Gemüseproduktion und -vermarktung in Polen

Von Vera Belaya (Halle (Saale)/ Braunschweig), Maryna Mykhaylenko (Halle (Saale)), Patrick Schenkenberger (Bad Schmiedeberg)

Zusammenfassung
Die Gemüseproduktion spielt in der polnischen Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Polen nimmt den vierten Platz in der EU-Gemüseproduktion ein, allerdings mangelt es noch an der Produktivität vieler landwirtschaftlicher Betriebe in Polen. Die EU-Qualitätsanforderungen und die Anforderungen seitens der verarbeitenden Industrie haben den Industrialisierungsprozess bei den Agrarproduzenten befördert. Gleichzeitig hat das schnelle Wachstum der polnischen Lebensmittelindustrie Investitionen in den Lebensmittelsektor angeregt. Neben lokalen und nationalen Handelsunternehmen sind globale Einzelhändler in den polnischen Markt eingetreten, was die einheimischen Unternehmen angespornt hat, die modernen Verkaufskonzepte der internationalen Unternehmen für sich fruchtbar zu machen. Trotz der rasanten Entwicklung des Einzelhandelssektors sind jedoch das derzeit ineffiziente Vertriebsnetzwerk und die schlechte Infrastruktur Störfaktoren für den allgemeinen Wachstumstrend der Gemüseproduktion und -vermarktung.

Gemüseanbau und -produktion

In der polnischen Landwirtschaft spielt die Gemüseproduktion eine wichtige Rolle. Zudem hat sie einen hohen Stellenwert für die europäische Gemüseproduktion. Nach Italien, Spanien und Frankreich liegt Polen auf Platz 4 in der europäischen Gemüseproduktion. Mit einem Anteil von 9 Prozent am Gemüseverbrauch ist Polen der viertgrößte Verbraucher in der EU. Polen ist der größte Erzeuger von Kartoffeln, Rote Bete, Kohl und Karotten und nimmt in der Produktion von Gurken und Zwiebeln den zweiten Platz in der EU ein.

In Polen werden ungefähr 40 Gemüsearten gewerblich kultiviert, aber nur wenige spielen eine wichtige Rolle in der Struktur der nationalen Gemüseproduktion. Dazu gehören Kartoffeln, Kohl, Tomaten, Karotten, Rote Bete, Zwiebeln, Gurken und Blumenkohl. Von den über 980 verschiedenen Gemüsesorten, die im nationalen Register Polens eingetragen sind, ist die Hälfte ausländischer Herkunft. Die Hauptgemüsearten können nach deren Verwendungszweck in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden: 1) Gemüse zur Weiterverarbeitung, wie Tomaten, Erbsen, Bohnen, Gurken; 2) Gemüse zur Direktvermarktung und/oder Lagerung, wie Zwiebeln, Karotten, Kohl; 3) Saisongemüse, wie Tomaten, Paprika, Gurken, Blattgemüse, Radieschen.

Die Kultivierung von Freilandgemüse erfolgt zu über 90 Prozent in der privaten Landwirtschaft.

Die Anzahl der in Polen existierenden Gemüseanbaubetriebe beträgt insgesamt über 600.000, inklusive größerer Schrebergärten, die in die Anzahl der Betriebe eingerechnet sind. Von diesen Betrieben sind etwa 32.000 Betriebe mehr als 1 Hektar groß, etwa 4.500 Betriebe sind über 5 Hektar groß. Ein hemmender Faktor für die Leistungsfähigkeit der Gemüse anbauenden Betriebe in Polen ist die Qualität der Böden, die schlechter ist als die durchschnittliche Bodenqualität in der EU.

In den Jahren 2004–2007 betrug die Gemüseproduktion in Polen etwa 5,5 Millionen Tonnen, was zirka 9 Prozent der gesamten Gemüseernte in der EU-27 ausmachte. Im Wirtschaftsjahr 2010/2011 hat die ungünstige Wetterlage einen Rückgang der polnischen Obst- und Gemüseproduktion verursacht. Dabei blieb die Produktion der konservierten Gemüseerzeugnisse auf dem Niveau von 1 Million Tonnen. In der Produktion von getrocknetem Gemüse und konzentrierten Tomatenprodukten (Soße, Suppe, Tomatenmark) konnte ein Rückgang beobachtet werden.

Seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union im Jahr 2004 muss das in Polen erzeugte Gemüse die strengen EU-Qualitätsanforderungen und die Gesetze zur Nahrungsmittelsicherheit erfüllen. Die Anpassung an die EU-Anforderungen hat die Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe beschleunigt und viele Kleinerzeuger vom Markt eliminiert. Die Anforderungen, die seitens der verarbeitenden Industrie gestellt werden, haben den Industrialisierungsprozess bei den Agrarproduzenten intensiviert.

Die Produktivität der polnischen landwirtschaftlichen Betriebe ist im Allgemeinen immer noch nicht hoch. Deshalb sind für den polnischen Gemüseanbau die Verbesserung und der Ausbau der vorhandenen landwirtschaftlichen Infrastruktur erforderlich, insbesondere auch in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur und Wasserversorgung. Dazu kommt die Notwendigkeit eines gut entwickelten, konkurrenzfähigen Lieferantennetzes und kommerzieller Unternehmen, die den Handel mit den landwirtschaftlichen Produkten beschleunigen sowie den Transport und Lagerungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Insbesondere sind der Ausbau und die Modernisierung der Lebensmittel verarbeitenden Industrie notwendig, um die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten zu stärken und zu stabilisieren.

Eine der aktuellen Tendenzen in der Lebensmittelindustrie besteht in der Konsolidierung von Vermögenswerten: Große Unternehmen übernehmen kleinere Firmen. Für Einzelhändler bleiben dabei nach wie vor landwirtschaftliche Betriebe die präferierte Zielgruppe, da es für diese einfacher ist, sich an die neuen Qualitäts- und Produktionsanforderungen des internationalen Einzelhandels anzupassen. Aber der Mangel an großen landwirtschaftlichen Betrieben führt dazu, dass die Einzelhändler gezwungen sind, auf viele kleine landwirtschaftliche Erzeuger zurückzugreifen. Veränderungen im Sektor der Lebensmittelverarbeitung wirken sich durch den damit steigenden Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten positiv auf den polnischen Agrarsektor aus. Desungeachtet ist die polnische Landwirtschaft zurzeit noch weit davon entfernt, die Nachfrage nach den für die Lebensmittelverarbeitung benötigten Ausgangsprodukten befriedigen zu können. Internationale Supermarktketten sind dennoch darauf angewiesen, lokal verfügbare Ressourcen und Güter zu nutzen, da der Warenimport von ausländischen Unternehmen zum Teil durch die erhobenen Steuern und Zölle erschwert wird.

Schließlich sind die Qualitätsanforderungen des Einzelhandelssektors und der von multinationalen Unternehmen ausgehende Wettbewerbsdruck Faktoren, die den Lebensmittelsektor voranbringen. Eine Vielzahl von Unternehmen hat infolge dessen schon ihre Technik und Ausrüstung auf den neuesten Stand gebracht. Viele polnische Lebensmittel verarbeitende Unternehmen konzentrieren sich darauf, die internationalen Qualitätsstandards zu erfüllen, und sind aus diesem Grunde ständig auf der Suche nach qualitativ hochwertigen Zutaten. Die Kombination aus in- und ausländischen Investitionen hat zu einer hohen Dynamik in diesem Sektor geführt, so dass er einen bedeutenden Markt für Anbieter von Rohzutaten und anderen Inputs darstellt.

Der Gemüsekonsum

Das real verfügbare Einkommen der polnischen Bevölkerung wächst beständig. Polens Bruttoinlandsprodukt stieg im Jahr 2010 um 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Eine immer größere Anzahl von polnischen Verbrauchern mit einem steigendem Einkommen und klaren Präferenzen im Konsumbereich legt großen Wert auf Qualität und Sicherheit und treibt somit die Nachfrage nach internationalen Produkten von hoher Qualität in die Höhe. In den polnischen Groß- und Mittelstädten ist die Entstehung einer breiten Mittelschicht zu beobachten, die sich deutlich an westlichen Marken, Moden und Trends orientiert und westliche Konsumgewohnheiten und Lifestyle kopiert. Diese Entwicklung bietet viele Einstiegschancen für westeuropäische Investoren.

Das Einkommensniveau in den polnischen Haushalten steigert auch die Nachfrage nach qualitativ hochwertigem frischen Gemüse. 2007 betrug der Konsum von frischem Gemüse in Polen 5,2 Millionen Tonnen. Der Pro-Kopf-Verbrauch von frischem Gemüse in Polen betrug 136 Kilogramm und lag damit wenig unter dem EU-Durchschnitt von 140 Kilogramm. Das wachsende Angebot an heimischen Tomaten hatte sinkende Preise auf den polnischen Märkten zur Folge. Immer noch sind Tomaten aus der heimischen Produktion teurer als die importierte Ware. Doch die konstante Nachfrage nach polnischen Tomaten auf dem Binnenmarkt ist durch die lokale Produktion, ein besseres Aussehen und den intensiveren Geschmack im Vergleich zu den Importen, beispielsweise aus Spanien, bedingt. Trotz vieler Importe aus westlichen EU-Ländern wie den Niederlanden oder Spanien wird die polnische Nahrungsmittelindustrie hauptsächlich mit den einheimischen Produkten versorgt.

In den Städten ist das Einkommensniveau höher als in ländlichen Gebieten, was einer der Gründe für den doppelt so hohen Lebensmittelkonsum der Stadtbevölkerung ist. In der Vergangenheit hatte die polnische Bevölkerung häufig negative Erfahrungen mit preiswerten Produkten geringer Qualität gemacht und schätzt deswegen die hohe Qualität westlicher Produkte, für die die Konsumenten auch bereit sind, einen entsprechend höheren Preis zu zahlen. In ihrem Lebensmittelkonsum sind die polnischen Verbraucher außerdem immer gesundheitsbewusster. Bio-Lebensmittel gewinnen zunehmend an Popularität in Polen. Jedoch ist der polnische Markt für Bio-Produkte noch relativ klein im Vergleich zu den westeuropäischen Märkten. Die Entwicklung von Eigenmarken ist ein weiterer Bereich, in dem mehr Wettbewerb zwischen internationalen und einheimischen Einzelhändlern zu erwarten ist. Laut Managern diverser Handelsunternehmen ist die Entwicklung von Eigenmarken ein profitables Projekt, das erlaubt, Produkte bis zu 20 Prozent billiger als die Markenwaren der Hersteller zu verkaufen. Beispielsweise hat Metro Cash & Carry vor, bis zum Jahr 2012 den Anteil der Eigenmarken im Gesamtverkauf um 10 bis 20 Prozent weltweit zu erhöhen.

Das bemerkenswerte Wirtschaftswachstum und die Kaufgewohnheiten der polnischen Konsumenten bergen viele Möglichkeiten für eine erfolgreiche Entwicklung des Einzelhandels. In Kombination mit einer vernünftigen Steuer- und Finanzpolitik wurde die polnische Wirtschaft sehr attraktiv für ausländische Investoren. Das schnelle Wachstum der polnischen Lebensmittelindustrie hat aktive Investitionen in den Lebensmittelsektor angeregt. Außerdem hat der Anstieg der Konsumausgaben und des Lebensmittelkonsums in Polen Investitionen in die verarbeitende Lebensmittelindustrie und in den Lebensmitteleinzelhandel noch zusätzlich begünstigt.

Vermarktungsstrukturen

Polen ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte unter den Ländern Mittel- und Osteuropas. Die allgemein steigende Kaufkraft der zirka 38 Millionen Einwohner und eine wachsende Mittelschicht, die als Zielgruppe für international tätige Produzenten und Handelsunternehmen immer interessanter wird, sorgten in den letzten Jahren für ein bemerkenswertes Wachstum im Lebensmitteleinzelhandel. Die Internationalisierung des Lebensmitteleinzelhandels und der Lebensmittelherstellung, die in den Industrieländern Einzug gehalten hat, ist nun auch in Polen angekommen. Landwirte und Politiker bemühen sich, die von modernen Herstellern und Einzelhändlern ausgehende neue Nachfrage nach Lieferketten vor Ort zu befriedigen. Die relativ geringen regulatorischen Eingriffe in die von Konsumenten bestimmte Wirtschaft, ihre niedrige Entwicklung und geringer Sättigungsgrad machen polnische Märkte attraktiv für globale Unternehmen. Folglich haben globale Einzelhändler ihre Aktivitäten in Polen in der letzten Zeit beschleunigt.

Ein zersplitterter Absatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse stellt ein Problem für polnische Obst- und Gemüseproduzenten dar. Die Erzeugerorganisationen sind immer noch nicht ausreichend entwickelt und an die Marktbedürfnisse angepasst. Nur etwa ein Prozent des Gesamtwertes der Gemüseproduktion wird über diese Organisationen vermarktet. Der Gemüsehandel Polens wird immer noch von kleinen Läden dominiert, die etwa 38 Prozent der gesamten Handelsoperationen im Lebensmitteleinzelhandel verwirklichen. Aber die großen Handelsketten und Discounter zeigen eine immer stärkere Präsenz auf dem polnischen Markt. Im Jahr 2008 fanden in dieser Kategorie Handelsorganisationen 28 Prozent des gesamten Handels statt.

Der polnische Einzelhandelsmarkt wird von kleinen und mittelgroßen traditionellen Geschäften, offenen Märkten, Kiosken und anderen Spezialläden in geeigneter Lage sowie Konsumgütermärkten, die Produkte zu niedrigen Preisen anbieten, dominiert. Große Einkaufszentren befinden sich meistens in den Außenbezirken der Großstädte. Kleinere Handelsmärkte wie Plus, Minimal, Biedronka, Billa etc. findet man vorwiegend in den Städten mit bis 100.000 Einwohnern. Neben Supermärkten und Discountern finden sich auch kleine Läden und Kioske, in denen man außer Obst und Gemüse auch Milchprodukte, Getränke und weitere Grundnahrungsmittel kaufen kann. Obwohl Super-, Verbraucher- und Discountmärkte im ganzen Land nur so aus dem Boden geschossen sind, bleibt ihr Marktanteil noch bedeutend hinter dem zurück, den diese Formate in den meisten anderen fortgeschritten Einzelhandelsmärkten haben. Oft ziehen es polnische Verbraucher vor, Gemüse in kleinen Läden und Kiosken zu kaufen. Eine angeblich kürzere Lieferkette und folglich auch frischeres Gemüse bei dieser Art von Verkaufsstätten stellt für viele Konsumenten ein wichtiges Entscheidungskriterium dar. Ein weiterer Vorteil dieser kleinen Läden sind ihre flexiblen Öffnungszeiten; in Großstädten haben sie meistens 24 Stunden geöffnet. Über die Hälfte der polnischen Konsumenten erledigen ihre Einkäufe beim traditionellen Kleinhändler in Wohnortnähe in einer Entfernung von maximal 10 Minuten und nicht in den großen Supermärkten oder Hypermärkten. Marktexperten glauben, dass der Einzelhandel im Obst- und Gemüsesektor in Polen über ein starkes und ausbaufähiges Potential verfügt. Eine immer stärkere Position nehmen die internationalen Lebensmitteleinzelhändler in den Wertschöpfungsketten ein.

Ein Trend im Lebensmitteleinzelhandelssektor Polens geht hin zu noch stärkerer Konsolidierung, meistens in Form von Zusammenschlüssen und Akquisitionen. Die schnell voranschreitende Konsolidierung aller Sektoren der Lebensmittelindustrie setzt sich mit dem fortschreitenden Prozess der Integration von kleineren Unternehmen in größere Holdinggesellschaften fort. Aufgrund dessen verringert sich die Anzahl der Einzelhandelsketten, während der Umsatz der großen Einzelhandelsketten rapide ansteigt. Neben den international erfahrenen Unternehmen spielen jedoch auch die einheimischen Unternehmen eine große Rolle. Deswegen müssen sich westliche Unternehmen, die auf dem polnischen Markt Fuß fassen möchten, auch dem Wettbewerb mit den einheimischen Unternehmen stellen.

Die Einzelhändler, die in Polen operieren, können in drei Hauptgruppen eingeteilt werden, das sind globale, nationale und lokale Unternehmen. Manche der nationalen Einzelhändler zeigen Ambitionen, in Nachbarländer zu expandieren. Lokale oder regionale Einzelhändler decken nur dicht beieinander liegende Städte ab.

Heute zählen internationale Supermarktketten wie Metro Group mit Cash & Carry (Makro) und Real sowie Géant, Kaufland, Carrefour, Auchan, Lidl und Netto zu den Top-Einzelhandelsunternehmen in Polen. Diese Unternehmen unterhalten sowohl Geschäftsbeziehungen zu großen Zulieferern, die polenweit agieren, als auch zu Zulieferern, die nur regional beschränkt operieren. Sie helfen lokalen Unternehmen und landwirtschaftlichen Produzenten auf verschiedene Art und Weise, z. B. durch das Angebot einer kostenlosen Betriebsprüfung. Dadurch bietet sich Zulieferern die Möglichkeit, ihre eigenen Standards in Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit internationalen Standards zu überprüfen und auf diese Weise ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Lebensmittelhändler und Supermarktketten haben oft Schwierigkeiten, leistungsfähige einheimische Lieferanten zu finden, die im Stande sind, ausreichende Mengen an Obst und Gemüse in hoher Qualität zu liefern. Da die Qualität der Zulieferungen aus der Landwirtschaft nicht immer den Ansprüchen ausländischer Lebensmittelfabrikanten genügt, importieren manche von ihnen entsprechende Zutaten aus dem Ausland. Unternehmen wie der Metro-Konzern werden als »Kettenkapitäne« angesehen, die ihre Lieferanten koordinieren und die Prozess-Standards entlang der ganzen Wertschöpfungskette setzen. In strategischer Hinsicht ist die Koordinationsfähigkeit des Kettenkapitäns der entscheidende Erfolgsfaktor für die gesamte Wert­schöp­fungsket­te. Da die Le­bens­mit­telskan­da­le der letz­ten Jah­re ge­zeigt ha­ben, dass Qua­li­tät nur durch das Zu­sam­men­spiel der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te (Pri­mär­pro­duk­ti­on – Lo­gis­tik – Pro­duk­ti­on – Han­del) er­reich­bar ist, haben Kettenkapitäne Qua­li­täts­kon­zep­te er­stellt, die un­ter­neh­mens­über­grei­fend aus­ge­rich­tet sind. Hierbei sind insbesondere die Einhaltung globaler Qualitätsstandards, die Etablierung effizienzorientierter Managementansätze sowie die Etablierung von Handelsmarken von herausragender Bedeutung. Gemeinsames Merkmal dieser drei Trends ist eine unternehmensübergreifende Ausrichtung des Managements der Wertschöpfungskette.

Aufgrund seiner unbestrittenen Bedeutung ist der Lebensmitteleinzelhandel in der Lage, seine ursprünglichen Geschäftsmodelle langfristig auch im Ausland umzusetzen. Die Expertise im Bereich Qualitäts- und Wertschöpfungskettenmanagement verschafft den internationalen Handelsunternehmen gegenüber den polnischen Unternehmen einen großen Wettbewerbsvorteil. Aber langsam erreichen die polnischen Firmen das Entwicklungs- und Qualitätsniveau der westlichen Unternehmen und somit die Anerkennung bei den Verbrauchern. Jedoch stellen die kulturellen und sozialen Unterschiede zwischen den westlichen und den polnischen Konsumenten die ausländischen Händler vor große Herausforderungen. Die internationalen Händler kennen den Markt und die Konsumenten nicht so gut, wie dies bei den einheimischen Unternehmen der Fall ist, da ihnen die Marktstrukturen und die Mentalität und das Konsumverhalten der polnischen Verbraucher oft nicht vertraut sind. Die Entwicklung des »organisierten Einzelhandels« hat weitere Impulse bekommen, seit internationale Einzelhändler den polnischen Markt für sich entdeckt haben. Viele polnische Wettbewerber konnten ähnliche Wachstumsraten verzeichnen. Einheimische Unternehmen begannen schnell damit, die modernen Verkaufsmethoden und -konzepte der internationalen Einzelhandelsunternehmen anzuwenden, um auf deren Markteintritt angemessen reagieren zu können. Polnischstämmige Einzelhandelsunternehmen expandieren, stärken ihre Wertschöpfungs- und Vertriebsketten und arbeiten an ihren Kundenbeziehungen, um größere und langfristig stabile Marktanteile zu gewinnen.

Trotz der rasanten Entwicklung des Einzelhandelssektors könnten solche Faktoren wie das derzeitig noch ineffiziente Vertriebsnetzwerk und die schlechte Infrastruktur den allgemeinen Wachstumstrend stören. Dass die Fähigkeit lokaler Hersteller, städtische Märkte zu erobern und mit internationalen Anbietern zu konkurrieren, stark von der Qualität der Straßen abhängt, die diese Märkte mit den Produktionsstandorten auf dem Land verbindet, könnte die Entwicklung der Lebensmittelwertschöpfungsketten in ländlichen Regionen und äußeren Stadtbezirken in Polen hemmen. Aus diesem Grund stellen die weiten Entfernungen in Kombination mit dem schlechten Zustand der Straßen – was sich in hohen Kosten für die Logistik niederschlägt – die größte Herausforderung für landwirtschaftliche Zulieferer dar.

Gemüseaußenhandel

Unter den genannten Bedingungen erhöht Polen den Gemüseexport. Die Gemüseexporte sind im Jahr 2008 laut Angaben der Marktagentur fresh-market um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. In der Zeit von Januar bis September 2008 betrug der Export von frischem Gemüse 508.000 Tonnen im Gesamtwert von 338,3 Millionen Euro. Die Hauptexportkulturen sind Zwiebeln, Kohl, Tomaten, Karotten und Rüben, Gurken, Chili und Pfeffer. Laut Angaben des polnischen Analytischen Zentrums für Zollverwaltung (Centrum Analityczne Administracji Celnej – CAAC) exportierte Polen in den ersten acht Monaten 2009 231.100 Tonnen frischen Gemüses im Wert von 91,8 Millionen Euro. Im Vergleich zur gleichen Zeitperiode des Vorjahres (2008) war das eine Verminderung des Gemüseexports um 32 Prozent und um 33 Prozent in der Menge und im entsprechend monetären Wert.

In der gleichen Zeit stiegen auch die Gemüseimporte nach Polen. In der Zeit von Januar bis September 2008 importierte Polen 354.600 Tonnen frischen Gemüses im Gesamtwert von 251,2 Millionen Euro. Dadurch hat sich im Jahr 2008 die negative Handelsbilanz um 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Unter den wichtigsten Gemüsearten, die importiert werden, sind Tomaten, Zwiebeln, Karotten, Gurken, Chili, Pfeffer und Kopfsalat. Wie die offizielle polnische Statistik besagt, wurde Polen in den ersten drei Quartalen 2010 zum Netto-Importeur von frischem Gemüse. Vor allem niedrigere Importpreise für Zwiebeln, Tomaten und süße Paprika im Vergleich zu einheimischen Agrarerzeugnissen waren der Grund für die Erhöhung der Importe dieser Gemüsearten nach Polen im Jahr 2010 und zeitgleich auch für die Minderung ihres Exports.

Für Karotten und Kohl sieht die Handelsentwicklung anders aus: Diese Gemüsearten wurden verstärkt exportiert, während sich ihr Import vermindert hat. Insgesamt ist für die ersten drei Quartale 2010 eine negative Handelsbilanz in Höhe von 25 Millionen Euro im Außenhandel mit frischem Gemüse entstanden. Im Vergleich zur gleichen Periode des Vorjahres gab es eine enorme Änderung der Handelsbilanz; 2009 ist die Bilanz für den Außenhandel mit frischem Gemüse positiv ausgefallen und betrug 16 Millionen Euro. Darüber hinaus hatten ungünstige Wetterbedingungen in 2010 negative Auswirkungen auf die Gemüseernte und damit auch auf die Exporte. Die Marktexperten vom Fruit-Inform Project erklären den Wandel der polnischen Gemüseproduktion von einem Exporteur zu einem Netto-Importeur vor allem durch die Preisunterschiede des importierten und exportierten Gemüses. So werden die billigeren Gemüsearten exportiert und teurere ins Land geholt.

Das Jahr 2011 war in ganz Europa von einer schweren EHEC-Krise gekennzeichnet. Nachdem das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt (HU) der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) aufgrund des Fundes des EHEC-Erregers in Gurken spanischer Herkunft eine Warnung ausgegeben hatte, gerieten die gesamte Gemüseproduktion und der Handel ins Stottern. Den Berichten des Institute of Food Economics zufolge ist die Menge der Exporte aller frischen Obst- und Gemüsesorten sowie der konservierten Erzeugnisse aus Polen im Jahr 2010/2011 geringer als im Vorjahr. Die Situation wurde durch das Verbot der Gemüseeinfuhr aus der EU-27 seitens Russlands zusätzlich erschwert. Obwohl die polnischen Behörden eine offizielle Entwarnung für die Konsumenten ausgestellt hatten, sind die Handelszahlen auf den größten Märkten Polens um bis zu 50 Prozent abgestürzt. Trotz der zahlreichen Analysen hat sich die Nachfrage nach frischem Gemüse drastisch vermindert. Laut Angaben des Agrarischen Informationszentrums (AIZ) hatte Polen nach der EHEC-Krise die zweithöchsten Schäden in Höhe von 46 Millionen Euro nach Spanien (71 Millionen Euro) gemeldet. Für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 rechnen die Marktexperten allerdings mit einer Steigerung der Obst- und Gemüseproduktion. Die polnischen Produzenten müssen jedoch weiterhin mit solchen Hindernissen wie Unvorhersehbarkeit der Märkte, steigende Kosten, sowie anhaltender Verdacht auf mögliche Verunreinigungen im frischen Gemüse rechnen.

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