von tiefgreifender und nachhaltiger Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen bis zu exklusiver Kooperation mit der Zivilgesellschaft oder dem privaten Sektor reicht.
1. Enge Zusammenarbeit nach 2020–2022 fortgesetzt
- Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP)
- Internationale Organisation für Migration (IOM)
- Internationale Atomenergiebehörde (IAEA)
- Weltverband der Kernkraftwerkbetreiber (WANO)
- Kernenergieagentur (in der OECD)
Das eine Ende dieses Spektrums markierten Organisationen, die im gesamten Zeitraum eine enge und ununterbrochene Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen in Belarus unterhielten – auch während der politischen Krise. Vor 2020 unternahmen das UNDP und andere UN-Organisationen gemäß ihren Mandaten sehr aktiv eine Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren in Belarus. Nach der politischen Krise blieben sie gewichtige Akteure bei der Förderung guter Regierungsförderung in der reduzierten Landschaft ausländischer Geber und setzten einige Projekte in Gang, die sich auf die Bereiche Soziales, Umwelt und lokale Entwicklung fokussierten. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) zeigte nach 2020 das beharrlichste Engagement durch Projekte beim Umgang mit Migrant:innen, Arbeitsmigration und Grenzmanagement. Dabei hatte sie unmittelbar das belarusische Innenministerium und das Staatliche Grenzkomitee als Partner. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) unterhielt eine aktive Zusammenarbeit, die sich ausschließlich auf die Bereiche atomare Sicherheit und Atomenergie beschränkte. Sie arbeitete über technische Hilfe und ein Sicherheitsmonitoring direkt mit den entsprechenden Ministerien und dem belarusischen Atomkraftwerk bei Astrawez zusammen. Zwei andere Organisationen aus dem Neklearbereich, der Weltverband der Kernkraftwerksbetreiber (WANO) und die Kernenergieagentur hielten über Partnerschaften mit den entsprechenden belarusischen Ministerien und Aufsichtsbehörden eine technische Partnerschaft aufrecht.
2. Aktive Zusammenarbeit bis 2020–2022, die danach ausgesetzt wurde
- Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ)
- Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)
- Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
Eher in der Mitte des Spektrums befanden sich Organisationen, die bis 2020/2022 eine extensive multisektorale Zusammenarbeit sowohl mit staatlichen Institutionen wie auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen unterhielten, dann aber die Arbeit mit staatlichen Stellen einstellten oder die Förderung dann ausschließlich in Richtung von Nichtregierungspartnern umleiteten. Die EU, die früher nach der Anzahl der Projekte die aktivste Unterstützerin war (35 umfassende Projekte mit einem Volumen von 67,7 Millionen Euro), wobei dies bis 2020 in den Bereichen Entwicklung der Infrastruktur, Umweltinitiativen, Kultur, Migrationssteuerung und Wirtschaftspolitik erfolgte, setzte ihre Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen aus und richtete ihre finanzielle Unterstützung an zivilgesellschaftliche Organisationen, die oft nicht innerhalb von Belarus, sondern aus dem Ausland agieren. Die Aktivität des Europarates in Belarus war begrenzter als in anderen Ländern der Östlichen Partnerschaft der EU, da Belarus kein Mitglied des Europarates ist. Es war eine schmalere Zusammenarbeit, die sich eher auf bestimmte rechtliche Initiativen konzentrierte, denn auf umfassende Programme zur Regierungsführung. Diese Zusammenarbeit wurde nach Beginn der politischen Krise eingefroren. Die deutsche GIZ unterhielt bis 2022 auf hohem Niveau eine Zusammenarbeit in mehreren Bereichen, unter anderem bei der wirtschaftlichen Entwicklung, der Reform der öffentlichen Verwaltung und der Unterstützung der Zivilgesellschaft. Dann wurden die Operationen wegen der politischen Entwicklungen und der Einschränkungen für deutsche Organisationen ausgesetzt. Die EBRD unterhielt bis 2022 eine aktive Zusammenarbeit über große kommunale und Infrastrukturprojekte (die sich vor allem auf die Einführung kommerzieller Prinzipien in öffentlichen Versorgungsbetrieben konzentrierte), setzte jedoch 2022 ihre Aktivitäten aus. Die OECD arbeitete bis 2022 mit Belarus über eine Reihe gemeinsamer Projekte zusammen. Sie erwähnte Belarus in ihren Berichten und Untersuchungen an prominenter Stelle, stellte aber dann ihr Engagement wegen der politischen Entwicklungen ein.
3. Zusammenarbeit vorwiegend mit nichtstaatlichen Akteuren
- Schwedische Behörde für Internationale und Entwicklungszusammenarbeit (SIDA)
- Die Internationale Finanz-Corporation (IFC)
Am anderen Ende des Spektrums befanden sich Organisationen, die den gesamten Zeitraum über mit Nichtregierungspartnern zusammenarbeiteten: mit NGOs, Banken und privaten Unternehmen, und die entweder vom Zuschnitt her oder aufgrund der Beschränkungen eine Zusammenarbeit mit belarusischen staatlichen Institutionen mieden. SIDA unternahm bis 2020 eine Reihe guter Projekte zur Förderung guter Regierungsführung, die beispielsweise die Entwicklung der Steuerberatungsdienste in Belarus unterstützte und eine Zusammenarbeit mit der Präsidialen Akademie für öffentliche Verwaltung beinhaltete. Doch bereits vor der politischen Krise arbeitete SIDA eher mit NGOs und Akteuren des privaten Sektors zusammen. Die Projekte konzentrierten sich auf Menschenrechte, Gendergleichheit und Bürger:innenpartizipation. Nach der Krise von 2020 setzte SIDA ihre Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen in Belarus vollkommen aus und richtete ihre Unterstützung ausschließlich auf zivilgesellschaftliche Akteure. Die Regierung der USA finanzierte einige Projekte zur guten Regierungsführung, die vom UNDP in Partnerschaft mit belarusischen Behörden umgesetzt wurden. Der wichtigste Fokus lag allerdings – vorwiegend über USAID – auf der Arbeit mit NGOs, Medien sowie zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen, und nicht auf der mit staatlichen Institutionen. Die Internationale Finanz-Corporation verfolgte konsequent einen Bottom-Up-Ansatz, stärkte private Unternehmen und Banken, um über Kredite, Kapitalbeteiligungen und Consulting-Dienste ohne unmittelbare Partnerschaft mit staatlichen Stellen bessere Standards der Unternehmensführung zu etablieren.
Der Faktor Russland
Bemerkenswert ist auch, dass Organisationen, die in unterschiedlicher Intensität eine direkte Zusammenarbeit mit dem Staat unterhielten, auch jene, die das selbst nur in geringem Maße taten (etwa SIDA und die US-Regierung), oft als Unterstützer für Organisationen auftraten, die ihrerseits intensiv mit den Behörden in Belarus zusammenarbeiteten (etwa das UNDP). Nach der Krise von 2020 setzten viele UN-Organisationen ihre Tätigkeit unverändert fort, nun allerdings mit einer Finanzierung aus Russland, die jene aus dem Westen ersetzte. Die Einrichtung des Multi-Partner Trust Fund Office (Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen für Belarus zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung), das seit 2022 von Russland mit 1,7 Millionen Euro unterstützt wird, um auf nationaler und lokaler Ebene die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) zu erleichtern, steht exemplarisch für diesen Wandel. Darüber hinaus sind Institutionen wie die Eurasische Entwicklungsbank und der Eurasische Fonds für Stabilisierung und Entwicklung, die sich früher in ihrer Zusammenarbeit auf Banken und Unternehmen konzentriert hatten, wobei sie den Finanzsektor unter minimaler direkter Beteiligung des Staates unterstützten, nach dem Rückzug westlicher Institutionen nun zu alternativen Finanzierungsquellen geworden.
Schlussfolgerungen
Die Analyse der Förderung guter Regierungsführung in Belarus in den Jahren 2014 bis 2025 ergibt, dass internationale Akteure zwei unterschiedliche Förderungsstrategien verfolgen, durch die ihr Engagement in diesem autoritären Kontext bestimmt wurde. Der erste Strategietyp, eine strukturell-technokratische Förderung, wurde vor allem von großen internationalen Finanzinstitutionen verfolgt, unter anderem von der Weltbank-Gruppe (IBRD und IFC), dem IWF, der EBRD und eurasischen Finanzinstitutionen (Eurasische Entwicklungsbank und Eurasischer Fonds für Stabilisierung und Entwicklung). Diese Akteure boten umfangreiche, politisch neutrale Unterstützung durch Kredite mit einem Konditionalitätsrahmen, wobei der Fokus auf Effizienz, administrativen Kapazitäten und Strukturreformen lag, ohne explizit eine demokratische Transformation anzustreben.
Der zweite Strategietyp, eine transformative Förderung, wurde von Akteuren eingesetzt, die eine substanziellere Änderung der Regierungsführung anstrebten, wobei der Fokus explizit auf demokratischen Prinzipien wie Transparenz, Verantwortlichkeit und Partizipation lag. Das kennzeichnete die Arbeit der VN-Organisationen (UNDP, IOM, ILO, Wirtschaftskommission für Europa), regionaler Organisationen (EU, Europarat, OECD, OSZE) sowie bilateraler Geldgeber (USAID, SIDA, GIZ), die sowohl Kredite und Fördermittel als auch eine Projektförderung bereitstellten und dies mit der normativen Konditionalität verknüpfen, dass breitere Reformen der Regierungsführung unternommen werden müssen.
Die ausländischen bzw. internationalen Akteure, die eine transformative, normativ basierte Förderung einsetzten, haben von 2014 bis 2025 wenigstens 753,24 Millionen Euro für Projekte zur Förderung guter Regierungsführung aufgewandt, allerdings mit einem abrupten Rückgang nach 2020.
Neben diesen beiden Strategietypen lassen sich internationale Akteure auf einem Spektrum von Kooperationsstrategien in Bezug auf staatliche Stellen in Belarus einordnen. Das Spektrum reicht von nachhaltiger tiefgreifender Zusammenarbeit bis hin zu einer Konzentration ausschließlich auf die Zivilgesellschaft. An einem Ende des Spektrums unterhielten UN-Organisation – insbesondere das UNDP und die IOM – sowie Organisationen aus dem Nuklearbereich (der WANO, die IAEA und die NEA) über den gesamten Zeitraum eine ununterbrochene Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen, auch während der politischen Krise. Eher in der Mitte des Spektrums waren Akteure zu finden, die bis 2020/2022 eine extensive multisektorale Zusammenarbeit mit dem Staat und der Zivilgesellschaft unterhielten, danach jedoch die Zusammenarbeit mit dem Staat aussetzten. Beispiele hierfür sind die EU, die GIZ, die EBRD, die OECD und der Europarat. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich Akteure, die im gesamten Zeitraum relativ wenig mit dem Staat zusammenarbeiteten und vor allem mit nichtstaatlichen Partnern (Zivilgesellschaft oder privater Sektor) kooperierten. Das trifft auf SIDA, Strukturen der US-Regierung und die IFC zu.
Die politische Krise von 2020/2022 hat diese Landschaft grundlegend verändert: Nur Organisationen, die zuvor eine hochrangige Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen in Belarus gepflegt hatten, setzten diese auch fort, nun allerdings ausschließlich über rein technische und nichtpolitische Projekte. Gleichzeitig haben Institutionen, die einen breiteren Ansatz bei der Regierungsführung verfolgt hatten, ihre Tätigkeit entweder ausgesetzt oder ihre Förderung umgelenkt, indem sie jetzt zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen (die oft aus dem Ausland herausarbeiten); das stellt einen vollständigen Strategiewechsel von Zusammenarbeit hin zu einer Distanzierung dar.
In der Zeit nach der politischen Krise erfolgte zudem ein grundlegender Wandel bei den Finanzierungsquellen: Eine russische Finanzierung über Mechanismen wie das Multi-Partner Trust Fund Office und eurasische Finanzinstitutionen hat die Unterstützung aus dem Westen abgelöst, wobei es weiterhin technische Projekte bleiben, die von Strukturen der Vereinten Nationen umgesetzt werden.
Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder