Wozu ein Nationales Freiheitsinstitut?
Die Aktivitäten der aktuellen Regierung sind keine Überraschung. Recht und Gerechtigkeit war die einzige Partei, die die Unterstützung für Nichtregierungsorganisationen zu einem Versprechen im Wahlkampf 2015 gemacht hatte. Die Idee, ein Nationales Freiheitsinstitut – Zentrum für die Entwicklung der Zivilgesellschaft (Narodowy Instytut Wolności – Centrum Rozwoju Społeczeństwa Obywatelskiego), so der vollständige Name der neuen Institution, zu berufen, ist also nicht neu. Als zentrale Einrichtung soll es die Regierungspolitik gegenüber Nichtregierungsorganisationen koordinieren. Anfang 2016 bestätigte diesen Plan der damalige Regierungssprecher für Angelegenheiten der Zivilgesellschaft, Wojciech Kaczmarczyk, im Interview für das Internetportal »ngo.pl«. Auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Konferenz, die in der Kanzlei der Ministerpräsidentin im März desselben Jahres stattfand, wurden über das Projekt informiert.
Die Argumente hinter der Idee wirkten verlockend. Die Regierungsbeamten zeigten sich überzeugt, dass es die Tätigkeit des Dritten Sektors verdiene, auf einer höheren Stufe verankert zu werden als in einer Abteilung eines bestimmten Ministeriums, konkret in der Abteilung für Gemeinnützigkeit des Ministeriums für Familie, Arbeit und Sozialpolitik. Der Umzug des Entscheidungszentrums in die Kanzlei der Ministerpräsidentin solle den Rang der gesellschaftlichen Aktivitäten in der Regierungspolitik erhöhen. Ähnliches galt für die Einrichtung des Komitees für Angelegenheiten der Gemeinnützigkeit, dem Vertreter aller Ressorts angehören würden. Außerdem, so wurde argumentiert, seien die zivilgesellschaftlichen Organisationen sehr unterschiedlich, weshalb es nicht zu verstehen sei, dass das Familienministerium die Angelegenheiten des gesamten Sektors koordiniere, also beispielsweise auch kultureller oder ökologischer Organisationen. Die Regierungsvertreter erklärten, das Ziel des Nationalen Zentrums (Narodowe Centrum), das damals noch nicht Nationales Freiheitsinstitut hieß, sei, die »kleinen und armen Initiativen« aus »verschiedenen Orten in Polen« zu unterstützen. Finanzielle Mittel sollten auch für die Stärkung der Organisationen selbst zur Verfügung gestellt werden und nicht nur zur Unterstützung oder Finanzierung ihrer Aktivitäten, wozu der neue Fonds zur Unterstützung der Entwicklung der Zivilgesellschaft (Fundusz Wspierania Rozwoju Społeczeństwa Obywatelskiego) eingerichtet werden solle, der seine Mittel aus den Einnahmen aus Glücksspielen erhalten solle. Angekündigt wurde die Unterstützung lokaler Medien und Kontrollinitiativen, und es wurde beruhigt, dass das Gesetz über das Nationale Freiheitsinstitut ausschließlich »Zuständigkeitscharakter« haben werde, d. h., dass die Kompetenzen vom Ministerium auf die Kanzlei übertragen würden und sich inhaltlich nichts ändern würde.
Insgesamt klang das alles zumindest interessant. Daher entschieden sich viele Akteurinnen und Akteure des Dritten Sektors – mit der unerlässlichen Dosis Kritik – den neuen Vorschlägen eine Chance zu geben. Viele von ihnen waren allerdings rasch enttäuscht.
Befürchtungen der NGOs
Die Forderung, eine neue Institution der Regierung bei der Kanzlei der Ministerpräsidentin einzurichten, klang zwar logisch in der Situation des mangelhaft ausgeprägten horizontalen und zwischenressortlichen Denkens in der Politik. Ihre Verwirklichung erforderte allerdings nicht die Erschaffung einer neuen Institution, die Ängste vor einer Zentralisierung weckte. Die Aktivistinnen und Aktivisten des Dritten Sektors fragten außerdem, wozu eine solche neue Institution mit neuem Budget und Beamten aufgebaut werden soll, wenn es doch allein um die Umsiedlung der einen Abteilung und ihres Haushalts, dem Fonds für zivilgesellschaftliche Initiativen (Fundusz Inicjatyw Obywatelskich – FIO), ging. Festzuhalten ist außerdem, dass die »kleinen und armen« Organisationen aus »verschiedenen Regionen Polens« auch früher im Rahmen des FIO Unterstützung erhalten hatten. Befürchtungen wurden auch von den Erfahrungen mit den Ministerien bestärkt, die Ausschreibungen zurückzogen, merkwürdige Entscheidungen im Widerspruch zu den Meinungen von Experten trafen oder Konsultationsgremien auflösten. Derlei Vorfälle hatten sich auch unter der Vorgängerregierung ereignet, allerdings vergrößerte sich das Ausmaß unter der PiS-Regierung beträchtlich. Auch wurden Organisationen, die sich in Bereichen einsetzen, die von der Regierung mit Argwohn betrachtet werden – Frauenrechte, Antidiskriminierungserziehung, Unterstützung für Ausländer, Naturschutz oder die Rechte sexueller Minderheiten –, von den finanziellen Mitteln abgeschnitten. Einer hoffnungsvollen Annahme der Ideen der Regierung halfen am Ende auch nicht die Aussagen hoher Vertreter, die suggerierten, dass früher nicht die richtigen Organisationen unterstützt worden seien und nun diejenigen Unterstützung erhalten würden, die bisher »übergangen« worden seien. Dies weckte Zweifel, ob die Gelder im Nationalen Zentrum in transparenten Prozeduren verteilt werden würden. Die Bewertung dieses Sachverhalts musste allerdings bis zur Veröffentlichung des Gesetzes warten, was kurz nach der Konferenz im März 2016 der Fall sein sollte.
Das geschah jedoch nicht. Hinzu kommt, dass die Entstehung des Nationalen Zentrums in die Schaffung einer umfassenderen Strategie eingebettet sein sollte, das ist das Nationale Programm der Entwicklung der Zivilgesellschaft (Narodowy Program Rozwoju Społeczeństwa Obywatelskiego). Bisher war von dieser Strategie nichts zu hören und zu sehen. Sie sollte von Expertengruppen erarbeitet werden, doch in mehreren Monaten trafen sie sich nur ein paar Mal, was etliche Mitglieder zu dem Schluss kommen ließ, dass die Experten als Fassade dienten, so dass sie auf die weitere Teilnahme verzichteten. Das Gesetz über das Nationale Freiheitsinstitut erblickte schließlich das Tageslicht und ist bisher der einzige Rechtsakt, der im Rahmen dieses Gremiums entstand. Nach mehrmaligen Ankündigungen, den Gesetzentwurf zu veröffentlichen, wurde er im November 2016 schließlich dem Internetportal »ngo.pl« zugespielt. Erst danach erschien er auch auf den Internetseiten der Regierung.
»Kompetenzgesetz« oder »wichtige Reform«?
Anberaumt wurden damals Konsultationen, die als langer und tiefreichender Prozess angekündigt worden waren. In der Tat dauerte er länger als erforderlich, allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass er in die Weihnachtszeit und die Zeit des Jahreswechsels fiel – eine mit Blick auf den Abschluss vieler Projekte besonders schwierige Zeit für viele Organisationen und zivilgesellschaftliche Akteure. Hinzu kommt, dass die ersten Informationstreffen (später wurden sie als Konsultationen bezeichnet) stattfanden, bevor der Gesetzentwurf offiziell überhaupt bekannt war…
Die zivilgesellschaftlichen Organisationen formulierten viel Kritik und Anregungen; ein Drittel davon wurde laut Erklärung der Regierung berücksichtigt. Die Idee, ein Nationales Zentrum einzurichten, stand allerdings nicht zur Diskussion – obwohl von 49 eingereichten Stellungnahmen 33 die dem Gesetz zugrunde liegende Idee in Frage stellten. In diesem Punkt hatten die Nichtregierungsorganisationen jedoch keine Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen.
Festzuhalten ist auch, dass viele kritische und fundamentale Kommentare zum Gesetzentwurf auch von Regierungsinstitutionen kamen, vor allem vom Regierungszentrum für Gesetzgebung (Rządowe Centrum Legislacji) sowie vom Gesetzgebungsrat bei der Vorsitzenden des Ministerrates (Rada Legislacyjna przy Prezesie Rady Ministrów). Beide Gremien stellten fest, dass der Gesetzentwurf nicht verfassungskonform sei. Die Berücksichtigung dieser Vorbehalte erforderte wesentliche Eingriffe in den Entwurf. Des Weiteren wurden auf der Sitzung des Ministerrates im Juni 2017 weitere Änderungen vereinbart, die nicht die Kritik der zivilgesellschaftlichen Organisationen aufnahmen und die auch keiner neuerlichen gesellschaftlichen Konsultation unterzogen wurden. Bekannt gemacht wurde dann die Tätigkeitsstruktur des Nationalen Freiheitsinstituts (zu diesem Namen war das Nationale Zentrum inzwischen gekommen) und seine Präambel. Die Präambel zum Gesetz – was nur ein »Kompetenzgesetz« sei, wie die Beamten versichert hatten – konsternierte die Vertreter des Dritten Sektors. Zu diesem Zeitpunkt begannen die Regierungsvertreter allerdings bereits von einer »wichtigen Reform« zu sprechen und einem Gesetz, das das System der Unterstützung der Organisationen deutlich reformiere. Die wiederholten Bitten, eine öffentliche Anhörung zu dem Entwurf durchzuführen, wurden immer wieder abgewehrt. In dieser Angelegenheit engagierten sich auch der Bürgerrechtsbeauftragte Adam Bodnar und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die kritische Stellungnahmen gegenüber dem Regierungsvorschlag abgaben.
Natürlich waren nicht alle Organisationen gegenüber den Ideen der Regierung kritisch eingestellt. Manche unterstützen sie vollkommen offen. Dies gilt vor allem für konservative, nationale und rechte Milieus im Dritten Sektor, die sich entschlossen, ebenfalls einen neuen Zusammenschluss ins Leben zu rufen – die Konföderation der Nichtregierungsinitiativen der Republik (Konfederacja Inicjatyw Pozarządowych Rzeczypospolitej – KIPR). Sie wurde offensichtlich als eine Art Gegenorganisation gegenüber dem einflussreichsten und auch zahlenstärksten Dachverband gegründet, und zwar der Gesamtpolnischen Föderation der Nichtregierungsorganisationen (Ogólnopolska Federacja Organizacji Pozarządowych – OFOP), die sich von Anfang an gegen die Idee des Nationalen Freiheitsinstituts gestellt hat. KIPR ist bisher ein kleiner und eher schwacher Zusammenschluss, dessen ungeachtet wird sie von der Regierung sehr ernst genommen, die beschloss, einen von der KIPR organisierten Kongress mit öffentlichen Geldern zu unterstützen. Dies sind insofern wichtige Ereignisse, als die Narration, die die Regierung während der Präsentation der neuen Möglichkeiten schuf, nicht nur das Versprechen enthielt, die »kleinen und armen« zu unterstützen, sondern auch die, die bisher angeblich vom Zugang zu den Mitteln ausgeschlossen gewesen waren (auch wenn Beweise einer solchen Praxis nie erbracht wurden). Auch in der Sphäre der Politik gegenüber der Zivilgesellschaft und ihren Institutionen tauchte in Polen also die Rhetorik des »Elitenaustausches« auf, gut bekannt aus Ungarn unter der Regierung von Viktor Orbán.
Zuwendungen ohne Ausschreibung
Die Geschichte des Entstehungsprozesses und der Konsultationen des neuen Gesetzes muss dargestellt werden, kann aber bis auf Weiteres zur Seite gelegt werden. Da das Gesetz schon den Gesetzgebungsprozess durchlaufen hat und vom Präsidenten unterschrieben wurde, gilt es nun zu betrachten, was es konkret beinhaltet, insbesondere die Aspekte, die als kontrovers oder schlicht gefährlich für die zivilgesellschaftliche Tätigkeit erachtet werden. Um die Gefahren zu fixieren, muss zunächst bewusst gemacht werden, von welchen finanziellen Summen hier die Rede ist. Bisher geht es um 100 Millionen Zloty, die an die Organisationen gehen sollen. 60 Millionen beträgt der Haushalt des Fonds für Zivilgesellschaftliche Initiativen. Der Fonds zur Unterstützung der Entwicklung der Zivilgesellschaft soll weitere 40 Millionen einbringen. Mit Blick auf den Staatshaushalt sind dies natürlich keine großen Summen, aus der Perspektive der Nichtregierungsorganisationen stellen die Mittel aber einen wesentlichen Teil ihres Budgets dar. Die beiden grundlegenden Fragen lauten daher: Wann kommen die Gelder sowie zu welchen Organisationen und nach welchen Prinzipien?
Seit Monaten sind die Mittel des Fonds für Zivilgesellschaftliche Initiativen eingefroren. Die Regierung gibt sich überzeugt, dass die Eile, die eine öffentliche Anhörung des Gesetzes unmöglich gemacht habe, auch dadurch bedingt gewesen sei, dass schnellstmöglich eine weitere Tranche des Fonds bereit gestellt werden konnte. In der Praxis verzögerte sich alles aber wieder und es fehlen konkrete Informationen, wann neue Ausschreibungen veröffentlicht werden.
Viel wichtiger und gefährlicher als diese Verzögerung ist allerdings die Gefahr, dass die verschiedenen Organisationen beim Zugang zu den finanziellen Mitteln ungleich behandelt werden. Dies bestätigt sich bereits in den verabschiedeten Vorschriften. Die Regierungsvertreter zeigten sich lange Zeit überzeugt, dass das neue Gesetz nicht in die bisher praktizierten Prozeduren der Ausschreibung, Durchführung und Entscheidung von Bewerbungen eingreifen wird. Diese Prozeduren ergeben sich aus dem Gesetz über gemeinnützige Tätigkeiten und das Ehrenamt (Ustawa o działalności pożytku publicznego i o wolontariacie) und sind das Ergebnis der jahrelangen Zusammenarbeit der Behörden mit den Vertretern der NGOs. Das Gesetz über das Nationale Freiheitsinstitut (Ustawa o Narodowym Instytucie Wolności – Centrum Rozwoju Społeczeństwa Obywatelskiego) ermöglicht allerdings, neue, parallel funktionierende Regeln einzuführen. Aus ungeklärten Gründen annulliert es die bisher verbindlichen Muster für Angebote, Verträge und Berichte für die Mittelausschreibungen, deren Prozedere vielfach erprobt war. Bis auf weiteres sind die neuen Vorlagen nicht bekannt und es nicht klar, was sie beinhalten.
Die Einführung anderer Regularien für die Bewilligung von Geldern als im Gesetz über gemeinnützige Tätigkeiten und das Ehrenamt festgehalten, ist das gefährlichste Element bei der Entstehung des Nationalen Freiheitsinstituts. Bei einem Teil der Ausschreibungen wird, laut Artikel 30 des Gesetzes über das Nationale Freiheitsinstitut, der Direktor des Instituts über die Verteilung der Gelder entscheiden; dafür wird er entsprechende Vorschriften festlegen. Finanzielle Mittel für die – außerordentlich wichtige! – institutionelle Entwicklung einer Organisation können dagegen sogar ohne Veröffentlichung einer Ausschreibung verteilt werden, wozu Artikel 31 des Gesetzes befugt. Wer Geld bekommt, kann der Vorstand des Nationalen Freiheitsinstituts entscheiden. Seine Arbeit wird zwar von einem beratenden Gremium begleitet, aber dessen Stimme ist nicht bindend. Außerdem sind Vertreter der NGOs darin in der Minderheit.
Ebenfalls eingeschränkten Einfluss werden die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Seite auf die Tätigkeiten des Komitees für Angelegenheiten der Gemeinnützigkeit haben, das die Zusammenarbeit zwischen den Ministerien im Rahmen der Unterstützung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten organisiert. Dessen Vorsitzender wurde der Kulturminister und stellvertretende Ministerpräsident Piotr Gliński (vgl. Polen-Analysen Nr. 25/2008), der Hauptideengeber der hier dargestellten Veränderungen. Es wurden allerdings keine Institutionen oder Gremien geschaffen, die die Arbeit des Komitees kontrollieren sollen.
Das fehlende Vertrauen zwischen den NGOs und der Regierung
Die Regierung versucht davon zu überzeugen, dass die Ausschreibungen des Nationalen Freiheitsinstituts transparent sein werden, dass der gleichberechtigte Zugang zu den finanziellen Mitteln gesichert sei und dass keine Rede davon sein könne, dass bestimmte Milieus im Kreis der NGOs bevorzugt werden sollen. Allerdings sollten solche Standards rechtlich festgelegt werden und nicht vom guten oder schlechten Willen eines Beamten oder einer Politikerin abhängen. Die Einführung dieser Art von Willkür birgt eine gefährliche Verführung und sogar, wenn – optimistisch betrachtet – die aktuelle Regierung dieser Verführung nicht erliegen sollte, kann sie sich für eine kommende Regierung als zu stark erweisen. Möchte das die heute regierende Mehrheit? Dies ist ein weiteres Beispiel für die Zerstörung von Standards und Prozeduren, die den zivilgesellschaftlichen Aktivitäten Vorhersehbarkeit garantierten.
Das Gesetz über das Nationale Freiheitsinstitut ermöglicht die Mittelvergabe für Nichtregierungsorganisationen zur Umsetzung eigener, manchmal kurzsichtiger und politischer Ziele. Im Ergebnis erweist sich der gleichberechtigte Zugang zu den Mitteln als Vertrauensfrage. Dieses besteht aber zwischen den Organisationen und der aktuellen Regierung nicht. Das ist übrigens nicht verwunderlich. Um das Vertrauen in die Regierung zu verlieren, reicht es, das Vorgehen einzelner Ministerien zu betrachten. Hier lässt sich beobachten, dass verdienstvollen und sehr erfahrenen Organisationen Mittel entzogen und Initiativen, die erst vor kurzem entstanden sind oder sich nicht mit dem betreffenden Thema beschäftigen, zugesprochen werden. Ein gutes Beispiel ist hier die Streichung von Zuwendungen für die Organisationen, die gegen Gewalt gegen Frauen einstehen. Das Justizministerium sagte, es wolle Organisationen zufinanzieren, die sich mit Gewalt unabhängig vom Geschlecht des Opfers auseinandersetzen. Diese Argumentation wäre vielleicht weniger absurd, wenn nicht die Frauen in Polen 97 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt darstellen würden. Ein anderes Beispiel: Das Umweltministerium überwies große Mittel an eine Stiftung, die vom Gründer der regierungsnahen Zeitung »Gazeta Polska« geführt wird, für den Aufbau eines Internetportals zum Białowieża Urwald in Nordostpolen (der infolge des Handelns der Regierung brutal zerstört wird). Gleichzeitig werden die ökologischen Aktivisten, die versuchen, den Urwald zu schützen, von staatlichen Ordnungskräften schikaniert und manchmal sogar geschlagen. Weiter: Das Innenministerium erschwert Organisationen, die sich für Ausländer und Migranten einsetzen, systematisch den Zugang zu Mitteln der Europäischen Union; das Außenministerium tätigt Zuzahlungen an Organisationen, die die in der Ausschreibung des Ministeriums genannten Anforderungen nicht erfüllen. Im Bildungsministerium lässt sich dagegen beobachten, dass die Ausschreibung zur Organisation von Konsultationen zu den Reformen im Bildungswesen wiederholt veröffentlicht und abgesagt wurde.
Es gibt noch mehr solcher Beispiele. Natürlich sind sie nicht alle gleichgewichtig. Manche lassen sich einfach als natürliche Umsetzung der politischen Agenda der Regierung klassifizieren, die Tätigkeiten unterstützt, die ihren Zielen und Werten näher stehen. Es ist allerdings schwierig, die Finanzierung von Organisationen zu verteidigen, die sich für die Durchführung bestimmter Tätigkeiten nicht durch entsprechende Kompetenzen ausweisen können. Noch mehr beunruhigen die Aktivitäten der Exekutive – der Polizei und der Staatsanwaltschaft – gegenüber regierungskritischen Organisationen. Dies betrifft nicht nur ökologische Verbände, sondern auch Frauenorganisationen. Einen Tag nach den Frauenprotesten gegen die Regierungspolitik im Oktober 2016 beschlagnahmte die Polizei in den Büros von mehreren Organisationen Computer, Speichermedien und Dokumente. Zwar wird gegen Beamte der Vorgängerregierung ermittelt und nicht gegen die Organisationen selbst, aber selbst wenn den Organisationen keine Vorwürfe drohen, bewirkt ein solches Vorgehen einen gewissen »Erstarrungseffekt«, der keine weiteren Tätigkeiten erlaubt. Dies ist ein weiteres Beispiel für die Inspiration der polnischen Regierung von den ungarischen Machthabern.
Vertrauen der NGOs gegenüber der Regierung wecken schließlich auch nicht die Aussagen von Regierungsmitgliedern, die die Organisationen in gute und schlechte einteilen oder auf Treffen mit bestimmten zivilgesellschaftlichen Organisationen sagen: »Ihr seid die wahre Zivilgesellschaft« (wie es der stellvertretende Ministerpräsident Gliński tat). Auf die Stimmung unter den zivilgesellschaftlichen Aktivisten wirkt auch die regelmäßig wieder aufgenommene Hetzjagd auf Nichtregierungsorganisationen, die das öffentliche Fernsehen (TVP), vor allem die Hauptnachrichtensendung »Wiadomości«, veranstaltet, das sich vollständig in den Händen der PiS befindet. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Zivilgesellschaft nicht allein auf die Tätigkeiten von Nichtregierungsorganisationen beschränkt. Der Zustand der Zivilgesellschaft wird auch durch die Medien- und die Versammlungsfreiheit, die Rechtsstaatlichkeit und das gesellschaftliche Vertrauen beeinflusst. Gelinde gesagt, stimmen die Aktivitäten der aktuellen Regierung in diesen Bereichen einen großen Teil der zivilgesellschaftlichen Akteure nicht allzu optimistisch. Der Kontext anderer Regierungstätigkeiten, die nicht unbedingt direkt mit den NGOs selbst in Verbindung stehen, sondern weiter gefasst mit der Aktivität der Zivilgesellschaft, ist hier von Bedeutung, ähnlich wie die Maßnahmen mit dem Ziel, die Gerichte der politischen Macht unterzuordnen. Bereits zu Beginn der Vorbereitungen für die Berufung des Nationalen Freiheitsinstituts gab ein Teil der Akteure von Nichtregierungsorganisationen bekannt, dass er nicht mit einer Regierung zusammenarbeiten werde, die die Unabhängigkeit des Verfassungstribunals zerstört. Je länger die Regierungszeit der PiS dauert, desto mehr Akteure treffen eine ähnliche Entscheidung.
Die norwegischen Fonds – ein gutes Zeichen
Ein gesonderter, aber sehr wesentlicher Pfad der Politik der polnischen Regierung gegenüber der Zivilgesellschaft sind die sogenannten norwegischen Fonds sowie die Fonds der Europäischen Wirtschaftszone. Das sind Mittel, die Norwegen (sowie auch Island und Liechtenstein) vor allem den Ländern Ostmitteleuropas im Tausch für den Zugang zum Markt der EU zahlen. Die Gelder sind für sehr unterschiedliche Investitionen und Initiativen bestimmt. Ein Teil davon unterstützt auch die Entwicklung der Zivilgesellschaft.
Die Machtübernahme der PiS fiel in die Endphase einer Programmlaufzeit der norwegischen Fonds. Es begannen Verhandlungen, die die Ausrichtung für die kommenden Jahre bestimmen sollten. Schnell stellte sich heraus, dass die Gespräche nicht leicht werden würden. Bei der letzten Auflage war die Stefan Batory-Stiftung (Fundacja im. Stefana Batorego) Verwalter der Mittel für die zivilgesellschaftlichen Organisationen gewesen, eine zweifellos große, erfahrene und verdienstvolle Organisation, die allerdings auch mit liberalen oder linken Werten assoziiert wird, was die polnische Regierung stört. Außerdem war bei der Aufsetzung des Programms George Soros beteiligt, der bereits in Ungarn und allmählich auch in Polen als Symbol von allem Bösen der europäischen Politik gehandelt wird. Es war klar, dass die polnische Regierung nicht zustimmen würde, dass die Batory-Stiftung erneut der Verwalter der norwegischen Fonds werden wird. Sie optierte dafür, dass das Nationale Freiheitsinstitut diese Rolle übernehmen würde, was aber von der norwegischen Seite nicht akzeptiert wurde, die an ihrem Standpunkt festhielt, dass die finanziellen Mittel von einer Nichtregierungsorganisation oder von einem Konsortium verteilt werden sollen. Nach langen und schwierigen Gesprächen wurde schließlich eine Verständigung erzielt, nach der die Vertreter der polnischen Seite und die Geldgeber die Verwalter der Fonds wählen, die in zwei Bereiche – Gesamtpolen und regional – geteilt werden. Die Verwalter sollen Koalitionen aus Organisationen sein und nicht eine einzige Stiftung oder Gesellschaft. Im Konfliktfall soll der Geldgeber die entscheidende Stimme haben.
Das Aushandeln des Kompromisses (und allein die Bereitschaft zum Kompromiss) durch die polnische Regierung war mit Sicherheit eine gute Nachricht für die Nichtregierungsorganisationen. Es geht um die Summe von 53 Millionen Euro, was für die polnischen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten eine sehr wichtige Finanzspritze ist. Es ist auch eine gute Nachricht für Polen, denn dank der Einigung in diesem letzten Bereich, also der Unterstützung der Zivilgesellschaft, werden auch die Mittel für den Schutz der Gesundheit, der Umwelt und für den Energiebereich aktiviert. Es ist außerdem ein Zeichen, dass die polnische Regierung nicht in allen Bereichen einen so harten Kurs wie Viktor Orbán einschlägt: In Ungarn befinden sich die Verhandlungen über die norwegischen Fonds immer noch an einem toten Punkt.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Es hat bereits die nächste Etappe der Gestaltung der Beziehungen zwischen der polnischen Regierung und den zivilgesellschaftlichen Organisationen begonnen. Die Entstehung des Nationalen Freiheitsinstituts hat zur Folge, dass die Regierung nicht weiter auf alle Fragen zu den umfangreichen Veränderungen ihre rituelle Antwort »zunächst berufen wir das Institut, dann kümmern wir uns um den Rest« geben kann. Wesentlich ist jetzt, was in dem Nationalen Programm zur Entwicklung der Zivilgesellschaft stehen wird, das bisher die Sphäre der Ankündigung nicht überschritten hat, und ob die verschiedenen Forderungen der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die ihnen das Funktionieren erleichtern sollen, umgesetzt werden. Und wenn ja, dann welche, denn auf der einen Seite tauchen wenig kontroverse Ideen zu Steuererleichterungen für philanthropische Programme oder Programme, die das Ehrenamt unterstützen, auf; auf der anderen Seite stehen die bedrohlichen Ideen im Raum, die Finanzierung von ausländischen NGOs zu beschränken oder die NGOs zu schikanieren, die vom Ausland unterstützt werden. In welche Richtung die künftige Politik der Regierung gegenüber den Nichtregierungsorganisationen gehen wird, ist schwer vorherzusagen. Die Zivilgesellschaft in Polen ist allerdings darauf vorbereitet, das Regierungshandeln zu kontrollieren und gegebenenfalls Alarm zu schlagen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es den Organisationen auch gelingen wird, die Pläne der Regierung aufzuhalten – die Entstehung des Nationalen Freiheitsinstituts ist das beste Beispiel für die beschränkten Möglichkeiten der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure.
Bis auf weiteres ist die genaue Beobachtung und Bewertung der Tätigkeiten des Nationalen Freiheitsinstituts eine ebenso wichtige Aufgabe. Es lässt sich heute noch nicht feststellen, dass die Gelder nach ideologischen und politischen Gesichtspunkten verteilt werden, wie es in einigen Ministerien der Fall ist. Vielleicht führt das Nationale Freiheitsinstitut hier eine neue Qualität in das Regierungshandeln ein. Garantiert wird dies von den rechtlichen Lösungen, die das Gesetz beinhaltet, jedoch nicht. Die Frage, ob die Gelder zur Unterstützung lokaler Medien und Kontrollorganisationen, die den Machthabern auf die Finger schauen sollen, vor den Regionalwahlen im Herbst 2018 die Gemeinden erreichen, in denen die PiS regiert, ist ebenfalls offen. Allerdings gibt es keinen Mechanismus, der Manipulationen bei diesen Entscheidungen blockieren könnte. Deshalb ist das Engagement der NGOs in diesen Angelegenheiten so wesentlich. Zu fragen wäre auch, welche Ministerien im Komitee für Angelegenheiten der Gemeinnützigkeit tatsächlich eine starke Position einnehmen werden, und ob der Vorsitzende auf die verschiedenen anti-zivilgesellschaftlichen Aktivitäten einzelner Minister (insbesondere der stärksten in der Regierung) wird reagieren wollen und können.
Man kann natürlich die Hoffnung haben, dass diese Fragen angesprochen werden, der Zugang zu den finanziellen Mitteln gleichberechtigt sein wird, dass Organisationen des gesamten weltanschaulichen Spektrums unterstützt werden, dass sogar solche Initiativen unterstützt werden, mit denen die Regierung aktuell nicht unterwegs ist, und alles unter Einhaltung aller Standards transparent vonstattengehen wird. Solche Angelegenheiten sollten sich jedoch nicht auf Hoffnung, Vertrauen und Glauben an den guten Willen, sondern auf ein korrekt geschriebenes und ordentlich konsultiertes Gesetz stützen. Doch so lange es ein solches Gesetz nicht gibt, kann man natürlich hoffen. Dass sich nur nicht das polnische Sprichwort als schmerzlich wahr erweisen möge »die Hoffnung ist die Mutter der Dummen«!
Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate