Vor den Parlamentswahlen im Oktober 2015 schlugen die Vertreter von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) leichte Lösungen für die Probleme vor, die seit Jahren das polnische Energiesystem prägen. Die Integration der Energiekonzerne und der Bergwerke sollte die finanziellen Probleme letzterer lösen und konstante Kohlelieferungen für die polnischen Kraftwerke garantieren. Die Neuverhandlung des Energie-Klima-Pakets bis zum Jahr 2020 und anschließend der vollkommene Ausstieg aus der europäischen Klimapolitik sollten Polen ermöglichen, der Kohle treu zu bleiben. Gleichzeitig sollten die erneuerbaren Energiequellen, vor allem die geothermische Energie, schneller als in der Zeit der Regierungskoalition von Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und Polnischer Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) entwickelt werden. Nach den Wahlen trafen die Wahlkampfparolen allerdings auf die harte Realität. Einige Politiker von PiS, wie zum Beispiel Energieminister Krzysztof Tchórzewski, bemühen sich, die Wirklichkeit zu beschwören und die Polen zu ermuntern, mehr Energie zu verbrauchen, als Zeichen dafür, dass sich das Land entwickele. Den offenkundigen Widerspruch zwischen dieser Einstellung und der von den Vorgängerregierungen unterstützten Verbesserung der Energieeffizienz nehmen sie nicht wahr. In den Fällen, in denen die Beschwörung der Wirklichkeit nicht hilft, erinnert die Energiepolitik von PiS an die Ratlosigkeit, die die letzten Regierungsjahre der PO begleitete.
Polnischer Bergbau immer noch am Rande des Konkurses
Ein fester Bestandteil im Repertoire der PiS ist, der Vorgängerregierung für alle Probleme in Polen – für die echten und die imaginierten – die Schuld zuzuweisen. Im Falle des polnischen Bergbaus sind die Vorwürfe in bestimmtem Maße berechtigt. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2015 notierte der polnische Bergbau zirka 1,6 Mrd. Zloty Verlust. Ende Oktober 2015 betrugen die Schulden dieses Sektors insgesamt 14,3 Mrd. Zloty. Der größte Schuldner war der Kohlekonzern Kompania Węglowa, der Anfang 2015 über die Hälfte aller Bergleute im Steinkohlesektor in Polen beschäftigte. Von den 15 Bergwerken, die zum Konzern gehörten, fuhren nur drei Gewinne ein.
Um die Situation zu verbessern und sich auf die Rettung derjenigen Bergwerke zu konzentrieren, die in Zukunft Gewinne einbringen könnten, vereinbarte die Regierung von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz (PO) im Januar 2015 ein Restrukturierungsprogramm für den Bergbau. Das Programm sah die Schließung der vier unrentabelsten Bergwerke vor. Dies hätte die Frühverrentung für zirka 2.000 Bergleute bedeutet bzw. eine Abfindung in Höhe der Lohnzahlungen für zwei Jahre. Als Reaktion auf die Schließungspläne begannen die Bergleute – ermuntert von Jarosław Kaczyński, dem Parteichef von PiS, – Streiks und in manchen Fällen sogar Hungerstreiks. Zwei Wochen später distanzierte sich Ministerpräsidentin Kopacz von den Schließungsplänen. Stattdessen sollte auf der Basis der umstrukturierten Bergwerke der Neue Kohlekonzern (Nowa Kompania Węglowa) entstehen. Doch trotz wiederholter Ankündigungen kam es nie dazu. Das Hauptproblem war, Bergwerke, die immer höhere Verluste einfuhren, so zu finanzieren, dass sich daraus keine Probleme mit der Europäischen Kommission ergeben, denn nach dem Beschluss 787 des Rates der Europäischen Union aus dem Jahr 2010 sind Beihilfen nur für die Stilllegung von Bergwerken möglich, und dies nur bis einschließlich 2018.
Die einzige Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu erhalten, um die Lohnfortzahlungen zu ermöglichen, war, Millionen Tonnen Kohle, die niemand kaufen wollte, zu einem Preis deutlich unter den Kosten für den Abbau zu verkaufen. Im Ergebnis schrumpften die Kohleberge um über 9,5 Mio. Tonnen Mitte 2014 auf knapp 6 Mio. Tonnen im November 2015. Die Hauptabnehmer waren polnische Kraftwerke, deren Reserven auf fast 9 Mio. Tonnen anstiegen. Das ist das Äquivalent von mehr als 15 Prozent des Jahresbedarfs an diesem Rohstoff.
Am 4. Dezember 2015, dem Tag des Bergmanns, zog nun Ministerpräsidentin Beata Szydlo mit einer Nothilfe los. In ihrer Rede an die Bergleute teilte sie mit, dass die Agentur für Materialreserven (Agencja Rezerw Materiałowych) Kohle kaufen wird, die immer noch auf Halde liegt. Szydło verbarg nicht, dass das Ziel war, die Mittel für den Fortbestand der Bergwerke in den kommenden Monaten zu sichern. Ob es auf diese Weise gelingen wird, die Europäische Kommission hinters Licht zu führen und die Bergwerke gegen die europäische Gesetzgebung zu unterstützen, bleibt zweifelhaft. Das Ziel der Agentur für Materialreserven ist, für eine angemessene Menge an Rohstoffreserven zu sorgen, beispielsweise Öl und Gas, eventuell auch landwirtschaftliche Erzeugnisse, für den Fall einer Missernte. Ein Mangel an Kohle wird Polen mit Sicherheit nicht drohen, aber die eindeutige Botschaft der Ministerpräsidentin, dass das Ziel der Agentur nicht die Stabilitätsgarantie der Lieferungen, sondern die finanzielle Hilfe für die Bergwerke ist, kann die Aufmerksamkeit der Europäischen Kommission auf sich ziehen.
Der Ankauf von Kohle durch die Agentur kann bedeuten, dass die aktuelle Regierung – ähnlich wie die Vorgängerregierung – kein Rezept für die Verbesserung der Situation im Bergbau hat. Die Bildung des sogenannten Neuen Kohlekonzerns wurde bis zum Ende des ersten Halbjahrs 2016 verschoben, aber es ist nicht klar, wie diese neue Gesellschaft aussehen und die Situation des Bergbaus in Polen grundlegend verbessern soll. Obschon sich unter Politikern der PiS Stimmen zur Notwendigkeit der Schließung eines Teils der Bergwerke meldeten, kann sich die neue Regierung keine Demonstrationen von Bergarbeitern erlauben, die zum Kern der Wählerschaft von PiS gehören. Die Situation des polnischen Bergbaus wird des Weiteren dadurch erschwert, dass sich die internationalen Banken und Fonds entschieden haben, die Projekte im Bergbau und Kohlekraftwerke nicht mehr zu finanzieren. In diesem Zusammenhang ist auch der Zugang zu privaten Finanzierungsquellen deutlich erschwert.
Langfristig sollen sich Energiekonzerne an der Rettung der in Konkurs gehenden Bergwerke beteiligen. Noch unter der PO-Regierung stimmte der zweitgrößte Energiekonzern, Tauron, der Übernahme des Bergwerkes Brzeszcze zu, das im Jahr 2014 über 230 Mio. Zloty Verlust zu verzeichnen hatte. Diese Zustimmung erfolgte nicht vollkommen freiwillig. Außer den Kosten für die Umstrukturierung des Bergwerkes wird der neue Besitzer die finanzielle Unterstützung aus dem öffentlichen Haushalt in Höhe von über 145 Mio. Zloty zurückzahlen müssen. Allerdings wurden die Vorstandsmitglieder, die am wirtschaftlichen Sinn dieser ganzen Transaktion zweifelten, vom Schatzminister ausgetauscht und eine Woche vor den Wahlen wurde die Vereinbarung über den Kauf des Bergwerkes Brzeszcze für den Preis von 1 Zloty unterzeichnet.
Es ist anzunehmen, dass die Strategie, wie sie im Falle des Bergwerkes Brzeszcze und des Konzerns Tauron angewandt wurde, von der neuen Regierung wiederholt wird. Der Bevollmächtige der PiS-Regierung für strategische Energieinfrastruktur, Piotr Naimski, machte deutlich, dass die Rolle der strategischen Industrie in der Umsetzung der Politik des Staates besteht und nicht darin, der Logik des Marktes zu folgen – sprich: Gewinn zu erwirtschaften. Die Umsetzung dieser Politik ist möglich, weil der Staatsschatz den größten Anteil bei drei der vier größten Energiekonzerne in Polen besitzt. Die einzige Ausnahme ist Tauron, hier hält der Staatsschatz knapp 30 Prozent der Anteile, und trotzdem ist er der größte Einzeleigentümer. Noch im Dezember 2015 berief der Schatzminister einen neuen Vorstand bei dem größten Energiekonzern in Polen, PGE. Vorstandvorsitzender wurde der knapp 40-jährige Sławomir Zawada, der ein Jahr zuvor erfolglos bei den Selbstverwaltungswahlen für PiS gestartet war. Veränderungen gab es auch bei Tauron, Enea sowie Energia.
Die polnische Energiewirtschaft – eine Straße ins nirgendwo
Die größte Herausforderung für die neuen Aufsichtsräte der polnischen Energiekonzerne wird sein, die politischen Forderungen mit der wirtschaftlichen Realität in Einklang zu bringen. Die vorherigen Aufsichtsräte kamen mit dieser Herausforderung nicht besonders gut zurecht. Ein Beispiel dafür ist der Konflikt zwischen dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von PGE, Krzysztof Kilian, und Ministerpräsident Donald Tusk über den Bau des Kraftwerks Opole. Zweifel am wirtschaftlichen Sinn der Investition in neue Kohlekraftwerke mündeten in den »freiwilligen« Rücktritt Kilians. Das oben angeführte Beispiel der Neubesetzungen im Aufsichtsrat von Tauron, denen ebenfalls zugrunde lag, dass in der Übernahme eines bankrotten Bergwerkes kein wirtschaftlicher Sinn erkannt worden war, ist ein weiterer Beweis für die Dominanz der Politik über die Wirtschaft im polnischen Energiesektor. Unter der Regierung von PiS lässt sich eine Verstärkung dieses Trends erwarten.
Die Dominanz der Politik im Management der Energiekonzerne wurde bereits von privaten Investoren negativ beurteilt. Von Januar bis Dezember 2015 fiel der Wert der Aktiengesellschaften Tauron und Energia um fast die Hälfte. Der Börsenwert des Konzerns Enea fiel um 28 Prozent und der Wertverlust der Aktien des nationalen Energie-Champion PGE betrug genau ein Drittel. In letzterem Fall war ein wesentlicher Grund für den Fall der Aktienpreise die Aktualisierung des Wertes konventioneller Kraftwerke. Im Ergebnis wurden Aktiva im Wert von zirka 5 Mrd. Zloty abgeschrieben. Ähnliche Abschreibungen sind auch im Falle der übrigen Energiekonzerne zu erwarten.
Gleichzeitig werden von den Energiekonzernen Investitionen in neue Leistungskapazitäten erwartet. Die Notwendigkeit dieser Investitionen wurde besonders während der Hitzewelle im vergangenen August deutlich: Der höhere Energieverbrauch, Reparaturen veralteter Kraftwerke und Probleme bei der Kühlung von Kohlekraftwerken zwangen die damalige Regierung, Beschränkungen für die Bereitstellung von Energie für industrielle Abnehmer aufzuerlegen. Einige Wochen lange ging in Polen das Gespenst des Blackout um. Die aktuelle Regierung ist sich dessen bewusst, dass sich eine solche Situation nicht wiederholen darf, nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern vor allem aus politischen Gründen. Unterdessen brachte der kalte Winter Probleme mit der Verfügbarkeit von Wasser mit sich und zeigte, dass die polnische Kohle-Monokultur nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht problematisch ist, sondern dass sie auch für Umweltfaktoren überdurchschnittlich anfällig ist. Außerdem werden infolge der Verschärfungen der Emissionsnormen und der Schließung der ältesten Bergwerke bis zum Jahr 2017 vier Gigawatt Leistungsstärke abgeschaltet. Bis zum Jahr 2030 werden es zwölf Gigawatt sein – fast 40 Prozent der aus Kohlekraftwerken stammenden Leistung. Gleichzeitig werden aktuell Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt fünf Gigawatt gebaut. Einer der am weitesten fortgeschrittenen ist der Bau des Kraftwerks in Oppeln (Opole) mit einer geplanten Leistungsstärke von 1,8 Gigawatt, dessen neue Blocks im Juli 2018 und im Februar 2019 in Betrieb genommen werden sollen.
Die größte Investition in der Geschichte Polens soll jedoch der Bau eines Atomkraftwerks sein, den der damalige Ministerpräsident Jarosław Kaczyński 2005 in seinem Exposé angekündigt hatte. Dies war einer der wenigen Punkte, in dem Kaczyńskis Nachfolger Donald Tusk mit jenem übereinstimmte. Ewa Kopacz, die das Amt von Tusk nach dessen Nominierung als Präsident des Europäischen Rates im September 2014 übernahm, zeigte sich etwas skeptischer in dieser Frage: »Im Gegensatz zu meinen politischen Opponenten habe ich nicht im Hinterkopf, im Stillen ein Atomkraftwerk zu bauen«, bekannte sie am Ende des Wahlkampfes im Oktober 2015. Einer der Gründe für diese Aussage war, den Bergleuten zu versichern, dass die polnische Energiewirtschaft sich noch lange fast ausschließlich auf Kohle stützen wird. Aus demselben Grund äußert sich auch Beata Szydło eher ungern zu Plänen, in ein Atomkraftwerk zu investieren.
Nach den Wahlen hatte sich die Situation nicht radikal verändert. Obwohl PGE, verantwortlich für den Bau des Reaktors, Untersuchungen für die Wahl des besten Standortes plant und sich bemüht, Diskussionen über die Unterstützung des Projekts zu initiieren, hatte Energieminister Krzysztof Tchórzewski bekannt gegeben, er sei »weder dafür noch dagegen«. Ein einzelnes Atomkraftwerk »ändert nichts, was die Energienachfrage angeht.« Im Januar 2016 änderte Tchórzewski seine Meinung etwas und teilte mit, dass das Atomprogramm fortgesetzt wird, aber es werde nicht voreilig entschieden, in welchem Tempo. Berücksichtigt man allerdings, dass der polnische Energiemix laut Tchórzewski in den kommenden zehn Jahren stabil bleiben wird – und die Inbetriebnahme eines Atomkraftwerks würde den Mix deutlich verändern –, dann plant er keine Inbetriebnahme eines Atomkraftwerks bis Mitte der 2020er Jahre.
Abgesehen von der Notwendigkeit, enorme Investitionen in neue Kraftwerke zu tätigen – auch wenn ein Atomkraftwerk in nächster Zeit nicht zu diesen Investitionen gehören wird –, müssen sich die polnischen Energiekonzerne zwei weiteren Herausforderungen stellen: den fallenden Strompreisen an der Börse und den steigenden Kosten für den Kauf von CO2-Emissionsrechten. Zwischen 2011 und 2014 fielen die durchschnittlichen Strompreise auf dem Wettbewerbsmarkt um knapp 20 Prozent. Trotzdem gehörten sie, abgesehen von Litauen, zu den höchsten in der Region. Gleichzeitig wird der Strom aus polnischen Kraftwerken in dem Maße teurer, wie die Emissionserlaubnis teurer wird: Von weniger als 3 Euro pro Tonne im Mai 2013 bis über 8 Euro Ende 2015. Die Reform des Systems des Emissionshandels, die ab 2019 gelten soll, lässt mittel- und langfristig einen weiteren Anstieg der Emissionspreise erwarten.
Die höheren Strompreise in Polen in Verbindung mit der Entwicklung der Stromverbindungen zu anderen Ländern stellen eine große Herausforderung für den polnischen Energiesektor dar. Die Entwicklung dieser Verbindungen ergibt sich aus den Vereinbarungen, die auf EU-Ebene geschlossen wurden, und sie ist unerlässlich, um die Wiederholung der Probleme mit den Stromlieferungen im August 2015 zu vermeiden. Dies wird zur Folge haben, dass die polnischen Energiekonzerne beginnen, ihren Marktanteil zugunsten ausländischer Firmen zu verlieren. Dann wird es noch schwieriger werden, Investitionen im Energiesektor zu tätigen.
Erneuerbare Energien – Wachstum trotz Politik
Die neue Regierung setzt auch neue Prioritäten im Bereich der erneuerbaren Energien. Noch im Januar 2015 wurde gegen den Willen der PO und dank der einstimmigen Unterstützung von PiS dem Gesetz über Erneuerbare Energien die sogenannte Prosumentenkorrektur (Prosument = Produzent und Verbraucher; Anm. d. Übers.) hinzugefügt. Sie bestimmt feste Tarife für die Investoren in Installationen für erneuerbare Energien von einer Leistungsstärke unter zehn Kilowatt für die Dauer von 15 Jahren. Obwohl die Gesamtleistung der realisierten Installationen im Rahmen dieser Korrektur die Grenze von 300 Megawatt für Installationen unter drei Kilowatt und 500 Megawatt für Installationen von der Leistungsstärke zwischen drei und zehn Kilowatt nicht überschreiten darf, würden mindestens 150.000 neue Installationen für erneuerbare Energien ermöglicht.
Das Gesetz sollte zusammen mit anderen Veränderungen im Unterstützungssystem für die erneuerbaren Energien Anfang 2016 in Kraft treten. Anfang Dezember 2015 kündigte Energieminister Tchórzewski allerdings die mögliche Verschiebung um »zirka ein halbes Jahr« an. Knapp zwei Wochen später wurde die Verschiebung des Inkrafttretens, nun ab dem 1. Juli 2016, vom Sejm beschlossen. Diese Verschiebung soll laut Ministerium ermöglichen, die Arbeit an einigen Vorschriften zu Ende zu führen, die sonst zum Bankrott der Firmen des Erneuerbare Energien-Sektors führen könnten. Gleichzeitig wird ermöglicht zu präzisieren, ob die Prosumenten feste Tarife nur für die Energie erhalten, die sie ins Netz einspeisen, oder für die gesamte produzierte Energie, also auch die, die für den Eigenbedarf genutzt wird. Letzteres würde die Rentabilität der Investitionen in Mikroinstallationen deutlich verbessern.
Trotz der Verschiebung des Inkrafttretens des Gesetzes über Erneuerbare Energien gewannen die Prosumenteninstallationen zur Stromproduktion in der letzten Zeit an Popularität. Allein in den ersten drei Quartalen 2015 entstanden in Polen 2.100 Prosumentenanlagen. Das ist mehr als doppelt so viel wie in den vorangegangenen zehn Jahren und das, obwohl die Prosumenten für den Strom, den sie in das Netz einspeisen, zurzeit nur 0,13 Zloty pro Kilowattstunde erhalten. Außerdem werden die Erneuerbare Energien-Anlagen vom Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) über Vorzugskredite und Zuschüsse zufinanziert. Allein im Rahmen des Prosumentenprogramms sollen bis zum Jahr 2022 Prosumentenanlagen mit einer Gesamtleistung von mindestens 200 Megawatt entstehen.
Eine andere erneuerbare Energiequelle, die die Chance auf eine etwas raschere Entwicklung als bisher haben kann, sind Biogasanlagen, von denen es aktuell nur 65 in Polen gibt. Energieminister Tchórzewski gab sich wiederholt als Anhänger dieser Technologie zu erkennen. Seiner Einschätzung nach erlauben die Biogasanlagen im Gegensatz zu vielen anderen Arten erneuerbarer Energien, die Energie zu speichern, und den Zugriff nach Bedarf. Allerdings fehlen genauere Informationen, wie diese Technologie in der Zukunft gefördert werden soll.
Obgleich die neue Regierung der Entwicklung der Prosumentenenergie wohlgesonnener zu sein scheint als die Vorgängerregierung, sieht die Situation im Bereich der Windenergie vollkommen anders aus. Gleich nach der Abstimmung über die Prosumentenkorrektur mit den Stimmen der oppositionellen PiS im Januar 2015 kündigte die PiS-Abgeordnete Anna Zalewska an, dass als nächstes ein Moratorium über den Bau neuer Windkraftanlagen durchgeführt werden sollte. Ein Jahr zuvor war Zalewska eine der Hauptinitiatoren des Gesetzesentwurfs von PiS gewesen, der den Bau von Windkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 500 Kilowatt verbieten sollte, deren Standort näher als drei Kilometer zur nächsten Bebauung liegt. Bereits gebaute Anlagen, die diese Bedingung nicht erfüllen, sollten abgerissen werden, ohne die Investoren zu entschädigen. Infolge des Widerstands der Regierungskoalition hatte das sogenannte Anti-Windrädergesetz im Jahr 2014 nicht die ausreichende Unterstützung erhalten. In der aktuellen Regierung bekleidet Zalewska das Amt der Bildungsministerin, aber auch Energieminister Tchórzewski verbirgt seine Abneigung gegenüber der Windenergie und seine Präferenz für die Biogasanlagen nicht.
Ungeachtet dieser Abneigung der politisch Verantwortlichen war das Jahr 2015 ein Rekordjahr, was die Inbetriebnahme neuer Windkraftanlagen betrifft. Die Gesamtleistung umfasste mehr als 5.000 Megawatt und war damit ein Drittel höher als im Dezember 2014. Dieser Anstieg ist das Ergebnis der Investitionen, die einige Jahre zuvor begonnen hatten und die bis zum Inkrafttreten des genannten Gesetzes über die Erneuerbaren Energien abgeschlossen sein sollten, denn das Gesetz ersetzt das System der grünen Zertifikate durch ein Auktionssystem, dessen endgültige Gestalt noch nicht bekannt ist. Berücksichtig man die legislative und politische Unsicherheit in Bezug auf die Unterstützung der Windenergie, ist eine deutlich langsamere Entwicklung dieser Technologie in den kommenden Jahren zu erwarten.
Klimapolitik
Noch vor den Parlamentswahlen sprachen Vertreter von PiS laut über die Möglichkeit eines polnischen Ausstiegs aus der Klimapolitik. Für diesen Fall rechnete man mit dem Beistand anderer wirtschaftlich schwächerer Länder, die die polnischen Forderungen unterstützen würden. Den Urhebern dieses Vorschlags zufolge könne dies zu einer Ausbremsung der europäischen Klimapolitik führen. Allein das Risiko eines solchen Szenarios spornte die Europäische Kommission zu Verhandlungen mit Polen und zur Lockerung der Ziele der Emissionsreduzierung an.
Während der Verhandlungen beim Weltklimagipfel in Paris im Dezember 2015 konzentrierte sich die polnische Seite auf den Kampf um die Streichung des Begriffs der Dekarbonisierung (Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger) aus der endgültigen Fassung des Dokuments. Im Interview mit dem katholischen Radiosender »Radio Maryja« nach der Verabschiedung der Vereinbarung erklärte Umweltminister Professor Jan Szyszko stolz, dass sich in dem Dokument keine Bezugnahme auf die Dekarbonisierung finde. Gleichzeitig wies er auf die Möglichkeit der Neutralisierung der Emissionen mittels Anpflanzung von Wäldern hin. Ihm zufolge ist dies eine deutlich bessere Lösung, als die Emissionen herauszufiltern und unterirdisch zu lagern.
Außerdem stand die neue Regierung der Emissionsreduzierung sehr ablehnend gegenüber und ihre Vertreter unterstrichen wiederholt, dass Polen seine Emissionen bereits deutlich reduziert habe, und zwar um über 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 1988, das für Polen qua Kyoto-Protokoll das Vergleichsjahr war. Allerdings übergehen sie die Tatsache, dass diese Reduktion vor allem in den 1990er Jahre stattgefunden hatte und viele andere Länder Ostmitteleuropas sogar einen größeren Rückgang infolge der Wirtschaftstransformation verzeichneten. Außerdem begann der Ausstoß der Treibhausgase in Polen seit dem Jahr 2002 wieder langsam zu steigen. Obgleich die Ersetzung der alten Kraftwerke durch neue die Emissionen etwas zu reduzieren hilft, wird diese Verringerung deutlich unter dem Niveau liegen, das vom Europäischen Rat im Oktober 2014 festgelegt wurde. Demnach sollte die Reduktion im Bereich des EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) 43 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 betragen.
Anstatt in Energiequellen mit niedrigem Ausstoß und in Energieeffizienz zu investieren, konzentriert sich die Regierung von Beata Szydło auf weitere Versuche, den Emissionshandel zu schwächen. Ende Dezember 2015 beschloss der Ministerrat, eine Klage beim Europäischen Gerichtshof über die Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates zur Festsetzung einer Reserve der Marktstabilität für den Emissionshandel im Jahr 2019 einzureichen. Die Begründung der Klage ist die Vergrößerung der Unsicherheit für die Investoren, die ihre Emissionen bis zum Jahr 2020 planen. Dieser Vorwurf kann überraschen, wenn man berücksichtigt, dass die neue Regierung selbst kein leuchtendes Beispiel für die Achtung des festgesetzten Rechtes ist und entscheidet, das Inkrafttreten des Gesetzes zu den Erneuerbaren Energien zwei Wochen vor dem geplanten Termin zu verschieben.
Auch wenn die Chancen auf einen Erfolg der Klage gering sind, kann man sie als deutliches Signal verstehen, dass die polnische Regierung alles machen wird, um die europäische Klimapolitik zu schwächen. Dies ist bereits ein weiteres Signal, nachdem Präsident Duda vor dem Weltklimagipfel in Paris ein Veto gegen die Verpflichtungen von Doha (2012) eingelegt hatte, die die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls bis zum Jahr 2020 mit dem neuen Ziel der Emissionsreduktion um 20 Prozent hätten verlängern sollen. Obwohl – so Politiker aus den Reihen der PiS – Polen die Verpflichtungen aus dem Protokoll übererfüllt und das Ziel der 20-prozentigen Emissionsreduktion für die EU im Energie-Klimapaket enthalten ist und im Zusammenhang damit eine Korrektur für Polen keine weiteren Belastungen bedeuten würde, begründete die Präsidialkanzlei das Veto mit »einer fehlenden detaillierten Analyse der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen«.
Anfang Januar erklärte der Europa-Staatssekretär im Außenministerium und ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Konrad Szymański, dass in den kommenden Wochen im Forum der EU eine Debatte über die Angemessenheit der europäischen klimapolitischen Verpflichtungen geführt werden sollte. Die Vereinbarung von Paris habe bestätigt, dass die europäischen klimapolitischen Verpflichtungen »unverhältnismäßig groß im Vergleich zum Rest der Welt« seien. Infolgedessen werde sich Polen bemühen, diese Verpflichtungen zu reduzieren.
Die Abneigung gegenüber der Klimapolitik vonseiten der neuen politischen Elite, die auf Schritt und Tritt ihre Verbundenheit mit der Tradition und der Lehre der katholischen Kirche unterstreicht, ist vor dem Hintergrund des Aufrufs von Papst Franziskus zur Dekarbonisierung in seiner Enzyklika »Laudato si’« und während der Klimaverhandlungen erstaunlich. Entgegen der Lehre des Oberhauptes der katholischen Kirche bezeichnet Präsident Andrzej Duda das Bemühen um Dekarbonisierung als »Häresie« und ein Journalist des Wochenmagazins »Niedziela« schreibt von der »allgegenwärtigen ökologischen Propaganda«. Obgleich der einflussreichste katholische Radiosender »Radio Maryja« eine spezielle Konferenz organisierte, auf der die Enzyklika des Papstes diskutiert werden sollte, beschränkte sich Pater Tadeusz Rydzyk, der Direktor des Senders, allein auf die gründliche Beschreibung der Entstehung eines Geothermiekraftwerks in der Nähe des Redemptoristenordens, dem er angehört.
Die Zukunft der polnischen Energie- und Klimapolitik
Der Regierungswechsel in Polen wird wesentliche Konsequenzen für die polnischen Energie- und Klimapolitik in der Zukunft haben. Trotz der aktuellen Äußerungen von Minister Tchórzewski fehlt eine eindeutige Unterstützung für den Bau eines Atomkraftwerks vonseiten der Ministerpräsidentin. Gleichzeitig kann die Realisierung des Projekts die Regierung entschiedener Kritik vonseiten des Bergbausektors aussetzen, der sich davor fürchtet, Anteile im Energiesektor zu verlieren. Demnach wäre entweder in Kürze ein Verzicht auf das Projekt zu erwarten oder eine deutliche Verlangsamung in der Umsetzung.
Statt Investitionen in ein Atomkraftwerk konzentriert die polnische Regierung ihre Bemühungen eher auf die Rettung des Bergbaus. Die einzige Option, die der Regierung etwas Zeit lässt und Warschau nicht einem weiteren Konflikt mit Brüssel aussetzt, ist die Übernahme der Bergwerke durch Energiegesellschaften. Das wird die Dominanz der Kohle in der polnischen Energiewirtschaft verstetigen und die Bemühungen der Regierung um die Reform der Klimapolitik stärken, welche die Möglichkeiten der Finanzierung des Bergbaus zurzeit beschränkt. In Anbetracht der nicht sehr guten Beziehungen zu vielen anderen EU-Mitgliedsländern sowie der Tatsache, dass für die Reform des Emissionshandels die Mehrheit der Stimmen im Europäischen Rat ausreicht, steht zu erwarten, dass die Bemühungen Polens in dieser Angelegenheit keinen Erfolg zeitigen werden. Das wird den Konflikt auf der Linie Warschau – Brüssel noch mehr verschärfen, was wiederum antieuropäische Gefühle unter den Wählern von PiS hervorrufen kann.
Mit dem Anstieg der Strompreise, der sich aus der Notwendigkeit ergibt, den Bergbausektor mit Hilfe von Energiekonzernen zu retten, wird die inkohärente Prosumentenenergiewirtschaft an Attraktivität gewinnen. Die aktuellen Finanzierungsquellen im Rahmen der Festtarife und Zuzahlungen aus dem Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft werden zur Verbreitung der Prosumentenenergie und zur Entwicklung der heimischen Industrie beitragen. Gleichzeitig wird die gesellschaftliche Akzeptanz für die Fortsetzung der Unterstützung des Bergbaus sinken, in dem die Zahl der Beschäftigten bereits weniger als 100.000 Personen beträgt. Die wieder wachsende Popularität anderer politischer Parteien und ihr möglicher Sieg bei den nächsten Wahlen würden das Ende für den Schutzschild über dem Bergbau bedeuten, der mit der Ideologie von PiS identifiziert wird.
Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate