Programmatische Aussagen der SLD und von »Europa Plus«

Entschließung des Landesrates der SLD zur gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Situation im Land. LINKE ALTERNATIVE

In Polen ist die Weltwirtschaftskrise angekommen. Seit Anfang des Jahres verschlechtert sich die Situation im Land. Es traten eine deutliche wirtschaftliche Verlangsamung sowie ein deutlicher Rückgang des Tempos des Wirtschaftswachstums ein. Die Arbeitslosigkeit erreicht trotz massenhafter Emigration fast 15 Prozent. Über 2,3 Millionen Polen haben keine Arbeit, darunter über 400.000 junge Menschen im Alter bis zu 24 Jahre. Dies ist begleitet von Zukunftsängsten.

Gleichzeitig zieht sich der Staat aus der Verantwortung für weitere Bereiche des öffentlichen Lebens zurück. Im Gesundheitswesen herrscht Chaos. Dieses wird von der Passivität seitens der Regierung begleitet. In der Wirtschaft fehlen jegliche Impulse für Entwicklung. Es mangelt auch an umfassenden Programmen für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, insbesondere zugeschnitten auf die besonders betroffenen Gruppen, junge Polen und über 50-Jährige. Die gesellschaftliche Ungleichheit und Armut wachsen. Es steigt die Kinderarmut.

Die Demokratische Linksallianz [Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD] stellt seit langem konsequent eine programmatische Alternative zur Politik der Regierungskoalition aus Bürgerplattform [Plattforma Obywatelska – PO] und Polnischer Bauernpartei [Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL] dar. Wir präsentieren unsere Haltung und neuen Lösungen im Bereich Gesundheitswesen. Wir präsentieren und forcieren auf Treffen mit der Regierung unsere Postulate im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Wir haben ein ganzheitliches Wirtschaftsprogramm vorgelegt, das die Chance auf ein schnelles Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze umfasst.

Allein die Demokratische Linksallianz verfügt über eine kohärente und glaubwürdige Programmalternative gegenüber der konservativ-liberalen Rechten, die Polen regiert. Die Polinnen und Polen haben die Wahl: Marasmus der PO-PSL-Koalition, Smolensk-Wahnsinn von Recht und Gerechtigkeit [Prawo i Sprawiedliwość – PiS] oder die moderne europäische Alternative Demokratische Linksallianz.

Wir laden alle, die an der Gestaltung dieser Alternative interessiert sind, sich an der Wahlliste des Wahlkomitees der SLD für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2014 zu beteiligen, die um weitere Themen unter dem Motto »Allianz für Europa« erweitert wird. Gleichzeitig gibt der Landesrat der SLD bekannt, dass er keine Verständigung mit politischen Kräften und Personen akzeptiert, die im polnischen öffentlichen Leben nicht die linke Strömung repräsentieren und gegen die grundlegenden Regeln der politischen Kultur und des parlamentarischen Zusammenlebens verstoßen. Jeder, der auf den Listen verzeichnet ist, muss im Falle seiner Wahl ebenfalls erklären, dass er nach den Wahlen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas im Europäischen Parlament beitreten wird.

Warszawa, 23.03.2013

Quelle: Uchwała rady Krajowej SLD w sprawie obecnej sytuacji społeczno-politycznej w kraju LEWICOWA ALTERNATYWA http://www.sld.org.pl/nowastrona/public/ckfinder/userfiles/files/Uchwa%C5%82a_RK_SLD_sytuacja_spo%C5%82_polit_23_03.pdf (abgerufen am 3.05.2013)

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Entschließung des Landesvorstandes der SLD zum Programmatischen Kongress der Linken

1. Der Programmatische Kongress der Linken am 16. Juni 2013 wird eines der wichtigsten Ereignisse auf der politischen Bühne im Jahr 2013 sein. Zum ersten Mal im 21. Jahrhundert werden sich verschiedene Strömungen der polnischen Linken treffen. Der Kongress wird sowohl ein politisches als auch ein programmatisches sowie ein kulturelles Ereignis sein. Der Kongresses wird ein gemeinsames Konzept für den Ausweg Polens aus der Wirtschaftskrise und die weitere Entwicklung unseres Landes vorstellen.

2. Dieses Ereignis wird die bisher dominierende Doktrin des Neoliberalismus überwinden. Es werden Diskussionsforen zur sozial-existentiellen Situation der Gesellschaft, zur Weltwirtschaftskrise, zu Rechten und Freiheiten der Bürger, zur Situation der polnischen Kultur, zu der Linken, zu Innovation und neuen Technologien organisiert. Der Politisch-Programmatische Rat der Demokratischen Linksallianz [Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD] wird für diese Gelegenheit einen eigenen »Bericht über Polen« vorbereiten. Darüber hinaus werden Begleitveranstaltungen wie Ausstellungen stattfinden sowie Präsentationen von Leistungen des linken gesellschaftlichen Milieus und von Organisationen der gesellschaftlichen Linken.

[…]

4. Der Landesvorstand der SLD bringt seine Zufriedenheit zum Ausdruck, dass alle drei ehemaligen Staatspräsidenten der Republik die Einladung zum Programmatischen Kongress der Linken angenommen haben. Dies entscheidet über den hohen Rang dieses Ereignisses und ist außerdem eine Anerkennung der Rolle, die die polnische Linke in der Geschichte unseres Landes gespielt hat.

[…]

Warszawa, 17.04.2013

Quelle: Stanowisko Zarządu Krajowego SLD w sprawie projektu Europy+http://www.sld.org.pl/nowastrona/public/ckfinder/userfiles/files/Uchwa%C5%82y_ZK_SLD_17_04.pdf (abgerufen am 3.05.2013)

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Die Haltung des Landesvorstandes der SLD gegenüber dem Projekt Europa+

Die Demokratische Linksallianz [Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD] betrachtet in Anknüpfung an den Beschluss des Landesrates der SLD vom 23.03.2013 die entstehende politische Initiative Europa+ als eine gegen sie konkurrierende Wahlliste in den kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2014. Die SLD ist zur Auseinandersetzung mit diesem und auch allen anderen politischen Projekten bereit. Die SLD hat angesichts konkurrierender Mitte-Links Projekte (Polnische Sozialdemokratie/Socjaldemokracja Polska, Demokratische Partei/Partia Demokratyczna demokraci.pl, Verständigung für die Zukunft – MitteLinks/Porozumienie dla Przyszlości – CentroLewica) ihre Position auf der politischen Bühne viele Male bestätigt. Gleichzeitig unterstreicht der Landesvorstand der SLD, dass in Übereinstimmung mit Art. 5, Punkt 2, des Statuts der SLD ein Mitglied der SLD nicht für eine konkurrierende Wahlliste tätig werden darf. Solche Situationen werden eine entsprechende Reaktion der betreffenden satzungsgemäßen Organe der Partei zur Folge haben.

Warszawa, 17.04.2013

Quelle: Stanowisko Zarządu Krajowego SLD w sprawie projektu Europy+ http://www.sld.org.pl/nowastrona/public/ckfinder/userfiles/files/Uchwa%C5%82y_ZK_SLD_17_04.pdf (abgerufen am 3.05.2013)

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Programm [»Europa Plus«]

Das Programm von Europa Plus ist immer noch in der Entstehung begriffen, wobei die Treffen mit den Bürgern, die in ganz Polen stattfinden, keinen geringen Anteil daran haben. Das fertige Produkt werden wir entsprechend früh präsentieren, um die Wähler von ihm zu überzeugen. Heute wollen wir unsere grundsätzlichen Beobachtungen mitteilen, die unsere Überlegungen bestimmen.

Die Europäische Union, der wir im Jahr 2004 beitraten, existiert nicht mehr. Die Finanz- und Wirtschaftskrise verändert sie mehr als die große Erweiterung um zwölf neue Mitgliedsstaaten oder sogar das Ende des Kalten Krieges. Bis zur gegenwärtigen Krise entwickelte sich die Europäische Union »linear«. Es wurde über den Umfang der Erweiterung, die Vertiefung der Integration, über diese oder jene Politik debattiert, aber alles war vorhersehbar. Es gab eine Unmenge an Kompromissen, aber alle wussten, dass sie davon profitieren, dass sie zusammen sind. Diese Überzeugung wurde auf eine harte Probe gestellt. Wenn die Europäische Union fortbestehen soll, muss sich ihre weitere Integration sprunghaft vollziehen: Europa, die gegenseitigen Verpflichtungen und Beziehungen der Mitgliedsländer, der Grad des Solidarismus zwischen den Bürgern müssen aufs Neue überdacht werden.

Die Logik der »alten« Europäischen Union brachte das größte Problem hervor, mit dem Europa heute fertig werden muss. Unter anderem geht es um die Mängel in der Konstruktion der gemeinsamen Währung. Die Annahme, dass eine gemeinsame Geldpolitik ohne eine Bankenunion und eine gemeinsame Fiskalpolitik funktionieren kann, war naiv. Jetzt findet die große Korrektur dieses Fehlers statt, was bedeutet, dass die weitere Integration im Rahmen der Eurozone stattfinden wird.

Die heutigen Schwierigkeiten haben aber auch noch einen anderen Ursprung, über den weniger gesprochen wird. Es ist dies die große ökonomische Anpassung, die durch drei große Herausforderungen markiert wird: Demographie, technologische Revolution, Globalisierung. In absehbarer Zeit wird in Europa die Zahl der arbeitenden Hände zurückgehen. Diesen Mangel wird man dank neuer Technologien ausgleichen können, aber dennoch werden wir nicht vor einer ernsthaften Debatte über das Thema Immigration fliehen können: Während Europa älter werden wird, wird die Anzahl der Menschen auf der Welt weiter steigen – vor allem in Ländern, die schon heute übervölkert sind. Für Polen ist dies eine besondere Herausforderung, denn unter allen Staaten der OECD wird nur Japan bis zum Jahr 2060 eine radikalere Alterung seiner Bevölkerung erfahren.

Die Polen befanden sich im Clinch. Wir haben unglaublich von der alten Kalkulation der Integration profitiert und es fällt uns schwer zuzugeben, dass diese ihr Potential erschöpft hat. Es reicht, sich bewusst zu werden, dass in den Jahren 2009 bis 2011 über die Hälfte der öffentlichen Investitionen in Polen mit – sehr häufig enormer – Beteiligung europäischer Mittel realisiert wurde. Auf der anderen Seite wollen wir nicht für die Fehler anderer bezahlen, die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Wir versuchen so zu tun, als wäre nichts geschehen. Das ist allerdings die schlechteste der möglichen Optionen. Die Regierung beherrschte die Kunst, eine pro-europäische Rhetorik mit einem ewigen Abwarten zu kombinieren. Eine solche Strategie bedeutet das Risiko, im »Niemandsland« zu verharren. Diese Option ist umso weniger attraktiv für Polen, als wir mit der EU unsere gesamte politische Identität verknüpft haben. Außerhalb der Europäischen Union haben wir wirklich nicht viel, weniger als uns scheint.

Daher müssen wir in eine neue, föderale Union investieren. Was bedeutet das in der Praxis? Drei Dinge – erstens eine möglichst enge Beziehung zur Eurozone und einen glaubwürdigen Plan für den Beitritt innerhalb der nächsten fünf Jahre. Zweitens Mut bei der Formulierung von Vorschlägen zu institutionellen Veränderungen. Drittens eine pro-aktive Haltung in Schlüsselfragen der europäischen Politik, wie Energiepolitik oder Entwicklung neuer Technologien.

Wir erinnern daran, dass es sich bei einer Föderation nicht um eine Zentralisierung handelt, sondern darum, »Entscheidungen auf einem entsprechenden Level zur treffen«. Das mythische Brüssel wird uns nicht alles diktieren. Es ist es allerdings wert, sich um zwei Dinge zu kümmern – darum, dass die Europäische Union nicht nur Sicherheit bedeutet, sondern auch Wachstum, sowie darum, dass die Föderalisierung auch die Außenpolitik umfassen wird.

Unabhängig vom bereits Gesagten, gibt es eine Menge Fragen, wie die neue Europäische Union aussehen sollte. Unter anderem:

Sollte das vereinte Europa in der Außenpolitik auf die Vereinigten Staaten als strategischen Partner oder als potentiellen Konkurrenten schauen?

Soll eine gemeinsame Verteidigungspolitik die Auflösung des nationalen Militärs und die Schaffung einer europäischen Armee bedeuten?

Wollen wir, wenn wir die Kompetenzen der nationalen Regierungen beschränken, dies nur »nach oben« zum Ausdruck bringen oder auch »nach unten« und ein Europa der Regionen schaffen?

Wollen wir angesichts der Probleme der gegenwärtig bestehenden Rentensysteme europäische Renten einführen? Falls ja, wer sollte deren berechtigter Empfänger sein?

Bis zu welchem Grad sollte das Bildungswesen integriert werden – reicht es uns, die Inhalte der nationalen Geschichtslehrbücher abzustimmen, oder wollen wir mehr, z. B. allgemeinen und verpflichtenden Englischunterricht bis zu dem Niveau, dass sich alle Bürger der Europäischen Union fließend der Sprache bedienen können?

»Europa Plus« wird in den nächsten Monaten Antworten auf diese und andere Dilemmata vorschlagen.

Quelle: [Programm von Europa Plus] http://www.europaplus.org.pl/program.html (abgerufen am 3.05.2013)

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

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Analyse

Die polnische Linke zwischen Aufbruch und Dauerkrise

Von Stefan Garsztecki
Auch wenn Polen im Gegensatz zu anderen ostmitteleuropäischen Nachbarländern wie Ungarn oder die Slowakei bis dato relativ gut durch die Finanzkrise gekommen ist, verwundert es dennoch, dass seit der Abwahl der polnischen Linken im Jahr 2005 bis heute keine Linkspartei eine große Rolle im politischen Leben des Landes spielt. Die Demokratische Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD), eine direkte Nachfolgepartei der bis 1989 regierenden Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza – PZPR) konnte nach 1989 zweimal für jeweils eine Wahlperiode von 1993–1997 und von 2001–2005 als stärkste Partei nach den Wahlen die Regierung stellen, aber nach 2005 gelang es ihr nicht mehr, in die Konkurrenz zwischen der regierenden Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) um Ministerpräsident Donald Tusk und der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) um ihren Parteichef Jarosław Kaczyński einzugreifen. Dabei geht auch in Polen die soziale Schere auseinander und sind die Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnisse zum Teil als sehr problematisch zu bezeichnen. Zudem sollte doch angesichts der Dominanz der liberal- bzw. nationalkonservativen Parteien PO und PiS und der wie auch in anderen westlichen Gesellschaften geführten Debatten um die Stellung der Frau, um Abtreibung, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft oder die Rolle der Kirche im öffentlichen Bereich eine parteipolitische Alternative für einen Teil der Wähler attraktiv sein. (…)
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Zweieiige Zwillinge. PiS und Fidesz: Genotyp und Phänotyp

Von Kai-Olaf Lang
Die regierenden Parteien in Polen und Ungarn haben vieles gemeinsam. Beide streben einen neotraditionalistischen Umbau von Staat und Gesellschaft an. Demokratie verstehen sie als Mehrheitsherrschaft, das Mandat, das sie vom Volk an den Wahlurnen erhalten haben, soll nicht durch „checks and balances“ beschränkt werden. In der EU setzen PiS und Fidesz auf die Sicherung und den Ausbau nationalstaatlicher Hoheitsbereiche. Aufgrund außen- und europapolitischer Differenzen – insbesondere in der Sicherheits- und Russlandpolitik – ist allerdings keine nationalkonservative Achse in Ostmitteleuropa entstanden. (…)
Zum Artikel auf zeitschrift-osteuropa.de

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